185.[59] 1

Salzb: den 3t augusti 1778


Mein lieber Sohn!


Du wirst mein schreiben vom 13 July, und das mit dem schwarzen Pulver vom 20t unter der addresse an das vorige quartier richtig empfangen haben. Ich schreibe Dir um Dich meiner und Deiner schwester Wohlseyn zu versichern, weil ich glaube, daß Du so für uns, wie wir für Dich in beständigen Sorgen lebest. Deinen Einschluß an unsern freund Bullinger habe erhalten, allein sehr späth, den dieser Brief kam erst den 24: in Salzb: an, da du ihn doch unterm 9t schon datiert hattest, und zur meiner verwunderung hatte ich tags vorhero den 23t einen Brief vom abbé Lendorffer erhalten, der 4 täge nach Deinem Brief geschrieben war, nämlich den 13t, und doch kam er einen Tag früher, aus welchem ich auch sahe, daß Lendorffer den 12ten bey Dir war, wo Du Deinen Brief bereits geschrieben und vermuthlich auf die Post gegeben hattest, sonst würdest Du von ihm einige Meldung gethan haben. Dieser Brief des Lendorffer ist aber Kehl gegangen. Ich möchte also, daß du auf die Kommenden Briefe nicht mehr par Strasburg x: sondern nur hinschreiben möchtest: und zwar oben etwas groß und unterstrichen: Haute allemagne so stand es auf h: B: grimms Briefen. Ich hätte in Deinem schreiben etwas umständliches von der Krankheit Deiner lieben Mutter, und sonderht: von ihrer begräbniß und von Deiner traurigen verlegenheit, in der Du Dich wegen allen diesen anstalten must befunden haben zu vernehmen gewünschet; ich hoffe in Deinem nächsten schreiben etwas zu lesen. Du wirst freylich dich an den Beystand des Mr: Henna oder anderen freundes haben wenden [59] müssen. Denen ich mich (wer sie immer sind) nebst meiner Empfehlung von Herzen Dank sage. Was die Krankheit selbst betrift, weis ich ohnehin, daß sich mein liebes seel. Weib selbst vernachlässiget, und auch dadurch ist vernachlässiget worden. Denn sie spahrte alles aufs äusserste, sie schob von tag zu tag Sie wollte keine Medicin, und glaubte alles werde selbst wieder besser. ihre verstopfung, ihre für eine alte Frau gar zu schöne rothe farbe, – ihre öftere Anstösse von Catharr, und ihr gewisser Husten waren sichere zeichen, daß eine innerliche Entzindung immer zu beförchten war. Ich schrieb euch im May schon, sie sollte das Aderlassen nicht aufschieben, indem das Clima und die Luft in Paris hitziger als in Salzb: ist. und sie verschob es dennoch bis den 11 Juny. und sie wurde sich vielleicht noch nicht adergelassen haben, wenn sie nicht die höchste nothwendigkeit bemerkt hätte. den Tag vor der Aderlaß hat sie eine gar zu heftige Bewegung gemacht, ist müde und erhitzt nach Hause gekommen; und vermuthlich hat man ihr zu wenig Blut gelassen: endlich wurde der medicus viel zu späth gerufen, dann da gleich die Hitze und kälte mit Durchlauf da war, so war dort schon grosse gefahr: allein sie sagte nicht viel – blieb ruhig – es wird schon besser werden, du hattest Deine Verrichtungen, warst den ganzen Tag nicht zu Hause, und weil sie nicht viel daraus machte, so nahmst Du es auch auf die leichte Achsel, unterdessen rückte die augenscheinliche Todesgefahr heran, dann kommt erst der Medicus, – und es ist lange zu späth. Wäre ihre Natur nicht so vortreflich gut gewesen, so hätte sie nicht 14 Täge dauern können. genug! es ist vorbey, gott hat es also wollen. Die untertrennliche Kette der göttl: vorschung hat Deiner Mutter, da sie Dich gebohren, das Leben geschenkt, ob sie gleich bey Deiner geburt in der allergrösten Lebensgefahr war, und sie schon fast vor verlohren hielten – sie muste sich aber auf eine andre Art ihrem Sohne aufopfern, sie wollte willig mit Dir von Salzb: abreisen, und da ich sie schon von Manheimm in Salzburg zurück hoffte, immer euere zu machende anstalten in allen meinen Briefen betrieb, auch schon an meinen Bruder nach augsp: geschrieben hatte, da kam ein Brief von euch der mich in Erstaunen, in verwirrung und betrübniß setzte, und sie erklärte sich [60] im nämlichen schreiben, ohne daß Du es weist, daß sie aus guten gründen, aus Lieb zu Dir, mit Dir nach Paris reisen wolle, alles dieses hat also geschehen müssen, weil die Täge ihres Lebens von der göttl: vorsehung gezehlt, und nun zu Ende waren, – Sie muste in Paris sterben, weil sie in Salzburg nicht gestorben wäre. Betten wir die allerheiligste göttliche anordnung und seinen heiligsten willen in tiefster Demuth an. Was ich bey euerer beyden abreise ausgestanden übertrift alle die vorhergehenden Betrübnisse meines Lebens, das aller erschröcklichste ist noch oben darein, daß ich elendig krank fürs Einpacken und Aufpacken besorget, von angst und schmerzen betäubt immer unten beym Wagen zu thun hatte, und nicht einmahl mit euch beyden alleine etwas vor euerer abreise sprechen konnte. – und doch sahe ich die gute Frau das letzte mahl! Nun kommt die Nachricht ihres Tods – das ist nun der zweite noch härtere schlag – Nun die ewige Angst für Dein Wohl, für Deine Gesundheit, Mein Sohn! – und für – ich weis selbst nicht – – Noch so ein schlag; denn bin ich dahin! – etwas anders! Den Abbé Lendorff kannst Du nicht kennen, Du warst nicht gebohren. Er tragt sich als organist nach Salzb: an. höre seine Lebensbeschreibung. Er ist eines Lutheri schen fleischhackers Sohn aus augspurg. Er entlief seinen Eltern, und wurde Catholisch, und zwar in augsp: Ich weis nun nicht, was für geistliche sich dort seiner annahmen, sie liessen ihn studieren und Musik lernen. Er kam als student nach Salzb: Der Chorregent zu St. Peter war allzeit vormals ein Weltpriester und war zugleich Organist. Der starb, und Lendorffer hielt um die Stelle an, bekam sie, und wurde Priester. Er war immer beym Eberlin seel: und in der tägl: gesellschaft des adlgassers, Meissner, und eines gewissen Narren Steinheil (der sich auch Todt gesoffen) sie schwermten Nachts herum und Lendorffer war täglich besoffen. Es kamen andre kleinigkeiten mit darunter, er muste wegen St: Peter in Sorgen stehen, schulden gabs auch – er suchte demnach unter der Hand in augsp: eine Chorivicariatsstelle oder anderes Beneficium, und erhielt es, gieng dahin, trieb eben so ein Lebensart, machte häufige schulden, – und gieng durch –. Nun hieß es er wäre wieder Lutherisch geworden, [61] dann man erfuhr, daß er nach Stutgard gegangen. Das blinde glück wollte, daß am Würtemberger Hof eine Caplanstelle eben ledig war, die erhielt er, weil er Musik konnte. – am Hof giengs aber nicht lang, weis nicht warum, und er wurde aufs Land exponiert. Nun hörte man seit 14 bis 15 Jahre nichts mehr von ihm, so, daß man ihn für gestorben hielt, und niemand mehr an ihn dachte; Du kannst Dir also vorstellen, wie sehr ich betroffen war einen Brief von ihm zu sehen; als ich mit zittern den Brief eröffnete, und oben Paris 13 Juillet laß, so warf ich ihn weg und glaubte es möchte mir ein dritter etwas betrübtes von Dir schreiben: Die Nannerl laß ihn, und dann muste ich lachen und du würdest auch lachen wenn Du ihn lesen solltest. Er fängt an: Nachdem ich den 23 Juin: aus Britannien nach Paris zurückkam x: x: So groß die Freude war, den liebsten h: Sohn zu sehen, so unvergleichlich war der schmerz über den verlurst x: welche mir noch vor 27 Jahren her mit ihren rosenfarbenen Wangen lebhaft vorstellen kann; trösten sie sich avec les Nuits de Young, traduits de l'anglois e par Mr: Le Tourneur. x: Das ist das Buch Joungs Nachtgedanken über Leben, Todt, und unsterblichkeit. Dann heißts, daß Du in Paris nach dem französischen Etiquette wirst Componieren müssen, und daß die franzosen heute einen Meister bis in den Himmel, und morgen bis in die Hölle erheben. und andere solche lächerliche ausdrücke. Dh ofulot nhn vsn wmo ihr lfnlr mrtu alnoculn dfolr elndsriilr fot lr fot lfn elfcutofñfglr Amocu, dessen gesellschaft nfcut ihr dfcu fot.2 Sollte H: Lendorffer zu Dir kommen, so kannst Du ihm sagen, ich hätte noch keine antwort, und werde auch so bald keine bekommen, dann hier geht alles ins lange hinaus, und am Ende ist es meistens nichts. so bald kann, schreibe ich ihm gleich. Neuigkeit!Ferlendis hat vor 3 tägen abgedankt, und ist schon mit ultimo Junii aus Diensten getretten. das war um so unvermutheter und empfindlicher, als [62] ihm der Erzbischof sonderheitl: seit 2 Monaten, so oft er ein Concert geblasen, allzeit ein oder 2 Duggatten geschenkt und er unter der Musik die Favoritperson war, auch wirklich, seit dem Besozzi3 hier war, von ihm vieles gelernt hat. Es kommt nun eine andere Historie nach, die nur ich allein weis. Ferrari wird mit Ende augusti seinen abschied nehmen. Diese 2 Historien werden auch dem Brunetti den Stab brechen – die welschen verlieren nun ihren Credit. Itzt bricht alles wider sie los, der graf Arco, die Lodronin, die 2 Starnberg, der Bischof von Königsgraz x: und ich hebe die achseln in die Höhe, und sage nichts.Ferlendis giebt vor seiner Frau tauge die Luft nicht. Nun werde ich um Wald hornisten, Hautboisten, – Tenoristen, Violonzellisten, violinisten, und – Nein – um keinen organisten – schreiben müssen. – Sie erwarten immer etwas von mir: allein sie warten verge bens. Du kannst glauben, und gewis glauben, mein liebster Sohn, daß ich ohne Dich eher sterbe, und daß ich, wenn ich Dich bey mir zu haben das vergnügen haben könnte um viele Jahre länger leben würde, das ist einmal ganz gewiß, denn ich bin, ausser meiner gemüths Krankheit, gott Lob gesund. allein die Sache müste gut – vorträglich. und mit reputation geschehen. wäre dieses, so wäre hier der Platz, als ein Mittlpunkt zwischen München Wienn und Italien immer sehr vortheilhaft – denn Manheim ist übersetzt. Seau ist in Manheim schon vorgellt worden, und der Hof wird bald wieder nach München kommen. Mir scheint wir werden von Sänger, Sängerinen, und Instrumentalisten wenns möglich einen neuen Boden legen, der Erzb: hat schon mir einige Commißion gegeben. beschreibe mir den Rotfischer, aber mit wahrheit, ohne Partialität. Deine schwester küsst Dich millionmahl, sie ist erstaunlich fleissig, und hat in wahrheit alle Sorge für mich. Empfehle uns beyde h: Baron vgrimm und der Mdme D'Epinay, ich danke gehorsamst für alle gnaden, die Du alda genüssest – sorge mein Sohn für Deine gesundheit, ich muß schlüssen, die Post geht.

Mzt


[63] das Buch vom Vogler4 darfst Du mir nicht schicken, wir bekommen es hier.

Leben Ekard – und Hannauer noch?

Den 4t Juli ist vom Kolb deine Lodro: Caßation auf der gasse, vor den andrett: Hause produciert worden.

Den 9t July beym h: von Mayer vorm Hauß Nachtmusik vom Kolb, eine Deinige Finalmusik, und DeinConcert für den Kolb: wir hörten es kostbar übers wasser in unsere zimmern, dann wir wusten nichts davon

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 9. Juli.


2 Auflösung der Chiffren: Du sihest nun von was für einer arth menschen diser lendörffer ist er ist ein leichtsinniger Mensch, dessen gesellschaft nicht für dich ist.


3 S. den Brief vom 28. Mai.


4 S. den Brief vom 11. Juni.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 64.
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