Tscheremissen

[772] Tscheremissen, finn. Volk im europäischen Rußland, am linken Ufer der Wolga, vornehmlich in den Gouv. Wjatka (Kreis Urshum) und Kasan, in geringer Zahl auch in Kostroma, Nishnij Nowgorod, Perm und Ufa, (1897) 375,439 Köpfe stark. In den Gouvernements Ufa und Samara rechnet man sie vielfach zu den Tepljâren und mit diesen zu den Baschkiren. Den Namen T. haben ihnen die Mordwinen beigelegt, sie selbst nennen sich Mara (»Mensch«). Sie sind mittelgroße, blonde oder rötliche Leute und waren ehemals ein sehr kriegerisches Volk, wie ihre zahlreichen Aufstände im 16. und 17. Jahrh. beweisen. Ihr früheres nomadisches Leben haben sie aufgegeben, doch wohnen sie nicht in Dörfern, sondern vereinzelt. Am rechten Wolgaufer wohnen die Ackerbau treibenden Bergtscheremissen, am linken die weniger zivilisierten Jagd, Holzfällerei und Bienenzucht treibenden Wiesentscheremissen. Die Frauen verstehen sich auf das Weben und Färben verschiedener Stoffe. Obwohl sie sich zur griechisch-orthodoxen Kirche bekennen und zum Teil (namentlich die Bergtscheremissen) stark russifiziert sind, haben sich in der Tracht und in der Bauart ihrer Häuser mancherlei Besonderheiten erhalten, und das Christentum hat die Verehrung ihrer heidnischen Götter, Juma und Keremet, nicht ganz verdrängen können. Die Sprache der T. gehört zu der finnisch-ugrischen Gruppe des uralaltaischen Sprachstammes. Grammatiken verfaßten CastrénElementa grammaticae tscheremissae«, Kupio 1845) und Wiedemann (Reval 1847). Weitere Beiträge zur Kenntnis der Sprache der T. enthält das »Journal de la Société Finno-Ougrienne« in Helsingfors (seit 1883).[772]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 772-773.
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