XVI.

1.

Die Verhandlungen über die Textesänderungen im Idomeneo, welche durch den Vater mit Varesco gepflogen wurden, sind so lehrreich für Mozarts Weise, sowohl für die Leichtigkeit, mit welcher er den obwaltenden umständen gerecht wurde, als für die bewußte Klarheit, womit er auch das Detail behandelte, daß die betreffenden Stellen der Correspondenz in übersichtlicher Ordnung eine Mittheilung verdienen.

»Wegen dem Buch« schreibt Mozart gleich nach seiner Ankunft (8. Nov. 1780) »sagt der Graf, ist es nicht nöthig, daß der Abbate Varesco es nochmal schreibe und hieher schicke, weil es hier gedruckt wird. Ich meinte aber, er sollte es gleich zusammenschreiben, und aber die kleinen Noten dabey nicht vergessen, und es sobald möglich sammt dem Argument hieher schicken. Die Namen der singenden Personen betreffend ist es das unnöthigste; das kann wohl am leichtesten hier geschehen. Es werden so da und dort kleine Veränderungen vorgenommen werden, die Recitativ etwas abgekürzt; doch wird Alles gedruckt seyn

Der Vater folgt diesem Wink und antwortet, indem er das Buch überschickt: »Hier kommen die drei Akt zum Druck geschrieben. Was wegen den Namen der recitirenden Personen, der Erfindung des Ballets, der Ballet-Musik u.s.w. hinzuzusetzen ist, ist Platz gelassen. Was vor jeder großen Scen-Veränderung hineingeschrieben ist, wird (wenn Hr. Quaglio es in etwas abgeändert hätte) leicht im Buch zu verändern sein. – So wird z.B. im Atto primo Scena VIII da es heißt:Nettuno esce etc. und Nel fondo della prospettiva si vede Idomeneo che si sforza arrampicarsi sopra quei dirupi etc., da sage ich wird [550] man die Nachricht und Erklärung dieser Scene so einrichten müssen, wie man sie vorzustellen gedenket. Das ist, ob Idomeneo im Schiff verbleibet, oder ob er zwar nicht Schiffbruch leidet, doch wegen der anscheinenden Gefahr mit seinen Leuten die Schiffe verlassen und sich auf die Felsen gerettet hat1. Kurz, es kommt darauf an, wie man's vorstellt; es wird dem Hrn. Quaglio als einem geschickten und erfahrnen Mann überlassen. Zertrümmerte Schiffe müssen doch seyn, denn im Recitativ von Scena X sagt Idamante: vedo fra quegl' avanzi di fracassate navi su quel lido sconosciuto guerrier.«

Schon in dem ersten Brief aus München wünschte Mozart auch im Text selbst eine Veränderung. »Ich habe nun« schreibt er »eine Bitte an Herrn Abbate: die Aria der Ilia im 2ten Akt und 2 ten Scene möchte ich für das, was ich sie brauche, ein wenig verändert haben. – Se il padre perdei, in te lo ritrovo: diese Strophe könnte nicht besser seyn. Nun aber kömmt's, was mir immer, NB. in einer Aria, unnatürlich schien, – nämlich das Aparte-Reden. Im Dialogue sind diese Sachen ganz natürlich, man sagt geschwind ein paar Worte auf die Seite; aber in einer Aria, wo man die Wörter wiederholen muß, macht es üble Wirkung; und wenn auch dieses nicht wäre, so wünschte ich mir da eine Arie (der Anfang kann bleiben, wenn er ihm taugt, denn der ist charmant), eine ganz natürlich fortfließende Aria, wo ich, nicht so sehr an die Worte gebunden, nur so ganz leicht auch fortschreiben kann: denn wir haben uns verabredet, hier eineAria Andantino mit vier concertirenden Blas-Instrumenten anzubringen, nemlich auf eine Flaute, eine Oboe, ein Horn und ein Fagott, und bitte, daß ich sie so bald als möglich bekomme.« – Umgehends (11. Nov. 1780) schickte ihm der Vater eine neue Arie; »mir scheint, es wird recht sein, wo nicht – nur geschwind geschrieben!« Allein auch Wolfgang fand die Arie so ganz vortrefflich (15. Nov. 1780).

Weniger bereit zeigte sich der Dichter auf den nächsten Wunsch einzugehen. Gegen den Schluß der Oper führte der Wettstreit zwischen Ilia und Idamante ursprünglich zu einem Duett der Liebenden; da schrieb nun Mozart (13. Nov. 1780): »Das [551] zweyte Duetto in der Oper bleibt ganz weg, und zwar mit mehr Nutzen als Schaden für die Oper; denn Sie sehen wohl, wenn Sie die Scene überlesen, daß die Scene durch eine Aria oder Duetto matt und kalt wird, und für die andern Acteurs, die so hier stehen müssen, sehr génant ist – und überdieß würde der großmüthige Kampf zwischen Ilia und Idamante zu lange, und folglich seinen ganzen Werth verlieren.« Darauf antwortet der Vater (18. Nov. 1780): »Wegen dem Duetto Deh soffri in pace o cara wollte Hr. Varesco lange nicht daran; allein ich überzeugte ihn. Nun haben Idamante und Ilia noch einen ganz kurzen Streit von etlichen Worten im Recitativ, welcher von einem unterirdischen Geräusch so zu sagen unterbrochen und der Ausspruch durch eine unterirdische Stimme gehört wird, welche Stimme und ihre Begleitung rührend, schreckbar und außerordentlich seyn muß, das kann ein Meisterstück der Harmonie werden. – Dieses Recitativ muß am Ende sehr lebhaft recitirt werden, wo sie zum Altar läuft, er aber sie zurückhält, alsdann sie sich an den Priester selbst mit allem Eyfer wendet, sich auf die Knie wirst und ehe ihre Rede zu Ende gehet, unter den Worten A te sacro ministro. ... der unterirdische Lärm sie zu reden verhindert und Alles in Erstaunen und Furcht setzt. Wenn's ordentlich Schlag auf Schlag geht, wird es eine große Wirkung auf die Zuschauer machen, sonderheitlich da die unterirdische Stimme darauf folgt.« Mit dieser Veränderung war Mozart wohl zufrieden bis auf die Fassung des Orakels. »Sagen Sie mir,« schreibt er (29. Nov. 1780) »finden Sie nicht, daß die Rede von der unterirdischen Stimme zu lang ist? Ueberlegen Sie es recht. Stellen Sie sich das Theater vor, die Stimme muß schreckbar seyn, sie muß eindringen, man muß glauben, es sey wirklich so – wie kann sie das bewirken, wenn die Rede zu lang ist, durch welche Länge die Zuhörer immer mehr von dessen Nichtigkeit überzeugt werden? Wäre im Hamlet die Rede des Geistes nicht so lang, sie würde noch von besserer Wirkung seyn. – Diese Rede hier ist auch ganz leicht abzukürzen, sie gewinnt mehr dadurch, als sie verliert.« Als nicht gleich Antwort erfolgt, erinnert er (5. Dec. 1780): »Dann hatte ich auch geschrieben daß mir (und auch Anderen) die unterirdische Rede, um daß sie Effect macht, zu lang scheint – überlegen Sie es.« Aber der Vater war ganz einverstanden. »Du weißt,« antwortet er (4. Dec. 1780) »daß ich auch die unterirdische Rede schon zu lang gefunden. [552] Ich sagte ihm meine ganze Meinung, und es wird nun so kurz werden, als es immer möglich ist.« Aber es war auch damit noch nicht genug geschehen. »Der Orakelspruch« schreibt Wolfgang (18. Jan. 1781), »ist auch noch viel zu lange – ich habe es abgekürzt; der Varesco braucht von diesem Allen nichts zu wissen, denn gedruckt wird Alles wie es geschrieben«2.

Gegen eine andere Kürzung hatte der Dichter nichts einzuwenden: »Fragen Sie Varesco,« bat Mozart seinen Vater (24. Nov. 1780) »ob man bey dem Chor im zweyten Act Placido è il mar, nachdem nach der ersten Strophe der Elettra der Chor wiederholt worden, nicht aufhören kann? wenigstens nach der zweyten – es wird doch gar zu lang!« Da ihm der Vater antwortete (30. Nov. 1780): »Wegen dem Chor Placido magst Du aufhören:, wann Du willst – nurNB. muß im Buch Alles gedruckt werden«: so hörte Mozart nach der ersten Strophe auf; im Textbuch sind richtig vier Strophen gedruckt.

Ein andermal war ein Zusatz wünschenswerth. »Dem ehrlichen alten Panzacchi« schreibt er (5. Dec. 1780) »muß man doch auch etwas zu Gute thun. Dieser möchte nur um etwa ein Paar Verse sein Recitativ im dritten Aet verlängert haben, welches wegen demchiaroscuro und weil er ein guter Acteur ist, von guter Wirkung seyn wird. Zum Beispiel nach den Worten sei la città del pianto e questa reggia quella del duol: einen kleinen Schimmer von Hoffnung – und dann! – ich Unsinniger! wohin verleitet mich mein Schmerz! – ah Creta tutta io vedo etc.!«3 Am meisten Noth machte ihm Raaff, der sehr wählerisch war und den Mozart auf alle Weise zufrieden zu stellen wünschte. »Nun giebt es« schreibt er (15. Nov. 1780) »noch eine Veränderung, an welcher Raaff Schuld ist; er hat aber [553] Recht, und hätte er nicht, so müßte man doch seinen grauen Haaren etwas zu Gefallen thun. Er war gestern bey mir, ich hab ihm seine erste Arie vorgeritten, und er war sehr damit zufrieden. Nun, – der Mann ist alt: in einer Aria, wie selbe im zweyten Akte: fuor del mar ho un mare in seno etc. kann er sich dermalen nicht mehr zeigen; – also, weil er im dritten Akt ohnedieß keine Arie hat, wünschte er sich (weil seine im 1sten Akte vermöge des Ausdruckes der Worte nicht cantabile genug seyn kann) nach seiner letzten Rede: o Creta fortunata! o me felice! anstatt dem Quartetto eine hübsche Aria zu singen, und auf diese Art fällt auch hier ein unnöthiges Stück weg, und der dritte Akt wird nun weit bessern Effect machen4. Nun in der letzten Scene im zweyten Akte hat Idomeneo zwischen den Chören eine Aria oder vielmehr Art von Cavatina; hier wird es besser seyn, ein bloßes Recitativ zu machen, darunter die Instrumente gut arbeiten können. Denn in dieser Scene, die, wegen der Action und der Gruppen, wie wir sie kürzlich mit Le Grand verabredet haben, die schönste der ganzen Oper seyn wird, wird ein solcher Lärm und Confusion auf dem Theater seyn, daß eine Aria eine schlechte Figur auf diesem Platze machen würde, und überdieß ist das Donnerwetter, und das wird wohl wegen der Aria des Hrn. Raaff nicht aufhören? – und der Effect eines Recitativs zwischen den Chören ist ungleich besser«5. Varesco war denn auch gleich bereit das Recitativ und eine neue Arie zu schreiben. »Hier ist die Veränderung von Abbate Varesco« meldet der Vater (25. Nov. 1780). »Mir gefällt nicht recht, daß in der ersten Zeile die Worte ed era zur folgenden Zeile gehören, in der Aria für Hrn. Raaff. Freylich findet man es auch öfter beym Metastasio – da kommts auf die Geschicklichkeit des Componisten an. Viele welsche Esel machten die Melodie il cuor languiva ed era und dann erst eine andere abgesetzte Melodie auf gelida morte in petto.« Noch weniger Gnade fand die Arie in München. »Die eingeschickte Aria« antwortet Wolfgang (1. Dec. 1780) »wünschte Raaff wohl mit mir ein wenig verändert zu haben. Das era ist ihm auch nicht recht; und dann möchten wir hier [554] eine ruhige, zufriedene Aria haben, wenn es auch nur ein Theil wäre – desto besser; den zweyten muß man so allzeit in die Mitte nehmen, und der geht mir öfters im Wege um. Im Achille in Sciro von Metastasio ist so eine Aria auf diese Art


Or che mio figlio sei,

Sfido il destin nemico;

Sento degl' anni miei

Il peso alleggerir«.6


Varesco schickte eine neue Arie ein – sie ist im Textbuch gedruckt –


Sazio è il destino al fine,

Mostrami lieto aspetto;

Spirto novello il petto

Vien mi a rinvigorir.

Tal serpe in fra le spine

Lascia le an tiche spoglie,

E vinte l'aspre doglie

Torna a ringiovenir7.


Aber Raaff war dadurch nicht zufrieden gestellt. »Neulich« schreibt Mozart (27. Dec. 1780) »war er ganz unwillig über das Wort in seiner letzten Ariarinvigorir und ringiovenir – besonders vien mi a rinvigorir – fünf i – es ist wahr, beim Schluß einer Aria ist es sehr unangenehm.« Er konnte sich auch nicht dabei beruhigen; im nächsten Brief (30. Dec. 1780) schrieb Mozart : »Nun bin ich wegen des Raaffs letzter Aria in einer Verlegenheit, woraus Sie mir helfen müssen. Das rinvigorir und ringiovenir ist dem Raaff unverdaulich und wegen diesen zwev Wörtern ist ihm schon die ganze Aria verhaßt. Es ist wahr das mostra mi und vien mi ist auch nicht gut, aber das Schlechteste sind schon [555] die zwey Endwörter – wo ich bey dem ersten rinvigorir um den Triller auf dem i zu vermeiden ihn auf dem o machen müßte. Nun hat Raaff imNatal di Giove (welches freylich sehr bekannt ist) eine zu dieser Lage passende Aria gefunden – ich glaube, sie ist die Licenz-Aria davon8:


Bell' alme al ciel dilette

Ah' respirate ormai!

Già palpitaste assai,

E tempo di goder.

Creta non oda intorno,

Non vegga in si bel giorno

Che accenti di contenti,

Che oggetti di piacer.


Und diese Arie soll ich ihm schreiben, – man kennt sie nicht, sagt er, und wir sagen nichts. Er weiß halt daß es dem Hrn. Abbate nicht zuzumuthen ist, diese Aria zum drittenmal zu ändern, und – wie sie ist, will er sie doch nicht singen.« Aber Varesco wollte lieber noch eine neue Arie schreiben, als eine fremde einlegen lassen und versprach sie noch zur rechten Zeit nach München zu schicken. »Ich bin recht froh«, schreibt Mozart (3. Jan. 1781) »daß ich die Aria für den Raaff bekomm; denn er hat absolument seine gegebene Aria wollen hineinsetzen lassen – ich hätte es (NB. mit einem Raaff) nicht anders richten können, als daß Varesco seine Aria gedruckt gewesen wäre und Raaf seine aber gesungen worden wäre.« Man sieht an diesem Beispiel, in welcher Weise die Sänger dem Dichter und Componisten gegenüber ihre Rechte ausübten, und wie das Augenmerk dabei fast nur auf Gegenstände gerichtet war, welche die äußerliche Technik angehen; und doch ging hier Alles in aufrichtiger Freundschaft zwischen Sänger und Componisten her. Schließlich war alle diese Noth vergeblich gewesen, denn die am Ende approbirte Arie – sie ist in der Partitur gedruckt – wurde bei der Aufführung gestrichen. Nach der Probe des dritten Acts fand man, wie Mozart berichtet (18. Jan. 1781) »die Poesie darin gar zu lang, und folglich die Musik auch (welches ich immer gesagt habe). Deswegen bleibt die Arie von Idamante Nò, la morte io non pavento weg, welche ohnedies ungeschickt da ist, worüber [556] aber die Leute, die sie in Musik gehört haben, darüber seufzen – und die letzte Aria von Raaff auch, worüber man noch mehr seufzt. Allein man muß aus der Noth eine Tugend machen.«

Bei diesen Vorschlägen hatte Wolfgang den Vater auf seiner Seite gehabt, gegen einen anderen erklärte sich dieser aber mit allem Nachdruck. Da Raaff ein ganz schlechter Schauspieler und dal Prato ohne alle Bühnengewandtheit war, so war es Mozart für die längeren dialogischen Scenen, bei denen Alles auf die gute Action ankam, gleich anfangs bange geworden und seine Sorge wurde durch die Proben nur vermehrt. Daher schrieb er (19. Dec. 1780 ):»A propos! Die Scene zwischen Vater und Sohn im ersten Act, und die erste Scene im zweyten Acte zwischen Idomeneo und Arbace sind beyde zu lang; sie ennuiren ganz gewiß. Besonders, da in der ersten Beyde schlechte Acteurs sind, und in der zweyten es einer ist; und der ganze Inhalt nichts als eine Erzählung von dem, was die Zuschauer schon selbst mit Augen gesehen, ist. Die Scenen werden gedruckt, wie sie sind. Nur wünschte ich, daß der Herr Abbate mir anzeigen wolle, wie sie abzukürzen sind, und zwar auf das Kürzeste, denn sonst muß ich es selbst thun; denn so können die zwey Scenen nicht bleiben – in der Musik, versteht es sich.«

Hierauf entgegnet ihm nun der Vater9: »Du willstabsolute zwey Recitative abgekürzt. Ich ließ den Varesco alsogleich holen, denn heut abends um 5 uhr bekam ich Deinen Brief und morgen früh geht der Postwagen weg. Wir lasen es hin, wir lasen es her und beyde finden wir keine Gelegenheit es abzukürzen. Es ist nach dem Französischen, sowie der Plan es verlangte, übersetzt. Ja, man sehe im Plan nach, es wurde noch verlangt, man solle dies Recitativ ein bischen verlängern, damit sie einander nicht so geschwind erkennen möchten, und itzt will mans ins Lächerliche treiben, daß sie einander nach etlichen Worten schon gleich erkennen sollen. – Ich will erklären. Idamante muß doch sagen warum er da ist, sieht den Fremden und bietet ihm seine Dienste an. Idomeneo geht jetzt schon so nahe daß er von Schmerzen spricht und muß ihm doch dafür ein Gegencompliment ma chen, und dann Idamante ihm wird sagen, daß er [557] Mitleid mit Verunglückten hat, weil er selbst das Unglück erfahren. Des Idomeneo Antwort ist eine nothwendige Frage. Nun erzählt Idamante das Unglück des Königs und Idomeneo macht durch die räthselhaften Worte non piu di questo! daß Idamante einen Schein der Hoffnung bekommt und fragt in Eyferdimmi amico, dimmi dov'è? Dieser Eyfer macht daß Idomeneo fragt: ma d'onde vien etc. Muß nicht hier Idamante sich so erklären, daß er sich als einen seines Vaters würdigen Sohn malt und die Verwunderung, Hochachtung und Begierde bei Idomeneo erregt zu erfahren, wer dieser junge Mensch ist, welches denn bey der Erkenntniß daß es sein Sohn ist die ganze Sache interessanter macht? – Will man nun aber par torce etwas weglassen, so habe ich nachgedacht daß nach dem Recitativ des Idamante Che favelli? vive egli ancor? etc. welches schließet dove quel dolce aspetto vita mi rendera? Idomeneo. Ma d'onde nasce questa che per lui nutri tenerezza d'amor? dann gleich: Perche qual tuo parlar si mi conturba? Idamante. E qual mi sento auch' io und dann so fort. Hier bleibt 11/2. Seite in der gegenwärtig mitkommenden Abschrift des Varesco p. 32 weg, nämlich die schöne Erzählung der Heldenthat, so anfängt Idamante. Potessi almeno etc., und da mags um 1 Minute kürzer werden, ja in punto um eine Minute. Großer Gewinn! Oder wollt Ihr den Vater und Sohn so zusammenlaufen und sich erkennen lassen wie der verkleidete Arlequin und Brigella als Bediente in einem fremden Lande sich finden und geschwind kennen und umarmen? Gedenket daß dies eine der schönsten Scenen der Opera, ja die Hauptscene ist, von der die ganze Folge der Geschichte abhängt. Diese Scene kann auch nicht leicht ermüden, weils im ersten Act ist. – Im zweiten Act kann nichts wegbleiben als in der zweiten Rede des Idomeneo: Un sol consiglio or mi fa d'uopo. Ascolta. Tu sai quanto a Troiani fù il mio brando fatal. Arbace: Tutto m'è noto. Dann geht es fort und kann kein Wort mit gesunder Vernunft ausbleiben. Dieses ganze Recitativ kann auch nicht lange dauern, weil viele Sachen darin sind, die mit Eyfer und geschwind müssen recitirt werden, und da gewinnt ihr eine halbe Minute! Großer Gewinn! Dieses Recitativ wird auch keine Seele ermüden, da es das erste im zweiten Act ist. Was allenfalls noch auszulassen wäre ist wenn nach dem Recitativ des Arbace Male s'usurpa un re etc. gleich Idomeneo sagt: Il voto[558] è ingiusto. Da bliebe dann weg Idom. Intendo Arbace etc. und Arb. Nedica mano etc. Ob es nun der Mühe lohnt wegen einer solchen Kleinigkeit, die 21/2, Minuten höchstens beträgt, eine Aenderung zu machen, weiß ich nicht, sonderheitlich da diese Recitative an den Orten stehen, wo sie Niemand ermüden können. Im ersten Act ist alle Welt geduldig, und das erste Recitativ im zweiten Act ermüdet keinen Menschen. Mir ists lächerlich; denn bey der Prob, wo das Aug nichts hat, ists freylich gleich langweilig, aber im Theater, wo zwischen dem Theater selbst und denen anwesenden Zuschauern soviele Gegenstände der Zerstreuung sind, geht so ein Recitativ weg, ohne daß mans bemerket. Das magst Du in meinem Namen aller Welt sagen. Sollte aber dem ohngeachtet so etwas ausgelassen werden, so bitte mir aus daß alles gedruckt wird. Hr. Varesco weiß von Allem nichts, was ich hier geschrieben.«

So ausführlich schrieb der eifrige Mann »alles beym Licht mit Augengläsern«; und eigentlich hatte er Recht, das sah auch Mozart wohl ein, aber er kannte seine Leute in München. »Wegen der zwey Scenen, die abgekürzt werden sollen«, antwortet er (27. Dec. 1780) »ist es nicht mein Vorschlag, sondern nur mein Consentement; und warum ich sogleich nämlicher Meynung war, ist, weil Raaff und dal Prato das Recitativ ganz ohne Geist und Feuer so ganz monoton herabsingen – und die elendesten Acteurs, die jemals die Bühne trug, sind. Wegen der Unschicklichkeit, Unnatürlichkeit und fast Ohnmöglichkeit des Weglassens habe letzthin mich verflucht herumgebalgt mit dem Seeau. Genug, wenn Alles gedruckt ist, welches er absolument nicht hat zugeben wollen, aber doch endlich, weil ich ihn grob angefahren, zugegeben hat«10.

In anderen Fällen wußte Mozart sich selbst zu helfen. So schreibt er (3. Jan. 1781): »Freylich werden wir noch viele Beobachtungen im dritten Act auf dem Theater zu machen haben. Wie zum Beyspiel Scena VI nach dem Arbace seiner Arie steht: [559] Idomeneo. Arbace etc. Wie kann dieser gleich wieder da seyn?11 Zum Glück daß er ganz wegbleiben kann – aber um das Sichere zu spielen habe eine etwas längere Introduction zu des Großpriesters Recitativ gemacht. – Nach dem Trauerchor geht der König, das ganze Volk und alles weg – und in der folgenden Scene steht: Idomeneo in ginocchione nel tempio. Das kann so ohnmöglich seyn, er muß mit seinem ganzen Gefolge kommen; da muß nun nothwendigerweise ein Marche seyn – da habe ich einen ganz simpeln Marsch auf 2 Violin Bratsche Baß und 2 Oboen gemacht, welcher a mezza voce gespielt wird und worunter der König kommt und die Priester die zum Opfer gehörigen Sachen bereiten; dann setzt sich der König auf die Knie und fängt das Gebet an.«

Varescos Ehre war allerdings dadurch gewahrt daß Alles im Textbuch vollständig so gedruckt wurde, wie er es geschrieben hatte; aber er – »der mitsammt seinem guten Einkommen voller Schulden war« – glaubte, daß er für die vielen Veränderungen die er vorgenommen habe wohl auf eine Erhöhung des Honorars Anspruch machen könne. Da mußte ihm denn Wolfgang antworten, er werde nur das erhalten, was mit ihm accordirt worden sei, denn die Veränderungen habe er für den Componisten und für seine eigene Ehre gemacht; er meinte auch, mit einem anderen Componisten wäre Varesco schwerlich so gut ausgekommen. Dieser mußte sich also zufrieden geben, allein nun konnte »der hungerige, geldsüchtige Narr« die Zeit nicht abwarten bis das Geld aus München kam, er überlief Leop. Mozart deßwegen so, daß dieser seinem Sohn mit einem Kraftwort schrieb: Varesco mi a seccato i c–i!


2.

Es war Mozarts Wunsch als im Herbst 1781 der Großfürst Paul nach Wien kam bei den ihm zu Ehren gegebenen Festlichkeiten seinen Idomeneo in einer deutschen Bearbeitung auf die Bühne zu bringen. »Der die Iphigenie in das Teutsche übersetzt hat«, schreibt er seinem Vater (12. Sept. 1781) »ist ein vortrefflicher Poet, und dem hätte ich recht gern meine Oper von München [560] zum Uebersetzen gegeben. Die Rolle des Idomeneo hätte ich ganz geändert und für den Fischer im Baß geschrieben, und andere mehrere Veränderungen vorgenommen und sie mehr auf französische Art eingerichtet. Die Bernasconi, Adamberger und Fischer hätten mit großem Vergnügen gesungen.« Allein es war beschlossen worden Glucks Iphigenie und Alceste aufzuführen; »und da sie nun zwey Opern zu studiren haben, und so mühsame Opern, so muß ich sie entschuldigen – und eine dritte Opera ist ohnehin zu viel.«

Es ist sehr zu bedauern daß dieser Plan nicht zur Ausführung gekommen ist, denn es wäre kein geringer Gewinn für unsere Oper gewesen, wenn Idomeneo in einer von Mozart vorgenommenen Bearbeitung, welche die Spuren des äußerlichen Einflusses der Sänger verwischt hätte, auf der Bühne festen Fuß gefaßt hätte.

Im März des Jahrs 1786 wurde eine Aufführung des Idomeneo von einer Gesellschaft vornehmer Dilettanten in Wien unternommen. Wir sehen dies aus Mozarts thematischem Catalog, dem zufolge er zwei neue Nummern in diese Oper componirte, und daß Frau von Puffendorf die Ilia, Baron Pulini den Idamante gab12. Außerdem aber weist die Originalpartitur eine Anzahl von Veränderungen auf, welche von Mozart offenbar für diese Aufführung vorgenommen sind und, wenn es auch zu keiner eigentlichen Bearbeitung gekommen ist, doch von nicht geringem Interesse sind.

Eine Hauptveränderung war es daß Idamante zu einer Tenorpartie gemacht wurde. In dem nachcomponirten Duett13 ist seine Stimme nicht allein unverkennbar in der Tenorlage dem Sopran gegenüber gehalten, sondern auch im Tenorschlüssel geschrieben14. Dies ist nun allerdings in der ebenfalls nachcomponirten [561] Arie des Idamante15 nicht der Fall, hier wie in dem vorangehenden Recitativ ist seine Partie im Sopranschlüssel geschrieben; allein da sie für denselben Baron Pulini bestimmt war, wie das Duett, so erledigt sich die Frage schon dadurch und übrigens ist auch die Lage und Behandlung der Singstimme keineswegs dem entgegen. Der Gebrauch des Sopranschlüssels erklärt sich dadurch daß er in der Oper selbst fortwährend angewendet ist, und findet auch in einem anderen umstand seine Bestätigung. Wenn Idamante von einem Tenor gesungen werden sollte, so mußten im Terzett (17) und Quartett (21) Veränderungen eintreten. Und diese hat Mozart auch vorgenommen und zwar in der einfachsten Art, indem er an denjenigen Stellen, wo die Stimme des Idamante von einem Tenor gesungen unter die des Idomeneo herabgehen, also die Harmonie verändern würde, dieselbe eine Octave höher gesetzt hat. In der Regel ließ sich dadurch das Gleichgewicht herstellen, und nur selten trat der Fall ein, daß auch in der Stimme des Idomeneo etwas zu ändern war. In dem Terzett hat Mozart daher nur in der Partitur selbst die Aenderungen über geschrieben; beim Quartett aber hat er alle vier Singstimmen noch einmal auf einem besondern Blatt abgeschrieben und auch hier hat er der Bequemlichkeit halber die Partie des Idamante im Sopranschlüssel gesetzt. Ein weiterer Grund die Singstimmen abzuschreiben lag darin daß die Partien der Electra und Ilia in den Ensemblesätzen fast durchgängig miteinander vertauscht werden sollten; der Grund konnte nur in der Individualität der Sängerinnen liegen16.

Außerdem sind erhebliche Abkürzungen, – besonders auch im Dialog, der soviel es die Deutlichkeit irgend zuließ zusammengeschnitten ist – und Veränderungen vorgenommen; die Partie des Arbace ist ganz gestrichen mit Ausnahme der Stellen im Recitativ, wo seine Theilnahme am Gespräche durchaus nothwendig war, und diese sind möglichst beschränkt. Danach ergiebt sich der Verlauf der Oper folgendermaßen17.

[562] Auf die erste Scene der Ilia folgt nach einem kurzen Recitativ der Chor der Gefangenen (4), dann tritt Electra auf und es geht in Uebereinstimmung mit der gedruckten Partitur fort bis Idomeneo aus Land getreten ist. Das Recitativ desselben ist sehr abgekürzt, indem von S. 74 Takt 8 an ein kurzes begleitetes Recitativ eintritt, das in seine Arie (6) überleitet. Die Scene zwischen ihm und Idamante bleibt, dessen Arie (8) aber ist gestrichen; auf den Schluß des Recitativs folgt unmittelbar der Marsch und Chor (9. 10). Den zweiten Act eröffnet anstatt des Gesprächs zwischen Idomeneo und Arbace ein neu componirtes Recitativ der Ilia und Idamantes, an welches die gleichfalls nachcomponirte Arie desselben sich anschließt!18. Nachdem Idamante abgegangen ist, tritt Idomeneo auf, Ilia redet ihn an; auf das abgekürzte Recitativ folgt ihre Arie (12). Das begleitete Recitativ des Idomeneo ist ohne Aenderung geblieben; allein in der darauf folgenden Arie (13) sind alle Coloraturen herausgestrichen und statt deren kurze uebergänge gemacht19, so daß die Arie nicht nur zweckmäßig abgekürzt ist, sondern durch die Beschränkung [563] auf ihre wesentlichen Elemente eine ungleich bessere Gestalt gewonnen hat. Das nun folgende Recitativ der Electra, ihre Arie nebst dem daran sich anschließenden Marsch sind ganz gestrichen, es folgt sogleich der Chor (16); von da bleibt Alles bis zu Ende des Acts wie es gedruckt ist. Der Anfang des dritten Acts ist, abgesehen davon, daß das neucomponirte Duett (20A) an die Stelle des früheren getreten ist, nicht geändert wie es scheint. Nach dem Quartett ist das Recitativ nebst der Arie des Arbace (22) sicher ausgefallen, obgleich kein äußerer Beweis dafür vorliegt. Die dann folgenden Nummern, welche eine fortlaufende große Scene bilden sind unverändert geblieben, nur das Gebet (26) ist gekürzt; der ganze zweite Theil ist fortgestrichen und S. 299 Tact 4 noch ausdrücklich Fine hinzugesetzt. In dem was nun folgt sind ohne Zweifel die Arien des Idamante (27 ) und Idomeneo (31), die schon bei der Aufführung in München fortbleiben mußten, sowie das der letzteren vorausgehende Recitativ (30), auch später weggelassen und die Schlußscene soweit abgekürzt als es der Handlung wegen zulässig war. Der beste Beweis dafür ist, daß auch die letzte Arie der Electra (29) gestrichen ist; das vorausgehende Recitativ hat vom drittletzten Tick an einen veränderten Schluß erhalten, so daß es in D-moll endigt; darauf folgte dann unmittelbar der Schlußchor (32).

Einige dieser Aenderungen verdanken offenbar nur zufälligen Umständen bei der Aufführung in Wien ihre Entstehung; übrigens verdienen dieselben bei neuen Aufführungen der Oper gewiß Beachtung20.


3.

Versuche den Idomeneo wieder auf die Bühne zu bringen sind mehrfach gemacht worden, zuerst im Jahr 1802, soviel mir bekannt ist, in Cassel (A. M. Z. IV S. 342f.). Hierauf versuchte man es in Wien im Jahr 1806 mit einer neuen Bearbeitung von Treitschke (A. M. Z. VIII S. 586f. XXIV S. 321), welche in demselben Jahr auch in Berlin gegeben wurde (A. M. Z. VIII S. 746ff.). Nach einer langen Pause[564] wurde Idomeneo 1819 wiederum in Wien mit mancherlei Abkürzungen, Aenderungen und einer Einlage von Seyfried aufgeführt (A. M. Z. XXII S. 53ff. Wiener A. M. Z. III S. S. 779ff.), welchem Beispiel zunächst Königsberg im Jahr 1821 folgte (A. M. Z. XXIV S. 697). Wiederum trat eine lange Ruhe ein. Dann machte Weimar im Jahr 1840 den Anfang (A. M. Z. XLII S. 751), demnächst folgte München im Jahr 1845 (A. M. Z. XLVII S. 95), wo auf die Anregung König Ludwigs Idomeneo öfter, vielleicht auch schon früher gegeben worden ist, ferner Frankfurt im Jahr 1846 (A. M. Z. XLVIII S. 691f.), endlich Dresden wo Idomeneo seit dem Jahr 1853 sich auf der Bühne gehalten hat.

Der Erfolg ist überall ziemlich derselbe gewesen: große Freude der eigentlichen Musikliebhaber und Kenner, Gleichgültigkeit oder rasch vorübergehende Theilnahme des großen Publicums, das den Voraussetzungen fern steht, ohne deren Verständniß ein guter Theil der Oper allerdings nicht zugänglich ist.

Im Concertsaal hat sich Idomeneo fortwährend erhalten. Aufführungen der ganzen Oper kamen immer von Zeit zu Zeit vor, und einzelne Stücke, wie die letzten Scenen des zweiten Acts, die Scenen im dritten Act vom Auftreten des Oberpriesters bis zum Gebet des Idomeneo sind fortdauernd beliebt gewesen.


4.

Reichardt zeigt die Partitur des Idomeneo in der Berlinischen musikalischen Zeitung 1806 S. 11f. in folgender Weise an:

»Seit dem Anfange dieses Blattes sahen wir mit Verlangen der Erscheinung eines neuen großen Meisterwerks entgegen, welches uns Anlaß und würdigen Stoff zu einer belehrenden kritischen Zergliederung darböte, in der auch der Zergliederer selbst die Erhebung und Belohnung fände die nur ein reines großes mit Kunst und Geschmack ausgeführtes Kunstwerk gewährt. In dieser vor uns liegenden Oper haben wir nun ein Werk vor uns, das alle unsere Wünsche erfüllt und fast die schönste Erwartung übertrifft. Das reinste Kunstwerk, das selbst unser Mozart je vollendet hat, liegt in dieser vollständigen und korrekten Partitur des Idomeneo uns und der musikalischen Welt vor Augen. Ein großer durchaus reingehaltener heroischer Charakter ohne alle fremde Beimischung; mitten im Sturm der Affecte und Elemente [565] und ihres kräftigsten und lebendigsten Ausdrucks im Innern doch die tiefe Ruhe, die den echten Heldencharakter in der Kunst wie im Leben bezeichnet, ihn allein groß macht, und den Göttern beigesellt; in jedem einzelnen der Charaktere wieder eine sehr bestimmte Abstufung und reine Ausführung der fest und bestimmt gegebenen Ideen. Der König Idomeneo ist durchaus so edel und großmüthig gehalten, wie ein zärtlicher Vater im Königscharakter nur immer gehalten werden kann. Idamante, der königliche Jüngling und Sohn, athmet in jedem Tone die reinste Liebe und Ergebung und obgleich dieses auch der Charakter seiner geliebten Ilia ist, so lebt in diesen beiden Charakteren doch wieder die ganz bestimmte zarte Charakteristik, die in den darstellenden Kunstwerken der Alten auch die jugendlichsten und weichlichsten männlichen Gestalten in jedem Theile von der reinen Weiblichkeit bestimmt unterscheidet. Es giebt in der Kunst nichts reineres milderes und gracieuseres als diese Ilia von ihrem ersten Tone bis zum letzten. Dagegen sind die beiden Nebenpersonen Electra und Arbace mit einer so weißen Mäßigung und absichtlichen Zurückhaltung bearbeitet, wie man es einem so feurigen Künstlergenie kaum zutrauen sollte. Der Charakter des Opferpriesters ist hier, so groß und erhaben er auch von Gluck und einigen seiner Nachfolger, ja von Mozart selbst schon auf diesem Wege bearbeitet ist, doch bei weitem das Größte und Vollendetste, was in diesem Charakter nur je in Tönen Ohr und Seele in Erstaunen gesetzt hat; dies gilt auch von den Chören und Märschen, in denen man die recht absichtlich fleißige Vollendung der von Rameau und Gluck so groß angegebenen Formen mit wahrem Genusse findet. Hier hat Mozart auch den ganzen bis zu ihm unerhörten Reichthum der von ihm selbst so erstaunenswürdig ausgebildeten Instrumentalmusik angewandt, wodurch er denn reicher und herrlicher darinnen erscheint als irgend einer seiner Vorgänger.«

»Daß der Dichter aus einem antiken Heroensujet ein modernes, empfindsames Singspiel gemacht, kann dem Componisten nicht zur Last fallen, dieser hat es vielmehr mit allen Kunstmitteln, die ihm besonders die Instrumentalmusik darbot, nach seiner Art, so viel als möglich zu heben und oben zu halten gesucht. Der Dichter findet aber am Ende auch wohl noch seine Rechtfertigung in seinem Zeitalter, dem Charakter seines Volks, seines Theaters und dessen singenden Helden. So wie das echt modernitaliänische [566] Gedicht nun einmal da ist, hat Mozart, für italiänisch gebildete Sänger und Zuhörer arbeitend, ganz recht und weislich in den Gesangstücken sich an die italiänischen Formen gehalten, doch aber durchaus nur die edelsten und reinsten angewandt. Nirgend hat er sich in dieser Oper der frevelhaften Vermengung des großen edlen und der kleinen komischen Formen, deren sich jetzt die italiänischen Componisten auch außer der romantischen Fache so häufig schuldig machen, auch nur mit einem Zuge zu Schulden kommen lassen.«

»So viel vorläufig im Allgemeinen über diese er wünschte Erscheinung; künftig eine ausführliche Zergliederung dieses großen Meisterwerks, womit wir lehrbegierigen Kunstseelen keinen unangenehmen und unnützen Dienst zu leisten hoffen.«

Diese ausführliche Zergliederung ist meines Wissens nie erschienen.


5.

Da die Partitur des Idomeneo im Ganzen genau gedruckt ist, wird es nicht unerwünscht sein, wenn die wenigen Berichtigungen, welche sich beim Vergleichen des Originals ergaben, hier zusammengestellt werden.

S. 8 Tact 3 – 10 geht das zweite Fagott mit dem ersten, die Stimme desselben ist vielmehr dem Violoncell zu geben.

S. 19 Tact 6 bis S. 20 Tact 3 haben die Trompeten wie die Hörner16.

S. 22, Syst. 4, Tact 2 bis S. 23 Tret 1 ist die Betonung diese


16.

und so fort in Vno 1 und Basso; Vno 2 undViola haben keine Bezeichnung.

S. 51, Syst. 7, Tret 3. Nur die ersten drei Noten f, dann tritt p ein.

S. 53, Syst. 4, Tact 3 und 4 ist der Baß


16.

[567] S. 55 Syst. 2, Tact 7 und 8 kein fp, nur p; ebenso S. 56, Syst. 1, Tact 2 und 3; S. 59, Syst. 2, Tact 4 und 5, Tact 8 und 9.

S. 56, Syst. 1, Tact 1 und 4, Vno 2 nicht ff, sondern p; ebenso S. 59 Syst. 2, Tact 7; S. 60, Syst. 1, Tact 2.

S. 65 Tact 8, kein cresc.

S. 225 ist die Tempobezeichnung Grazioso (ohneAndante).

S. 228, Syst. 1, Tact 7–9 ist die Hornstimme


16.

S. 241 ist die Tempobezeichnung Un poco più andante.

S. 243, Syst. 2, Tact 4–8 ist im Fagott zu lesen


16.

S. 249, Syst. 5, Tact 4 treten die Saiteninstrumente schon ein


16.

S. 365, Syst. 2, nach Tick 5 steht Da Capo il Coro dal segno. Dieses Zeichen steht S. 355, Tact 5 zu Anfang; und S. 363, Tact 9 am Schluß Coda, womit auf S. 365, Syst. 2, Tact 6–8 hingewiesen ist.

Fußnoten

1 Es wurde dann schließlich ausgemacht daß Idomeneo nicht allein aus Ufer schwimmen, sondern mit seinem Gefolge aus dem Schiff steigen solle, worauf sich die Begleiter alsbald entfernen.


2 Componirt hat Mozart alle drei Orakelsprüche. In der gedruckten Partitur findet sich der erste ursprüngliche – wie er auch im Textbuch gedruckt ist – und der letzte von Mozart auf ein Minimum reducirte. Die mittlere Composition, welche mir in jeder Hinsicht die wirksamste zu sein scheint, ist in seiner Handschrift noch vorhanden.


3 Varesco hat nach diesen Andeutungen folgenden Zusatz gemacht: Dunque è per noi dal cielo sbandita ogni pietà?Chi sa? io spero ancora, che qualche Nume amico si plachi à tanto sangue; un Nume solo basta tutti à piegar; alla clemenza il rigor cedecà .... ma ancor non scorgo qual ci miri pietoso ....Ah sordo è il cielo!


4 Wir werden freilich mehr bedauern daß das Quartett nicht geschrieben ist.


5 Die Cavatine ist im gedruckten Textbuch schon durch das Recitativ ersetzt, welches sich in der Partitur findet.


6 Metastasio Achille in Sciro III sc. 7.


7 Zur Probe theile ich Schachtners Uebersetzung mit:


Nur erst nach ausgeprüften Leiden

Ertheilt die Fügung reife Freuden,

Der Geist und Muth, den ich verlor,

Steigt doppelt frisch in mir empor.

So lassen auch die weisen Schlangen

Die Haut gestreift an Dörnern hangen,

Um sich nach solcher blut'gen Pein

Verjüngt in neuer Tracht zu freun.


8 Metastasio Il natal di Giove sc. 8.


9 Von diesem Brief lag mir nur eine Abschrift ohne Datum vor, die ich bei Al. Fuchs fand.


10 Bei der Composition der Scene im ersten Act, wie sie jetzt in der Partitur vorliegt, sind an zwei Stellen nicht sehr erhebliche Kürzungen im Text vorgenommen, die mit Leev. Mozarts Vorschlägen nicht ganz übereinstimmen; in der ersten Scene des zweiten Acts ist außer der von ihm angedeuteten Stelle noch eine bedeutend längere gestrichen.


11 Es ist inzwischen Verwandlung gewesen.


12 Gius. Ant. Bridi, Bankier in Roveredo, hatte sich als junger Mann in Wien aufgehalten und war dort mit Mozart befreundet geworden; er war ebenfalls in dieser Privataufführung des Idomeneo aufgetreten (A. M. Z. XXVI S. 92).


13 Es ist in der gedruckten Partitur als n. 20 A, im Original ist es später an der passenden Stelle eingeheftet.


14 Das Duett, in dem der Anfang des ersten erhalten blieb, ist in einem Satze und obwohl einfach und in knapper Form ungleich inniger und charakteristischer.


15 Das Original befindet sich in der kön. Bibliothek zu Berlin.


16 Man sieht auch aus der Art, wie die Partie der Electra zusammengestrichen ist, daß die Dame, welche dieselbe übernommen hatte, nicht allzusehr in Anspruch genommen werden durfte.


17 Ein Mittel denselben zu erkennen giebt der Umstand an die Hand daß in den beiden ersten Acten die Nummern, welche beibehalten werden sollten, mit Bleistift der neuen Reihenfolge gemäß beziffert worden sind. Auch sind die neueren Aenderungen meistens an der Handschrift mit Sicherheit zu erkennen, so daß auch für den dritten Act die wesentlichen Punkte feststehen.


18 Die Arie ist bekanntlich mit Begleitung einer obligaten Violine, welche nach Mozarts Angabe Graf August Hatzfeld spielte. Er war Domherr von Eichstädt, spielte vortrefflich Violine, und studirte unter Mozarts Leitung, mit welchem er sehr befreundet war, dessen Quartette ein. Er starb in dem folgenden Jahr 1787 in Düsseldorf (Cramer Magazin der Musik II S. 1383).

Im December desselben Jahres 1786 componirte Mozart denselben Text – das Recitativ von den Worten Ch'io mi scordi di te an – für Sgra. Storace mit obligatem Klavier, welches er selbst spielte. Die Originalpartitur (André Verz. 84) hat die Ueberschrift: Composto per la Sgra. Storace dal suo servo ed amico W.A. Mozart. Vienna 26 di Decb. 1786; sie ist interessant, weil Mozart an zwei Stellen, wo ihm die Klavierbegleitung nicht genügte, Aenderungen vorgenommen hat, die für seinen richtigen Tact zeugen. Diese letztere Composition ist nicht allein ungleich brillanter und weiter ausgeführt, wie es für eine einzelne Concertarie schicklich ist, sondern sie ist auch lebhafter und eigenthümlicher im Ausdruck der Empfindung.


19 Die so geänderten Stellen sind auf einem besonderen Blatte geschrieben und mit Buchstaben verwiesen, welche sich an den entsprechenden Stellen auch in der Partitur finden.


20 Eine sogenannte Bearbeitung des Idomeneo von Lichtenthal, die ein unglückliches Pasticcio daraus macht, ist hoffentlich nie zur Darstellung gekommen (A. M. Z. XLIII S. 809ff.).


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 3, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1858.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon