Mikroskopische Zeichenapparate

[794] Mikroskopische Zeichenapparate, Apparate zum direkten Nachzeichnen der im Mikroskop gesehenen Bilder. Diese Apparate beruhen darauf, daß dem Beobachter gleichzeitig mit dem Mikroskopbild eine Zeichenfläche und der Zeichenstift, bez. die Spitze desselben sichtbar gemacht wird, mit der die Umrisse des Mikroskopbildes umfahren sowie Einzelheiten eingezeichnet werden. Wesentlich ist dabei, daß das Mikroskopbild keine merklichen Lichtverluste erleidet, daß sich das ganze Sehfeld überblicken läßt, und daß zwecks bequemer Anfertigung der Zeichnung die Zeichenfläche horizontal ist. Einer der ältern Apparate ist Wollastons Camera lucida; derselbe besteht aus einem vierseitigen, auf das Okular auszusetzenden Prisma, welches das Mikroskopbild durch zweimalige Totalreflexion in einer zur Ebene des Objekttisches senkrechten Ebene erscheinen läßt. Wird in dieser Ebene eine Zeichenfläche vorgesehen, so sieht man durch das Prisma das Mikroskopbild und an dem Prisma vorbei die Zeichenfläche und die zum Nachzeichnen dienende Bleistiftspitze. Unbequem ist es. dabei, daß die Zeichenfläche senkrecht liegt, soll dies vermieden werden, so muß das Mikroskop in eine geneigte Lage gebracht oder ein Mikroskop mit gebrochener optischer Achse verwendet werden. An Stelle des Prismas wurde auch vielfach ein unter 45° zur optischen Achse des Mikroskops über dem Okular angeordneter kleiner Metallspiegel benutzt (Sömmerings Spiegel), dem indessen außer den Mängeln des Wollastonschen Apparats noch der Nachteil anhaftet, daß infolge der Lichtabsorption an der spiegelnden Fläche ein lichtschwaches Bild erzielt wird. Die Apparate von Nobert und Nachet sind so eingerichtet, daß die Zeichenfläche neben dem Mikroskop etwa in Höhe des Objekttisches angeordnet werden kann. Die Nobertsche Anordnung besteht aus einer unter 45° zur optischen Achse des Mikroskops auf das Okular auszusetzenden Glasplatte, die das Mikroskopbild im wesentlichen ungebrochen in das Auge des Beobachters gelangen läßt, und aus einem der Glasplatte gegenüberliegenden rechtwinkligen Glasprisma, das die darunter liegende Zeichenfläche und die Spitze des Bleistifts durch Reflexion über die Glasplatte mit dem direkt gesehenen Mikroskopbild sichtbar macht. An Stelle der Glasplatte und des von derselben getrennten Glasprismas hat Nachet ein rhombisches;Prisma mit aufgekittetem kleinen rechtwinkligen, über dem Okular anzuordnenden Prisma angewandt. Die Zeißsche Camera lucida bedient sich zweier Prismen, die jedoch nur zur Sichtbarmachung der geneigten Zeichenfläche und des Zeichenstifts vor dem Okular dienen, während das Mikroskopbild direkt durch das Okular betrachtet wird. Der Zeichenapparat von Seibert und Krafft besteht aus einem über dem Okular angeordneten, in Richtung der optischen Achse durchbohrten, unter 45° zu derselben geneigten Spiegel und einem[794] diesem gegenüberliegenden zweiten Spiegel, so daß durch die Öffnung des erstern Spiegels das Mikroskopbild und durch Reflexion über beide Spiegel die auf einer geneigten Fläche neben dem Mikroskop angeordnete Zeichenfläche und der Zeichenstift sichtbar wird. Zu den neuern Vorrichtungen gehört der Abbesche Zeichenapparat, bei dem im Augenpunkt des Okulars ein Glaswürfel angeordnet wird, der aus zwei kleinen rechtwinkligen Glasprismen zusammengesetzt ist. Das obere Glasprisma besitzt eine versilberte Hypotenusenfläche und eine dem Okular konzentrische Öffnung in der Versilberung, durch die das Mikroskopbild gesehen wird, während die neben dem Mikroskop liegende Zeichenfläche durch eine gegenüber dem Glaswürfel vorgesehene größere Spiegelfläche nach der versilberten Hypotenusenfläche und von dort durch Reflexion dem Auge des Beobachters zugeführt wird.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 794-795.
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