Mikroskopische Präparate

[793] Mikroskopische Präparate, Gegenstände, die zur Betrachtung mit dem Mikroskop zubereitet sind. Im einfachsten Fall kann man das Objekt, wenn es an sich schon durchsichtig ist, auf dem Objekttisch des Mikroskops befestigen. So kann man z. B. in der Schwimmhaut eines durch Curaregift gelähmten Frosches, dessen Fuß man über der runden Objekttisch öffnung ausgespannt hat, den Kreislauf des Blutes bis in die feinsten Adern hinein vorzüglich verfolgen. In andern Fällen bedeckt man das Objekt auf einem Glasplättchen, dem Objektträger, in einem Tropfen Wasser oder in 0,6 proz. Kochsalzlösung (auch in Fruchtwasser, Blutserum, Augenflüssigkeit etc.), in der sich frische Präparate von Tieren einige Zeit unverändert erhalten, mit dem sehr dünnen Deckgläschen. Für manche Experimente, oder um das Objekt unter möglichst gewohnten Lebensbedingungen zu untersuchen, verwendet man einen heizbaren Objekttisch. Bei der Untersuchung größerer Teile ist zuvor eine Zerkleinerung des Objekts erforderlich. Zupf- oder Isolationspräparate werden durch vorsichtiges Zerzupfen des frischen Objekts mit Nadeln im Wassertropfen hergestellt, meist ist aber eine vorhergehende Mazeration erforderlich, d. h. die Einwirkung einer Flüssigkeit, die das feinste Gefüge der Teile, den Verband der Gewebezellen nach allen Seiten hin lockert. Man benutzt verdünnten Alkohol, Losungen von Chromsäure oder andern Chromverbindungen, Osmiumsäure, Pikrinsäure, Jodserum, das aus dem frischen, mit Jod versetzten Fruchtwasser von Wiederkäuerembryonen hergestellt wird, etc. Die Untersuchung der mazerierten Gewebe wird in der Mazerationsflüssigkeit selbst oder in Wasser oder Glyzerin vorgenommen. Zur Isolierung der einzelnen Gewebselemente ohne Mazeration und am gehärteten Objekt (s. weiter unten »Härtung«) dient die Pinselmethode; man streicht einen dünnen Schnitt, z. B. einer Lymphdrüse, mit einem Kamelhaarpinsel, bis alle Zellen entfernt und nur die Grundsubstanz zurückgeblieben ist. Dieselben Dienste leistet ein kräftiges Schütteln des Objekts mit Wasser im Reagenzglas. Man behandelt auch das Objekt längere Zeit im Brütofen mit einem Auszug aus der Bauchspeicheldrüse eines frisch geschlachteten Rindes. Ein großer Teil des Gewebes geht dabei in Lösung, während ein andrer Teil, der dadurch eine spezifische Verschiedenheit dokumentiert, erhalten bleibt und genauer Untersuchung zugänglicher wird.

Die meisten histologischen Untersuchungen erfordern die Herstellung äußerst dünner, haltbarer und durchsichtiger Schnitte, in denen die einzelnen Gewebselemente (Zellen und Grundsubstanz) in Gestalt und Anordnung, auch in verschiedener Färbung deutlich erkennbar sind. Solche Schnitte fertigt man mit dem Rasiermesser und klemmt dabei kleine Gegenstände, die man mit den Fingern nicht fassen kann, in ein gespaltenes Stück Holundermark. Tierische Objekte entziehen sich dieser Behandlung, weil sie meist zu weich sind; da es aber darauf ankommt, die Organe annähernd in jenem Zustande dauernd zu erhalten, in dem sie sich im frisch getöteten Tier befinden, so müssen sie eine schleunige Fixierung oder Konservierung erfahren, damit auch die kleinsten postmortalen Veränderungen des Gewebes vermieden werden. Man benutzt als Fixierungsmittel Sublimat, in konzentrierter wässeriger oder alkoholischer Lösung, absoluten Alkohol, Müllersche Flüssigkeit (wässerige Lösung von doppeltchromsaurem Kali und schwefligsaurem Natron), Überosmiumsäure in 1/2-, höchstens 2Proz. wässeriger Lösung, Flemmingsche Flüssigkeit (Chromosmiumessigsäure), Pikrinsäure in reiner wässeriger Lösung oder gemischt mit Schwefelsäure oder Essigsäure. Ist das Objekt genügend fixiert (nach wenigen Minuten bis mehreren Monaten), so wird in Wasser oder Alkohol ausgewaschen, und dann erfolgt die Härtung des Präparats, um das Gewebe zum Zerlegen in möglichst dünne Schnitte tauglich zu machen. Das beste Härtungsmittel ist Alkohol; in Alkohol von 70–90 Proz. können fixierte Objekte jahrelang unbeschadet aufbewahrt werden. Manche Präparate, wie Zähne, Panzer, Skelette etc., müssen mit Salpetersäure, in Alkohol oder Wasser gelöst, Pikrinsäurelösung, Pikrinessigsäure entkalkt werden, andre bedürfen einer Entfärbung mit einer das Pigment lösenden Mischung von Alkohol, Glyzerin und Salzsäure. Feine Hohlräume im Körper, vor allem die des Blut- und Lymphgefäßsystems, werden durch Injektion einer gefärbten Masse (Karmingelatinegemisch, Berlinerblau mit Oxalsäure in Leim vermengt etc.) hervorgehoben, die man mittels seiner Spritzen von den größern Gefäßstämmen aus einführt. Besonders wichtig ist die Färbung, die das Präparat deutlicher macht und verhindert, daß bei der später notwendigen Aufhellung viele Einzelheiten verschwinden. Sie dient auch zur Unterscheidung verschiedenartiger Bestandteile, indem sich die Kerne besonders intensiv, das Protoplasma der Zellen gar nicht oder nur schwach, unter Umständen auch anders färbt als die übrigen Gewebsbestandteile. Zugleich gestattet bei planvoller Anwendung von Farbstoffreagenzien die Färbung des Objekts einen Schluß auf dessen chemische Natur oder physiologischen Charakter. Die Färbung kann am lebenden Gewebe, am konservierten ganzen Stück oder an den Schnitten vorgenommen werden. Die gebräuchlichsten Farbstosse[793] sind die Karmine in ammoniakalischer oder salzsaurer Form, mit Borax oder Alaun, in wässeriger oder alkoholischer Lösung. Teerfarben im Hämatoxylin, Methylenblau, Fuchsin, Safranin, Eosin, Orange und Gentianaviolett. Diese Farbstoffe werden einzeln und in verschiedenen Mischungen gleichzeitig angewendet. Im Ehrlich-Biondischen Farbgemisch z. B. färbt das Methylgrün die Kerne, das Fuchsin (rot) andre Zellbestandteile und das Orange die Blutkörperchen, so daß hier schon mindestens eine dreifache Differenzierung des Präparats erreicht wird. Diese Differenzierung wird in den meisten Fällen erst dann vollständig, wenn die Objekte nachher dem Ausziehen unterworfen, d. h. in eine Flüssigkeit (Alkohol, salzsaurer Alkohol, Wasser, Chromsäure, Essigsäure etc.) gebracht werden, die allen überschüssigen Farbstoff wegnimmt. Sehr wertvoll ist auch die metallische Imprägnation der Gewebe mit Goldchlorid oder salpetersaurem Silber. Bei der Versilberung des Gewebes nach Golgi werden kleine Stücke der Organe nach vorheriger langandauernder Fixierung in doppeltchromsaurem Kali auf einige Tage in Silbernitratlösung gelegt und dann durch immer stärkern Alkohol hindurchgeführt, um sie zum Schneiden fertig zu machen. Man erhält dabei einen Niederschlag von chromsaurem Silber hauptsächlich auf die Ganglienzellen und Nervenfasern, die dadurch im mikroskopischen Bild in ihrem Verlauf und ihren Verästelungen mit unübertrefflicher Deutlichkeit zutage treten. Nach beendeter Fixierung, Härtung und Färbung des Objekts ist eine Einbettung in eine Substanz (Paraffin, Celloidin, Photoxylin) nötig, die eine Zerlegung. in äußerst dünne Schnitte gestattet. Bei der Paraffineinbettung werden die Objekte aus dem absoluten Alkohol zunächst in Xylol oder Chloroform übergeführt, die sich sowohl mit Alkohol als mit Paraffin mischen, dann bringt man sie in heißes, flüssiges Paraffin, und wenn das Objekt mit Paraffin vollkommen durchtränkt ist, so läßt man es erkalten und erhält einen Paraffinblock, in dessen Innern das Objekt eingebettet liegt. Dieser Block wird mit dem Rasiermesser, besser mit dem Mikrotom in Schnitte zerlegt, deren Dicke bis zu 1/1000 mm heruntergehen kann. Diese Schnitte werden mit Eiweiß oder Kollodium auf den Objektträger aufgeklebt und das nun überflüssige Paraffin in Xylol aufgelöst. Die Schnitte selbst werden mit einem Balsam überzogen und mit dem Deckgläschen zugedeckt. Das Balsam erstarrt bald zu einer glasartigen, durchsichtigen Masse, so daß jetzt ein mikroskopisches Präparat vorliegt, das, wenn alle Prozeduren gelungen sind, die natürlichen Verhältnisse der Gewebe annähernd getreu wiedergibt, zugleich haltbar und einer eingehenden mikroskopischen Untersuchung zugänglich ist. Aus harten Objekten (Zähne etc.) werden Dünnschliffe (s. d.) hergestellt.

Vgl. Behrens, Hilfsbuch zur Ausführung mikroskopischer Untersuchungen (Braunschw. 1883), Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten (3. Aufl., das. 1898) und Leitfaden der botanischen Mikroskopie (das. 1890); Zimmermann, Die botanische Mikrotechnik (Tübing. 1892); Behrens, Kossel und Schiefferdecker, Die Gewebe des menschlichen Körpers und ihre mikroskopische Untersuchung, Bd. 1 (Braunschw. 1889); Rawitz, Leitfaden für histologische Untersuchungen (2. Aufl., Jena 1895); Apathy, Die Mikrotechnik der tierischen Morphologie (Leipz. 1901, 2 Abtlgn.); Stöhr, Lehrbuch der Histologie und der mikroskopischen Anatomie des Menschen mit Einschluß der mikroskopischen Technik (11. Aufl., Jena 1905); Pollack, Die Färbetechnik des Nervensystems (3. Aufl., Berl. 1905); Lee und P. Mayer, Grundzüge der mikroskopischen Technik für Zoologen und Anatomen (2. Aufl., das. 1901); Friedländer, M. P. zum Gebrauch bei medizinischen etc. Untersuchungen (6. Aufl. von Eberth, das. 1900); Böhm und Oppel, Taschenbuch der mikroskopischen Technik (5. Aufl., Münch. 1904); Michaelis, Einführung in die Farbstoffchemie für Histologen (Berl. 1902); Ledermann, Mikroskopische Technik mit besonderer Berücksichtigung der Färbetechnik (Wien 1903); »Enzyklopädie der mikroskopischen Technik« (hrsg. von Ehrlich u. a., das. 1903, 3 Tle.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 793-794.
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