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[46] Original: im Mozarteum


An Karl Mozart in Mailand


Wien, den 7. Dezember 1808.


Lieber Karl!


So unangenehm es mir war, Deine Gegengründe zu hören, so kann ich Dir doch nicht ganz unrecht geben. Allein just jetzt wollte ich es haben, [daß Du nach Wien kämst,] weil Dein Bruder nicht mehr hier ist und[46] Albrechtsberger und Salieri noch am Leben sind. Denn glaube nur nicht, daß ich nicht auch für Dich überlege und Dich in Gesellschaft Deines Bruders nicht haben möchte, der noch zu jung ist, um billig zu seyn, und dies keine gute Harmonie herforbringen könnte. Und im übrigen würdest Du ja nicht als Meister hieher kommen, Dich also hierinnen zu benehmen wißen. Kurz, ich kann Dir nicht mehr sagen, als ich Dir hierüber schon gesagt habe, und kann nicht anderst, als Dirs nochmahl wiederhohlen, nämlich, daß ich glaube, daß es zu Deinem Glücke seyn würde, jetzt hieher zu kommen.

Wegen Asioli hast Du ganz gewiß unrecht. Daß er angestellt ist, ist noch kein Beweiß seiner Geschick lichkeit. Wir haben mehrere Beweiße, daß Männer angestellt waren, die es nicht verdient hatten; und mir scheint, daß Du noch nicht so weit gekommen bist, ihn zu beurtheilen. Ich aber habe es nicht nur aus seinen leeren Partituren, sondern von Männern, die es beurtheilen können und wo kein Brodneid herrscht, und selbst von Idalienern nur gar zu oft gehört und bin ganz und gar von dem Gegentheil überzeicht. Kurz, Du bist in einem Alter, wo Du nicht noch zehn oder zwanzig Jahre probiren kannst. Höchstens in ein paar Jahren muß Dein Schicksahl entschieden seyn; und dies kann nur werden, wenn Du noch ein paar Jahre hier [in Wien] studirst. Gefällt es Dir alsdann nicht, so kann Dich ja niemand hindern, wieder nach Idalien zu gehen und Dein Glück dort zu machen, wo Du lieber bist. Alle Menschen sind meiner Meinung.

Wer ist Dein französischer Freund, der Dir so viel Gutes thut? Wie heißt er? Sage mirs in Deinem nächsten Briefe, und mache, daß er Dir das Reißegeld nach Wien giebt! Dein Bruder ist seit dem 22. Oktober abgereist. Briefe habe ich von ihm von Brünn, Krakau und den letzten von Lemberg. Von Podkamien habe ich noch keine Nachricht, und dies mag wohl daher kommen weil es fünf Meilen1 seitwärts liegt, von wo aus die Post nur mit Gelegenheit gehet. Ich weiß also noch nicht, wie er bei seinem neuen Herrn empfangen worden ist. Bis dahin aber gieng es ihm gut, und er ist Gottseydanck glücklich und gesund dort [in Lemberg] angekommen.

Die beiden Idaliener sind nicht wieder gekommen; es ist ein Zeichen, daß es ihnen gut gehet.[47]

Herrn und Frau von Patuzzi grüße herzlich von mir und sage ihr, daß es nicht meine Schuld ist, daß wir uns nach der Hand nicht öfter gesehen haben, und daß ich wohl hundert Mahl zu ihr gewollt habe und aber, wie es in Wien gehet, immer verhindert worden bin. Kommen sie den nicht mehr nach Wien? Was machen ihre Kinder? Wie viele haben sie? Lebt Gego und ihr schöner Karl noch? Küße sie alle für mich! Und nun lebe wohl und schreibe mir gleich; dazu bleibt immer eine Viertelstunde über, und was man gleich thuet, ist gethan. Die Sophie, der ich heute schreibe, werde ich von Dir grüßen. Ich schließe mit dem Wunsch, daß Du mir folgen mögest, und so bleibe ich Deine wie immer zährtliche Mutter

Constance.

Fußnoten

1 100 km östlich, dicht an der damaligen russischen Grenze.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 48.
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