Perikōpen

[588] Perikōpen (griech.), Abschnitte, besonders die biblischen Abschnitte, die bei dem öffentlichen Gottesdienst zu Vorlesungen oder zu Predigttexten bestimmt sind. Je nachdem sie aus den Schriften der Apostel oder aus den Evangelien gewählt sind, heißen sie auch Episteln oder Evangelien. Die Schriftlesung, die aus der jüdischen Synagoge in die christliche Kirche überging, folgte zunächst der Reihenfolge der biblischen Bücher (lectio continua), seit dem 5. Jahrh.[588] wurde es Sitte, für die einzelnen Sonn- und Festtage bestimmte Abschnitte auszuwählen (lectio selecta). Sie wurden in eignen Lektionarien gesammelt, unter denen der sogen. Comes und das Homiliarium Karls d. Gr. (s. Homiliarius liber) die bekanntesten sind. Luther behielt die gebräuchlichen Stücke im ganzen bei, während die reformierte Kirche ihren Predigern freie Wahl läßt. Aber auch in der lutherischen Kirche hat man es in neuerer Zeit mit neugewählten Reihenfolgen biblischer Abschnitte versucht, und faktisch ist der sogen. Perikopenzwang. demgemäß der Prediger bloß über die P. predigen durfte, kaum noch in Geltung. Vgl. E. Ranke, Das kirchliche Perikopensystem (Berl. 1847) und Zusammenstellung der innerhalb der evangelischen Kirche Deutschlands eingeführten Perikopenkreise (das. 1850); Bobertag, Das evangelische Kirchenjahr (Bresl. 1853); Alt, Das Kirchenjahr (Berl. 1860).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 588-589.
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