Leichenvergiftung

[364] Leichenvergiftung (Leicheninfektion). Im Leichnam des Menschen und der Tiere treten sofort nach dem Tode chemische Prozesse ein, die zunächst die Säfte und Weichteile betreffen und sich im allgemeinen als Fäulnis charakterisieren. Es werden dabei eigentümliche, erst zum Teil als »Leichenalkaloide« erkannte Substanzen gebildet, die, wenn sie auch nur in geringer Menge durch eine kleine Verletzung oder Wunde der Haut in die Körpersäfte gelangen, daselbst örtliche und allgemeine Entzündungen erregen. Es ist wahrscheinlich, daß in den leichtern Fällen ein chemisches Gift allein wirksam ist; alle heftigern Entzündungen, die mit Schwellung der Lymphdrüsen und Fieber verbunden sind, beruhen auf Ansteckung mit in der Leiche vorhandenen Bakterien und stehen daher den Wundinfektionskrankheiten gleich. Der Verlauf ist daher ebenso mannigfach und von der Bösartigkeit der eingeimpften Bakterien abhängig wie bei den Wundkrankheiten. Man vermeidet die L. dadurch, daß man alle etwaigen wunden Stellen der Hände mit wasserdichtem Pflaster und Kollodium verschließt und dann die Haut einfettet. Hat man sich bei der Sektion verletzt, so lasse man die Wunde möglichst bluten, sauge sie aus und spüle sie längere Zeit mit desinfizierenden Lösungen (1proz. Lysol). Die weitere Behandlung der L. ist diejenige infizierter Wunden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 364.
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