Zahlensystem

[833] Zahlensystem, das Verfahren, alle ganzen Zahlen mit Hilfe einer Grundzahl X, die größer als 1 sein muß, und mit Hilfe der Zahlen 0, 1, 2... X-1, die kleiner als X sind, der sogen. Einer, auszudrücken. Ist A die gegebene ganze Zahl, so gibt es in der Reihe der Potenzen X0 = 1, X1 = X, X2,... eine erste, die größer als A ist; ist also etwa Xn+1 größer als A, aber Xn nicht größer als A, so kann man A in der Form: A = an Xn+an-1Xn-1+...+A2X2+a1X+a0 darstellen, wo an eine der Zahlen 1..., X-1, aber an-1, an-2,... a0 gewisse der Zahlen 0, 1... X-1 sind. Diese Darstellung von A ist nur auf eine Art möglich, d. h. die ganze Zahl n und die Einer an... a0 sind vollständig bestimmt, sobald A gegeben ist. Ist die Grundzahl ein für allemal festgesetzt, so braucht man ihre Potenzen X1, X2... (die Stufenzahlen oder Einheiten erster, zweiter etc. Ordnung) gar nicht hinzuschreiben, sondern man braucht bloß die Einer an an-1... a1a0 anzugeben, indem man verabredet, daß der erste Einer von rechts die in A vorhandenen Einer, der zweite die in A vorhandenen Stufenzahlen erster Ordnung, der m-te Einer von rechts die in A vorhandenen Stufenzahlen (m-1)-ter Ordnung bestimmt. Die Grundzahl X ist zwar willkürlich; die Benutzung der zehn Finger als des natürlichsten Hilfsmittels beim Zählen hat aber fast alle Kulturvölker auf das dekadische Z. (Dezimalsystem, Dekadik) mit der Grundzahl X = 10 geführt (vgl. Ziffern). Doch findet man daneben auch noch das vigesimale (X = 20) und das quinäre Z. (X = 5, Pentadik). Ersteres findet sich vollkommen ausgebildet bei den Azteken in Mexiko, die für 20,207 = 400 und 20° = 8000 eigne Wörter haben. Spuren des vigesimalen Systems kommen auch in europäischen Sprachen vor, namentlich im keltischen Basbreton, aus dem die vigesimale Zählweise von 70 an bis 100 ins Französische übergegangen ist (soixante-dix, soixante-douze etc., dann quatre-vingt = 4. 20 u. s. f.), sowie auch im Dänischen (halvtresindstyve, dritthalbmal 20, für 50 und ähnlich für 70 und 90, ferner tresindstyve = 3. 20 für 60 und firsindstyve = 4. 20 für 80). Das quinäre System findet sich öfters, aber nur neben dem dekadischen; es wird z. B. 6 aus 5 und 1,7 aus 5 und 2 gebildet (z. B. bei den Römern in der Schrift VI = 6, VII = 7 und VIII = 8, aber nicht in der Sprache), während für 10 ein besonderes Wort, nicht aus 5. 2 gebildet, vorhanden ist. Ausnahmen von der oben angegebenen Darstellung der Zahlen, die sich auf Addition und Multiplikation gründen, bilden Formen wie die lateinischen undeviginti, duodeviginti (1 von 20, 2 von 20 für 19 und 18), bei denen Subtraktionen vorkommen. Charakteristisch ist es, daß in den verschiedenen indogermanischen Sprachen die Wörter für 2–9, 10 und 100 deutliche Verwandtschaft[833] zeigen, während die für 1000 keine Ähnlichkeit erkennen lassen, also wohl erst nach der Trennung der verschiedenen Zweige dieses Sprachstammes entstanden sind. Für höhere Stufen als die dritte sind in den europäischen Sprachen erst spät Namen gebildet worden; nur im Griechischen hat man Myrioi = 10,000, wofür der deutschen und andern Sprachen ebenso wie für 10° = 100,000 ein eignes Wort fehlt. Million (s. d.) kommt zwar schon in der »Summa de arithmetica« des Luca Paciuoli (1494) als Zahlwort vor, ist aber erst später gebräuchlich geworden; Billion, Trillion etc. traten Anfang des 17. Jahrh. auf, wurden aber erst im 18. häufiger angewandt; Milliarde für 10° = 1,000,000,000 stammt aus dem 19. Jahrh. Für die übrigen Stufen, wie 10f, 10°, 101° etc., fehlen uns eigne Wörter, wogegen im Sanskrit Zahlwörter für alle Stufen bis 100 = 100,000 Billionen seit den ältesten Zeiten existieren. Um Zahlen, die mit viel Ziffern geschrieben werden, leichter lesen zu können, teilt man sie durch Kommas, gewöhnlich in Abteilungen zu je drei Ziffern; da dies bei sehr großen Zahlen auch wieder unübersichtlich ist, so setzt man häufig erst nach sechs Ziffern, von rechts nach links gezählt, ein Komma oder besser einen Zwischenraum, also 18,446744,073709,551615 oder 18446744073709551615 = 18 Trillionen 446744 Billionen 73709 Millionen und 551615. da das Komma leicht mit dem Dezimalzeichen verwechselt werden kann.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 833-834.
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