Reliquienhüllen

[790] Reliquienhüllen, orientalische, byzantinische und sizilische Seidenstoffreste des Mittelalters, die man zur Zeit ihrer Entstehung und später benutzte, um Teile der Gebeine von heilig gesprochenen Personen in katholischen Kirchen aufzubewahren. Sie bieten wichtiges Material für die Geschichte der Textilkunst, da mit ihnen reiche Muster frühmittelalterlicher Kunstgewebe erhalten sind, die ursprünglich für liturgische Gewänder und Prachtbehänge hergestellt wurden. Viele dieser R. gingen während der Reformation mit andern Kirchenschätzen zugrunde; erst seit der Mitte des 19. Jahrh. begann der Kaplan Bock aus Aachen auf ihren künstlerischen und kunstgeschichtlichen Wert hinzuweisen, und der textile Inhalt aufgelöster Reliquienbehälter wurde seitdem gesammelt und den Museen einverleibt. Seltene Muster solcher Stoffe, die heute noch ihren ursprünglichen Zwecken dienen, hat man gelegentlich der Eröffnung von Schreinen kopiert; die größte Sammlung davon besitzt das Kunstgewerbemuseum in Berlin. 1906 wurde der Reliquienschrein Karls d. Gr. im Münster zu Aachen von neuem erschlossen, um die Muster der darin befindlichen R. in dem Werke: »Die Gewebesammlung des königlichen Kunstgewerbemuseums zu Berlin« (im Auftrage der Staatsregierung hrsg. von Julius Lessing, Berl. 1900 ff.) zu veröffentlichen. Vgl. die Artikel »Orientalische Kunstwebereien« u. »Weberei«, Geschichtliches.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 790.
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