Tonart

[605] Tonart, in der Musik die Bestimmung des Tongeschlechts (ob Dur oder Moll) und der Tonstufe, auf der ein Stück seinen Sitz hat. Statt unsrer heutigen beiden Tongeschlechter nahmen die Alten (Griechen, Römer, Araber, Inder, das Abendland im Mittelalter) deren eine größere Zahl an (vgl. Griechische Musik II und Kirchentöne). Die heutigen Transpositionen der beiden Grundskalen (C dur und A moll) sind:

Tabelle

Der verschiedene Charakter der Tonarten hängt aber nicht von der ungleichartigen Temperatur der Töne ab (nämlich C dur als am reinsten gestimmt gedacht), sondern ist eine ästhetische Wirkung, die in der Art des Aufbaues unsers Notensystems ihre Erklärung findet. Dasselbe basiert auf der Grundskala der sieben Stammtöne A-G, und die beiden diese vorzugsweise benutzenden Tonarten C dur und A moll erscheinen als schlichte, einfache, weil sie am einfachsten vorzustellen sind. Die Abweichungen nach der Obertonseite (♯-Tonarten) erscheinen als eine Steigerung, als hellere, glänzendere, die nach der Unterseite (♭-Tonarten) als Abspannung, als dunklere, verschleierte; die erstere Wirkung ist eine dur-artige, die letztere eine moll-artige. Dazu kommt die Verschiedenheit der ästhetischen Wirkung der Dur-Tonarten und Moll-Tonarten selbst, die in der Verschiedenheit der Prinzipien ihrer Konsonanz wurzelt; Dur klingt hell, Moll dunkel. Die Dur-Tonarten mit Kreuzen haben daher einen potenzierten Glanz, wie die Moll-Tonarten mit Been potenziert dunkel sind; eigenartige Mischungen beider Wirkungen sind das Helldunkel der Dur-Tonarten mit Been und die fahle Beleuchtung der Moll-Tonarten mit Kreuzen. Die Wirkung wächst mit der Zahl der Vorzeichen. Die Tonarten mit vielen Vorzeichen klingen am besten beim Klavier; dagegen machen manche Tonarten den Instrumenten mit teilweise gebundener Intonation besondere Schwierigkeiten. Die Posaunen stehen in Es dur, haben daher eine natürliche Abneigung gegen ♯-Tonarten; umgekehrt stehen Flöte und Oboe in D dur, d. h. sie haben Abneigung gegen B-Tonarten. Auch die Streichinstrumente sind zufolge der Stimmung der leeren Saiten als in G-, resp. D- oder A dur stehend anzusehen, d. h. sie begegnen in den B-Tonarten größern Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten der Applikatur belasten in einer ganz ähnlichen Weise die Vorstellung wie die des Systems der Notenschrift, und Es dur erscheint daher den Posaunisten, D dur den Flötisten, Oboisten und Violinisten als eine besonders einfache Tonart. Vgl. Hennig, Die Charakteristik der Tonarten (Berl. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 605.
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