[49] Gluck, Christoph Wilibald, Opernkomponist, geb. 2. Juli 1714 auf der fürstlich Lobkowitzschen Herrschaft Weidenwang bei Berching (Oberpfalz),[49] wo sein Vater Alexander G. Förster war, gest. 15. Nov. 1787 in Wien, kam frühzeitig nach Böhmen, lernte in Prag Musik und erwarb sich besonders auf dem Violoncello Fertigkeit. 1736 wandte er sich nach Wien, wo ein Fürst Melzi auf sein Talent aufmerksam wurde und ihn nach Mailand schickte als Schüler Sammartinis (bis 1740). G. blieb nun zunächst in Italien und machte sich von 1742 an (»Artaserse«, in Mailand) als Opernkomponist in der üblichen Schablonenmanier der Italiener einen Namen, so daß er 1745 nach Londonberufen wurde, um die nach Händels definitiven Übertritt zur Oratorienkomposition ins Stocken geratene italienische Oper wieder zu heben. Der geringe Erfolg seiner für London geschriebenen, bez. aufgefrischten Opern brachte G. zum Nachdenken; zunächst mag das Bekanntwerden mit der Musik Rameaus und Händels den Läuterungsprozeß angeregt haben, der schließlich G. zu einem epochemachenden Reformator machte. Von London wandte er sich 1746 nach Hamburg und war 174748 Kapellmeister der Mingottischen Operntruppe (in Dresden, Prag, Hamburg, Kopenhagen). 1748 wurde Wien sein dauernder Wohnsitz. Nachdem er sich 1748 mit seiner »Semiramide« eingeführt, fungierte er 175464 daselbst als Kapellmeister der Hofoper und hatte als solcher Gelegenheit, die Anfänge des französischen Singspiels nach Wien zu verpflanzen. Er selbst schrieb zu einer ganzen Reihe solcher Stücke (Dichtungen von Favart, Anseaume, Sedaine, Lemonnier u.a.) neue Musik (»Les amours champêtres«, 1755; »Le Chinois polien France«, »Le déguisant pastoral«, »La fausse esclave«, »L'ivrogne corrigé«, »Le Cadi dupé« u.a.), und es ist nicht zu bezweifeln, daß die durch das Singspiel angebahnte Rückkehr zur Natur erfolgreich mitgewirkt hat, seinen Stil von der italienischen Schablonenweise zu befreien. Doch schrieb er zunächst noch für Wien selbst, schon 1749 auch für Kopenhagen, 1750 für Prag und 1752 für Neapel und noch 1756 für Rom italienische Opern alter Manier, und erst mit dem Moment, wo der Dichter Raniero da Calsabigi (171595) seinen Lebensweg kreuzt, tritt G. als Reformator auf, freilich zunächst auch nur in den von Calsabigi gedichteten Opern »Orfeo ed Euridice« (Wien 1762). »Alceste« (das. 1767) und »Paris ed Elena« (das. 1770), während die in dieser Periode komponierten sonstigen Opern und Introduktionen im alten Gleise weiterziehen, so daß, wie neue Untersuchungen bestätigen (vgl. Welti, »G. und Calsabigi«, in der »Vierteljahrschrift für Musikwissenschaft«, 1891), Calsabigi ein starker Anteil an Glucks Reform des musikalisch-dramatischen Stils gebührt (vgl. die Vorrede der Partituren von »Alceste« und »Paris und Helena«). Das Wesen der Reformen Glucks ist eine starke Reaktion zugunsten des poetischen Gehalts der Dichtungen, ein Zurückdrängen der Überflutung der Oper durch die rein musikalische Entwickelung des Virtuosengesanges. G. und Calsabigi griffen damit auf die Bestrebungen der Begründer der Oper (Peri, Monteverdi) zurück, wie auch die Stoffwahl der Texte (»Orpheus«, »Alceste«) die Tendenz verriet, das starke Pathos der antiken Tragödie wieder lebendig zu machen. Daß die bereits in Gang befindliche Bekämpfung der stereotypen Mache der italienischen Oper durch Zurückgehen auf das Volksmäßige und schlicht Natürliche in der Opera buffa und den nationalen Singspielen Calsabigi und G. den direkten Anstoß zur Reform der seriösen Oper gegeben, ist wohl nicht zu bezweifeln. Doch fanden ihre Bestrebungen in Wien, überhaupt in Deutschland, geschweige in Italien, nur geringes Verständnis, von seiten der angesehensten Kritiker, namentlich Forkels in Göttingen und Agricolas in Berlin, sogar heftige Opposition, obgleich einzelne erleuchtete Geister, wie Klopstock, Herder und Wieland, den Gluckschen Ansichten mit Begeisterung zustimmten. Da erstand, nachdem Calsabigi wegen eines Theaterskandals aus Wien verschwunden, G. ein neuer literarischer Beistand in dem französischen Gesandtschaftsattaché Le Blanc du Roullet, der begriff, daß G. der rechte Mann sei, die französische Oper, die dem Zauber des italienischen bel canto niemals ganz verfallen war, sondern in Lullys und Rameaus Werken immer einem kräftigen Pathos gehuldigt hatte, zu neuem Aufschwung zu bringen. Auch du Roullet wählte ein antikes Sujet: »Iphigenie in Aulis«, das er nach Racines Tragödie für G. zuschnitt, und setzte die Annahme an der Pariser Großen Oper durch. 1773 eilte G. selbst zum Einstudieren des Werkes nach Paris, und 19. April 1774 fand die erste Ausführung statt, die ungeheures Aufsehen erregte. Alsbald teilte sich das Publikum der Großen Oper in zwei Parteien, die Gluckisten und die Anhänger der italienischen Oper, die sich, nachdem man den Neapolitaner Piccini als Rival des deutschen Meisters nach Paris berufen, Piccinisten nannten, jene mit Suard, Abbé Arnaud, J. J. Rousseau, diese mit Marmontel, La Harpe, d'Alembert als Wortführern. Nachdem er auch den »Orpheus« und die »Alceste« in französischer Bearbeitung sowie (in Versailles 1775) die beiden unbedeutenden kleinen Opern: »L'arbre enchanté« und »Cythère assiégée« zur Aufführung gebracht, kehrte G. zunächst nach Wien zurück, um in Ruhe das alte Quinaultsche Textbuch der »Armide« (1686 für Lully) neu zu komponieren. Die Komposition des Quinaultschen »Roland« brach er ab und verbrannte seine Skizzen, als er erfuhr, daß man gleichzeitig Piccini mit der Komposition beauftragt hatte. 1777 war er wieder in Paris und brachte die »Armide« 25. Sept. zur ersten Aufführung. Der Erfolg war nicht so bestimmt, und 1778 feierte Piccini mit seinem »Roland« einen Triumph. Erst 1779, wo 18. Mai G. mit seiner »Iphigénieen Tauride« (Text von Guillard) einen vollständigen Sieg über Piccinis gleichnamige Oper errang, war der Streit zu seinen Gunsten endgültig entschieden. Glucks letzte Oper war die in demselben Jahr in Paris mit geringerm Erfolg aufgeführte »Echo et Narcisse« (Text von Tschudi); im folgenden Jahre kehrte er nach Wien zurück und legte nun die Feder aus der Hand. Außer im ganzen 46 Opern schrieb G. ein Ballett »Don Juan« (1761), ein »De profundis« für Chor und Orchester, den 8. Psalm a cappella, 7 Lieder von Klopstock mit Klavier, ein Oratorium »Das Jüngste Gericht« (von Salieri beendet) sowie 6 Symphonien. Eine kritische Prachtausgabe der Opern »Orpheus«, »Alceste«, der beiden »Iphigenien« und »Armide« erschien 187396 bei Breitkopf u. Härtel in Leipzig. Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Tondichter I« beim Artikel »Musik«. Eine Sammlung der durch das Auftreten Glucks in Paris hervorgerufenen Broschüren, Zeitungsartikel etc. veranstaltete Abbé Gaspard Michel (Leblond) u. d. T.: »Mémoires pour servir à l'histoire de la révolution opérée dans la musique par M. le chevalier de G.« (Neapel 1781; deutsch von Siegmeyer: »Über den Ritter von G. und seine Werke«, Berl. 1823). Val. A. Schmid, Chr. W. Ritter von G., sein Leben und sein tonkünstlerisches Wirken (Leipz. 1854); Marx, G. und die Oper (Berl. 1862, 2 Bde.); Desnoiresterres, G. et Piccini[50] (Par. 1872); Nohl, G. und Wagner (Münch. 1870); Reißmann, Ch. W. v. G. (Berl. 1882); E. Newman, G. and the opera (Lond. 1895); Wotquenne, Thematisches Verzeichnis der Werke von Chr. W. v. G. (Leipz. 1904).
Brockhaus-1809: Christoph von Gluck
DamenConvLex-1834: Gluck, Christoph, Ritter von
Kirchner-Michaelis-1907: Glück / Glückseligkeit
Meyers-1905: Glück [2] · Glück [1] · Glück auf!
Pagel-1901: Gluck, Themistokles
Pataky-1898: Glück, Walli · Glück, Elisabeth
Pierer-1857: Glück [1] · Glück [2] · Gluck · Glück auf!
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