Volkskunde

[234] Volkskunde, die Wissenschaft, die mit der Erforschung der im Volke fortlebenden Überlieferungen (Sagen, Märchen, Sprichwörter, abergläubische Vorstellungen etc.) sowie seiner Sitten und Gebräuche sich beschäftigt, häufig auch mit dem englischen Namen Folklore bezeichnet (der, wie es scheint, von William John Thoms 1846 zuerst gebraucht wurde). Die eigentliche Heimat dieser Studien ist Deutschland und ihr Begründer J. Grimm, dessen Bestrebungen auf diesem Gebiete durch namhafte Gelehrte (A. Kuhn, W. Mannhardt, W. Schwartz, R. Köhler, F. Liebrecht, K. Weinhold u. a.) fortgesetzt wurden. Das Hauptorgan für die V. ist bei uns gegenwärtig die von Weinhold begründete, von J. Bolte fortgesetzte »Zeitschrift des Vereins für V.« (Berl. 1891 ff.), neben der aber von einzelnen Landschafts- und Provinzialverbänden noch besondere Veröffentlichungen herausgegeben werden (in Hessen, Schlesien, Königreich Sachsen, Bayern, Salzburg, Siebenbürgen etc.). Auch in den andern Kulturländern wird die junge Wissenschaft, zu deren Förderung sich überall Gesellschaften bildeten, jetzt eifrig gepflegt, so in England durch die Folklore Society, in Frankreich durch die Société des traditions populaires, in Belgien durch die Société du Folklore wallon, in Spanien durch den Verein des Folklore andaluz in Sevilla, in Italien (vgl. »Bibliografia delle tradizioni popolari d'Italia«, Palermo 1894), der Schweiz, Holland, Polen, Ungarn, Nordamerika etc. Von den im Auslande erscheinenden Zeitschriften für V. seien erwähnt: »Folklore« (Fortsetzung des »Folklore record« und »Folklore journal«, Lond. 1890 ff.); »Revue des traditions populaires« (Par. 1886 ff.); »Archivio per lo studie delle tradizioni popolari« (Palermo 1881 ff.); »Bulletin du Folklore« (Brüss. 1891 ff.); »Schweizerisches Archiv für V.« (Basel 1896 ff.); »Volkskunde, tiidschrift voor nederlandsche folklore« (Gent); »Dania« (Kopenh. 1890–1903), fortgesetzt durch die »Danske studier« (das. 1904 ff.) etc. Vgl. Kaindl, Die V., ihre Bedeutung, ihre Ziele etc. (Wien 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 234.
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