Knochenfraß

[183] Knochenfraß (Beinfäule, Caries), eine mit Auflösung des Knochengewebes einhergehende Knochenentzündung (Ostitis), die ihren Ausgang von den Weichgebilden des Knochens, von der Beinhaut oder dem Markgewebe oder den Gefäßen nimmt, da die kompakte harte Knochensubstanz sich nicht entzünden, sondern nur als leidender Teil in den Prozeß einbezogen werden kann. Diese zerfällt daher auf dem Wege der langsamen Einschmelzung; ein Stück nach dem andern bricht zusammen (colliquatio), so daß ein derart zerstörter Skeletteil nach dem Macerieren und Trocknen wie zerfressen aussieht, woher der Name K. abgeleitet ist. Diese Einschmelzung des Knochens kommt durch die Bildung von Granulationsgewebe zustande, das allmählich das Knochengewebe auflöst und verdrängt. In der Regel ist dieser Prozeß mit Eiterung verbunden (Knochengeschwür). Jeder Knochen kann durch eiterige Entzündungen, Geschwürsbildungen in seiner Umgebung, z. B. durch Gelenkentzündungen, dem K. verfallen; allein vorzugsweise leiden daran die mehr weichen, schwammigen Wirbelknochen, die Mittelohrknochen, die kleinern Knochen der Hand- und Fußwurzel. Sehr oft ist das Übel eine Teilerscheinung der Skrofulose oder der Tuberkulose, zu letzterer gehören z. B. das Pottsche Übel (s. d.) und die als Tumor albus bekannte fungöse Gelenkentzündung am Knie. Manche Fälle von K. der Wirbel und Kiefer sind auf die Wirkung der Strahlenpilze zurückgeführt worden (s. Aktinomykose). Zuweilen gehen durch den K. größere oder kleinere Knochenstücke aus Mangel an Blutzufuhr in Knochenbrand über, so daß bei allen alten Prozessen derart beide Vorgänge gepaart verlaufen. Der schleichende trockne K. (caries sicca) syphilitischer Personen verläuft ohne Eiterbildung, er ist eigentlich eine Schmelzung der Knochenrinde durch Entwickelung flacher, vernarbender Gummigeschwülste; sein Sitz sind vor allem die platten Schädelknochen, namentlich das Stirnbein. Die Krankheitserscheinungen des Knochenfraßes sind Schmerzhaftigkeit, Schwellung, später Rötung und schließlich, bei Durchbruch des Prozesses nach außen, Fistelgänge, aus denen sich bei den eiterigen Formen der Eiter entleert. Der K. ist nach Dauer und Ausbreitung des Prozesses sehr verschieden in bezug auf seinen Ausgang; während die Zerstörung einiger Zahnwurzeln oder ihrer Alveolen ein kleines Übel ist, haben umfängliche Eiterungen der Wirbel, des Beckens und der großen Röhrenknochen nicht selten den Tod an Erschöpfung, amyloide Entartung oder Tuberkulose im Gefolge. Die Behandlung richtet sich womöglich gegen die Ursachen, z. B. Gelenkleiden, Fußgeschwüre, Syphilis, Skrofulose etc. Die Ostitis selbst ist zunächst mit Vermeidung aller Bewegungen und jeden Druckes auf die kranken Glieder zu behandeln; für Abfluß etwa vorhandenen Eiters muß Sorge getragen werden; im übrigen muß für Erhaltung der Kräfte durch gute Nahrung und frische Luft gesorgt werden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 183.
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