[699] Scharfrichter (Nachrichter), seit dem Ende des Mittelalters Bezeichnung der Personen, welche die durch Richterspruch verhängte Todesstrafe der Enthauptung von Amts wegen zu vollstrecken haben. Nach dem ältesten germanischen Rechtsgebrauch stand der das Urteil findenden Gemeinde oder dem Kläger mit seinem Anhang die Strafvollstreckung zu. Dann fiel dieselbe in der Regel den Fron- oder Gerichtsboten zu; an manchen Orten aber bestand der seltsame Gebrauch, daß der jüngste Schöffe, selbst mitunter der jüngste Ehemann oder gar der nächste Anverwandte des Verurteilten die Hinrichtung vollziehen mußte. Nachdem es aber Branch geworden, die Exekution besondern Individuen zu übertragen, machte man einen Unterschied zwischen S. und Henker; jener hatte die Enthauptung, als nicht entehrende Todesstrafe, die Henker aber, die gewöhnlich in den Diensten des Scharfrichters standen und ihr Amt unter dessen Aussicht ausübten, die für entehrend geltenden Arten der Todesstrafe, wie Hängen, Rädern, Vierteilen, Verbrennen etc., sowie die Folterung zu vollziehen. Wiewohl nun nach den alten Reichsgesetzen den S. niemals Unehrlichkeit oder Anrüchigkeit treffen sollte, trug er doch in der öffentlichen Meinung gleich den Henkern und Abdeckern einen Makel an sich, von dem das Scharfrichtergewerbe, das sich oft von dem Vater auf den Sohn forterbt, noch jetzt nicht ganz frei ist. Das Meisterstück des Scharfrichters bestand in der kunstgerechten Enthauptung eines Verurteilten. Das Scharfrichterschwert war mit einer geraden, breiten, zweischneidigen Klinge, vorn breiter als am Griff, den man mit zwei Händen fassen konnte, und vielfach mit einem Spruch versehen. In neuerer Zeit werden die Enthauptungen vielfach mit dem Fallbeil vollzogen (s. Guillotine). Die S. übten lange Zeit, oft unter dem Schutz des Rates der Stadt, der sie freilich meist auf Behandlung von Verrenkungen, Beinbrüchen etc. beschränkte, die Heilkunst aus und hatten im Volk großen Anhang, weil sie angeblich mit geheimen Mächten im Bunde waren. Mehrfach mußten sie eine Prüfung in der Chirurgie ablegen, wie noch 1744 unter Friedrich d. Gr. In Baden stand ihnen die Praxis in der gesamten Heilkunde frei bis 1807. Anstellung durch den Staat und Prüfung sind jetzt weggefallen; die Justizverwaltung, meist der Oberstaatsanwalt des Gerichtes, bei dem eine Hinrichtung stattfindet, wählt eine hierzu geeignete Persönlichkeit aus. Vgl. Beneke, Von unehrlichen Leuten (2. Aufl., Berl. 1889).