Substitutionentheorie

[164] Substitutionentheorie, die Lehre von den Substitutionen und insbes. die von den Gruppen von Substitutionen. Eine Substitution wird auf eine Reihe von Größen (Elementen) ausgeführt, indem man diese Größen untereinander vertauscht, so daß jede der Größen durch eine unter ihnen ersetzt wird. Also ist es z. B. eine Substitution, wenn man die Größen: a, b, c, d der Reihe nach durch: b, c, d, a ersetzt. Auch in dem Falle, wo a, b, c, d der Reihe nach durch a, b, c, d ersetzt werden, wo also gar keine Vertauschung stattfindet, sagt man, man habe eine Substitution ausgeführt, die man die identische nennt. Hat man zwei Substitutionen, so kann man sie in irgendeiner Reihenfolge nacheinander ausführen, und das Ergebnis ist dann wieder eine Substitution. Führt man z. B. zuerst die Substitution aus, bei der a, b, c, d in b, c, d, a übergehen. und dann die, bei der a, b, c, d in b, a, d, c übergehen, so gehen vermöge der zweiten b, c, d, a über in a, d, c, b, und also liefern beide, nacheinander ausgeführt, die Substitution, bei der a, b, c, d der Reihe nach in a, d, c, b übergehen. Kehrt man dagegen die Reihenfolge um und führt zuerst a, b, c, d durch die bisher zweite Substitution in b, a, d, c über und dann a, b, c, d, durch die bisher erste Substitution in b, c, d, a, also b, a, d, c in c, b, a, d, so ist das Ergebnis die Substitution, die a, b, c, d in c, b, a, d überführt. Ist eine Anzahl von Substitutionen vorgelegt und tritt der Fall ein, daß je zwei der vorgelegten Substitutionen, in beliebiger Reihenfolge nacheinander ausgeführt, stets wieder eine Substitution ergeben, die unter den vorgelegten enthalten ist, so sagt man, daß die vorgelegten Substitutionen eine Substitutionengruppe oder kurz eine Gruppe bilden. In diesem Sinne bilden z. B. die vier Substitutionen, bei denen a, b, c, d übergehen in a, b, c, d, in b, a, d, c, in c, d, a, b und in d, c, b, a, eine Gruppe. Die Theorie der Substitutionengruppen ist durch Galois (s. d.) von der höchsten Bedeutung für die Lehre von den algebraischen Gleichungen geworden, eigentlich erst durch sie gewinnt man einen klaren Einblick in die Frage nach der Auflösbarkeit solcher Gleichungen. Der Begriff der Gruppe ist aber seitdem außerordentlich erweitert worden, namentlich durch Lie (s. d. 2), der neben den Substitutionengruppen die sogen. kontinuierlichen Gruppen eingeführt hat, und es hat sich überhaupt herausgestellt, daß der Gruppenbegriff einen großen Teil der ganzen Mathematik beherrscht. Über die Substitutionengruppen vgl. Jordan, Traité des substitutions (Par. 1870); Netto, Substitutionentheorie (Leipz. 1882); H. Weber, Lehrbuch der Algebra, Bd. 1 (2. Aufl., Braunschw. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 164.
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