Ebene [1]

[335] Ebene (griech. epípedon, lat. planum), ein Grundbegriff der Geometrie, wird gewöhnlich erklärt als die Fläche, die durch drei nicht in gerader Linie liegende Punkte vollständig bestimmt und so beschaffen ist, daß jede Gerade, die zwei verschiedene Punkte der Fläche verbindet, ganz in diese hineinfällt. Aber diese Erklärung hat den großen Mangel, daß sie zu viel verlangt, und daß es infolgedessen eigentlich gar nicht sicher ist, daß es eine Fläche dieser Art wirklich gibt. Sind nämlich A, B, C drei nicht in gerader Linie liegende Punkte, so muß die durch sie bestimmte E. z. B. die Verbindungsgerade der Punkte B und C enthalten, und wenn D ein beliebiger Punkt auf dieser Geraden ist, auch die Verbindungsgerade von A und D. Auf diese Weise würde man unbegrenzt viele Punkte der E. erhalten, und jede Gerade, die zwei dieser Punkte verbände, müßte ebenfalls der E. angehören; es ist aber sehr gut denkbar, daß die so konstruierten Punkte schließlich gar keine Fläche mehr bildeten, sondern einen Körper, ja daß sie den ganzen Raum ausfüllten. Diese Schwierigkeit haben z. B. W. Bolyai und Lobatschewskij dadurch zu beseitigen versucht, daß sie die E. definierten als den Inbegriff aller Punkte, die von zwei festen Punkten gleichweit abstehen, aber auch auf diesem Weg ist es nicht gelungen, die Eigenschaften der E. befriedigend zu begründen, und man muß sich daher vorläufig mit der im Anfang gegebenen Erklärung oder einer im wesentlichen gleichbedeutenden begnügen. Die wichtigsten Eigenschaften der E. sind außer den schon erwähnten folgende: 1) Sie zerlegt den ganzen Raum in zwei Teile, die man als die beiden Seiten der E. unterscheidet, jeder Punkt des Raumes liegt entweder auf der einen oder der andern Seite der E., wenn er nicht auf der E. selbst liegt. Die E. wird ihrerseits von jeder in ihr liegenden Geraden in zwei Teile zerlegt, die man auf der E. als die beiden Seiten der Geraden unterscheidet. 2) Sie ist nach jeder Richtung hin unbegrenzt und kann, ähnlich wie die Kugel, beliebig in sich verschoben werden, so daß sie immer mit sich in Deckung bleibt; sie kann ferner um jede in ihr enthaltene Gerade umgelegt, d.h. so um die Gerade gedreht werden, daß sie wieder mit sich zur Deckung kommt, daß aber die beiden Seiten der Geraden auf der E. untereinander vertauscht werden. Man nennt diese Eigenschaft der E. auch ihre Umkehrbarkeit. – Der Teil der Geometrie, welcher sich auf die Betrachtung der ebenen, d.h. der in einer E. liegenden Figuren beschränkt, heißt Planimetrie, im Gegensatze zur Stereometrie, die sich mit den räumlichen Figuren beschäftigt. Die Planimetrie macht von dem Umstande, daß die E. im Raum enthalten ist, nur insoweit Gebrauch, als sie die Umlegbarkeit der E. voraussetzt, und auch diese ist nur beim Beweis des ersten Kongruenzsatzes (s. Dreieck und Kongruenz) unentbehrlich,[335] von diesem Punkt abgesehen, kann also die Planimetrie entwickelt werden, indem man sich ganz auf die E. beschränkt. Zwei verschiedene Ebenen im Raum schneiden einander entweder in einer Geraden oder sie haben überhaupt keinen Punkt gemein, im letztern Falle sagt man: sie sind parallel oder sie schneiden einander im Unendlichen. Eine E. und eine Gerade, die nicht in der E. liegt, haben entweder einen Punkt gemein, oder sie schneiden einander nicht (sind parallel). Über die Versuche zur Erklärung der E. vgl. Schotten, Inhalt und Methode des planimetrischen Unterrichts (Leipz. 1890–93, 2 Bde.), und Killing, Einführung in die Grundlagen der Geometrie (Paderborn 1893–98, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 335-336.
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