Parallēl

[423] Parallēl (griech., »nebeneinander laufend«) heißen nach Euklid solche gerade Linien, die in derselben Ebene liegen und, nach beiden Seiten ins Unendliche verlängert, niemals zusammentreffen. Mit Hilfe des Parallelenaxioms (s. d.) läßt sich beweisen, daß durch jeden Punkt außerhalb einer Geraden nur eine zu dieser parallele Gerade geht.

Tabelle

Werden zwei parallele Gerade a und b (s. Figur) von einer dritten Geraden c geschnitten, so heißen die Winkel α und α´, β und β´, γ und γ´, δ und δ´ korrespondierende Winkel (Gegenwinkel), α und δ´, β und γ´ äußere Wechselwinkel, γ und β´, δ und α´ innere Wechselwinkel, γ und α´, δ und β´ innere, α und γ´, β und δ´ äußere, entgegengesetzte Winkel. Je zwei Gegenwinkel und ebenso je zwei Wechselwinkel sind einander gleich, je zwei entgegengesetzte Winkel betragen zusammen zwei Rechte. Jeder einzelne dieser Sätze zieht alle andern nach sich, und wenn einer dieser Sätze für zwei gerade Linien a und b gilt, so sind diese p. Nach dem Vorgange von Desargues (1639) sagt man gewöhnlich, daß zwei parallele Gerade einen unendlich fernen Punkt gemein haben, und hat dadurch den Vorteil, daß der Satz: »Zwei verschiedene Gerade haben stets einen, aber auch nur einen Punkt gemein« ausnahmslos gilt. Eine Gerade und eine Ebene heißen p., sobald die Ebene eine zu der Geraden parallele Gerade enthält; zwei Ebenen sind p., wenn die eine zwei nicht zueinander parallele gerade Linien enthält, die der andern Ebene p. sind, dann ist überhaupt jede Gerade jeder von beiden Ebenen der andern Ebene p. Parallele Gerade haben gleiche Richtung, parallele Ebenen gleiche Stellung. – In der Rhetorik heißen p. solche Wendungen oder Darstellungen, deren Elemente oder Teile sich entsprechen und zum Vergleich herausfordern. Daher Parallele vergleichende Darstellung oder Nebeneinanderstellung zum Zweck des Vergleichs. Dieser Ausdruck ist namentlich[423] gebräuchlich für die historische Vergleichung verschiedener Zeiten nach ihren Staatseinrichtungen und deren Veränderungen, leitenden Persönlichkeiten etc. (z. B. Plutarchs biographische Parallelen). Vgl. Parallelismus und Parallelstellen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 423-424.
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