Als Vorläufer der Stenographie sind die zur Raumersparnis (Ausnutzung des unzureichenden und teuern Schreibmaterials) sowie zum (auszugsweisen) Nachschreiben von Vorträgen und Reden geschaffenen Abkürzungen der Volksschrift (Abbreviaturen, Sigel, notae etc.) zu betrachten. An deren Stelle tritt bei fortschreitendem Bedürfnis (Nachschreiben von Verhandlungen, Reden, Predigten, besonders geweckt in religiös und politisch bewegten Zeiten) sowie bei höherer Kultur die Stenographie als ein System der Schriftkürzung, das die Ausbildung einer Schriftsprache zur Voraussetzung hat. Bei der immer mehr hervortretenden Bedeutung der Stenographie als Gebrauchsschrift für den täglichen Verkehr und eignen Bedarf gestaltet sie sich auch theoretisch zu einer Fortbildung der Schrift._ Angaben über eine Stenographie im alten Orient (bei den Hebräern, Persern) beruhen auf Mißverständnissen.
(meist Tachygraphie genannt) ist teils in wenigen Überresten aus dem Altertum, teils aus Bearbeitungen und Fortbildungen im Mittelalter bekannt. Sie war in der Hauptsache Wort- und Silbenschrift.
A. Zur griechischen Stenographie rechnet man:
1) das Akropolissystem, dessen sehr verstümmelte und noch nicht sicher gedeutete, auf einer Marmorplatte eingehauene Anweisung auf der Akropolis in Athen gefunden worden ist. Es wird in die Zeit um 350 v.Chr. gesetzt. Die Vokale werden durch Abstriche dargestellt, während die Konsonanten durch horizontale, in verschiedener Stellung und Richtung an die Vokalstäbe angesetzte Striche bezeichnet werden. Von dem Autor und von einer Verwendung der Schrift, deren Charakter als Stenographie nicht feststeht, ist nichts bekannt.
2) Reste der nachchristlichen griechischen Stenographie, die zuerst in den Werken des Galēn (164 n.Chr.) erwähnt wird, haben sich in Inschriften (Grabstein des Asterius aus der ältern Kaiserzeit), auf Wachstafeln und Papyrusurkunden (aus dem 3.7. Jahrh., gefunden in Ägypten) erhalten. Die Schrift, nach dem Hauptfundort als ägyptisches System bezeichnet, ist eine Silbenschrift. Anscheinend mehr gekürzte Stellen sind noch nicht entziffert.
3) Eine Fortbildung dieser Schrift ist die sogen. byzantinische Tachygraphie in mehreren Codices aus dem 10. und 11. Jahrh., die meist auf das Kloster Grottaferrata zurückweisen und von Basilianer-Mönchen geschrieben sind. Es ist eine Silbenschrift, bei welcher der Anlautkonsonant der Silbe mit dem Vokal verschmolzen wird; allein zu schreibende Konsonanten werden in gewöhnlicher Schrift über das stenographische Wortbild gesetzt.
Einige Kürzungen der Bücherschrift sind tachygraphischen Ursprungs (sogen. Büchertachygraphie).
B. Die römische Tachygraphie hat sich nach der Tradition aus den notae (vermutlich Abkürzungen der gewöhnlichen Schrift) eines Ennius entwickelt und ist von Tullius Tiro, dem Freigelassenen und Sekretär Ciceros, und andern (besonders einem Seneca) seit dem 1. Jahrh. v.Chr. ausgebildet worden. Sie wird nach ihren Erfindern notae Tironis et Senecae, jetzt »Tironische Noten«, genannt. In der römischen Kaiserzeit wurde sie viel gebraucht und sogar in den Schulen gelehrt. Eine erneute Pflege fand sie dann im fränkischen Reich (in den Kanzleien der merowingischen und karolingischen Könige). Die erhaltenen Überreste (Wörterverzeichnisse, sogen. Commentarii, und ganz oder teilweise in Noten geschriebene Codices) stammen aus dem 8.10. Jahrh. Die Schrift beruht zwar auf einem Alphabet, das sich an die römische Kapitalschrift und Majuskel-Kursive anlehnt, die Schrift ist aber eine Wortschrift. Das Wortbild (nota) besteht aus dem Zeichen eines oder mehrerer im Wort vorkommender Laute, wobei in letzterm Falle die Zeichen in einer für jedes Wort besonders zu merkenden Weise verbunden und zu einem Gesamtbild verschmolzen werden. Zur Unterscheidung tritt häufig der diakritische Punkt in verschiedener Stellung hinzu. Endungen und sonstige formelle Wortteile werden von dem Wortsigel (nota) getrennt und in kleinern Zeichen neben, über oder unter dasselbe gesetzt (sogen, signum auxiliare, titula).
Im 9.11. Jahrh. haben sich aus den Tironischen Noten Silbenschriften entwickelt, unter denen man eine italienische, fränkische und spanische Silbenschrift unterscheidet. Erstere hat Papst Silvester II. (Gerbert) in Briefen und Bullen angewandt (Gerbertsche Silbenschrift); letztere ist unter dem Namen der Madrider Noten bekannt. Seit dem 11. Jahrh. verlor sich die Kenntnis der antiken Kurzschrift. An ihre Stelle trat im spätern Mittelalter ein ausgedehntes Abkürzungssystem der gewöhnlichen Schrift, das auch von den Geschwindschreibern des Reformationszeitalters (Cruciger, Roth, Rörer u.a.) bei Nachschriften von Reden, Tischreden etc. benutzt wurde.
Nachdem diese Kürzungen durch den Buchdruck beseitigt waren und die Geheimschriften sowie das wiedererwachende Studium der Tironischen Noten (Trithemius 1518, Lipsius 1597, Gruter 1603) zur Schaffung einer besondern Kurzschrift für die inzwischen zu Schriftsprachen herangewachsenen modernen Sprachen angeregt hatten, entstanden in dem politisch und sozial vorgeschrittenen England im Zeitalter der Königin Elisabeth die ersten modernen Kurzschriftsysteme.
A. Ihre Vorläufer sind teils Wortschriften mit einem Strichalphabet (bereits gegen Ende des 12. Jahrh. der englische Mönch Johannes von Tilbury in seiner »Nova ars notaria« für die lateinische Sprache, 1588 Timothy Bright in seiner »Characterie« für die englische Sprache), teils gekürzte Kurrentschriften (Ratcliff 1600, auf dem Kontinent Schwenter 1626 u.a.).
B. John Willis schuf 1602 die erste moderne stenographische Buchstabenschrift, in der die Wortbilder aus dem Alphabet nach bestimmten Schreibregeln gebildet werden. Er war zugleich der Begründer der geometrischen Kurzschrift, indem er die Zeichen des Joh. von Tilbury und Bright durch Kreis und Kreisteile ergänzte. Die inlautenden Vokale bezeichnete er durch die Stellung der Konsonantenzeichen zueinander, ohne die Zeichen eines Wortbildes miteinander stets zu verbinden (sogen. intermittierende Vokalisation). Den Höhepunkt dieser ersten Richtung der geometrischen Kurzschrift bezeichnen die Systeme von Mason (1672) und Gurney (1753). Das letztere wird noch heute von den amtlichen Stenographen des englischen Parlaments, die indes nur in den Kommissionssitzungen desselben tätig sind, angewandt.
Der Reformator der englischen Stenographie war John Byrom (16911763), der die noch heute gültigen Grundsätze für die Verteilung der Zeichen auf die Laute aufstellte (nach dem Prinzip der Iteration und Kombination der Laute). Dabei bezeichnete er nur die Konsonanten und setzte die inlautenden Vokale als Punkte in verschiedener Stellung in das Konsonantengerippe ein (sogen. interpunktierende Vokalisation). Vereinfachungen dieses Systemtypus boten unter andern Mavor (1780) und Taylor (1786). Letzterer ließ die Vokale im Inlaut ganz weg und deutete sie im An- und Auslaut durch einen Punkt an, so daß die Schrift fast eine Konsonantenschrift wurde und dadurch zwar sehr kurz, aber auch schwer wieder lesbar war. Taylors System hat durch seine Übertragungen auf andre Sprachen um die Wende des 19. Jahrh. eine hervorragende Bedeutung für die Entwickelung der Stenographie erlangt; es wurde unter anderm auf das Französische von Berlin (1792), auf das Italienische von Amanti (1809) übertragen.
Eine dritte Art der geometrischen Kurzschrift, welche die Vokale gleich den Konsonanten behandelt und mit den letztern zum Wortbild verbindet (buchstäbliche, koordinierende Vokalisation), nahm auch in England ihren Ausgang (Macaulay 1747 u.a.), wurde aber in Frankreich durch Coulon Thévenot (1778) zum Typus der französischen Stenographie und fand hier weitere Pflege, da die Vokalvernachlässigung der französischen Sprache widerstrebte.
Die heute verbreiteten geometrischen Systeme sind:
1) In Frankreich:
a) Das System von Prévost (1827), fortgebildet durch Delaunay (1878), das auf den Grundlagen des Systems Taylor-Bertin ruht und von den meisten Praktikern angewandt wird. Es kennt nur eine Schriftstufe und wird von seinen Vertretern daher als »sténographie unitaire« bezeichnet.
b) Das System von Conen de Prépéan (1813), fortgebildet von Aimé Paris (1822) und für die Praxis bearbeitet von dem Stenographen des französischen Senats Guénin (1884). Es beruht auf der koordinierenden Vokalbezeichnung und zerfällt in drei Stufen: Vollschrift (sténographie phonetique), Gebrauchs- und Verkehrsschrift (sténographie commerciale) und Nachschreibeschrift (sténographie professionnelle).
c) Das System von Duployé (1867), das gleichfalls der koordinierenden Methode folgt und neben einer Vollschrift (sténographie intégrale [elémentaire], Phonographie) eine gekürzte Schriftform (sténographie abrégée, Métagraphie) besitzt; letztere ist hauptsächlich von J. Depoin und Humbert bearbeitet worden. Die Vertreter der Systeme Paris und Duployé erstreben für die phonetische Vollschrift, die ganz an Stelle der gewöhnlichen Schrift treten soll, die Einführung in die Volksschulen. Das Duployésche System erfreut sich auch einer außerordentlichen Verbreitung und Anwendung im täglichen Verkehr sowohl in Frankreich als in den andern Französisch sprechenden Ländern (Luxemburg, Schweiz, Französisch-Asien und_-Afrika, Kanada).
Weniger bekannt ist das System von Riom, das sich an die Stenographie von Coulon anlehnt.
Auch in Spanien (und Portugal) ist die koordinierende geometrische Systemform durch die Bearbeitung des Coulonschen Systems von Fr. Marti (1803) herrschend geworden und hat in dieser Form und ihren Verbesserungen auch in Mexiko, Mittelamerika und dem Spanisch redenden Südamerika Eingang gefunden. Ebenso gehört das niederländische System von Somerhausen-Steger dieser Richtung an.
2) In England und in den Englisch sprechenden Ländern (vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Ostindien, Australien, Südafrika und in allen englischen Kolonien) ist dagegen die »Phonographie« von Isaac Pitman (1837 erschienen) zum fast ausschließlich verwendeten Einheitssystem geworden. Sie benutzt die interpunktierende Vokalisation und bietet in ihrer untern Stufe (learner's style und corresponding style) eine vollständige (phonetische) Vokalbezeichnung, während in der höhern Stufe (reporting style) die Vokale durch die verschiedene Stellung der Wortzeichen (grammalogues) zur Zeile angedeutet werden. Die Zeichen für weiche Laute werden von den Zeichen für die entsprechenden harten Laute durch Druckstärke unterschieden. Die Zeichen für zusammengesetzte Konsonanten werden durch die Hinzufügung von Häkchen und Kreisen zum Zeichen des Hauptlautes gebildet; die Verkürzung von Konsonantenzeichen bedeutet Zusatz von t (d), die Verlängerung Zusatz von tr (dr, thr).
Auch in Japan ist seit 1882 die geometrische Stenographie durch Übertragungen der Systeme von Pitman und Duployé verbreitet worden.
C. In Deutschland wurden zuerst Übertragungen englischer geometrischer Systeme veröffentlicht, und zwar der ältern intermittierenden Schule durch Ramsay (1678), dann solche der jüngern interpunktierenden Schule in teilweise selbständiger Umarbeitung durch Mosengeil (1796), Horstig (1797), Danzer (1800), Leichtlen (1819), Nowak (1830) u.a. Die auf den Landtagen in Baden, Württemberg, Hessen u.a. anfangs verwendete Kammerstenographie von Winter und seinen Schülern (Giavina u.a.) ist auf der Stenographie von Horstig aufgebaut.
Dagegen begründete Gabelsberger durch seine 1817 erfundene, 1834 veröffentlichte »Redezeichenkunst« die graphische (kursive) Stenographie und brachte diese in Deutschland zur Herrschaft. Er schuf sein Alphabet in geistvoller und origineller Weise aus den flüssigsten Zügen der gewöhnlichen Schrift unter Beachtung der Häufigkeit und Verbindungsfähigkeit wie der Ähnlichkeit der Laute. Diese Zeichen verband er zunächst nur unvollkommen miteinander; vielfach gestaltete er aber aus nebeneinanderstehenden Zeichen (sowohl Konsonant mit Vokal als Konsonant mit Konsonant) ein graphisch einheitliches (zusammengesetztes) Zeichen. Aus dieser Zeit stammt noch die heutige sogen. Verschmelzung der Konsonantenzeichen mit folgendem r sowie mit folgendem und vorhergehendem o, i und u. Einen weitern Fortschritt bedeutete (1822) die symbolische Bezeichnung der Vokale durch Verstellung der Konsonantenzeichen zueinander (Hochstellung für i, Mittelstellung für a, Tiefstellung für u) unter Verbindung der Zeichen sowie die Verwendung der Verstärkung für a, Verlängerung für i, Durchkreuzung für ü etc. Wo diese Mittel der Zeichenligatur und Symbolik nicht ausreichten, schrieb Gabelsberger den Vokal buchstäblich oder ließ ihn, wenn der Zusammenhang das Lesen des Wortes verbürgte, weg; letzteres gilt auch von einigen Konsonanten (z.B. r nach o, b nach ü). So wurde vielfach unter Ausscheidung minder wichtiger Bestandteile des Wortes der Rest desselben zu einem charakteristischen kurzen »Redezeichen« (»Monogramm«) vereinigt. Ebenso unterdrückte die »Schreibkürzung« die minder wesentlichen, aus dem grammatischen und logischen Satzzusammenhang, sich ergebenden Bestandteile des Wortes und Satzes. In den »Neuen Vervollkommnungen« (1843) lehrte Gabelsberger als eine besondere Kürzungsweise die »Prädikatkürzung«, indem das Prädikat als logische Folgerung aus dem Subjekt in geeigneten Fällen nur durch seine formellen Teile (Flexionslaute), nötigenfalls unter Hinzunahme einzelner Bestandteile des Wortstammes angedeutet wird, z.B. die Sonne = die Sonne scheint, der wachsame Hund = bellt. Die zweite, nach Gabelsbergers Tod erschienene Auflage der Anleitung (1850) wandte dieses Kürzungsprinzip auch auf andre Satzteile an. Gabelsberger und seine Schüler waren als Kammerstenographen in Bayern (seit 1819), Sachsen, Österreich etc. tätig und bildeten die Gabelsbergersche Stenographie in erster Linie als Kammerstenographie zu einer kurzen und charakteristischen Schrift aus. Die weitere Fortbildung des Systems nach Gabelsbergers Tode änderte an seinem Alphabet zwar fast nichts, suchte dagegen die Schrift entsprechend ihrer weitern Anwendung als Geschäfts- und Verkehrsschrift regelmäßiger und genauer zu gestalten und die frühern Monogramme tunlichst zu beseitigen. Dieser Aufgabe dienten zunächst die sogen. Münchener Beschlüsse (1852), dann die durch das Stenographische Institut zu Dresden auf Veranlassung seines Vorstandes, des spätern Geheimen Rates Haepe, vorbereiteten sogen. Dresdener Beschlüsse (1857), die das System in drei Teile (Wortbildung, Wortkürzung und Satzkürzung) schieden, es aber noch als ein einheitliches Ganzes auffaßten. Erst die Solinger Thesen (1877, begründet von Schrey) forderten mit Erfolg eine Trennung der Gabelsbergerschen Korrespondenzschrift (Wortbildung und Wortkürzung) von der Debattenschrift (Satzkürzung). Nach kleinern Änderungen (insbes. den sogen. Wiener Beschlüssen 1895) ordnete der Dresdener Stenographentag des (1868 gegründeten) Gabelsbergerschen Bundes im J. 1900 eine Revision des ganzen Systems an, die von dem Systemprüfungsausschuß des Bundes und dem Dresdener Stenographischen Institut ausgeführt und von dem Berliner Stenographentag 1902 angenommen wurde. Danach ist das in einer »Systemurkunde« niedergelegte System in zwei Stufen, die »Verkehrsschrift« und die »Redeschrift«, getrennt; im Alphabet ist ein einheitliches Zeichen für z durchgeführt worden, die Vokalisationslehre ist mehr geregelt und die Unterscheidung zwischen zusammengesetzten und den durch einen Vokal getrennten Konsonanten strenger durchgeführt worden. Ein kleiner Teil der Schule (namentlich in Österreich) hat diese »Berliner Beschlüsse« nicht angenommen, sondern an der ältern Systemform (nach den Wiener Beschlüssen) festgehalten (sogen. altgabelsbergersche Richtung).
Das Gabelsbergersche System bildet die Grundlage der deutschen Stenographie. Die folgenden Systembegründer suchten, in Gabelsbergers Bahnen fortschreitend, eine einheitliche Vokalisationslehre zu erhalten und die Schrift regelmäßiger und genauer zu gestalten; daneben trat seit 1870 das Bestreben, eine größere Einfachheit (leichte Erlernbarkeit) des Regelwerks zu erzielen und die Schrift deshalb in eine Gebrauchsschrift (für den gewöhnlichen Geschäftsverkehr und eignen Gebrauch) und eine Nachschreibeschrift (für Berufsstenographen) zu scheiden. Um eine systematische Übersicht über die nachgabels-bergerschen Systeme zu erhalten, kann man sie in zwei Hauptgruppen scheiden:
1. Systeme mit festen (stabilen) Grundstrichzeichen. Sie benutzen zur symbolischen Andeutung andrer Laute (Vokale oder Konsonanten) nur eine Zeichenwandlung durch verschiedene Druckstärke (schwache oder starke Schreibung), Verbindung (enge oder weite Verbindung), Stellung (auf, über oder unter die Grundzeile) und Größe (Ein-, Zwei- oder Dreistufigkeit) der Zeichen. Eine Verschmelzung der Zeichen kennen sie nur zur Bildung einzelner Konsonantenverbindungen, die dann aber auch als feste, graphisch einheitliche Zeichen erscheinen. Man unterscheidet:
a) Systeme mit symbolischer Vokalbezeichnung, die ebenso wie Gabelsberger die Vokale durch die Verstellung der Konsonantenzeichen zur Grundzeile oder gegenseitige Verstellung zueinander sowie durch die verschiedene Druckstärke, Größe und Verbindungsweise der Konsonantenzeichen andeuten.
b) Systeme mit Strichvokalisation, welche die Vokale buchstäblich durch Aufstriche schreiben, die sie mechanisch an die Konsonantenzeichen anreihen.
Als Hauptträger der ersten Richtung erscheint das System Stolze und die von ihm abgeleiteten Systeme, von denen in neuerer Zeit das Einigungssystem Stolze-Schrey in den Vordergrund getreten ist.
Stolze legte in seinem 1838 erfundenen, 1841 veröffentlichten System das Hauptgewicht auf die Darstellung der geschlossenen deutschen Stammsilbe, während er Vor- und Nachsilben meist durch Kürzungen bezeichnete, die mit dem Stamm verbunden wurden (grammatische Gliederung des Wortes). Die Stammsilbe stellte er zur Bezeichnung des inlautenden Vokals über (i), auf (e, a, ei, ä) und unter (o, u, ö, ü) die Grundlinie (sogen. Dreizeiligkeit); bei den Diphthongen (eu, au, äu) trat der Anlautkonsonant auf, der Auslautkonsonant unter die Grundlinie. Den Vokaldruck erhielt der Anlaut (»Anlautvokalisation«). Die Konsonantenzeichen gewann Stolze durch eine systematische Zergliederung der Kurrentschrift und verwendete die Zeichen meist in drei Größen (»Dreistufigkeit«). Dadurch konnte er einzelnen Lauten mehrere Zeichen (Haupt- und Nebenzeichen) zuteilen und das größere oder stehende Zeichen im Anlaut, das kleinere oder liegende Zeichen im Auslaut benutzen. Als Auslautzeichen verwendet, drückte das größere (stehende) Zeichen ein nachfolgendes t (d) mit aus. In den Nebensilben der Fremdwörter wurde der Vokal teils buchstäblich bezeichnet, teils durch Stellenveränderung und Druckverstärkung des Auslautkonsonanten angedeutet. Außer den Vor- und Nachsilben erhielten auch viele andre Wörter Kürzungen (Sigel). Zur Erzielung einer größern Schriftkürze für die parlamentarische Verwendung der Stenographie sowie zur grammatischen Gliederung der Fremdwörter wurden im Laufe der Zeit eine Menge Kürzungen in die Stolzesche Schrift eingeführt, die deren Erlernung und Anwendung sehr erschwerten. Nach Stolzes Tode (1867) wurde von der zur Fortbildung des Systems (1847) eingesetzten stenographischen Prüfungskommission eine grundsätzliche Trennung der stenographischen Gebrauchs- und Verkehrsschrift von der Nachschreibeschrift vorgenommen und in ersterer die Sigel für Begriffswörter sowie die Fremdwörterlehre gestrichen und statt der letztern die Vokalisation in den Nebensilben durch Verstellung und Verstärkung des Silbenauslautes (»Auslautvokalisation«) konsequent durchgeführt, sogen. Vereinfachte Stolzesche Stenographie oder neustolzesche Stenographie (1872). Eine weitere Vereinfachung derselben erfolgte im J. 1888. Im Gegensatz hierzu nannte sich der Teil der Stolzeschen Schule, der bei dem frühern System (von 1867) blieb, »altstolzesche«. Stenographieschule. Ein Teil der letztern nahm 1885 eine selbständige Vereinfachung des Systems vor, die als »mittelstolzesches System« bezeichnet wird. Neben der sogen. Schulschrift der Stolzeschen Stenographie wurden noch Kürzungsweisen für die Nachschreibeschrift von Simmerlein und Weigert veröffentlicht. Neuerdings hat in dem kleinen Teil der Stolzeschen Schule, der sich dem Einigungssystem Stolze-Schrey nicht angeschlossen hat, eine Reaktion gegen die Tendenz zur Vereinfachung der Stenographie und Ausbildung derselben als Gebrauchsschrift stattgefunden, und man hat sich unter Führung der Berliner Kammerstenographen wieder der vorwiegenden Pflege der Stenographie als Fach- und Nachschreibeschrift zugewendet. Das hiernach von Steinbrink ausgearbeitete System, sogen. Stolzesche Fachstenographie (1898), kehrt in vielen Beziehungen, besonders in der Bezeichnung der Nebensilben, zum altstolzeschen System zurück.
Aus dem Bestreben, die in dem Gabelsbergerschen und Stolzeschen System empfundenen Mängel zu beseitigen, insbes. dort die einer konsequenten Vokalisation hinderlichen sogen. Variabeln (Wandelzeichen, die sowohl von oben nach unten als umgekehrt geschrieben werden können, f, p, t, v), hier die Dreizeiligkeit zu beseitigen, entstanden viele Systementwürfe und Systeme, die zugleich auf eine Einigung der genannten Systeme hinzielten. Hierher gehören neben den Entwürfen variabelnloser Gabelsbergerscher Systeme (Zeplichal 1867, Markovits 1881):
a) die einzeiligen Stolzeschen Systeme von Velten (1876), Adler (1877), Simon (1879 und 1884) u.a.,
ß) die vereinfachten, auf der reinen Auslautvokalisation beruhenden Systeme von Faulmann (1875), Merkes (1880), Schrey (1887) und Stolze-Schrey (1897).
Die zunächst als Phonographie, in ihrer Umänderung (1883) als »Phonetische Stenographie« bezeichnete Schrift Faulmanns hat zuerst den Auslaut der Silbe in konsequenter Weise als alleinigen Träger der Vokalsymbolik verwendet und dadurch ein einfaches, in Hauptsilben und Nebensilben gleichmäßig durchführbares Vokalschema erhalten. Das Konsonantenalphabet bildete Faulmann in der Hauptsache aus halb- und einstufigen Zeichen und benutzte die Vergrößerung derselben zur Bezeichnung eines folgenden t, während viele andre Konsonantenzusammensetzungen einheitliche Zeichen erhielten. Die Schrift war in der Unterstufe Vollschrift ohne jegliche Kennzeichnung grammatischer Gliederung der Wörter und sollte in dieser Form ganz an die Stelle der Kurrentschrift treten und diese verdrängen. Für Nachschreibezwecke diente ein zuerst auf Gabelsbergerschen Grundlagen aufgebautes, später vereinfachtes Kürzungssystem.
Dagegen zeigten die Systeme von Merkes und von Schrey (»Vereinfachte deutsche Stenographie«) unter Beibehaltung des Faulmannschen Vokalisationsprinzips eine Annäherung an das Stolzesche System, das von Schrey auch eine solche an das Gabelsbergersche. Beide lehnten die Verwendung des linksschrägen Grundstrichs (Gabelsberger r, Faulmann s) als Konsonantenzeichens ab und benutzten, Merkes weniger, Schrey prinzipiell, auch zweistufige Zeichen für das Konsonantenalphabet, behielten auch Kürzungen und die grammatikalische Wortgliederung bei. Schrey suchte durch seine »Mutabeln« (bewegliche Zeichen, die im Anlaut auf der Grundlinie stehen, im Auslaut sie schneiden, wie k, p, t) und Unterschleifen in größerm Maße Unterlängen in die Schrift einzuführen und große Bindestriche zu vermeiden.
Einigungsverhandlungen zwischen den Schulen von Stolze (Neustolze und Mittelstolze), Velten und Schrey führten unter Leitung des Stolzeaners Mantzel im J. 1897 zur Begründung der »Vereinfachten deutschen Stenographie, Einigungssystem Stolze-Schrey«. Dies System hat die Grundlage der Schreyschen Schrift (reine Auslautvokalisation, Alphabet von halb-, ein- und zweistufigen Zeichen) angenommen, aber die Mutabilität der Zeichen, die meisten gewölbten Zeichen und die verstärkte Punktschlinge beseitigt und die Zeichenvergvößerung mehr zur Kennzeichnung der Konsonantenverdoppelung ausgenutzt. Ihm schlossen sich die genannten Schulen sowie der Hauptteil der Schule von Merkes an.
Während in den letztgenannten Systemen die Stolzesche Anlautvokalisation, also die absolute Verstellung des ganzen Wortbildes zur Zeile (sogen, absolute Symbolik), durch die Übertragung der Symbolik auf den Silbenauslaut und dessen relative Verstellung zum vorhergehenden Konsonant (sogen. relative Symbolik) ersetzt wurde, hat Lehmann in seiner »Stenotachygraphie« (1875, abgeändert und vereinfacht 1890 und 1897) eine andre Art der Anlautvokalisation durchgeführt, indem er sein Konsonantenalphabet aus nur einstufigen Zeichen bildete und durch die verschiedene Größe derselben (ein-, zwei- und dreistufig) die Vokale mitbezeichnete. Dadurch erreichte er eine größere Zeilenmäßigkeit der Schrift. Die relative Verstellung der Konsonanten sowie die Verlängerung der Zeichen unter die Grundlinie benutzte er zur Mitbezeichnung andrer vor- oder nachlautender Konsonanten (n, t, r, l).
Die symbolische Vokalbezeichnung betrachtet den Bindestrich zwischen zwei Konsonantenzeichen (Abstrichen) als ein bedeutungsloses Bindeglied zwischen beiden, um die Einheit des Wortbildes herzustellen und ein Absetzen zu vermeiden. Daneben wird der Aufstrich in fester, gerader Form als Lautzeichen (z.B. für die Vokale e, ei, den Konsonant t) verwendet. Der Bindestrich ist dagegen in seiner Richtung, Länge und Größe von den zu verbindenden Konsonantenzeichen abhängig. Im Gegensatz hierzu steht die Strichvokalisation, die zur Erleichterung der Erlernung der Schrift die Aufstriche als Zeichen für die Vokale gestaltet und daher auf die Größe und Richtung des Aufstrichs (»starre Aufstriche«), nicht aber auf die Stellung der Grundstriche zueinander das Hauptgewicht legt. Damit scheidet die Zeichenwandlung durch verschiedenen Druck und Größe von der Benutzung bei der Vokalbezeichnung aus; der Druck wird daher zur Andeutung der Konsonantenverdoppelung, die Vergrößerung teilweise zur Bezeichnung von Konsonantenzusammensetzungen (folgendes t) verwendet. Als besondern Vorzug betrachtet diese Systemrichtung die Vermeidung des Druckes zu wesentlichen Lautandeutungen; eine weitere Folge dieser Vokalisation ist die stete Verschiebung ungleich großer Auslautkonsonanten zur Zeile nach gleichen Vokalen. Zu dieser Gruppe gehören die Systeme von Brauns (1888) und von Scheithauer (1896). Ersteres suchte anfangs noch eine Zeilenmäßigkeit von Silben mit gleichem Vokal durch einen Wechsel in der Länge des Aufstrichs zu erzielen (relative Strichvokalisation), ist aber 1906 zur konsequentem absoluten Strichvokalisation nach Art Scheithauers übergegangen. Neben den geraden Aufstrichen verwenden beide auch geformte, d.h. an ihrem Anfang bogen- oder wellenförmige Aufstriche. In dem Kürzungsverfahren der Nachschreibeschrift benutzt Brauns die verschiedene Stellung zur Zeile, den Schriftdruck sowie die Richtungsänderung der Ab- und Aufstriche zur symbolischen Bezeichnung der Auslautkonsonanten (»Konsonantensymbolik«).
2. Systeme mit wandelbaren (mobilen) Zeichen. Die Zeichen sind nur einseitig am Kopfe geformt (gebildet), d.h. sie unterscheiden sich voneinander lediglich durch die Kopfbildung und laufen in einen geraden Strich (Stab, daher »Stabprinzip«) aus, dessen Modifikationen (Ausrundung nach rechts und links) zur Aufnahme geformter Aufstriche und zu andern Kürzungszwecken verwendet werden. Die Gruppe Konsonant und Vokal stellt sich dann als ein einheitliches graphisches Zeichen dar, das durch eine Verschmelzung des Zeichenstabes mit einem geformten Aufstrich gewonnen ist. Auch die Vergrößerung der Zeichen wird zur Unterscheidung verwendet, dagegen wird die Druckverstärkung wie in der Gruppe der Strichvokalisation nur zu minderwertigen Unterscheidungen (Zeichenverdoppelung) gebraucht, so daß beide Gruppen auch als »drucklose«. Systeme zusammengefaßt werden und als ihr gemeinsames Merkmal die buchstäbliche Vokalbezeichnung (im Gegensatze zur Vokalsymbolik) aufgestellt wird.
Je nachdem das Stabzeichen zur Bezeichnung der Konsonanten oder der Vokale verwendet wird, unterscheidet man a) Systeme mit Konsonantenstäben, b) Systeme mit Vokalstäben.
Die erstere Gruppe ist in Deutschland durch Rahm (1847) begründet und von Arends (1850) weiter ausgebildet worden. Letzteres System kennzeichnet sich durch einen großen Zeichenreichtum, wobei für Konsonantenzusammensetzungen und Auslautkonsonanten neue, vielfach künstliche Verbindungen aufgestellt sind. Eine Eigenart dieses Systems sind auch die besondern Kürzungsregeln über die Schreibung des anlautenden w, des auslautenden l, en etc. (zum Teil mit Verstellung der Zeichen zur Grundlinie), wodurch ganze Wortgruppen einheitlich gekürzt werden können (»Gruppenkürzung«). Arends war bestrebt, in seinem System ein »Schriftideal« zu schaffen und bezeichnete dasselbe als »rationelle Stenographie«. Nach Arends' Tod (1882) nahmen seine Schüler Vereinfachungen an dem System vor, infolge deren sich die Schule nach den von Matschenz (1891) und vom Hauptverband (1894, sogen. Reform-Arends) durchgeführten Reformen teilte. Nur ein geringer Teil der Schule hält zurzeit noch am sogen. altarendsschen System fest. Eine Einigung der drei Richtungen scheint jetzt (1907) bevorzustehen.
Eine Fortbildung und Vereinfachung des Arendsschen Systems bedeutet das System von Roller (1875). Zur Vermeidung von Unterlängen verwendet es die Schriftzeichen in drei Größen, drückt durch Verlängerung derselben unter die Zeile nachlautendes d und t aus und benutzt den Vokalaufstrich ebenfalls in drei Weiten (e, i, ei).
Im Gegensatze zu beiden Systemen gaben die Brüder v. Kunowski (1893) den Abstrichen vokalische Bedeutung und benutzten die geraden und gebogenen oder gerundeten (einseitig geformten) Aufstriche zur Bezeichnung der Konsonanten. Ferner verwenden sie Kreis- und Punktzeichen nicht als Lautzeichen, vielmehr entstehen Kreis und Punkt erst durch die besondern Regeln über die Konsonantenverbindung.
Nach der Begründung des Einigungssystems Stolze-Schrey unternahmen 1898 auch die Stenographieschulen von Arends, Roller, Brauns und v. Kunowski den Versuch einer Systemeinigung. Diese Verhandlungen endeten mit der Aufstellung der Nationalstenographie (1898), einer Verbesserung der v. Kunowskischen Schrift, die von den drei zuerst genannten Schulen zwar abgelehnt, von einem erheblichen Teil der Anhänger von Arends und Roller aber angenommen und 1902 einer weitern Umänderung unterzogen wurde. In diesem System sind ebenso wie in denen von Scheithauer und neuerdings Brauns die Haarstriche ihrer Größe, Richtung und Gestalt nach unveränderliche, feste (»starre«) Zeichen. Die Grundstriche sind nur einseitig (am Kopf) geformt und werden mit den ebenfalls nur einseitig geformten Aufstrichen zu einheitlichen graphischen Formen verschmolzen. Als eigenartige Kürzungsweise dient die sogen. Zergliederungskürzung, indem l und r (ĕl, ĕr) am Wortende verkürzt durch den Anfangsteil ihres Zeichens geschrieben werden. Für die Zwecke der höhern Praxis ist eine zweite Stufe des Systems als »Eilschrift« ausgearbeitet worden.
Nach graphischen Gesichtspunkten lassen sich die deutschen Hauptsysteme hiernach einteilen in
A. Systeme mit festen (nur nach Stellung, Druck und Größe veränderlichen), einseitig oder beiderseits (am Kopf oder Fußende oder an beiden Stellen) geformten Grundstrichzeichen, und zwar
1) mit nachgiebigen Aufstrichen = Bindestrichen die Systeme mit symbolischer Vokalisation: Gabelsberger (als Hauptprinzip), Stolze (Dreistufigkeit, Dreizeiligkeit), Stolze-Schrey (Zweistufigkeit, Einzeiligkeit), Faulmann und Lehmann = Stenotachygraphie (Einstufigkeit, Einzeiligkeit);
2) mit starren, zum Teil geformten Aufstrichen als Lautzeichen für Vokale: Brauns (gewellte Aufstriche), Scheithauer (bogenförmige).
B. Systeme mit wandelbaren (d.h. am Fuß ihres Stabes veränderlichen), nur einseitig (am Kopfe) geformten Grundstrichzeichen, und gleichfalls zum Teil einseitig geformten Aufstrichen, und zwar
1) mit nachgiebigen Aufstrichen als Vokalzeichen (»Vokalbänder«): Arends, Roller;
2) mit starren Aufstrichen als Konsonantenzeichen: v. Kunowski = Nationalstenographie.
Nur die hier genannten zehn deutschen Stenographiesysteme erfreuen sich zurzeit (1907) einer beachtenswerten Verbreitung und Vertretung durch organisierte Vereine. Neuere (private) Versuche zu einer Einigung der verbreitetsten und verwandten Systeme von Gabelsberger und Stolze-Schrey (besonders Ostern 1901 zu Dresden) waren ergebnislos. Daher sucht man auf Gabelsbergersche Anregung hin neuerdings die Regierungen zu veranlassen, durch eine Stenographiekonferenz (nach dem Vorbilde der Orthographiekonferenz von 1901) eine Einheitlichkeit auf stenographischem Gebiete (sogen. Einheitssystem) herbeizuführen. Im November 1906 haben sich zu Eisenach Vertreter der Systeme Gabelsberger, Stolze-Schrey, Stolze, Stenotachygraphie, Nationalstenographie, Arends und Roller unter nachträglicher Zustimmung der Schulen Brauns und Faulmann auf diesen Plan geeinigt. Darauf haben auch der deutsche Reichstag am 16. April 1907 und das preußische Abgeordnetenhaus am 11. April 1907 die Regierungen ersucht, den Bestrebungen zur Vereinheitlichung der deutschen Kurzschrift ihre Mitwirkung und Förderung zuteil werden zu lassen. Im Interesse der weitesten Verbreitung und Verwendung der Stenographie ist diesen Bestrebungen bester Erfolg zu wünschen.
Von Deutschland aus hat sich die kursive Stenographie nach dem Norden, Osten und Süden Europas ausgebreitet und die hier vorgefundene geometrische Schrift vielfach ersetzt. Vor allem ist (neben dem Pitmanschen und Duployéschen) das Gabelsbergersche System zu einer Art von Weltstenographie geworden. In Dänemark und Norwegen ist es durch die Übertragungen von Dessau, in Schweden durch die von Swan, in Ungarn durch die von Markovits, in den slawischen Ländern durch die Übertragung des Prager Stenographenvereins auf das Tschechische, von Olchin, Gorschenew u.a. auf das Russische, von Poliński auf das Polnische, von Magdić auf das Kroatische, von Milovanović auf das Serbische, von Bezenek auf das Bulgarische und Slowenische, dann in Griechenland durch die Übertragung von Mindler, in Italien durch die von Noë zum Teil (namentlich in Ungarn, Italien, Böhmen und Dänemark) erheblich verbreitet. Daneben haben in Dänemark eine Übertragung des Schreyschen Systems durch Worms, in Schweden Übertragungen des Systems Arends' durch Bergsten und des Systems Brauns, in Rußland die Bearbeitung des Stolzeschen Systems durch Paulson und Messer, in Ungarn die des Stolzeschen Systems durch Fenyvessy, in den Niederlanden die des Stolzeschen Systems durch Wéry u.a. Verbreitung gefunden. Auch in die Englisch, Französisch und Spanisch sprechenden Teile von Europa und Amerika dringen neuerdings deutsche graphische Systeme vor. Ebenso sind einheimische kursive Systeme in England (sogen. Scriptsysteme) aufgestellt worden.
In den Parlamenten wird von den amtlichen Stenographen u.a. verwendet: im deutschen und ungarischen Reichstag das Gabelsbergersche und Stolzesche System (aushilfsweise sind in erstern 1905 auch drei Stolze-Schreyaner und ein Stenotachygraph berufen worden), in der schweizerischen Bundesversammlung das Gabelsbergersche, Stolzesche und Stolze-Schreysche, im badischen und braunschweigischen Landtag das Gabelsbergersche und Stolze-Schreysche, im weimarischen Landtage das Gabelsbergersche und Scheithauersche, im preußischen Landtag das Stolzesche, in den Landtagen der übrigen deutschen Bundesstaaten sowie im österreichischen Reichsrat und in den österreichischen Einzellandtagen das Gabelsbergersche, im schwedischen Reichstag die Systeme Gabelsberger, Arends und Melin, in den dänischen, norwegischen, finnischen, serbischen, bulgarischen, montenegrinischen und griechischen Parlamenten Übertragungen des Gabelsbergerschen Systems, letztere auch (neben drei andern Systemen) in der russischen Duma, während im russischen Reichsrate eine Übertragung der Rollerschen Stenographie verwendet worden ist. Auch die Provinziallandtage und viele Gemeindevertretungen lassen ihre Verhandlungen stenographisch aufnehmen.
Vielfach ist die Stenographie in den (meist wahlfreien) Unterricht höherer Lehranstalten und Militärbildungsschulen aufgenommen, so das Gabelsbergersche System ausschließlich in Bayern (seit 1854), Sachsen (1873), Sachsen-Weimar-Eisenach (1896), Oldenburg (1897) und Koburg-Gotha (1897 u. 1899) sowie in den deutsch-österreichischen Ländern (seit 1871). In Württemberg und Baden sind die Systeme Gabelsberger, Stolze-Schrey und Roller zugelassen, in Ungarn die Systeme Gabelsberger und Stolze. In Preußen steht die Unterrichtsverwaltung dem stenographischen Unterricht noch unentschieden gegenüber, während an den preußischen Kapitulantenschulen das Gabelsbergersche und Stolze-Schreysche und an den preußischen Kadettenlehranstalten ausschließlich das Stolze-Schreysche System zugelassen ist. Auch sonst haben viele Zentralbehörden deutscher Bundesstaaten ihre Beamten auf die Wichtigkeit der Stenographie aufmerksam gemacht. Eine besondere Pflege findet die Gabelsbergersche Stenographie in den königlichen Stenographischen Instituten zu Dresden und München.
Im übrigen liegt die Verbreitung und Weiterbildung der Stenographie dem privaten Vereinswesen ob, das sich namentlich in Deutschland seit 1844 (Berlin) unter dem Antrieb des Wettbewerbs der verschiedenen Systeme kräftig entwickelt hat.
Nach der am 30. Juni 1906 von den Vereinsorganisationen veranstalteten Statistik betrug die Anzahl der Vereine und ihrer Mitglieder sowie der im Zähljahr (Juli 1905/06) Unterrichteten für die deutschen Systeme:
Auch in Frankreich und England bestehen stenographische Vereine, jedoch treten in England mehr die Stenographieschulen hervor. In Kaufmannskreisen hat die Verwendung der Stenographie zur Aufnahme des Diktates von Geschäftsbriefen, meist in Verbindung mit der Einführung der Schreibmaschine (zur Reinschrift des Diktates), im letzten Jahrzehnt erheblich zugenommen, wobei sich auch für das weibliche Geschlecht eine geeignete Tätigkeit eröffnet hat.
Die Vereine der einzelnen Stenographiesysteme (sogen. Stenographieschulen) haben sich zu Verbänden zusammengeschlossen, die auf Stenographentagen zusammentreten. Zur Förderung allgemeiner stenographischer Fragen und Interessen sind 1887 in London die internationalen Stenographenkongresse begründet worden (die folgenden 1889 in Paris, 1890 in München, 1891 in Berlin, 1893 in Chicago, 1897 in Stockholm, 1900 in Paris, 1905 in Brüssel). Auch die Gabelsbergersche Schule hat internationale Stenographentage (1896 in Budapest, 1900 in Rom, 1904 in München, 1907 in Graz) eingerichtet.
Buchempfehlung
Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro