Volkstheater

[241] Volkstheater, in großen Städten ein Nebentheater, das mehr für kleinbürgerliche Stände berechnet ist und deren Geschmack und Begriffen angemessene Stücke gibt. Seit der 1869 eingetretenen Gewerbefreiheit haben die V. eine schrankenlose Erweiterung erfahren; sie haben zum Teil selbst den klassischen Spielplan mit Glück in ihren Bereich gezogen, bevorzugen aber im allgemeinen mehr eine Spezialität: Operette oder Posse. Infolge einseitiger Bevorzugung dieser niedern Gattung trat schnell ein allgemeiner Verfall der V. ein, und es machten sich Bestrebungen geltend, die das V. zu einer wirklichen Bildungsstätte für die unbemittelten Klassen des Volkes erheben und es der geschäftlichen Ausbeutung von Theaterunternehmern entziehen wollten. Diese Bestrebungen fanden eine lebhafte Förderung durch die volksmäßig organisierten und von Dilettanten unternommenen Oberammergauer Passionsspiele, später durch die Lutherspiele von Herrig, Devrient, Henzen und Trümpelmann und durch örtliche Festspiele (der Meistertrunk in Rothenburg o. d. T., Hutten-Sickingenspiel von Bungert in Kreuznach, die Nibelungenspiele in Pöchlarn u. a.) sowie durch Versuche, wirkliche V. zu gründen. Hierher gehören das von Friedr. Schön gestiftete, von Otto March in Berlin amphitheatralisch erbaute Städtische Spiel- und Festhaus zu Worms (s. Tafel »Theaterbau III«), das im November 1889 mit Herrigs Festspiel »Drei Jahrhunderte am Rhein« eröffnet wurde, das im September 1889 eröffnete V. in Wien, das sich jedoch nicht viel von den gewöhnlichen Theatern unterscheidet, und die beiden Berliner Schillertheater, von denen das im Osten der Stadt im alten Wallnertheater befindliche 1894, das in Charlottenburg nach dessen Muster geleitete, aber als Amphitheater gebaute Haus 1. Jan. 1907 eröffnet wurde. Vgl. Herrig, Luxustheater und Volksbühne (Berl. 1886); Schoen, Ein städtisches V. und Festhaus in Worms (Worms 1887); Muth, Festschrift zur Einweihung des Spiel- und Festhauses in Worms (das. 1889); R. Prölß, Das deutsche V. (Dresd. 1889); Löwenfeld, Volksbildung und Volksunterhaltung (Berl. 1897).[241]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 241-242.
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