[90] Erzieherin, früher meist französisch Gouvernante genannt, Gehilfin oder Vertreterin der Mutter in der häuslichen Erziehung der Töchter. Die Annahme einer E. ist oft in wohlhabendern Häusern, namentlich auf dem Lande, wo höhere Mädchenschulen nicht erreichbar sind, Bedürfnis. Im 18. und teilweise noch im 19. Jahrh. bezog man in Deutschland die Gouvernanten mit Vorliebe aus Frankreich oder der französischen Schweiz, da man höhere weibliche Bildung nur zu oft ausschließlich in der Kenntnis französischer Sprache und Literatur suchte. Die E. wird dagegen heute vorwiegend im Kreis der pädagogisch vorgebildeten und geprüften deutschen Lehrerinnen (s.d.) gesucht. Geboten ist dies jedoch, wenigstens in Preußen, nicht; denn Erzieherinnen (Hauslehrerinnen) bedürfen (nach der Instruktion des Staatsministeriums vom 31. Dez. 1839) zur Ausübung ihres Berufs nur eines Befähigungsscheins, den die zuständige Bezirksregierung nach Prüfung des sittlichen und politischen Vorlebens, also ohne Rücksicht auf die berufliche Vorbildung, ausstellt. Dagegen haben die zuständigen staatlichen Schulinspektoren das Recht, von dem Unterricht der E. Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, ob er (vgl. Allgemeines Landrecht, Teil II, Titel 11, § 7) mindestens dem Lehrplan einer öffentlichen Volksschule entspricht. Nach dem allgemeinen Landrecht (Teil II, Titel 5, § 187ff.) sind Erzieherinnen nicht für bloße Hausoffizianten (Dienstboten) zu halten und nicht zu häuslichen Diensten verbunden, haben vielmehr, als Glieder der Familie, Anspruch auf anständige Bedienung durch das Gesinde. Wegen bloßer, nicht in Mißhandlung ausartender Züchtigung der Kinder können sie nur dann entlassen werden, wenn im Vertrag körperliche Züchtigungen ausdrücklich ausgeschlossen sind. Die deutschen Erzieherinnen in Großbritannien (London 1876) und Frankreich (Paris 1886) haben sich zu besondern Vereinen zusammengetan, die durch Rat und Tat in ihren Kreisen segensreich wirken. Vgl. die Artikel »Lehrerinnen, Lehrerinnenheim, Lehrerinnenpensionsanstalt«.