[594] Lippen (Labia), die beiden wulstigen Ränder der Mundöffnung, Hautfalten, die einander bis zum Verschluß des Mundes genähert werden können. Bei den Wirbeltieren geschieht dies durch einen den Mund kreisförmig umgebenden Muskel; die L. selbst sind außen mit der allgemeinen (beim Menschen hier äußerst dünnen) Körperhaut, innen von der Mundschleimhaut überzogen und gewöhnlich mit Drüsen versehen (s. Tafel »Mundhöhle«). Häufig dienen sie als Tastorgane und sind dann mit Nerven reichlich ausgestattet. Beim Menschen sind sie in ihrer Mittellinie durch eine kleine Schleimhautfalte, das Lippenbändchen, mit dem Zahnfleisch verbunden. Die Abbildung auf S. 595 zeigt einen schematisierten Querschnitt durch die Haut der Lippe in etwa 75maliger Vergrößerung. Die Oberhaut nimmt nach rechts in der Hornschicht an Dicke ab, die Papillen werden größer; ihre durchschimmernden Gefäße bedingen das Lippenrot. In der äußersten Papille ist ein Tastkörperchen dargestellt. Das Wollhaar links ist marklos, die Barthaare enthalten Rinde und Mark. Jedes Haar hat seine Talgdrüse, eine mehrkammerige, beerenartige (acinöse) Einstülpung der Oberhaut, deren aus Fettkörnchen bestehendes Sekret Hauttalg genannt wird. Die Wand besteht aus polygonalen Zellen. Zur Entleerung des Sekrets dient außer dem Druck der nachfolgenden Massen auch der glatte Muskel m, der die Drüse fächerartig umgibt und vermöge seines Ansatzes an dem untern Teil des Haares dasselbe emporzieht. Die Schweißdrüsen haben einen langgestreckten[594] Ausführungsgang, die knäuelförmige (tubulöse) Drüse liegt in der Tiefe der Haut und ist ein blind endender, vielfach gewundener Schlauch. Das rechte Haar ist in der ganzen Länge getroffen, unten daneben eins im Querschnitt gezeichnet. Die Schichten sind: der bindegewebige Haarbalg, die Glashaut, als Grenzschicht gegen den epithelialen Teil; die äußere und innere Wurzelscheide, dann eine nicht bezeichnete, dem hellen Strich entsprechende Schicht, in der das stets schräg gestellte Haar spiralig emporwächst, dann Rinde und Mark des Haarschaftes. Der Zusammenhang mit den Schichten der Oberhaut ist aus der Zeichnung leicht ersichtlich. Die Ernährung des Haares geht von den Gefäßen der bindegewebigen Haarpapille aus. Links ist eine starkwandige Arterie, rechts die Muskelprimitivbündel des Schließmuskels des Mundes quer getroffen. Bei Säuglingen hat die innere Zone der Schleimhaut zottenähnliche Hervorragungen, die beim Saugen durch den (bei den Erwachsenen relativ schwächern) sogen. Saugmuskel an die Brustwarze der Mutter fest angedrückt werden. Beim Mann sind sie mit starken Haaren (s. Bart) umgeben. Die L. gesunder Personen sind infolge des Reichtums an Blutgefäßen hochrot, bei blutarmen und bleichsüchtigen blaß, bei Herz- und Lungenkranken bläulich. Im übertragenen Sinne sind L. die eine Öffnung umgebenden Falten. Bei der äußern Schädlichkeiten sehr ausgesetzten Lage der L. und bei ihrem Gefäßreichtum sind Erkrankungen der L. keine Seltenheit. Angeboren ist die Lippenspalte oder Hasenscharte (s. d.). Die Doppellippe findet sich am häufigsten an der Oberlippe und ist dadurch charakterisiert, daß sich unter dem Lippenrot ein mehr oder weniger dicker, wurstartiger Wulst bildet, der durch eine Furche von der eigentlichen Lippe abgesetzt ist und daher den Anschein einer doppelten Lippe bewirkt. Häufig, besonders an der Unterlippe und bei ältern Männern, bildet sich an den L. eine Krebsgeschwulst (Lippenkrebs), indem sich zunächst ein kleines Knötchen in der Haut der Lippe zeigt, das langsam wächst, bis die über ihm liegende Haut geschwürig zerfällt und eine höckerige Geschwürsfläche erscheint. Unter Weiterwucherung der Geschwulst zerfallen die krebsig infiltrierten Teile. Dabei werden die benachbarten Lymphdrüsen ergriffen und ebenfalls in Krebsgeschwülste umgewandelt. Die Krankheit heilt nie von selbst, durch frühzeitige Ausschneidung des Krebsknotens wird aber oft vollständige Heilung herbeigeführt. Erfolgt die Operation zu spät, so entwickeln sich im Operationsgebiet ähnliche Geschwulstmassen, bis endlich der Kranke an Erschöpfung zugrunde geht.