Lebende Bilder

[281] Lebende Bilder (franz. Tableaux vivants), Darstellungen von Werken der Malerei und Plastik durch lebende Personen, die schon im römischen Altertum bei festlichen Gelagen von Gauklern und Tänzern, gewöhnlich am Schlusse von Pantomimen, zur Anschauung gebracht wurden. Von Rom verbreiteten sie sich über das Abendland, und namentlich nach Byzanz, wo sich die spätere Kaiserin Theodora, die Gemahlin Justinians 1., die in ihrer Jugend Tänzerin und Pantomimistin gewesen war, in Attitüden hervortat. In neuerer Zeit wurde das Genre durch Frau v. Genlis (s. d.), die Erzieherin der Kinder des Herzogs von Orléans, wieder belebt, die zur Belehrung und Unterhaltung ihrer Zöglinge dergleichen Darstellungen arrangierte und sich dabei der Hilfe der Maler David und Isabey bediente. Bekannter sind die Vorführungen besonders antiker Statuen durch Lady Hamilton (s. d. 8, S. 695 f.). Auf der königlichen Bühne in Berlin machte man zuerst mit Erfolg den Versuch, solche l. B. auch dem größern Publikum zugänglich zu machen. Auch sonst bedient man sich bei besondern Anlässen, Festvorstellungen, Traumerscheinungen etc. auf der Bühne der lebenden Bilder. Während der Dauer der Schaustellung eines Bildes ist die richtige unbewegliche Beleuchtung des Hauptpunktes genau zu beachten. Bei komischen Bildern läßt man auch wohl vor den Augen der Zuschauer die Stellung verändern, so daß der Effekt noch vermehrt und gesteigert wird. In neuerer Zeit werden l. B. besonders auf den sogen. Spezialitätentheatern gestellt, auf denen Marmorfiguren und -Gruppen nach antiken und modernen Vorbildern und vollständige Bilder unter wechselnder Beleuchtung von lebenden Menschen reproduziert werden. – Lebende Lieder heißen dramatische Gesangsaufführungen mit hervortretender Mimik nach Art der lebenden Bilder, auf kleiner Bühne namentlich kurze dramatische Gesangsszenen der Brettl-Theater, die zwischen wenigen Personen spielen. Vgl. Wallner, Tausend Sujets zu lebenden Bildern (4. Aufl., Erfurt 1895); Sédouard, Buch der lebenden Bilder (2. Aufl., Berl. 1900); umfangreichere Sammlungen (mit Text) sind Blochs »Galerie lebender Bilder« (Berlin) und die »Sammlung lebender Bilder« (Mühlhausen).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 281.
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