Ernährung

[55] Ernährung, die Gesamtheit der physiologischen Vorgänge, durch welche die Organismen die zu ihrem Aufbau und ihrem Lebensunterhalt erforderlichen Stoffe aus der Außenwelt aufnehmen und verarbeiten. Vom chemischen Standpunkt aus gestalten sich[55] diese Prozesse für sämtliche Organismen zu einem außerordentlich einfachen Kreislauf: die Pflanzen (s. Ernährung der Pflanzen) vermögen aus der anorganischen Natur gewisse Substanzen sich anzueignen und zu Bestandteilen ihres eignen Körpers umzuwandeln, während die Tiere ihre Nahrung aus dem Pflanzenreich entnehmen (die fleischfressenden Tiere nur mittelbar) und dafür die von ihnen verbrauchten Substanzen an den Boden und die Luft zurückgeben, aus denen sie die Pflanze für das organische Leben gewonnen hatte und wiedergewinnt. Die Pflanze nimmt aus der Atmosphäre und aus dem Boden eine Reihe anorganischer Stoffe von einfacher chemischer Konstitution als Nahrungsmittel in sich auf, zerlegt sie unter dem Einfluß des Sonnenlichts, scheidet aus ihnen den Sauerstoff ab und gruppiert die übrigbleibenden Elemente jener Verbindungen so um, daß organische Stoffe von komplizierterer chemischer Konstitution daraus hervorgehen, während ihr Sauerstoff an die Atmosphäre abgegeben wird. Der Tierkörper dagegen wandelt die aus der Pflanzenwelt entnommenen organischen Stoffe wiederum in einfachere anorganische oder diesen nahestehende Stoffverbindungen um, indem er sie verbrennt, d. h. indem sie sich mit dem aus der Atmosphäre eingeatmeten Sauerstoff verbinden. Die Rolle, welche die Pflanzen im Kreislauf des Stoffes spielen, ist also derjenigen der Tiere gerade entgegengesetzt. Denn die Pflanze erzeugt aus Kohlensäure, Wasser und Ammoniak, die sie aus Luft und Boden aufnimmt, Eiweißstoffe, Fette und Kohlehydrate, indem sie gleichzeitig Sauerstoff ausscheidet. Das Tier dagegen verzehrt die Eiweißstoffe, die Fette und Kohlehydrate, zersetzt sie mit Hilfe des eingeatmeten Sauerstoffes und erzeugt dabei Kohlensäure, Wasser und Ammoniak (oder einfache Ammoniakverbindungen), die ausgeschieden werden. Mit diesem Kreislauf des Stoffes geht Hand in Hand ein Kreislauf der Kraft. Die assimilatorische Tätigkeit des Pflanzenkörpers geschieht nur unter dem Einfluß des Sonnenlichts und eines bestimmten Wärmegrades; die Pflanze verbraucht Wärme, dafür aber häuft sie in ihren Produkten eine entsprechende Masse von Spannkräften, potentielle Energie, auf, die später wieder in lebendige Kraft, kinetische Energie, umgesetzt werden kann. Letzteres geschieht durch den Tierkörper, denn indem dieser die als Nahrung aufgenommenen Pflanzenstoffe verbrennt, erzeugt er kinetische Energie, die teils als Wärme, teils als mechanische Arbeit des Tieres in die Erscheinung tritt (vgl. Energie, S. 780). Ein organischer Nährstoff ist daher für die, E. des Tieres um so wertvoller, je größer die Summe von Spannkräften ist, die er repräsentiert. Einen Maßstab dafür gibt die Wärmemenge, die der betreffende Stoff bei vollständiger Verbrennung liefert (Verbrennungswärme).

Der Tierkörper bedarf zu seiner E. auch anorganischer Nährstoffe. Solche sind freier Sauerstoff, der mit der atmosphärischen Luft eingeatmet wird und die Verbrennungsprozesse im Körper veranlaßt, ferner das Wasser, das als allgemeines Lösungsmittel der übrigen Körperbestandteile dient, und endlich gewisse Salze, namentlich Kochsalz, phosphorsaurer und kohlensaurer Kalk etc.

Bedeutung der einzelnen Nährstoffe.

1) Die Eiweißkörper oder Proteïne sind stickstoffhaltige Körper von sehr komplizierter chemischer Konstitution; ihre Zuführung ist unerläßlich, weil die Gewebe des Körpers größenteils aus ihnen bestehen, und der Organismus beständig, sogar beim Hungern, Eiweiß zersetzt. Eiweißkörper sind die teuersten von allen Nährstoffen; eine rationelle E. strebt deshalb dahin, nicht mehr Eiweiß zu verzehren, als für den Organismus erforderlich ist. Dieses Quantum ist viel sach überschätzt worden, indem man irrtümlich mit Liebig annahm, daß die Muskelarbeit wesentlich auf Kosten der Eiweißkörper geschehe, während Kohlehydrate und Fette niemals zur Arbeitsleistung, sondern nur zur Wärmebildung dienen sollten. Von und Pettenkofer fanden aber, daß auch während der stärksten Muskelarbeit der Eiweißzerfall im Organismus nicht größer ist als während der Ruhe. Danach sind also nicht die Eiweißkörper, sondern die stickstofffreien Nährstoffe die Quellen der Muskelkraft; wenn aber trotzdem eiweißreiche Kost den Organismus zu größerer Energie befähigt, so führt man dies darauf zurück, daß nur eiweißreiche Organe energisch zu funktionieren vermögen, daß aber ein bedeutender Eiweißgehalt der Organe nur durch eine verhältnismäßig große Eiweißzufuhr erhalten werden kann. Immerhin ist die Frage nach der Quelle der Muskelkraft und damit die nach der Bedeutung der Eiweißkörper noch nicht als entschieden zu betrachten. Neuerdings ist wieder Pflüger gegen die Richtigkeit der oben dargelegten Anschauungsweise eingetreten.

Aus der Zersetzung des Eiweißes im Organismus geht eine Reihe stickstoffhaltiger Produkte hervor, die durch die Nieren ausgeschieden werden; das wichtigste derselben ist der Harnstoff. Bei gesteigerter Eiweißzufuhr wird die Harnstoffausscheidung vermehrt, umgekehrt zersetzt der hungernde Organismus nur geringe Mengen von Eiweiß; der Organismus zeigt also das Bestreben, sich seinen Eiweißgehalt zu sichern. Übrigens genügt eine Nahrung, die genau so viel Eiweiß enthält, wie im Hungerzustand zerstört wird, auch nicht annähernd zur Erhaltung des Organismus; dieser büßt vielmehr unter solchen Verhältnissen mehr und mehr an Körpermasse ein und geht schließlich nicht viel später zugrunde als bei Entziehung der ganzen Nahrung. Ein Fleischfresser braucht zum Fristen eines selbst kümmerlichen Daseins mindestens 21/2mal soviel Eiweiß, wie seinem Hungerumsatz entspricht. Ob ein Mensch sich vom Eiweiß allein zu erhalten vermag, ist zweifelhaft. Für den Fleischfresser haben allerdings Von und Pflüger bewiesen, daß er sich dauernd mit fettfreiem Fleisch, also mit einer Kost, die fast ausschließlich aus Eiweiß, Wasser und Salzen besteht, erhalten kann. Allerdings müssen dann sehr große Fleischmengen aufgewendet werden.

Die wichtigsten eiweißhaltigen Nahrungsmittel liefert uns das Tierreich (Fleisch, Milch, Käse, Eier); unter den Vegetabilien sind am reichsten an Eiweiß die Bohnen, Erbsen und Linsen. Zwischen tierischer und pflanzlicher Kost besteht im allgemeinen der bemerkenswerte Unterschied, daß in ersterer die Eiweißkörper, in letzterer die Kohlehydrate das Übergewicht haben, ein Verhältnis, das selbst dann noch schroff ausgesprochen ist, wenn den tierischen Nahrungsmitteln die eiweißreichsten Vegetabilien gegenüberstehen. So besitzen z. B. 100 Gewichtsteile Trockensubstanz der nachfolgenden Nahrungsmittel folgende Zusammensetzung:

Tabelle

Den Eiweißkörpern nahe stehen die leimgebenden Substanzen, wozu vor allen Dingen Bindegewebe, Sehnen und Sehnenhäute, Knorpel und Knochen[56] zählen. Über den Wert dieser Substanzen für die E. sind die Ansichten weit auseinander gegangen, bis endgültig festgestellt wurde, daß der Leim den Eiweißverbrauch des Organismus zu verringern vermag, daß er also eiweißersparend wirkt. Von Leim allein jedoch vermag der Organismus selbst bei genügender Zufuhr stickstofffreier Nährstoffe nicht zu existieren.

2) Die Fette sind nächst den Eiweißkörpern die wertvollsten Nährstoffe. Wir haben keine Kenntnis von grundsätzlichen Unterschieden in der Nährwirkung zwischen ihnen und den Kohlehydraten und nehmen an, daß 100 g Fett im allgemeinen das Gleiche leisten wie 230 g Stärkemehl. 100 g Fett liefern nämlich bei der Verbrennung ebensoviel Wärme wie 230 g Kohlehydrat; die genannten Mengen repräsentieren somit den gleichen Energiewert, die gleichen Mengen von Spannkraft: sie sind isodynam. Die Fette werden im Organismus, soweit sie nicht als Körperfett zum Ansatz gelangen, zu Kohlensäure und Wasser verbrannt, und diese Verbrennung dient hauptsächlich der Wärmebildung. Den Fetten kommt außerdem ein sparender Einfluß auf den Eiweißzerfall im Organismus zu, indem bei gleichzeitiger Zufuhr einer genügenden Menge von Fett ein geringeres Quantum von Eiweiß im Körper zerstört wird als sonst. Das angesetzte Fett dient dem Körper als Reservenährstoff. Ein mäßiger Fettreichtum macht den Körper leistungs- und zugleich widerstandsfähiger gegen die Einflüsse des Hungers. Ein sehr magerer Körper erleidet den Hungertod weit früher als ein mäßig fetthaltiger. In kalten Klimaten und bei starken Körperanstrengungen auch in gemäßigten Zonen verträgt und verlangt der Körper besonders große Fettmengen.

3) Die Kohlehydrate (Zucker, Stärke u. a.) wirken ganz ähnlich wie die Fette und werden, soweit sie nicht im Körper der Fettbildung dienen, ebenfalls zu Kohlensäure und Wasser verbrannt. Sie sind die billigsten Nährstoffe und deshalb bei den ärmern Ständen oft reichlicher in der Kost vertreten, als zweckmäßig scheint. Da die Fette in ihrer Nährwirkung den Kohlehydraten überlegen sind, so ist das Bestreben der wohlhabendern Stände, nicht übergroße Mengen von Kohlehydraten aufzunehmen, sondern lieber ein gewisses Quantum von leichtverdaulichen Fetten zu verzehren, physiologisch vollkommen gerechtfertigt. Die wichtige und oft erörterte Frage, ob das Fett des Tierkörpers außer aus dem Nahrungsfett auch aus Kohlehydraten hervorgehen könne, ist entschieden zu bejahen. Das lehren schon die Erfahrungen bei der Fettmast der Schweine und Gänse, bei denen bei reichlicher Zufuhr von Kohlehydraten ein Fettansatz erzielt werden kann, der über die gleichzeitig zugeführten Fettmengen weit hinausgeht. Dagegen ist die Frage, ob der tierische Organismus auch aus Eiweißstoffen Fett zu bilden vermöge, noch nicht mit Bestimmtheit zu beantworten.

4) Von anorganischen Substanzen sind Wasser und gewisse Salze ganz unentbehrliche Nährstoffe. Bei völliger Entziehung des Wassers geht der Organismus fast ebenso schnell zugrunde wie bei Abschneidung der ganzen Nahrung. Die Wasserzufuhr ist notwendig, um den durch den Harn, den Schweiß, den Atmungsprozeß fortwährend Wasser verlierenden Körper auf seinem Wasserbestande zu erhalten. Der Wassergehalt der Organe ist groß (der erwachsene menschliche Körper besteht zu fast 2/3 aus Wasser); freilich darf er innerhalb gewisser Grenzen schwanken, aber unter ein gewisses Maß darf er nicht heruntergehen, ohne den normalen Ablauf der vitalen Vorgänge, besonders des Blutumlaufes und der Sekretionen sehr zu gefährden. Die schwersten Krankheitserscheinungen bei der Cholera beruhen auf der durch die vermehrten Darmausscheidungen bewirkten Wasserverarmung. Reichliche Wasseraufnahme vermehrt vorübergehend die Harnstoffausscheidung; dieser Effekt fehlt, wenn das Wasser den durch starke Anstrengung oder reichliches Schwitzen entstandenen Wasserverlust des Körpers decken muß.

Auch gewisse anorganische Salze sind für die Erhaltung des Organismus durchaus erforderlich: der Organismus kann sich mit organischer Nahrung allein nicht erhalten. Sinkt die Salzzufuhr unter eine gewisse Grenze, oder wird sie völlig aufgehoben (Salzhunger), so gibt der Organismus von seinen Geweben Mineralbestandteile ab, und es treten infolgedessen schwere Funktionsstörungen auf. Ganz besonders sind Chlornatrium (Kochsalz), Kalk, Kali, Magnesia, Eisen und Phosphorsäure unentbehrliche Nährstoffe für den Organismus. In der Regel werden die notwendigen Salze dem Körper mit Wasser und der übrigen Nahrung in einer genügenden Menge geboten, nur Kochsalz pflegt regelmäßig der Kost zugefügt zu werden. Das letztere ist besonders dann notwendig, wenn die Nahrung eine vegetabilische ist. Bei pflanzenfressenden Tieren ist das Verlangen nach einem Salzzusatz zur Nahrung sehr groß. Es hängt dies, wie Bunge nachgewiesen hat, mit dem hohen Kaligehalt der Pflanzennahrung zusammen, durch den eine vermehrte Kochsalzausscheidung bedingt wird. Völkerschaften, die von rein animalischer Nahrung leben, kennen das Kochsalz gar nicht oder verschmähen es, während für die hauptsächlich von Vegetabilien sich nährenden Völker das Kochsalz ein unentbehrliches Lebensmittel ist.

Verdauung und Resorption der Nahrungsstoffe.

Die aufgenommenen Nahrungsstoffe bedürfen, um der E. dienstbar werden zu können, wenigstens teilweise einer chemischen Verarbeitung. Dies besorgen die Verdauungssäfte. Wasser, darin gelöste Salze, Zucker und manche andre Stoffe werden ohne weiteres resorbiert. Wohl aber unterliegen Eiweißkörper, Fette, Stärke u. a. im Verdauungskanal einer mehr oder weniger eingreifenden chemischen Wandlung durch die Verdauungssäfte und die in ihnen enthaltenen Fermente, wobei die komplizierten Moleküle dieser Stoffe in einfachere zerlegt werden. Stärke wird in Zucker verwandelt, die Fette verseift, die Eiweißkörper in Albumosen, Peptone und schließlich in kristallinische Substanzen (Aminosäuren) gespalten und auf diese Weise zur Resorption tauglich gemacht. Freilich können daneben geringe Mengen von Eiweißstoffen unzersetzt aufgenommen werden; sehr wahrscheinlich ist auch eine, vielleicht nur beschränkte Aufnahme von unzerlegtem, aber in seine Verteilung gebrachtem (emulgiertem) Fett (s. Verdauung).

Die Resorption der Nahrungsstoffe besteht darin, daß der für die E. brauchbare Anteil des Darminhalts im Darm (hauptsächlich im Dünndarm) in die Blut- und Chylusgefäße übergeführt wird. Es handelt sich dabei teils um osmotische Vorgänge (Diffusion), teils um eine aktive vitale Tätigkeit des das Darmrohr auskleidenden Epithels. Die Natur dieser protoplasmatischen Kräfte, deren Mitbeteiligung außer Zweifel steht, ist noch unbekannt; ihre Wirksamkeit erinnert an diejenige der Drüsenzellen bei der Sekretion. Bei dieser werden Stoffe aus dem Blut ausgewählt und durch jene Zellen unverändert oder auch in andre verwandelt ausgeschieden; bei der Resorption handelt[57] es sich um eine durch die beteiligten Zellen besorgte Auswahl und Aufnahme des Resorptionsmaterials und um eine Überführung in das Blut (s. Resorption).

Ein Teil der resorbierten Stoffe gelangt auf diesem Wege direkt in das Blut, ein andrer erst auf dem Umweg über die Chylusgefäße. Damit die Stoffe aber der E. des Organismus, d. h. dem Wiederersatz verbrauchten Körpermaterials, dienen können, müssen aus den Bausteinen erst wieder die kompliziertern Verbindungen aufgebaut werden, aus denen der Organismus besteht, müssen aus den aufgenommenen Zerfallsprodukten Stoffe entstehen, die denen ähnlich sind, die ersetzt werden sollen. Teilweise geschieht diese Assimilation bereits in der Darmwand; zum andern Teil übernimmt diese Aufgabe besonders die Leber. Im einzelnen weiß man über die Assimilationsvorgänge noch sehr wenig; noch weniger von der Verwertung des assimilierten Materials in den verschiedenen Geweben und Organen. Nur in betreff der als Nahrung aufgenommenen Kohlehydrate ist sicher, daß sie hauptsächlich in der Leber als Glykogen aufgespeichert werden. Das Glykogen der Leber wird allmählich in Zucker verwandelt und dieser den zu ihren Leistungen seiner bedürfenden Organen, besonders den Muskeln, zugeführt. Das durch Assimilation entstandene Fett gelangt im Fettgewebe zur Ablagerung; die restituierten Eiweißkörper werden zu den wesentlichsten Bestandteilen des Protoplasmas aller Zellen (s. Assimilation).

Kostmaß und Energiebedarf des Menschen.

Zu einer geregelten E. bedarf der Körper außer einer genügenden Menge von Wasser und Salzen der Zufuhr von Eiweißkörpern, Fetten oder Kohlehydraten; bei Verabreichung nur eines der genannten organischen Nährstoffe ist das Leben unmöglich. Wenn auch der Körper bei einer aus Eiweiß und Fett oder Eiweiß und Kohlehydraten gemischten Kost, die im übrigen die erforderlichen Mengen von Wasser und anorganischen Nährstoffen enthält, bestehen kann, so ist doch nach aller Erfahrung diejenige Nahrung die geeignetste, die Repräsentanten aus allen drei Gruppen der organischen Nährstoffe enthält. Die Menge organischer Nährstoffe, die dem Körper die für den Zeitraum eines Tages nötigen Spannkräfte liefert, nennt man das Kostmaß. Dasselbe läßt sich aus den Daten berechnen, welche die Analyse der gleichmäßig zusammengesetzten und in bestimmten Mengen verabreichten Nahrung in Strafanstalten, Kasernen, Klöstern oder auch bei einzelnen gleichmäßig ernährten Individuen ergibt. Im allgemeinen muß es um so erheblicher sein, je größer die Körpermasse ist, und je größere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Organismus gestellt werden, und auch je nach den Lebensbedingungen (Alter, Geschlecht, Beschäftigung etc.) ist es verschieden. Auf Grund der Beobachtungen von Mulder, Playfair, Liebig u. a. veranschlagte Moleschott das tägliche Kostmaß eines arbeitenden Mannes in der Blüte seines Lebens auf 130 g Eiweiß, 84 g Fett, 404 g Kohlehydrate. Voit fand, daß ein arbeitender erwachsener Mann von mittelmäßiger Kraft neben dem Wasser, den Salzen und den Genußmitteln täglich 118 g Eiweiß, 56 g Fett und 500 g Kohlehydrate bedarf. Diese Zahlen enthalten das Maximum an Kohlehydraten, da ein noch größeres Quantum nicht mehr gut verdaulich ist, und das Minimum an Fett, das wegen seines höhern Preises in der, Kost des Arbeiters weit weniger vertreten ist als in der des Wohlhabenden. Die notwendige Eiweißration ist indessen auch mit 118 g noch zu hoch bemessen. Bei starker Muskelanstrengung ist der Bedarf an stickstofffreiem Nährmaterial (Fett oder Kohlehydraten) sehr viel größer als in der Ruhe.

Nachstehende Tabelle Forsters enthält das tägliche Kostmaß einzelner ausgewählter Individuen von verschiedenem Alter, Geschlecht und Beruf, die, ihrer Lebensstellung und ihren Arbeitsverhältnissen entsprechend, regelmäßig lebten und durchaus nicht zu Exzessen hinneigten. Besonders wurde auch noch darauf gesehen, daß die gewählten Individuen von mittlerer Körperkonstitution waren, nicht etwa besondere Angewöhnungen im Speisegenuß hatten, sondern in freier Wahl eine gemischte Kost nahmen, die in weiteren Kreisen der entsprechenden Bevölkerungsgruppe gebräuchlich war. Die Bestimmungen lieferten folgende aus den Beobachtungen mehrerer Tage berechnete Mittelzahlen:

Tabelle

Neuere Beobachtungen lehren, daß für einen mäßige Arbeit leistenden Mann von mittlerer Körpergröße ein Kostmaß von 100 g Eiweiß, 100 g Fett und 250 g Kohlehydrat genügt. Doch ist auch bei dieser Normalkost die Eiweißmenge wahrscheinlich noch zu hoch veranschlagt.

Aus den Verbrennungswerten der erwähnten Nahrungsstoffe kann man die durch sie dem Organismus zugeführte Energiemenge berechnen: das Kostmaß entspricht dem täglichen Energiebedarf. Legen wir das Normalkostmaß von 100 g Eiweiß, 100 g Fett und 250 g Kohlehydrat zugrunde, so ergibt sich ein täglicher Energiebedarf von etwa 2400 Kalorien (Wärmeeinheiten), d. h. die durch Verbrennung der dargereichten Stoffmengen entstehende Wärme müßte imstande sein, 2400 Lit. Wasser von 0° auf 1° zu erwärmen.[58] Jedes Kilogramm des menschlichen Körpers braucht täglich eine Energiezufuhr von 30–40 Kalorien. Ist die Anforderung an die Energieproduktion gesteigert, muß also mehr Muskelarbeit geleistet oder mehr Wärme gebildet werden, so steigt auch der Anspruch an die Spannkraftzufuhr: der Energiewert der Nahrung muß demgemäß größer werden.

Über die Nahrungsmittel und Genußmittel s.d. Vgl. auch die Artikel: Diätetik, Ernährungstherapie, Massenernährung etc. – Über die E. der Haustiere vgl. Futter und Fütterung.

Vgl. Voit: Über die Theorien der E. der tierischen Organismen (Münch. 1868), Physiologie des Gesamtstoffwechsels und der E. (in Hermanns »Handbuch der Physiologie«, Bd. 6, Leipz. 1881), Untersuchung der Kost in einigen öffentlichen Anstalten (das. 1877); Ranke, Die E. (Münch. 1876); Forster, E. und Nahrungsmittel (im »Handbuch der Hygieine etc.« von v. Pettenkofer und v. Ziemssen, Bd. 1, Leipz. 1882); Meinert, Armee- und Volksernährung; ein Versuch, Voits Ernährungstheorie für die Praxis zu verwerten (Berl. 1880); König, Die Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genußmittel (3. Aufl., das. 1889–93, 2 Bde.; Bd. 1 in 4. Aufl. 1903); Munk und Ewald, Die E. des gesunden und kranken Menschen (3. Aufl., Wien 1895); Sée, Die Lehre vom Stoffwechsel und von der E. und die hygienische Behandlung der Kranken (deutsch, Leipz. 1888); v. Noorden, Lehrbuch der Pathologie des Stoffwechsels. Physiologischer Teil (Berl. 1893); Weyl, Handbuch der Hygiene, Bd. 3 (Jena 1896); Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der E. (Wien 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 55-59.
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