Substánz

[163] Substánz (lat.), im gewöhnlichen Sinne soviel wie Materie, Stoff. In der Philosophie das den wahrnehmbaren Eigenschaften, Zuständen und Wirkungen zugrunde Liegende, sie Bedingende, somit das eigentliche und letzte Reale an den Dingen, das nicht wieder als Eigenschaft, Zustand oder Wirkung eines andern betrachtet werden kann, und somit im Unterschiede von den genannten wechselnden Akzidenzien beharrlich existiert. Neben der Beharrlichkeit (Unzerstörbarkeit) gehört die Einfachheit zu den Grundbestimmungen der S., da Dasein und Beschaffenheit des Zusammengesetzten von dem Dasein und der Beschaffenheit der Teile abhängt. Ferner kann die S. als das den wahrnehmbaren Erscheinungen zugrunde Liegende niemals selbst Gegenstand der Wahrnehmung werden, weshalb alle Annahmen über die Natur der Materie (der von der Naturwissenschaft angenommenen S. der Körperwelt) sowohl als der der Seele (der von der Psychologie vorausgesetzten S. der innern Welt) immer Hypothesen bleiben müssen. Ja es kann nicht mit Bestimmtheit behauptet werden, ob die Materie und die Seele überhaupt eigentliche, absolute Substanzen sind, oder ob sie etwa von einem noch tiefern Seinsgrund abhängen. Ebenso herrscht darüber, ob es überhaupt mehrere absolute Substanzen (wie der Dualismus und der Pluralismus behaupten) oder nur eine gebe (wie der Monismus lehrt), ob die mehreren Substanzen gleichartig seien (wie die Monaden des Leibniz) oder von zweierlei Art (Geister und Körper), ob ferner die S. (bez. die Substanzen) geistiger, materieller oder indifferenter Natur seien, unter den Metaphysikern ein schwerlich je endgültig zu entscheidender Streit, der Veranlassung gegeben hat, die Realität der S. überhaupt zu bezweifeln und sie (mit Kant) für einen bloßen Verstandesbegriff zu erklären.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 163.
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