II.

Robert Schumann's Künstlerlaufbahn.

[64] Leipzig.


1830–1840.[65]


Mit vollem, frohem, hoffnungsreichem Herzen begrüßte Schumann Leipzig wieder, das er ehedem so gern verlassen. War doch sein Lieblingswunsch jetzt erfüllt: offen und sonder Scheu konnte er ferner seinem innern Drange nachgeben, und die freudige Aussicht, an der Hand eines Mannes, dem er Vertrauen schenkte, seinen neuen Lebensweg anzutreten, mußte ihm auch Beruhigung gewähren. Aber ganz abgesehen hiervon, hätte er überhaupt keinen geeigneteren Platz für seine Pläne finden können als Leipzig.

Die vielfach verbreitete Meinung, daß Leipzigs musikalische Bedeutung erst mit Mendelssohn's einflußreicher Wirksamkeit in dieser Stadt begonnen habe, ist keineswegs unbedingt richtig. Die unbestreitbar hohen Verdienste des genannten Meisters um diese Stadt bestehen darin, dem dortigen Kunstleben, namentlich aber dem Institut, welches speciell seiner Leitung anvertraut war, erfrischende, neubelebende Anregung, und einen bis dahin ungekannten Aufschwung gegeben zu haben. Die Musik blühte aber lange vor seinem Erscheinen in Leipzig, und sämmtliche heute noch dort bestehenden Kunstinstitute, ausgenommen die Musikschule, welche mit eine Schöpfung Mendelssohn's ist1, existirten bereits 1835. Ja, die Gewandhausconcerte speciell, deren erster Ursprung auf den 11. März 1743 zurückzuführen ist2 und die nur eine vorübergehende Unterbrechung in jener für[67] Leipzig denkwürdigen Periode von 1813–1814 erlitten, nahmen ihren eigentlichen Anfang am 25. November 17813. Um diese Zeit war Adam Hiller Dirigent der Concerte, d.h. der in denselben aufgeführten Gesangswerke; denn nur bei diesen fungirte ehedem ein besonderer Dirigent, während die Orchesterwerke durch den vorspielenden Concertmeister vom ersten Violinpulte aus geleitet wurden. Ihm folgte in diesem Amte Cantor Schicht von 1785–1810, dessen Nachfolger war wiederum Cantor Schultz bis 1827. Zur Zeit endlich, als Schumann Leipzig dauernd zu seinem Aufenthaltsorte wählte, dirigirte Pohlenz gleichzeitig mit dem Concertmeister Matthäi die Concerte bis 1835. Um diese Zeit trat Mendelssohn regenerirend ein4, und zwar zunächst insofern, als er sofort die Leitung der Orchesterwerke mit dem Dirigentenstabe einführte. Diese Neuerung fand, obwohl sie vorher schon von Spohr und Weber an anderen Orten durchgesetzt worden war, Anfangs manchen Widerspruch. Doch verwandelte der letztere sich in freudige Anerkennung, als man die Trefflichkeit dieser Directionsweise erkannt hatte. Der in Sachen des Berufes Mendelssohn eigene Ernst aber, die nachahmungswürdige Gewissenhaftigkeit und künstlerische Weihe, womit er die Gewandhausconcerte vorbereitete und leitete, mußte dieselben bald zu glanzvollster Entfaltung emporheben, ohne jedoch die Bedeutsamkeit ihrer früheren Existenz vergessen zu machen.

Die Zahl der Gewandhausconcerte belief sich ursprünglich auf 24; im Jahr 1827 wurde dieselbe jedoch auf 20 reducirt. Dieser Modus hat sich bis auf die Gegenwart vererbt. Außer den in ihnen bewerkstelligten Aufführungen von Vokal- und Instrumentalcompositionen[68] aller Gattungen, wurden sie zu allen Zeiten durch das Auftreten fremder namhafter Künstler und Künstlerinnen geschmückt.

Von dem regen Musikleben Leipzig's um die dreißiger Jahre überhaupt erhält man eine ungefähre Vorstellung, wenn man sich in aller Kürze die verschiedenen zu jener Zeit dort vorhandenen Kunstanstalten und Vereine vergegenwärtigt. Außer dem durch eine ruhmvolle Vergangenheit ausgezeichneten, damals unter Cantor Weinlig stehenden Thomanerchor5, der noch bis heute in den Gewandhausconcerten mitwirkt, besaß Leipzig ein Königl. Theater (seit August 1832 städtisch), eine Singakademie, einen Musik-Verein für weltliche und geistliche Vokalmusik (beide Gesellschaften unter Pohlenz' Leitung), den Pauliner Sängerverein in seinen ersten Anfängen, einen Orchesterverein, Euterpe genannt, gestiftet 1824, unter Leitung C. G. Müller's (später Musikdirector in Altenburg) und endlich die Quartettakademien des Concertmeisters Matthäi. Man sieht, wie sehr die musikgesättigte Atmosphäre Leipzigs geeignet war, der Entwickelung und Bildung eines Talents förderlich zu sein.

Wie vollkommen Schumann selbst hiervon überzeugt war, beweist ein Brief vom 28. October 1846, in welchem er sich über den einzuschlagenden Bildungsgang eines Kunstjüngers Namens Meinardus6 gegen dessen Vater folgendermaßen ausspricht: »Der einzige Weg zur Begründung seiner künftigen Carrière scheint mir nämlich der, daß er nach Leipzig und zwar auf das dortige Conservatorium müsse. Es ist meine Ueberzeugung, daß er auf diese Weise am schnellsten und sichersten gefördert wird. Bedeutende Männer wirken dort zusammen, man hört da die beste Musik, Fleiß und Nacheifer können nirgend anderswo so geweckt werden, als dort im Umgange mit andern Gleichaltrigen – mit einem Worte, es giebt in Deutschland, vielleicht in der Welt keinen bessern Ort für einen jungen Musiker als Leipzig.«

Schumann bezog bei seiner, Michaelis 1830 erfolgten Ankunft in Leipzig ein gerade freistehendes Quartier in der Wieck'schen Behausung, Grimmaische Gasse Nr. 36. Um so erwünschter mußte ihm dies sein, als er durch einen unmittelbaren Verkehr mit[69] seinem Lehrmeister hoffen durfte, den Plan, sich der Virtuosen-Laufbahn zu widmen, um so schneller zu verwirklichen. Der schöne Traum aber, in welchen ihn glückliche Umstände versetzt hatten, verwandelte sich schneller, als er wohl geahnt, wieder in eine schmerzensvolle, doch schließlich versöhnende Wirklichkeit.

Bald nämlich, nachdem der Clavierunterricht bei Fr. Wieck begonnen hatte, wurde Schumann von dem Wahn berückt, als brächten ihn die auf Anrathen seines Lehrers unternommenen Studien nicht schnell genug vorwärts. Zu seinem Unglück, oder wenn man will zu seinem Glück, erinnerte er sich wieder jener in Heidelberg mit seinem Studiengenossen Töpken ersonnenen Manipulationen, vermöge deren er geglaubt hatte, den gradatim zu durchlaufenden Weg technischer Ausbildung bedeutend abkürzen zu können. So irrig nun auch diese Ansicht war, wie der Erfolg lehrte, so ist sie dennoch wohl erklärlich bei einer Natur, deren geistiger Flug dem praktischen Können vorauseilend, sehr leicht geneigt sein mußte, die nothwendigen Stadien einer naturgemäßen technischen Entwickelung in ungestümer Weise überspringen zu wollen.

Dies Letztere in bester Absicht zu versuchen, unternahm Schumann, ohne seinem Lehrer davon Mittheilung zu machen, bei verschlossenen Thüren ein gewagtes Exercitium mehrere Wochen hindurch. Er benutzte während dieser Zeit nicht einmal den Unterricht Fr. Wieck's. Seinen Bekannten, und namentlich dem schon erwähnten Julius Knorr theilte er nur gelegentlich gesprächsweise mit, daß er ein untrügliches Mittel gefunden habe, um die technische Ausbildung der Hände auf dem kürzesten und sichersten Wege zu erreichen: das Geheimniß, von dessen Anwendung er sich die überraschendsten Resultate versprach, vermochte ihm indeß Niemand zu entlocken: er vertröstete auf den nahe bevorstehenden Zeitpunkt der Beweisführung. Als aber derselbe eintreten sollte, hatte Schumann bereits die Fähigkeit verloren, seine rechte Hand beim Clavierspiel zu gebrauchen. Die Sehne des dritten Fingers hatte durch eine übermäßige Ausdehnung ihre natürliche Spannkraft verloren, und als Folge davon resultirte, daß dieser Finger sich bei einem beabsichtigten Niederschlage stets aufwärts bewegte. Man kann sich den Schreck des kühnen Autodidakten bei dieser Wahrnehmung denken.

Durch welches Experiment nun speciell dieser bedauerliche Ausgang erfolgte, konnte Niemand mit Bestimmtheit angeben. Nur aus[70] einzelnen, zerstreut hingeworfenen Aeußerungen Schumann's glaubte seine Umgebung entnehmen zu dürfen, daß er den dritten Finger der rechten Hand mittelst einer selbsterfundenen Maschine in die Höhe gezogen, und dann mit den andern vier Fingern, um die größtmöglichste Unabhängigkeit derselben zu erlangen, anhaltend geübt hatte, Der hingebende Ernst, mit dem dies Verfahren zur Ausübung gekommen sein mag, erhellt aus dem Umstande, daß Schumann eine Menge von Etüden eigens für diesen Zweck ersonnen und componirt hatte.

Guter Rath war nun freilich theuer, und der einzige Trost der, den erlittenen Schaden durch Schonung und ärztliche Hülfe nach und nach wieder beseitigen zu können. Mit unglaublicher Ausdauer that Schumann alles Mögliche zur Wiederherstellung des kranken Fingers. Wie sicher er an dieselbe glaubte, geht daraus hervor, daß er inzwischen unverdrossen mit der linken Hand allein fortübte. Diese erlangte eine außerordentliche Gewandtheit, deren Nachwirkung selbst noch sich bemerkbar machte, als das Clavierspiel längst schon vernachlässigt worden war.

Mit den Vortheilen, welche Schumann durch Wieck's Unterweisung hätte erlangen können, war es nun freilich ein für allemal vorbei. Dieser Unterricht wurde nie wieder begonnen. Dagegen ließ Schumann sich gegen seine früheren Ansichten dazu bestimmen, theoretische Studien unter Leitung eines gewissen Musikdirektors Kupsch zu beginnen. Doch dauerte auch dies nur kurze Zeit.

In productiver Hinsicht ist vor Ablauf des Jahres 1830 die Fortsetzung des in Heidelberg begonnenen, wie es aber scheint, niemals beendigten Clavierconcertes in F-dur zu erwähnen.

Das Jahr 1831 brachte zunächst ein Werk zur Erscheinung, welches später als opus 2 veröffentlicht wurde: Die »Papillons.«7 Es besteht aus 12 mehr oder weniger kleinen Sätzen von denen einige bereits in Heidelberg geschrieben waren. Schumann liebte eine gewisse mystische Symbolik, ein verhülltes Hindeuten auf allgemeine poetische Intentionen, wie dies so manche seiner folgenden Claviercompositionen bezeugen. Diese mystische Symbolik ist als Produkt jener romantischen Richtung zu betrachten, welche poetische Ideencombinationen in geistreich[71] bezeichnender und tiefsinniger Weise auszudrücken bestrebt ist, ohne dabei die plastische Klarheit und einfache Wahrheit der sinnlichen Erscheinung zu erreichen, wodurch diese Ideen dem Genießenden unmittelbar zugänglich werden könnten. So hat nun auch sicher die Benennung »Papillons« einen tieferen mystischen Sinn, mit dessen muthmaßlicher Ausdeutung jedoch Niemand vorgegriffen werden soll.

Die Papillons, den drei Schwägerinnen Schumann's, Therese, Emilie und Rosalie Schumann gewidmet, denen er durch Bande innigster Freundschaft nahestand, sind aphoristische Ton-Sätze und Sätzchen ohne eigentlichen Kunstwerth, und nur insofern von Interesse, als sie eine Reihe gegensätzlicher Stimmungen offenbaren, in denen bereits ein den Künstler charakterisirendes Moment musikalischer Ausdrucksweise erkennbar wird. Etwas ausgeführter und auch anziehender als Alles Vorhergehende ist allein das »Finale« durch die Combination des Großvatertanzes8 mit dem ersten Stück, dessen melodische Figur in der Oberstimme erscheint, während der genannte Tanz den Baß bildet. Die Gestaltung des Ganzen zeugt ebensosehr wie in den Abeggvariationen, noch von einer, durch die Unbekanntschaft mit der Tonsetzkunst erklärlichen Unbeholfenheit und Ungelenkigkeit. Vielfach tritt noch ein vergebliches Ringen des geistreichen musikalischen Gedankens mit der Form zu Tage. Geglückte Einzelheiten sind offenbar bei weitem mehr die Folge des musikalischen Instinktes als eines klar bewußten, mit Sicherheit sich kundgebenden Ausdrucksvermögens.9

Daß Schumann den Papillons eine poetische Intention zu Grunde legte, geht aus einem Briefe10 vom Jahre 1834 an seine Freundin Henriette Voigt hervor, von der weiterhin die Rede sein wird. Es heißt dort: »Manches könnten Sie darüber von mir erfahren, wenn es nicht Jean Paul besser thäte. Haben Sie einmal eine freie Minute, so bitt' ich Sie, das letzte Capitel der Flegeljahre[72] zu lesen, wo Alles schwarz auf weiß steht bis auf den Riesenstiefel in Fis-moll (beim Schluß der Flegeljahre ist's mir, als würde das Stück (allerdings) geschlossen, als fiele aber der Vorhang nicht herunter). – Ich erwähne noch, daß ich den Text der Musik untergelegt habe, nicht umgekehrt – sonst scheint es mir ein ›thöricht Beginnen.‹ Nur der letzte, den der spielende Zufall zur Antwort auf den ersten gestaltete, wurde durch Jean Paul erweckt.«

Ferner entstanden im Laufe des Jahres 1831: der erste Satz einer Sonate in G-moll (nach Schumann's eigener Angabe in der Compositionsübersicht später unter dem Titel Allegro als op. 711 gedruckt) und Variationen über ein Originalthema in G-dur. Die Letzteren sind unbekannt geblieben. Der Sonatensatz, wenn unter ihm das als op. 8 veröffentlichte Allegro wirklich zu verstehen ist, wie nicht anders angenommen werden kann, gehört nach Form und Inhalt zu den schwächsten Geistesprodukten Schumann's. Dies Musikstück ist in seinem breiten, unförmlichen Schwulst unerquicklich und giebt bei dem Mangel aller Beherrschung und Klarheit der Darstellung keiner Sympathie Raum. Schumann selbst äußert sich in lakonischer Weise darüber, indem er seiner Freundin Henriette Voigt unter dem 24. November 1834 schreibt, »daß der Verfasser mehr tauge, als sein Werk und weniger als die, der es zugeeignet ist.«12

Das Leiden an Schumann's krankem Finger war inzwischen nicht gehoben worden; vielmehr stellte sich etwa im Herbst 1831 eine Erlahmung der ganzen Hand ein. Zwar konnte er dieselbe in der Folge wieder so weit gebrauchen, um seinen persönlichen Bedürfnissen am Instrumente gerecht zu werden, aber an ein wirkliches Clavierspielen war nicht mehr zu denken. Charakteristisch ist es, wie Schumann sich über dieses Ereigniß, auf dasselbe und die Heidelberger Zeit zurückblickend,[73] noch im Jahre 1833 gegen seinen Freund Töpken brieflich13 ausspricht:

»Freilich irrten wir, wenn wir durch eine oft eigensinnige Mechanik erlangen wollten, was nach und nach die Ruhe und Muße des späteren Alters von selber bringt – oder: wir faßten den Henkel so fest an, daß darüber bald das Gefäß verloren ging (umgekehrt ist's freilich noch schlimmer). In dieser Hinsicht und um jene Fertigkeiten in's Gleichgewicht mit den andern Kräften zu bringen, habe ich mich oft berichtigen müssen, Vieles, was ich sonst für untrüglich hielt, als hemmend und nutzlos verworfen und oft die Potenzen auf entgegengesetztem Wege zu vereinigen gesucht. Denn wie in der physischen Welt heben und verdoppeln sich gleiche Kräfte; aber die stärkere ist der Tod der schwächeren und um es auf die Kunst anzuwenden, nur durch harmonische Ausbildung der Fertigkeit und Fähigkeit (Schule und Talent) entsteht ein Künstlerisches Rundes.« – »Clavierspiele ich wenig noch; – erschrecken Sie nicht – (ich bin resignirt und halte es für eine Fügung), an der rechten Hand habe ich einen lahmen, gebrochenen Finger: durch eine an sich unbedeutende Beschädigung und durch Nachlässigkeit ist das Uebel jedoch so groß, daß ich mit der ganzen Hand kaum spielen kann.«

So vom Schicksal fast unvermeidlich dazu gedrängt, betrat Schumann endlich den Boden, dessen Erdreich das in ihm schlummernde Samenkorn schöpferischer Begabung nährte und allmählig zu einem blüthen- und fruchtreichen Baume gedeihen ließ: er wandte sich ganz und gar der Composition zu. Hiermit war aber, wie er nun recht klar fühlen mochte, die Nothwendigkeit geboten, das bisher so sehr vernachlässigte theoretische Studium ungesäumt nachzuholen. Um dies zu bewerkstelligen, wandte er sich durch Vermittlung eines näheren Bekannten, Namens v. d. Lühe, an Heinrich Dorn, der zu jener Zeit das Amt des Musikdirektors am Königl. Theater zu Leipzig bekleidete. Bei seiner Introduction spielte er, trotz der kranken Hand, dem genannten Künstler die Variationen über den Namen Abegg vor. Diese waren nun eben kein brillanter Empfehlungsbrief; indessen zeigte sich H. Dorn bereit, dem Wunsche des schüchternen, stillen, jungen Mannes zu willfahren.

Der Unterricht mußte mit dem Generalbaß-A-B-C begonnen werden,[74] denn die erste, Schumann zur Probe seiner theoretischen Kenntnisse gestellte Aufgabe, – es war die einfache Harmonisirung einer Choralmelodie, – ergab ein Muster regelwidriger Stimmenführung. Bald aber schritt der Schüler vermöge eines eben so musterhaften als ausdauernden Fleißes über die elementaren Gegenstände der Theorie zur Lehre des einfachen und doppelten Contrapunktes hinweg. Die Bekanntschaft mit dem letzteren nahm Schumann so sehr in Anspruch, daß er seinen Lehrmeister einmal brieflich einlud, ihm die Lection ausnahmsweise in seiner Wohnung zu geben, da er sich von der Arbeit nicht loszureißen vermöge. Dorn gewährte dies und als er in Schumann's Zimmer eintrat, fand er seinen fleißigen Schüler bei einer contrapunktischen Studie und – beim Champagner, mit dem nun beide gemeinschaftlich das trockene Studium anfeuchteten.


Wie dankbar Schumann für diesen fördernden Unterricht, der ihm ja auch im Grunde erst das innere Wesen der Kunst erschloß, bis in die späteren Jahre seines Lebens blieb, geht aus seinen weiterhin mitzutheilenden Briefen an H. Dorn deutlich hervor. Was dieser Mann ihn gelehrt hatte, haftete fest in seiner Seele, und trieb ihn immer wieder von Neuem an, zeitweilig mit Eifer und Beharrlichkeit auf eigene Hand contrapunktische Studien zu treiben, um sich die erforderliche technische Beherrschung des Stofflichen für seinen Beruf anzueignen. Und dies that Schumann selbst noch, als er bereits die Höhe der Meisterschaft erklommen hatte, wie aus einer dem Jahr 1846 angehörenden Notiz in seinem eigenhändig geführten Compositionsverzeichnisse zu entnehmen ist. Er hatte, wenn auch erst spät, einsehen lernen, wie unentbehrlich das begonnene Studium für einen Tonsetzer sei, und der Umstand, daß seine Kraft unter demselben nicht erlahmte, wie es so häufig bei Scheintalenten der Fall ist, sondern sich nach und nach immer mehr stärkte und hob, zeugt recht eigentlich für Schumann's echte und hohe musikalische Begabung.


Wurde das Ende des Jahres 1831 für Schumann einerseits durch die Aufnahme des theoretischen Studiums von höchster Wichtigkeit, so erhielt dasselbe für ihn noch in anderer Hinsicht Bedeutung. Es galt nämlich nichts Geringeres, als das Panier begeisterter Anerkennung für eine neu auftauchende, ebenso eigenthümliche wie interessante Erscheinung in der Musikwelt zu erheben. Fr. Chopin, ungekannt und unbeachtet, mit den Erstlingsprodukten seines im Feuer[75] französischer und polnischer Nationalität getauften Geistes14 von den Pforten der Oeffentlichkeit mehrfach zurückgewiesen, hatte endlich 1831 in Wien die Herausgabe seiner Don Juan-Phantasie op. 2 ermöglicht. Wahlverwandtschaftlich von der in diesem Clavierwerk sich widerspiegelnden originellen Gestaltungsweise angezogen und ergriffen, trieb es Schumann, seine Begeisterung der musikalischen Welt zu verkünden. Es geschah dies in einem phantastisch übersprudelnden Erguß, der nichts weniger als eine Kritik nach herkömmlichem Wesen und Zuschnitt war. Derselbe erschien in Nr. 49, Jahrgang 33 der »allgemeinen musikalischen Zeitung«15, und in ihm zeigt sich schon jener Reichthum einer fast überwuchernden, jeanpaulsirenden Phantasie, durch welche einige Jahre später Schumann's literarische Thätigkeit genau gekennzeichnet ist. Zugleich werden hier bereits die später bedeutungsvollen Gestalten des Florestan und Eusebius eingeführt, jedoch keineswegs schon als »Davidsbündler«. Als solche erscheinen sie erst bei Gründung der »Neuen Zeitschrift für Musik«. Von hier ab ist das Auftreten Schumann's als musikalischer Schriftsteller zu datiren, wenn er auch erst nach zwei Jahren das Begonnene fortsetzte.

Die geselligen Beziehungen, welche Schumann, wie wir sahen, während der letzten Zeit des Heidelberger Aufenthaltes schon absichtlich mied, waren und blieben auch ferner im Wesentlichen auf dasselbe Maaß der ihm eigenthümlichen Zurückhaltung beschränkt. Außer dem häufigen, aber stillen Verkehr im Wieck'schen Familienkreise, dem er damals gewissermaßen angehörte, pflog er nur mit wenigen Altersgenossen Umgang. Bemerkenswerth ist es, daß sich unter den Letzteren immer eine Persönlichkeit befand, die von ihm als fast ausschließlicher Gesellschafter namentlich auf meist schweigsam hingebrachten Spaziergängen benutzt wurde, und sich bereitwillig zur Zielscheibe seiner nicht immer liebenswürdigen Launen und Scherze machen ließ. Meist traf er mit dem auserwählten Kreise seiner Bekannten Abends in einer bestimmten Restauration zusammen, während er Tag über emsig arbeitete.[76]

Zu Schumann's Sonderbarkeiten gehörte es auch, daß er Wieck's Kinder in den Dämmerungsstunden auf sein Zimmer mitnahm, und sie durch Erzählung der abenteuerlichsten Spukgeschichten eigener Erfindung zu fürchten machte. Dann schloß er bisweilen die Stubenthüre ab, und erschien plötzlich, allgemeinen Schrecken verbreitend, bei dem unheimlichen Schein einer Spirituslampe als Gespenst in einem umgewendeten Pelz. Eine andere, wirklich originelle Belustigung für ihn war die, einen der beiden Wieck'schen Söhne längere Zeit auf einem Fuße gegen eine kleine Belohnung stehen zu lassen, während er in der Stube auf und ab ging, und von Zeit zu Zeit mit blinzelnden Augen freundlich lächelnd, die angestellten Balancirübungen des Knaben beobachtete. Natürlich hielten sich die Kinder gern zu ihm und hieraus folgt, daß die Koboldseite in Schumann's Natur16 für sie einen eigenen Reiz hatte.

Wesentlich gestärkt und gefördert durch den theoretischen Cursus, unternahm Schumann im Jahre 1832 einige Compositionen, die, soweit sie zur Oeffentlichkeit gelangten, unstreitig den günstigen Einfluß eines geregelteren Wissens erkennen lassen. Freilich konnte das so eben erst betriebene Studium der Compositionslehre bei vorgerückterem Alter – Schumann stand bereits im 22. Lebensjahre – und einem schon ziemlich scharf ausgeprägten Ideengange unmöglich sofort eine künstlerisch correcte, runde und technisch fertige Darstellungsweise erzeugen. Die vollendete Beherrschung des Formellen, und besonders der schönen Gestaltung im höchsten künstlerischen Sinne, bildete aber als natürliche Folge zu spät begonnener Studien in gewisser Hinsicht auch weiterhin eine Schwierigkeit für Schumann, die er nicht immer zu bewältigen vermochte. Hiermit ist im Grunde die Achillesferse einer gewissen Anzahl seiner Compositionen bezeichnet.

Es steht fest, daß zur Erwerbung der Technik, des sogenannten Handwerks der Kunst, das Jugendalter der geeignetste Zeitpunkt ist. Je vollkommener in frühen Jahren die Herrschaft der Technik erworben wird, desto freier und elastischer vermag sich, produktives Vermögen vorausgesetzt, der Geist beim Eintritt höherer Reise zu offenbaren. Ein Mensch dagegen, dessen geistige Fähigkeit früher entwickelt ist, als das Vermögen sich mit jener Freiheit auszudrücken, welche im Gesetze wurzelt, wird Wollen und Können, selbst bei Anwendung des eisernsten[77] Fleißes, nicht immer in's Gleichgewicht zu setzen vermögen. Diese Erscheinung bietet Schumann's Künstlerlaufbahn der Betrachtung dar. Nicht wenige seiner Compositionen zeigen deutliche Spuren des zu spät begonnenen Kunststudiums. Durch Gedankenkraft, Tiefe und Phantasie weiß er indessen den Hörer oft über formelle Schwächen hinwegzubringen.

Von den vorerwähnten Compositionen sind nach dem Verzeichnisse Schumann's anzuführen: Intermezzi für Pianoforte, gedruckt als op. 4 in zwei Heften, und der erste Satz einer unbekannt gebliebenen Symphonie für Orchester in G-moll; außerdem fällt in diese Zeit die Uebertragung von 6 Paganini'schen Violin-Capricen für Pianoforte, welche als op. 3 veröffentlicht wurden.17

Die Intermezzi nehmen im Vergleich zu opus 1 und 2 bei weitem mehr das musikalische Interesse in Anspruch, weil in ihnen selbstständige und umfangreichere, der Liedform angehörende Gebilde gegeben werden. Auch offenbaren sie deutlich eine harmonisch und rhythmisch durchaus eigenthümliche, für Schumann charakteristische Ausdrucksweise. Allein sie gewähren trotzdem in ihrer Totalität keine volle Befriedigung. Die melodischen Bildungen erweisen sich als der bei weitem schwächere Theil, ein Beleg dafür, daß die plastische Gedankengestaltung dem Componisten immer noch große Schwierigkeiten bereitete. Allerdings dürfte hierbei einigermaßen der Umstand mitgewirkt haben, daß Schumann damals, wie er selbst bekennt, nur am Clavier componirte, – eine, das reine, innere Bilden und Schaffen nothwendig beeinträchtigende Arbeitsweise. Wie übrigens die Wirklichkeit sich diesem Werke als bestimmender Factor beimischt, geht aus Nr. 2 des 1. Heftes von op. 4 hervor, dessen Mitte und Schluß die Worte »Meine Ruh ist hin,« als Hindeutung auf gewisse Seelenzustände[78] enthalten, ohne deren Voraussetzung der poetische Fingerzeig ein leeres, bei Schumann niemals vorauszusetzendes Spiel wäre.

Die Transcription der Paganini'schen Violincapricen, und zwar der Nummern 5, 9, 11 (von dieser Nummer ist nur die Einleitung benutzt), 13, 19 und 16 des Originaldruckes ist eine Arbeit, welche durchweg einen edeln Sinn der Auffassung bekundet. Was diese Capricen durch die Uebertragung auf das Pianoforte an eigenthümlicher Wirkung verloren haben und verlieren mußten, ist durch eine geistreiche, mit künstlerischem Takt vorgenommene Harmonisirung wieder ersetzt. Es kann nicht befremden, daß die letztere hier bei weitem fließender und fertiger erscheint als in den gleichzeitig entstandenen Originalcompositionen Schumann's; denn während er in den Paganini'schen Capricen ein gegebenes, den harmonisch modulatorischen Gang vorschreibendes Objekt behandelte, hatte er in seiner eigenen Ideenwelt erst einen gährenden Stoff abzuklären und zu bilden, dessen Bewältigung er keinesweges schon im höheren Maaße gewachsen war.

Schumann legte einigen Werth auf diese Arbeit als Studie; sicher ist sie ihm als solche auch von Nutzen gewesen. Eine ziemlich ausführliche, bereits auf Mendelssohn hindeutende Vorrede motivirt Anlaß und Zweck der Bearbeitung.

Nachdem Schumann bis zum Winter 1832 fleißig gewesen war, stattete er einen heimathlichen Besuch in Zwickau ab. Er verband damit zugleich die Absicht, den frisch geschaffenen Symphoniesatz vom Orchester seiner Vaterstadt probiren zu lassen; denn er wollte nun auch mit leiblichem Ohre hören, was er gemacht, wozu ihm in Leipzig die Gelegenheit gefehlt haben mochte. Es blieb aber nicht bei einer bloßen Probe. Das Stück wurde auch öffentlich in einem Concerte zu Gehör gebracht, welches die dreizehnjährige Clara Wieck am 18. November desselben Jahres in Zwickau gab. Während der Aufführung seiner Composition hörte Schumann aus einem Versteck unbemerkt zu. Zwei Tage nach diesem Concert, also am 20. November, fuhr man gemeinschaftlich nach der nahe gelegenen Gebirgsstadt Schneeberg, wo zwei Brüder Schumann's wohnten. Während Clara Wieck mit ihrem Vater nach Leipzig zurückkehrte, blieb Schumann dort, und brachte überhaupt den ganzen Winter 1832/33 abwechselnd in Zwickau und Schneeberg bei seiner Familie zu. Seine Hauptbeschäftigung war, wie in Leipzig während der letzten Zeit, die Composition.[79] Insbesondere übte er, durch das unablässige Studium des Altmeisters Bach dazu angeregt, eifrig den Contrapunkt. Daneben schrieb er einige kürzere Stücke für Pianoforte; so namentlich die, in den »Albumblättern« op. 124 mit abgedruckten Sätze: Impromtü, Scherzino, Burla, Larghetto und Walzer; auch entstand ein zweiter und dritter Theil zu der Symphonie in G-moll. Diese machte ihm viel zu schaffen, wie aus folgendem, an Friedrich Wieck gerichteten Briefe ersichtlich ist:


Zwickau, am 10. Januar 1833.


Verehrtester Freund.


In aller Eile eine Entschuldigung, wenn ich eine herausbringe – großes Concert in Schneeberg – Thierfelder18 schrieb nach der Simphonie – völliges Umstürzen des ersten Satzes – Umschreiben der Stimmen und Partitur – Nachtragen der andern Sätze – Arbeit bis über die Ohren – Und sie fragen und zürnen noch? Im Ernst – an Sie zu schreiben ist eine leichte Sache; aber zu einem Brief an Clara fühlte ich mich noch nicht stark genug. Glauben Sie mir das?

Meinen schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit; die Iris-Recension bekam ich gestern im Original und freute mich sehr; das giebt rascheres Blut und Luft zur Arbeit19. – Ihre Idee dünkt mich sehr neu, nur etwas pariserisch. – Auf die neuen Chopin'schen Sachen freue ich mich wie ein Kind. Daß er so viele Stücke auf einmal drucken läßt, mißfällt mir, weil es wenig klug ist. Denn der Ruf geht auf Zwergsüßen und darf nicht ausgefordert werden; freilich der Ruhm fliegt dann auf Sturmflügeln, wie bei Clara. Grüßen Sie mir die liebe, gute, von der ich die Mazurek bald zu hören und zu sehen hoffe. Sie haben es zu verantworten, daß Zwickau zum erstenmal in seinem Leben begeistert war. Wenn von ihr gesprochen wird, so ist jedes Auge wie sprechender und lebhafter.

Ich habe mich hier sehr eingepuppt und sitze äußerst still im Gespinnst. Daher mein Schweigen. Für den Geist giebt's wenig Nahrung hier, aber genug für's Herz. Anfang Februar komme ich bestimmt mit der vollständigen Sinfonie unter dem Arme. Können Sie etwas[80] dazu beitragen, daß Sie zur Aufführung käme20, so wäre das die schönste Aufmunterung.

Daß der Schumann ohne Mensch damals mitfuhr21, ist mir sehr spaßhaft vorgekommen, obgleich die Mutter außer sich war. Ich frage aber, Clara, wer der Schumann ohne Mensch gewesen ist? (Es überfällt mich ein Schauder, wenn ich so von mir, wie von einer dritten Person schreibe.) – Die Sinfonistengleichnisse in Clara's Brief sind prächtig und haben viel Lachen in Zw– gemacht, namentlich die naive Parenthese »hier hat mir der Vater geholfen«. Mir war es ordentlich, als sagte Clara mir es heimlich in's Ohr.

Fink's Recension über die Euryanthenvariationen ist denn doch zu toll22. Er will gestreichelt sein; ich dächte es wäre Ursache da, daß man ihn einmal kitzele, streichele, kneipe u.s.w. –

Hofmeister, den Sie vielmal grüßen wollen, habe ich in bedeutende Angst gebracht. Ich schrieb nämlich einfältig genug, daß ich mir mit den Intermezzi's eher den Dank des Kritikers und Künstlers, als den des Publikums zu erwerben hoffe. Natürlich war es, daß er antwortete: »Ihre Aeußerung machte mich sehr stutzig; als Kaufmann muß mir an der Gunst des Publikums Alles, an der des Kritikers nichts gelegen sein.« Da bin ich schön angekommen mit meinem Kosmopolitismus. –

Schwägerin Therese ist in Gera; an Rosalien, die ich binnen vier Tagen in Schneeberg (am 17. ist das Concert23) sehe, soll Ihr Auftrag mündlich und gern ausgerichtet werden. – Die Mutter und die Brüder grüßen Sie und Clara. Wie oft sprechen wir von Ihnen! – Fast alle Tage.

An Clara'en schreib ich von Schneeberg ausführlich. Ich denke mir, das Clavierconcert müsse aus C-dur oder A-moll gehen. Ihre[81] Capricen studire ich der Antonie von Tilly ein. Die Bürgermeister Ruppius24, die mich einen Schlingel nannte, empfiehlt sich.

Ihre Frau Gemahlin und Clara'n grüß' ich freundschaftlich, so wie Sie. Was hab ich Ihnen nicht zu danken!

R. Schumann.


Schumann kehrte nicht Anfangs Februar, wie er gewollt hatte, sondern erst im Laufe des März nach Leipzig zurück. Das Logis im Wieck'schen Hause, nicht aber seine intimen Beziehungen zu demselben, gab er auf, um eine Sommerwohnung in Riedel's Garten zu beziehen, den er am Tage durch sein Musiktreiben, in lauen Nächten dagegen öfters mit seinen Bekannten belebte. Dies Letztere geschah bisweilen auf ergötzliche, und man muß zugeben, ausnahmsweise auch auf etwas burschikose Weise, die indessen immer noch einen gewissen poetischen Anstrich behielt. So verließ die Schumann'sche Gesellschaft, von welcher namentlich die Gebrüder G. und E. W., sämmtlich damalige Studiosen, regelmäßige Theilnehmer geworden waren, eines späten Abends das regelmäßig besuchte Restaurationslokal, um die nächtliche Ruhe zu suchen. Man hatte sich jedoch in lebhafte Gespräche vertieft. Es wurde daher beschlossen, beisammen zu bleiben und zur Fortsetzung der Unterhaltung ein trauliches Ruheplätzchen in Riedel's Garten aufzusuchen. Dieser verlockenden Aussicht konnte selbst das verschlossene Gitterthor und der unerweckbare Pförtner kein Hinderniß entgegensetzen. Das erstere wurde mit der Behendigkeit wohlgeübter Turner überstiegen. Kaum hatte man aber in einer Laube Platz genommen, als die liebenswürdigen Abenteurer in ihrer geistigen, durch eine lebhafte Conversation hervorgerufenen Erregung auch schon das Bedürfniß einer entsprechenden materiellen Stärkung empfanden. Bald erinnerte man sich daran, daß im Garten der wohlbestellte Keller eines Weinhändlers lag, bei dem man hinreichend accreditirt war. Gedacht, gethan; er wurde mit eben der Geschicklichkeit und Leichtigkeit geöffnet, vermöge deren man das erste Hinderniß besiegt; trotz der Finsterniß hatte man sogleich eine seine Sorte glücklich herausgefühlt und that sich nun gütlich. Natürlich wurde am andern Morgen die improvisirte Zeche, welche ohne Zweifel eine sehr heitere war, gewissenhaft bezahlt, – von Schumann allerdings doppelt, da[82] er sich in Folge dieser Nachtschwärmerei einen Anfall vom kalten Fieber zuzog.25

Uebrigens hatte das Leben Schumann's in diesem idyllischen Aufenthalt, wie die Mittheilungen seines zeitweiligen Stubengenossen Günther besagen, etwas freilich nicht nach herkömmlichen Begriffen Wohlgeordnetes. Am Tage studirte er; Abends besuchte er ein bestimmtes Restaurationslokal, wo er im Kreise seiner Freunde mehrere Stunden zubrachte; dort war er aber meist in sich gekehrt und scheinbar passiv, so daß es für Leute, die Schumann nicht näher kannten, den Anschein haben konnte, als ob nicht sowohl der gesellige Verkehr, sondern das öfters in reichlichem Maaße genossene Bier ihn dahingezogen habe. Wenn er Nachts heimkehrte, entkleidete er sich halb, notirte das Er- und Durchlebte in sein Tagebuch, berechnete seine Baarschaft, und beschloß dann das Tagewerk mit einer Aufzeichnung der musikalischen Ideen, die ihm etwa im Laufe des Abends gekommen waren. Oft spielte er das Niedergeschriebene auch auf dem Pianoforte durch, und phantasirte dann nach Befinden noch eine Weile darüber. Kein Zweifel, da Schumann's Art zu leben überhaupt sehr viel Beständigkeit, ja eine gewisse Einförmigkeit des äußern Daseins erkennen läßt, daß diese Existenz von ihm bis zu seinem Eintritt in die Ehe ziemlich regelmäßig fortgesetzt wurde.

Als erste Arbeit des Jahres 1833 findet sich in Schumann's Compositionsübersicht das zweite Heft der Uebertragung von Paganini's Violincapricen für Pianoforte, unter der Werkzahl 10 edirt, verzeichnet; es ist die Fortsetzung der im vorhergehenden Jahre unternommenen Transscriptionen, die sich von diesen aber durch eine bei weitem freiere Bearbeitung unterscheidet. Speciell sind es die Capricen 12, 6, 10, 4, 2 und 3 der Originalausgabe, die hier den Pianofortespielern geboten werden.[83]

Ueber diese Bearbeitungen, welche Schumann als »Oeuvre X.« herausgab, bemerkt der Meister26: »Eine Opuszahl setzte ich auf obige Etüden, weil der Verleger sagte, sie ›gingen‹ deshalb besser, – ein Grund, dem meine vielen Einwendungen weichen mußten. Im Stillen hielt ich aber das X (denn ich bin noch nicht bis zur IX. Muse) für das Zeichen der unbekannten Größe und die Composition, bis auf die Bässe, die dichteren deutschen Mittelstimmen, überhaupt bis auf die Harmoniefülle und hie und da auf die geschmeidiger gemachte Form für eine echte Paganini'sche. Ist es aber löblich, die Gedanken eines Höheren mit Liebe in sich aufgenommen zu haben, so besitze ich vielleicht darauf einen Anspruch.... Anders aber, als bei der Herausgabe eines früheren Heftes von Studien nach Paganini, wo ich das Original, vielleicht zu dessen Nachtheil, ziemlich Note um Note copirte und nur harmonisch ausbaute, machte ich mich diesmal von der Pedanterie einer wörtlich treuen Uebertragung los und möchte, daß die vorliegende den Eindruck einer selbstständigen Claviercomposition gäbe, welche den Violinursprung vergessen lasse, ohne daß dadurch das Werk an poetischer Idee eingebüßt habe. Daß ich, dieses zu erlangen, namentlich in Hinsicht der Harmonie und Form, Vieles anders stellen, ganz weglassen oder hinzuthun mußte, versteht sich ebenso, wie daß es stets mit der Vorsicht geschah, die ein so mächtiger verehrter Geist gebietet. Es raubte zu viel Zeit, alle Veränderungen und die Gründe anzuführen, warum ich sie gemacht, und überlasse ich, ob es immer wohlgethan, der Entscheidung theilnehmender Kunstfreunde durch eine Vergleichung des Originals mit dem Pianoforte, was jedenfalls nicht uninteressant sein kann. –

Mit dem Beisatz ›de concert‹ wollte ich die Etüden einmal von den erwähnten früher erschienenen unterscheiden; dann aber schicken sie sich ihrer Brillanz wegen allerdings auch zum öffentlichen Vortrag. Da sie aber, was ein gemischtes Concertpublikum nicht gewöhnt ist, meistens sehr frisch auf die Hauptsache losgehen, so würden sie am besten durch ein freies, kurzes angemessenes Vorspiel eingeleitet.«27

Nachdem Schumann noch einige besondere Bemerkungen über die[84] einzelnen Etüden gegeben, schließt er die ganze Betrachtung folgendermaßen: »Die Etüden sind durchweg von höchster Schwierigkeit und jede von eigener. Die sie zum erstenmal in die Hand nehmen, werden wohlthun, sie erst zu überlesen, da selbst blitzesschnellste Augen und Finger, beim Versuch eines Prima-vista-spiels, der Stimme zu folgen kaum im Stande sein würden. Steht daher auch nicht zu erwarten, daß die Zahl derer, die diese Sätze meisterlich zu bewältigen vermöchten, sich in das Große belaufen werde, so enthalten sie doch in der That zu viel Genialisches, als daß ihrer von denen, die sie einmal vollendet gehört, nicht öfters mit Gunst gedacht werden sollte.«

Sodann folgen die Impromptü's für Pianoforte. Diese Arbeit erschien zuerst unter dem Titel: Impromptus sur une Romance de Clara Wieck pour le Pianoforte Oeuv. 5. Dédies à Monsieur Fr. Wieck, Publié 1833, Août. Ihm zu Grunde liegt, wie schon die Aufschrift besagt, eine Romanze oder vielmehr ein einfaches Thema von Clara Wieck, kurz vorher von ihr nebst dazu gehörigen Variationen als op. 3 veröffentlicht. Eine Bearbeitung dieses Thema's war für Schumann bei dem lebhaften, jedoch damals wohl nur noch rein künstlerischen Interesse, welches er Clara Wieck widmete, anziehend; er schrieb darüber 11 verschiedene Sätze, die nicht sowohl »Impromptü's« als »Variationen im freien Styl« hätten benannt werden sollen, da sie in der That für Impromptü's, unter denen man freie Improvisationen vermuthen müßte, einerseits zu ausgeführt sind, andererseits sich zu entschieden an's Thema anlehnen.

Der Anfang ist originell genug; der dem Thema untergelegte Baß stolzirt Solo daher, wie eine auf wichtigem Posten stehende Schildwache. Die Veränderungen erscheinen, nachdem das Thema eingeführt worden, mit Verwebung und Unterbauung desselben, so wie auch des Basses, in verschiedenartig contrastirendem Wechsel der Stimmungen. Ueberall offenbart sich eine üppige Phantasie, deren überreiche Gebilde indeß der objectiven Klarheit Eintracht thun. Im Ganzen läßt sich ein Fortschritt der Technik, so wie ein immer entschiedeneres, kräftigeres Durchbrechen des Schumann'schen Idiom's gegen die früheren Compositionen nicht verkennen, wenngleich immer noch Härten, und heftige, unvermittelte Modulationen mit unterlaufen, denen man leicht die Mängel formeller Beherrschung anfühlt. Daß die Mondnächte des Rie del'schen Gartens mit den drein flötenden Nachtigallen auch ab und zu eine Rolle spielen, merkt man bei einiger[85] Bekanntschaft mit Schumann's poetisirender Art an der 10. Variation, einem ungemein phantastischen Stück.

Das dem Titel beigefügte Datum hat keinen andern Zweck, als die Zeit der Veröffentlichung zu fixiren, wie bei Büchern stets geschieht. Schumann war der Ansicht, daß dies Verfahren in mehrfacher Hinsicht von positivem Werthe sei, und wollte es einführen. Gleichwohl hatte es bei dem bloßen Versuch sein Bewenden, wozu wohl hauptsächlich die Abneigung der Verlagshändler beigetragen haben dürfte, welche es leider nicht ungern sehen, wenn Compositionen möglichst lange den Anschein von Novitäten behalten.

Die neue, in den vierziger Jahren veranstaltete und von Schumann selbst redigirte Auflage dieses Werkes, weicht mehrfach von der ersten Ausgabe ab. Nicht allein finden sich in ihr wesentliche Verbesserungen des Harmonischen, sondern auch zwei Variationen (mit ihnen die 10., eine der interessantesten) sind ganz weggeblieben, von denen nur die dritte durch eine neu hinzucomponirte ersetzt ist. Endlich hat auch der Schluß des Ganzen eine zweckmäßige Aenderung erfahren. Für den Musiker ist ganz besonders die specielle Vergleichung beider Ausgaben interessant, da aus ihr hervorgeht, wie und in welchem Grade der Componist im Verlaufe der Jahre seine Ansichten änderte.

Ferner unternahm Schumann eine Umarbeitung der in Heidelberg componirten Toccata; er transponirte sie von D-dur nach C-dur. Auch machte er die ersten Entwürfe zu seinen Claviersonaten in G-moll (op. 22) und Fis-moll (op. 11). Die Toccata, als 7. Werk edirt, ist höchst wahrscheinlich auf Anregung eines gleichnamigen Musikstückes von Czerny28 entstanden, mit dem sie auch Anfangs – aber allerdings auch nur da – eine entfernte Aehnlichkeit hat. Wie diese ist sie bei ziemlich bedeutendem Umfang im Etüdenstyl gehalten, ohne in erfinderischer Hinsicht einen besondern Werth beanspruchen zu können. Hauptsächlich scheint sie für technische Zwecke berechnet, wie auch aus einer Aeußerung Schumann's in seiner Zeitung Bd. 4, S. 183 hervorgeht; er sagt dort, daß sie »vielleicht eines der schwierigsten Klavierstücke sei.« Endlich sind noch zwei Hefte Variationen über den Sehnsuchtswalzer von Schubert und über das Allegretto aus Beethoven's [86] A-dur-Symphonie aus diesem Jahre zu erwähnen. Beide Compositionen sind unbekannt geblieben.

Schumann verließ im September 1833 den Riedel'schen Garten und nahm demnächst Wohnung im sogenannten Helferschen Hause, Burgstraße Nr. 21, 4 Treppen hoch. Hier wurde er bald von einem bedenklichen Zustand heftigster innerer Erregung heimgesucht, der seine Freunde in nicht geringe Bestürzung versetzte. Rosalie, eine der drei Schwägerinnen Schumann's starb, und die Nachricht von diesem Ereigniß bewirkte sofort bei ihm eine Gemüthsbewegung, welche sich besonders während einer Nacht – er nennt sie in seinem Notizbuche: »die fürchterliche Nacht des 17. Oktobers« – bis zur krankhaften Exaltation, verbunden mit den peinigendsten Aengstigungen steigerte.29 Um nicht allein zu sein, bat er seinen schon erwähnten zeitweiligen Stubengenossen Günther, wieder zu ihm zu ziehen, was auch geschah. Zwar erfolgten nun keine weiteren Anzeichen von innerer Aufregung mehr, aber eine »fürchterliche Melancholie« (so besagt das Notizbuch), die nur allmählich ihren Rückzug nahm, bemächtigte sich dagegen Schumann's, und versetzte ihn für einige Zeit in eine vollständig apathische Stimmung. Inwiefern diese Erscheinung mit durch angestrengtes Arbeiten, durch Verkürzung der Nachtruhe, und durch geistige Getränke hervorgerufen worden, muß dahingestellt bleiben. Wie dem auch sei Alles deutet im Zusammenhange mit andern eigenthümlichen bereits angeführten Symptomen betrachtet, auf ein tieferes Leiden, welches weiterhin ab und zu hervortretend, dann aber wieder längere Zeit schlummernd, sich zwar nur sehr allmählich, doch in unverkennbarer Weise fortentwickelte, und in seinen mannichfachen Erscheinungen zu besorgnißerregenden Zuständen Veranlassung gab. Denn die späteren Leiden Schumann's lassen eine entschiedene Aehnlichkeit mit dem eben erwähnten Krankheitszustande erkennen. Bemerkenswerth ist es jedenfalls, daß Schumann nach dieser Katastrophe bis an sein Lebensende eine ausgesprochene Scheu vor dem Aufenthalt in hohen Stockwerken hatte, da er denn auch bald darauf ein Logis in einer tieferen Etage desselben Hauses bezog.

Wohlthätig zerstreuend wirkte auf ihn die demnächst geschlossene[87] Bekanntschaft mit dem Maler Lyser30, ganz besonders aber die neu angeknüpften Beziehungen zu dem talentvollen Musiker Ludwig Schunke31 aus Stuttgart, welcher im December 1833 von Wien zu längerem Aufenthalte nach Leipzig kam. Schumann und Schunke, obwohl durchaus entgegengesetzte Naturen, schlossen, von gleicher Begeisterung für die Kunst erfüllt, bald nach der ersten Begegnung innige Freundschaft.

Das folgende Jahr, nach Schumann's eigenem Ausspruch »das merkwürdigste seines Lebens,« wurde reich und bedeutungsvoll für ihn an tief eingreifenden Vorgängen. Zunächst ist von diesen die Begründung der »Neuen Zeitschrift für Musik« anzuführen. Schumann sagt über dieselbe in dem Vorwort seiner »gesammelten Schriften«:32

»Zu Ende des Jahres 33 fand sich in Leipzig allabendlich und wie zufällig, eine Anzahl meist jüngerer Musiker zusammen, zunächst zu geselliger Versammlung, nicht minder aber auch zum Austausch der Gedanken über die Kunst, die ihnen Speise und Trank des Lebens war, – die Musik. Man kann nicht sagen, daß die damaligen musikalischen Zustände Deutschlands sehr erfreulich waren. Auf der Bühne herrschte noch Rossini, auf den Clavieren fast ausschließlich Herz und Hünten. Und doch waren nur erst wenige Jahre verflossen, daß Beethoven, C. M. v. Weber und Franz Schubert unter uns lebten. Zwar Mendelsohn's Stern war im Aufsteigen und verlauteten von einem Polen: Chopin wunderbare Dinge, – aber eine nachhaltige Wirkung äußerten diese erst später. Da fuhr denn eines Tages der Gedanke durch die jungen Brauseköpfe: laßt uns nicht müssig zusehen, greift an, daß es besser werde, daß die Poesie der Kunst wieder zu Ehren komme. So entstanden die ersten Blätter einer neuen Zeitschrift für Musik.«

Wir sehen, was die nächste Veranlassung zur Gründung der »Neuen Zeitschrift für Musik« gab. Es galt vermöge derselben nicht nur einen geistigen Kampf gegen die gehaltlosen, massenhaften, auf[88] grobe Sinnlichkeit berechneten Tages-Erzeugnisse zu eröffnen und den gesunkenen Geschmack des größeren Publikums zu reinigen, zu heben; Schumann wollte gleichzeitig auch jüngeren aufstrebenden Talenten die Wege ebnen. Daneben darf jedoch nicht vergessen werden, daß auch die Erbitterung über die zahme, schlaffe, namentlich von Fink vertretene Leipziger Kunstkritik,33 deren Gebahren die »jüngeren Musiker« mehr und mehr empört hatte, mit den Entschluß zur Begründung eines selbstständigen, unabhängigen Kunstorgans für freimüthige Aussprache hervorrief. »Es ist fast unerklärlich, wie dieser kritischen Honigpinselei nicht schon längst Einhalt gethan worden ist,« schreibt Schumann an Töpken.34

An dem neuen Unternehmen waren als Musiker außer Schumann zunächst betheiligt: Ludwig Schunke, Julius Knorr und Friedrich Wieck, obwohl die Mitwirkung der drei letztgenannten nur vorübergehend und in vereinzelten Fällen stattfand.35 Dagegen wurde bald nach dem Erscheinen der »Neuen Zeitschrift für Musik,« deren erste Nummer am 3. April 1834 in mehreren tausend Exemplaren die Presse verließ, eine, längere Zeit hindurch mit dem regsten Eifer sich den Interessen der Zeitschrift widmende Persönlichkeit gewonnen. Es war dies Carl Banck, der zu Anfang des Sommers 1834 wegen Veröffentlichung seiner Lieder-Compositionen von Berlin nach Leipzig kam, sehr bald darauf zu Schumann in nahe freundschaftliche Beziehungen trat, und von diesem Anregung dazu erhielt, seinen Aufenthalt dauernd in Leipzig zu nehmen, um sich den begonnenen kunstliterarischen Bestrebungen anzuschließen. So machte Banck sich in der Folge um die Zeitung nicht allein als fleißiger Mitarbeiter, – alle mit den Chiffern 6, 16, 26, B, und C – k unterzeichneten Aufsätze rühren von ihm her – sondern auch durch seine lebhafte Betheiligung an den Redactionsgeschäften verdient. Ueberdies führte er der Zeitung auswärtige ihm befreundete Persönlichkeiten als Mitarbeiter zu, namentlich: C. Koßmaly, Riefstahl,36 G. Nicolai,37[89] Schüler38 und den, unter dem Namen Alexander schriftstellernden Maler Simon.39

Der jugendlich feurige und frische Ton der Zeitschrift bildete einen schneidenden Contrast zu der charakterlosen, verzopften Leipziger Kritik, und gewann dem Kunstorgane bald nach seinem Entstehen lebhafte Theilnahme im musikalischen Publikum Deutschlands. Schon im August nach der Begründung, also nach Verlauf von vier Monaten, konnte Schumann an Töpken schreiben40: »Prag allein zieht mit 50, Dresden mit 30, Hamburg mit 20 Exemplaren davon.« Die Zahl der einheimischen und auswärtigen Mitarbeiter wuchs schnell, und bald war eine zum Theil auserlesene Schaar begeisterter Kräfte für den Zweck thätig, welchen die Leipziger Kunstjünger erstrebten. Ueber sie alle geben die betreffenden Jahrgänge der »Neuen Zeitschrift für Musik« näheren Aufschluß.

In Betreff der Tendenz des neugeschaffenen Kunstorgans spricht Schumann sich wiederholt in der Zeitschrift selbst aus, wie folgt:

»Unsre Gesinnung war vorweg festgestellt. Sie ist einfach, und diese: an die alte Zeit und ihre Werke mit allem Nachdruck zu erinnern, darauf aufmerksam zu machen, wie nur an so reinem Quelle neue Kunstschönheiten gekräftigt werden können, – sodann, die letzte Vergangenheit, die nur auf Steigerung äußerlicher Virtuosität ausging, als eine unkünstlerische zu bekämpfen, – endlich eine neue poetische Zeit vorzubereiten, beschleunigen zu helfen.« Und ferner: »Die Erhebung deutschen Sinnes durch deutsche Kunst, geschah sie nun durch Hinweisung auf ältere große Muster, oder durch Bevorzugung jüngerer Talente, jene Erhebung mag noch jetzt als das Ziel unserer Bestrebungen angesehen werden. Den rothen Faden, der diesen Gedanken fortspinnt, könnte man allenfalls in der Geschichte der Davidsbündler verfolgen, eines wenn auch phantastisch auftretenden Bundes, dessen Mitglieder weniger durch äußere Abzeichen, als durch eine innere[90] Aehnlichkeit sich erkennen lassen. Einen Damm gegen die Mittelmäßigkeit aufzuwerfen, durch das Wort, wie durch die That, werden sie auch künftighin trachten. Geschah dies früher auf ungestümere Art, so wolle man dagegen die warme Begeisterung in die Schaale legen, mit der das Echt-Talentvolle, Echt-Künstlerische an jeder Stelle ausgezeichnet wurde. Wir schreiben ja nicht die Kaufleute reich zu machen, wir schreiben den Künstler zu ehren.«

Die hier kundgegebene Richtung läßt sich namentlich in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift vielfach erkennen, welche überhaupt die werthvollsten sind.

Schumann verband mit der, in dem neubegründeten Kunstorgane begonnenen Thätigkeit weitgehende, später von Anderen zum Theil in Angriff genommene Pläne, welche das rühmliche Streben erkennen lassen, nach allen Seiten hin anregend, fördernd und regenerirend für seine geliebte Kunst zu wirken, und die überdies beweisen, daß er ganz auf der Höhe der Zeit stand. In seinem Projektirbuch finden sich mancherlei darauf bezügliche interessante Notizen, die hier in der von Schumann angemerkten Reihenfolge mitgetheilt seien: Briefe über Shakespeare als Musiker. – Eine Biographie Beethovens mit Kritik seiner sämmtlichen Werke: oder wenigstens: eine vollständige Sammlung seiner Briefe; desgl. von J. Seb. Bach. – Eine ganz wohlfeile Ausgabe des wohltemperirten Claviers, vielleicht mit Angabe und Kritik aller Varianten. – Conversationslexicon der Gegenwart für Musik, (nur Biographien) mit alljährlichen Nachträgen. – Gesetz in Deutschland für Operncomponisten, wie in Frankreich zu erwirken. – Sanktionirte Druck- und Stichfehler, d.h. wirkliche Fehler in Partituren großer Compositionen (soll wohl heißen Componisten), die der Gebrauch geheiligt: z.B. in mehreren Symphonien Beethovens. (Dazu v. Mendelssohn Stoff erbitten.) – In der Zeitung alphabetisch fortlaufende Biographien aller ausgezeichneten Musiker, die kurz, aber scharf und blühend geschrieben sein müssen; in einem halben Jahre zu vollenden. – Auf Cherubini wieder hinzuweisen. – Die Haslingersche Ausgabe der Son. v. Beethoven in einem schönen Aufsatz zu besprechen. – Heroscop f. junge Talente zu stellen. – Dann auch hatte Schumann, wie hier zugleich bemerkt sei, eine gewiß gut gemeinte, aber wenig praktische Idee im Interesse der Componisten gefaßt, über die er sich brieflich gegen Zuccalmaglio unterm 18. Mai 1837 ausspricht, wie folgt: »ich sinne schon lange darauf, dem Davidsbund[91] ein wirkliches Leben zu geben, d.h. Gleichgesinnte, seien es auch nicht Musiker von Fach, auch durch Schrift und Zeichen in ein engeres Bündniß zu bringen. Ernennen Akademien, mit Ignoranten von Präsidenten an der Spitze, ihre Mitglieder, warum nicht wir Jüngeren uns selber? Noch labe ich mich an einer andern Idee, die mit der vorigen leicht in Verbindung zu setzen, aber von allgemeinerer Wichtigkeit wäre, der Begründung einer Agentur für Herausgabe von Werken aller Componisten, die sich den Statuten dieser Agentur unterwerfen wollten, und die den Zweck hätte, alle Vortheile, die bis jetzt den Verlegern in so reichem Maaße zufließen, den Componisten zuzuwenden. Dazu bedürfte es nichts als eines unter gerichtlichem Schutz geschworenem Agenten, der das Geschäft leitete: Die Componisten müßten Cautionen für die Auslagen der Herstellung ihrer Werke stellen und erhielten dagegen alljährlich etwa Bericht über den Absatz, Auszahlung des Ueberschusses nach geschehener Deckung der Auslagen.«

Was Schumann's schriftstellerische Thätigkeit angeht, so wird ihm Niemand eine außerordentliche Anerkennung seiner Leistungen versagen. Objective Klarheit, positive Schärfe und Bestimmtheit der Kritik, wie es einem reformatorischen Geiste ziemen würde, offenbaren sich in ihr freilich nicht. Dagegen erfreuen sie durch eine üppige, blühende und phantasiereiche, nur bisweilen zu lebhaft an Jean Paul erinnernde Fülle von Gedanken, deren meist metaphorische Einkleidung gleichwohl oft ebenso treffend und bezeichnend wie günstig anregend ist. Das poetische Empfinden steht bei ihm begreiflicherweise immer im Vordergrund. Es kann daher auch nicht überraschen, wenn er bei dem von ihm so geschätzten W. v. Zuccalmaglio einmal anfragt, ob er ihm »einige poetische Menschen als Mitarbeiter der Zeitung nennen« könne.

In dem angedeuteten Sinne nun widmet Schumann den Meistern der Vergangenheit eine warme, überzeugungsvolle Verehrung, den vielversprechenden Jüngern der Gegenwart ein rückhaltlos anerkennendes, anfeuerndes und aufmunterndes Entgegenkommen; die große Schaar der Mittelmäßigkeit behandelt er mit sein gewürztem Humor, aber immer wohlwollend, höchst selten abwehrend oder gar strenge tadelnd. Hier zeigt er sich in seiner vollen menschlichen Liebenswürdigkeit. Die berühmte Lessing'sche Kunstkritikerskala entsprach nicht völlig seinem Naturell.[92]

Daß Schumann's Feuereifer ihn bisweilen auch zu weit in der Anerkennung für junge ihm sympathische Talente führte, hat er selbst indirekt in der Vorrede zu seinen gesammelten Schriften bekannt, wo er sagt, daß die meisten in denselben ausgesprochenen Ansichten noch heute (nämlich im Jahre 1854, da die gesammelten Schriften erschienen) die seinigen seien. Also nicht alle. In der That wäre es zu viel verlangt. Nur sehr wenige Menschen werden sich rühmen dürfen, in gereiftem Alter mit dem noch durchaus übereinzustimmen, was sie in Jahren jugendlicher Schwärmerei gesagt oder geschrieben haben. So viel aber steht fest, daß die etwaigen Irrthümer Schumann's, zu denen er in einseitiger Ueberschätzung einzelner Kunstleistungen sich fortreißen ließ, – Irrthümer, die bei ihm immer einen liebenswürdigen Anstrich haben, – gegen das durch ihn beförderte Gute und Tüchtige verschwinden. Die Spalten der »Neuen Zeitschrift für Musik« thun es dar, daß Schumann einerseits den damals schon im Schwunge begriffenen Ruf Franz Schubert's, Mendelssohn-Bartholdy's, Ferdinand Hiller's und Wilhelm Taubert's befestigte, so wie andererseits denjenigen Norbert Burgmüller's, Chopin's, Robert Franz', Niels W. Gade's, Stephan Heller's und Adolph Henselt's mit begründete. Auch wurden Männer wie Bennett, Berlioz und Verhulst durch ihn in die musikalische Welt eingeführt wie er denn überhaupt die Spalten seiner Zeitung mit besonderer Vorliebe allen den Tonsetzern eröffnete, welche ihm irgendwie eine fortschrittliche Tendenz an den Tag zu legen schienen, während er es als ein echter Künstler edelster Gesinnung grundsätzlich so viel wie möglich vermied, die so günstig sich hier darbietende Gelegenheit zum Vortheil seiner eigenen Productionen zu verwerthen.

Man könnte entgegnen, daß die vorgenannten Tonsetzer auch ohne Schumann's Mitwirkung zu der ihnen gebührenden Anerkennung gekommen sein würden. Allein diese Möglichkeit vermag Schumann's entsprechendes Verdienst nicht im mindesten zu schmälern. Ist somit nicht zu verkennen, daß die »Neue Zeitschrift für Musik« sich als ein höchst werthvolles, die Kunstinteressen jener Periode wesentlich beeinflussendes und lebhaft förderndes Organ geltend machte, so kann gleichzeitig doch nicht bezweifelt werden, daß die Leitung derselben für Schumann speciell mit einem nicht unerheblichen Nachtheil verbunden war. Sie absorbirte nicht allein einen Theil seiner geistigen Kraft,[93] sondern war für ihn auch ohne Zweifel insofern hemmend, als die deutlich ausgesprochene Absicht, mit Hilfe dieses öffentlichen Organes einer neuen, durch ihn selbst zu inaugurirenden Kunstrichtung Bahn brechen zu wollen, die Naivität seines tonkünstlerischen Schaffens bis zu einem gewissen Grade beeinträchtigen mußte. Wie sehr Schumann den Druck des angedeuteten Mißverhältnisses empfand, lassen deutlich einzelne Aeußerungen in seinen Briefen an vertraute Personen erkennen. »Ich habe eine Virtuosität im Festhalten der unglücklichen Ideen – es ist der böse Geist, der sich dem äußern Glück entgegenstellt und es verhöhnt. Diese Selbstquälerei treib' ich oft bis zur Versündigung an meinem ganzen Wesen – dann genüg' ich mir nimmer, ich möchte in einen andern Körper oder fortrennen Ewigkeiten lang – –« schreibt er seiner Freundin Henriette Vogt41. Schumann konnte sich nicht genug thun. In unbefriedigtem Ehrgeiz dürstete es ihn nach Vollbringung einer großen, Neues gestaltenden That, gleich jenen Naturen, aus denen die Eroberer neuer Geistesgebiete hervorgehen. Und er hätte einer derselben werden können, denn seine Begabung war in der That eine ungewöhnlich große, und mit einem instinctiven Gefühl mächtig vorwärts drängende. »Mir ist's oft, als ständen wir an den Anfängen, als könnten wir noch Saiten anschlagen, von denen man früher noch nicht gehört«, schreibt er einmal an Zuccalmaglio. Allein die That entsprach doch nur bedingungsweise diesem an sich gewiß sehr lobenswerthen Streben. Er gebot eben nicht vollständig über diejenige Eigenschaft, vermöge deren allein ein sicheres Fortschreiten auf unbekannten Bahnen möglich ist: die objective Klarheit. Daher denn auch bei ihm die oft paradoxen Kundgebungen in Wort und That, nach denen er bestrebt war, neue Gestaltungen in's Dasein zu rufen, weil er glaubte, daß in den überkommenen Formen nichts mehr von Bedeutung zu leisten sei, und dann wieder die plötzliche Umkehr und hingebende Nacheiferung klassischer Muster.

Die in dieser Beziehung bei Schumann mehrfach wahrnehmbare Unklarheit konnte kaum vortheilhaft auf seine schöpferische Thätigkeit zurückwirken. Denn da sie es schließlich nicht zu einer ihn befriedigenden Verwirklichung des geträumten Ideales kommen ließ, er aber in dem, seiner Natur gemäßen Streben, dasselbe endlich doch[94] noch zu erreichen fortdauernd beharrte; so ist es erklärlich, daß sein Schaffen öfters ein angestrengtes, pathologisch erregtes und aufreibendes sein mußte, während er überall da, wo er nicht mehr geben wollte, als er konnte, wahrhaft Schönes, Bedeutendes und selbst Großes geliefert hat. In genauester Wechselwirkung hiermit steht der, tief in Schumann's Natur gegründete Hang, bei seinen schöpferischen Gestaltungen weniger den natürlichen, als einen besonderen Weg zu gehen, und für den einfachen und schönen Ausdruck den originellen und geistreichen zu wählen.

An dieser Stelle ist noch die, mit Gründung der musikalischen Zeitung genau zusammenfallende, und Schumann angehörende Idee der Davidsbündlerschaft zu erörtern. Ueber diese sagt er in dem bereits citirten Vorwort seiner gesammelten Schriften:42 »Und hier sei noch eines Bundes erwähnt, der ein mehr als geheimer war, nämlich nur in dem Kopf seines Stifters existirte, der Davidsbündler. Es schien, verschiedene Ansichten der Kunstanschauung zur Aussprache zu bringen, nicht unpassend, gegensätzliche Künstlercharactere zu erfinden, von denen Florestan und Eusebius die bedeutendsten waren, zwischen denen vermittelnd Meister Raro stand. Diese Davidsbündlerschaft zog sich wie ein rother Faden durch die Zeitschrift ›Wahrheit und Dichtung‹ in humoristischer Weise verbindend.«

Die originelle Idee dieser Bündlerschaft, welche ihre Entstehung der Historie von der Bekämpfung der Philister durch David verdankt kann nur als eine unmittelbare Emanation des Schumann'schen Geisteslebens aufgefaßt werden. Sie gewährte ihrem Schöpfer die Möglichkeit eines entsprechenden Ausdrucksmittels für jene, ihm eigene Fülle wechselnder, contrastirender, romanhafter Stimmungen, die in seinem Inneren durcheinanderwogten. Dabei beschränkte er sich aber nicht blos auf dasjenige, was seine Phantasie gebärend, je nach der Stimmung dem Florestan oder Eusebius43, oder gar beiden vereint[95] in den Mund gelegt wurde, sondern er strebte auch das, was er an Eigenthümlichkeiten bei den Personen seines näheren Umganges gewahrte, in den Kreis seiner Ideenwelt zu ziehen, um gewissermaßen die letztere zu ergänzen. So entstanden neben Florestan und Eusebius die Figuren des Raro und des Serpentinus, unter denen eigentlich Friedrich Wieck und Carl Banck44 zu verstehen sind. Auch zeigt sich bisweilen ein Jonathan, mit dem vielleicht Schunke gemeint war. Begreiflich ist es daher, wenn Schumann an Töpken schreibt: »Wir leben jetzt einen Roman45, wie er vielleicht noch in keinem Buche gestanden«46.

Schumann zog übrigens die Grenze der Bündlerschaft noch weiter. »Der Davidsbund ist nur ein geistiger romantischer, wie sie längst gemerkt haben. Mozart war ein eben so großer Bündler, als es jetzt Berlioz (!) ist, Sie es sind, ohne gerade durch Diplom dazu ernannt zu sein«, schreibt er an Heinrich Dorn. Und an Zuccalmaglio: »Unter Davidsbund stellen Sie sich nur eine geistige Brüderschaft vor, die sich indeß auch äußerlich weit verzweigt und, hoffe ich, manche goldne Frucht tragen soll. Das Geheimnißvolle der Sache hat übrigens für Manche einen besonderen Reiz und überdies wie für alles Verhüllte eine besondere Kraft.«

Im Grunde war es eine Art geistigen Versteckenspielens, das Schumann hinter den Masken der von ihm erdichteten sogenannten Davidsbündler trieb. Die Schattenseite eines solchen Verfahrens, welches natürlich das möglichste Zusammenfassen einer Ideenwelt unter einen allgemeinen Gesichtspunkt wesentlich beschränkt, wo nicht gar ausschließt, hat Schumann später wohl selbst erkannt. Denn nicht allein schreibt er bereits 1836 an H. Dorn: »Florestan und Euseb ist meine Doppelnatur, die ich wie Raro gern zum Mann[96] verschmelzen möchte,« sondern er bedient sich dieser phantastischen Gebilde weiterhin auch immer seltener, bis sie endlich von dem Schauplatz seiner literarischen Thätigkeit mit sehr vereinzelten Ausnahmen, in denen ihn noch einmal die alte Laune angewandelt haben mag, ganz verschwinden. Daß das wahrhaft proteusartige Phantom der Davidsbündlerschaft Anfangs vielfach mißdeutet wurde, und auch wohl zu lästigen Anfragen Veranlassung gab, leuchtet aus einer Erklärung hervor, welche Schumann im ersten Bande seiner Musikzeitung S. 152 erließ. Sie lautete also: »Es gehen mannigfache Gerüchte über die unterzeichnete Bündlerschaft. Da wir leider mit den Gründen unserer Verschleierung noch zurückhalten müssen, so ersuchen wir Herrn Schumann (sollte dieser einer verehrlichen Redaktion bekannt sein) uns in Fällen mit seinem Namen vertreten zu wollen.

Die Davidsbündler.

Ich thu's mit Freuden. R. Schumann.«


Der geschäftliche Betrieb der »Neuen Zeitschrift für Musik« ist aus folgendem, von Schumann eigenhändig an den Dr. phil. Keferstein47 in Jena gerichteten Schreiben ersichtlich:


Ew. Wohlgeboren


Für den Aufschluß Ihres Incognito's sind wir Ihnen Dank schuldig, doppelten über den Entschluß mitzuwirken in der neuen Sache, von der wir so erfüllt sind, wie Ihr Tonleben.

Verantwortlich ist der Verleger Hartmann48, Redaktoren die Unterzeichneten. – Wir wissen nicht, wie weit Sie die Zeitung kennen; sonst würden Sie über die Tendenz, welche die ältere Zeit anerkennen, die nächst vergangene als eine unkünstlerische bekämpfen, die kommende als eine neue poetische vorbereiten und beschleunigen helfen soll, kaum in Zweifel sein. – Daß in zwanzig Nummern nicht Alles geschehen kann, überlassen wir Ihrem billigen Urtheil. –

Gern würden wir Ihnen die Formgröße Ihrer Arbeiten durchaus überlassen, gern jeder Ihrer Forderungen nachkommen, stünde jenem, was kaum zu sagen nöthig, nicht das Stückwesen einer Zeitschrift,[97] diesem nicht die vielfache Aufopferung eines Verlegers bei Begründung eines neuen Instituts entgegen.

Ihrer gefälligen Entscheidung stellen wir anheim, ob Ihnen die Länge von einem, höchstens anderthalb (Druck) Bogen für einen Aufsatz und das Honorar von.... Thalern für den einzelnen (Druck) Bogen genehm und genug scheint.

Lieb wäre es uns zu erfahren, wenn Sie irgend eine Arbeit (sei's eine ästhetische oder fantastische oder novellistische) beendigt glauben. Auch würden Sie uns durch eigenes Beifügen passender Motto's verbinden.

Die Einsendung des Manuscriptes wünschen wir direkt durch Post, worauf Ihnen unverzüglich das Honorar angewiesen wird.

Sie möchten diese Zeilen in Freundschaft aufnehmen, wie sie in Hochachtung für Ihren dichtenden Kunstsinn geschrieben sind.


Die Redaktoren:

Ludwig Schunke, Robert Schumann,

I. Knorr, Fr. Wieck.

Leipzig

am 8. Juli 34.


Ein zweites einflußreiches Erlebniß im Jahre 1834 wurde für Schumann die intime Beziehung zu einer jungen Dame, Ernestine v. Fricken aus dem, an der böhmisch-sächsischen Gränze gelegenen Städtchen Asch. Sie kam im April desselben Jahres nach Leipzig in das Haus Friedrich Wieck's, um unter dessen Anleitung im Pianofortespiel sich auszubilden. Schumann lernte sie hier gleich nach ihrer Ankunft kennen, faßte schnell eine leidenschaftliche, vollkommen erwiderte Neigung für sie, und beabsichtigte sogar längere Zeit hindurch eine eheliche Verbindung mit ihr49.

Ernestine war glaubwürdigen Schilderungen zufolge weder besonders schön, noch hatte sie eine hervorragende geistige Begabung. Es scheint, daß Schumann durch das jugendlich Blühende und sinnlich Fesselnde ihrer äußeren Erscheinung bestochen wurde, und daß nur die Poesie der Liebe in ihr jene Eigenschaften erblickte,50 die man bei dem Gegenstande seiner Neigung so gerne voraussetzt, selbst wenn sie nicht vorhanden sind.

Endlich ist hier noch als drittes auf Schumann einwirkendes[98] Ereigniß die Bekanntschaft mit Henriette Voigt, der schon frühe heimgegangenen51 kunstgebildeten Gattin des Kaufmanns Karl Voigt in Leipzig zu erwähnen. Er verdankte dieselbe seinem Freunde Ludwig Schunke. Sie wurde nur mit vielem Widerstreben gemacht; denn trotz allem Zureden Schunke's konnte sich Schumann lange nicht entschließen, seine Scheu vor einem neu anzuknüpfenden Verhältniß zu überwinden, und trat erst wirklich in das betreffende gastliche Haus ein, nachdem er mehrmals vor der Schwelle desselben Kehrt gemacht.

Zu näherem Verständniß der wechselseitigen Beziehungen zwischen Schumann, seiner nachmaligen Freundin Henriette Voigt und Ernestine, erfolgt hier die Einschaltung dreier Briefe.


(Leipzig) Vom 25. August 1834.


(Schumann an Henriette Voigt.)


Gestern und vorgestern habe ich mich recht in mich eingewickelt, daß kaum die Flügelspitzen heraussahen – hätte mich eine Hand berührt, husch! wäre ich in die Höhe aufgeschwirrt und auf und davon, damit mich nur Niemand störe in meinem Sein, Denken und Lieben. – Ich habe Steine hingeworfen und Diamanten zurückerhalten oder lieber, ein Deukalion, athmende Lebensgestalten, die die Zukunft zu sprechenderen und höheren erziehen wird. –

Gerade was man verbergen will, ist die unbehülfliche Ecke, die Jeder sieht. Denn daß es eigentlich Ernestine war, (obschon gegen ihren Willen) die den Schleier zwischen uns festhielt, wußt' ich, daß Sie wußten – daß Sie ihn aber so zart abhoben und daß ich jetzt hinter ihm eine warme Freundeshand drücken kann, war mehr als ich erwarten durfte, da überdieß jede andere Hand in so stummer und scheinbar zurückstoßender Nähe sich zurückgezogen hätte. Als ich daher Ihren Brief gelesen hatte, hab' ich ihn ganz sacht eingeschlossen und nicht wieder gelesen, auch jetzt nicht, um den ersten Eindruck recht rein mitzunehmen für die künftige Zeit. Ach! sollte einmal eine kommen, die mir nichts gelassen, als diese Zeilen, so will ich sie wieder vorsuchen und den Schatten dieser Hand fest und innig in meine drücken.

Mittags.


[99] Die vorigen Zeilen muß ein Mädchen geschrieben haben – – zu etwas anderem. Der Aufsatz über Berger geht vorwärts: die Form, in die ich ihn gekleidet, ist kühn und wird mir Ihr Mißfallen zuziehn52 – ich plaudere aber nicht aus der Schule – machen Sie sich daher auf Arges gefaßt! – Sagten Sie mir nicht, daß die letzte Studie nach einer Stelle aus Dante's Comödie entstanden sei? Wie heißt die Stelle? Wissen Sie sonst noch etwas –, was ich benutzen und einbauen könnte? Doch morgen, spätestens übermorgen komme ich selbst: halten Sie mich nicht für verstockt, wenn ich wieder nicht rede.53 – Denn was Ihr Brief enthält, verträgt keine Antwort, als ein Auge – aber welches! –

Ludwig54 ist sehr, sehr krank. Der Arzt spricht nur noch von einem Winter – das sind ja.... (unleserlich) Aussichten! Schenke mir der Himmel Kraft zum Verlieren! – Welchen Trost gäben Sie mir, wenn Sie Ernestinens Vater zu bewegen suchten, daß er ihr im späteren Winter auf einen Monat oder länger zurückzukommen erlaubte – Und Sie können das, Niemand so wie Sie. Was uns bevorstehen möge, so steht doch der Glaube fest in mir, wie nie zuvor, daß es noch herrliche Menschen giebt – und diesen Glauben will ich in dem Namen »Henriette« zusammenfassen.

R. S.


(Desgleichen.)


(Ohne Datum.)

(Leipzig, wahrscheinlich Ende August 1834.)


Eigentlich habe ich Ihnen heute gar nichts zu sagen – nur ein Händedruck soll dieser Brief sein, nichts weiter. Es fiel mir nämlich[100] heute Morgen mein Reichthum ein, drei Namen55 machen ihn aus. Da dacht ich, das willst du doch gleich unserer Henriette schreiben. Also der Puls geht noch.

Verzeihung wegen des Ringes! Edelsteine ziehen Geistesfunken aus, sagt man; es haben sich auch unter ihm viel musikalische Romane begeben, die ich »Scenen« nennen will. Eigentlich sind's Liebeslilien, die der Sehnsuchtswalzer56 zusammenhält. Die Zueignung verdient und schätzt nur eine As-dur-Seele, mithin eine, die Ihnen gliche, mithin Sie allein, meine theure Freundin.

Robert S.


(Desgleichen.)


(Ohne Datum.)

(Leipzig, wahrscheinlich Anfang September 1834.)


Bis zum Niederstürzen war ich erschöpft vom gestrigen Tag, da kam Ihr Brief. Wie eine Engelhand hat er mich berührt. Das war ein Tag und eine Nacht und heute Morgen – jeder Nerv eine Thräne. Wie ein Kind hab' ich geweint über Ernestinens Worte am.... (unleserlich) – wie ich aber die anderen Zeddel an Sie las, da brach's entzwei – die Kraft. Ist's Schwäche, wenn ich das sage? meine Ernestine ist's, die ich so über alle Maßen liebe und Sie sind es, Henriette, meine geliebte Freundin. Ihr Herrlichen, was kann ich Euch denn bieten für Eure hohe Güte! – Man sagt, daß sich liebende Menschen auf irgend einem Stern wiederfänden, den sie ganz allein einnähmen und beherrschten. Wir wollen diese schöne Sage für eine Wahrheit vorausnehmen. Wenn ich heute Abend herumschwärme, so will ich mir einen recht milden auslesen und ihn Euch zeigen, giebt's Gelegenheit – vielleicht auch einem Vierten. Verlassen Sie mich nicht! Ich bin's immer.


Ihr

R.


Die musikalische Productivität Schumann's konnte während des Jahres 1834 nicht ergiebig sein, da vorzugsweise die Zeitung seine Thätigkeit in Anspruch nahm. Es entstanden nur zwei Claviercompositionen,[101] von denen zunächst die »Etudes symphoniques«, alsopus 13 veröffentlicht, zu nennen sind. Ihnen zu Grunde liegt ein Thema, welches nach Angabe des Tonsetzers von dem Vater Ernestinens herrührt. Schumann zeigt sich hier in gewissem Sinne, wie schon bei den »Abeggvariationen« und »Impromptü's« wieder als Gelegenheitscomponist. Die sogenannten »Etudes symphoniques«, 12 an der Zahl, sind ein Seitenstück zu den Impromptü's; gleich diesen, obwohl ein fast entgegengesetztes Gepräge tragend, gehören sie in die Kategorie der Variation. Sie bekunden wiederum das Vermögen einer mannichfaltigen, reichen Bildkraft über ein gegebenes Thema. Aber einen entschiedenen Vorzug haben sie vor den Impromptü's voraus: größere Klarheit und Prägnanz; eine Erscheinung, die nicht befremden kann, da zwischen beiden Werken die nicht veröffentlichten Variationen über den Sehnsuchtswalzer und das Allegretto aus BeethovensA-dur-Symphonie liegen, Schumann also in der Variationenform vielfache Uebung gehabt hatte.

Das letzte Stück der »symphonischen Etuden« ist trotz theilweiser Beziehung zum Thema keine eigentliche Variation mehr, sondern ein selbstständiger, ausgeführterer, der Rondoform angehörender Musiksatz.

Im April 1852 veranstaltete Schumann eine neue Ausgabe dieses Werkes, nachdem die erste vergriffen worden und Schubert in Hamburg das Verlagsrecht von Haslinger in Wien an sich gebracht hatte, Dieselbe unterscheidet sich von der ursprünglichen nicht allein durch den Titel: »Etudes en forme de Variations«, sondern auch durch eine zweckmäßige formelle Verbesserung des letzten Stücks, jetzt Finale benannt, so wie durch Hinweglassung der dritten und neunten Variation. Die übrigen Abänderungen sind unwesentlicher Natur.

Eine dritte, im August 1861, also mehrere Jahre nach dem Tode des Autors veranstaltete Ausgabe der symphonischen Etüden, hat durch Wiedereinreihung der beiden, in der zweiten Ausgabe unterdrückten Variationen, die ursprüngliche Fassung zurückerhalten.

Die zweite im Jahre 1834 unternommene, doch erst im folgenden Jahr vollendete Tonschöpfung war der »Carneval, Scènes mignonnes sur 4 Notes pour Piano, op. 9«. Er ist dem origenellen 1861 verstorbenen Violinvirtuosen und Dresdener Conzertmeister Karl Lipinski gewidmet, auf welchen Schumann große Stücke hielt. »Ich[102] liebe ihn sehr, auch als Mensch« schreibt er einmal an Zuccalmaglio.

Kein anderes Werk Schumann's läßt so direkte Beziehungen zur Wirklichkeit erkennen, als dieses. Der Tondichter selbst sagt von ihm, »er entstand in ernster Stimmung und in eigenen Verhältnissen.« Thatsächlich ist es so, und das Verlangen, Alles was Schumann's Innere in der letzten Zeit mächtig bewegt hatte, durch das Medium der Tonsprache in einem Cyklus einzelner, geistig eng verbundener Musikstücke zur Erscheinung zu bringen, wurde auf höchst eigenthümliche Weise verwirklicht. Das Ganze erhielt nach seinem Entstehen die Einkleidung eines Maskenspieles – daher die Benennung »Carneval« – bei welchem gleichsam das einzeln Erlebte, nachträglich personificirt oder individualisirt, in bunter und wie zufälliger Reihe erscheinen sollte. So erklären sich die Charaktere: Florestan, Eusebius, Chopin, Chiarina (Clärchen), Estrella (Ernestine) und Paganini, – zwischen denen die typischen Maskenfiguren des Pierrot, Arlequin, Pantalon und der Colombine gleichsam hindurchschlüpfen. Nicht minder haben wir in den »Papillons« und dem Marsch der »Davidsbündler gegen die Philister« bedeutungsreiche Reminiscenzen aus dem Leben des Künstlers vor uns, während die übrigen Stücke – wir halten uns ausschließlich an die Ueberschriften – wie »Préambule, Aveu, Coquette, Replique, Lettres dansantes, Promenade, Reconnaissance, etc.« als dem Ganzen angemessene, aus dem Spiel freier Phantasie hervorgegangene Supplemente des Ensemble's zu betrachten sind.

Ueber die erste Entstehung dieses merkwürdigen Werkes giebt das folgende kleine Billet Schumann's an Henriette Voigt Aufschluß.


Meine theure, immersorgende Freundinn,


Hier die Beilage57. Es drückt mich, daß ich vor den Augen der Mutter den verliebten Betrug gegen den Vater weiter treiben soll. Doch möchte ich auch Ernestine etwas Direktes sagen. Was meinen Sie zu meinem lustigen Postscript? etwa »schön, daß ich gerade komme, ehe, der Brief abgeht, dem ich den Wunsch anhänge, daß Sie (Ernestine), [außer den andern] manchmal vielleicht auch die Tonleitern in Es, C, H, vielleicht auch A spielen möchten. Denn eben habe ich herausgebracht,[103] daßAsch ein sehr musikalischer Stadtname ist,58 daß dieselben Buchstaben in meinem Namen liegen, und gerade die einzigen musikalischen drinnen sind, wie nachstehende Figur zeigt, die übrigens freundlich grüßt.


Robert Schumann.«


Jedenfalls komme ich vor elf. Was machen wir Ihnen nicht zu schaffen! – das Postscript gefällt mir übrigens nicht, da es geschmacklos ist; das Zufallsspiel bleibt aber immer sonderbar und liebenswürdig:


2. Robert Schumann's Künstlerlaufbahn

Das klingt sehr schmerzvoll. – Ich sitze im Compositionsfeuer, darum Verzeihung!


(Leipzig) 13/9. 34.

R. Schumann.


Wenn hier die Gelegenheit gegeben ist, einen interessanten Blick in die Werkstatt des schaffenden Künstlers zu thun, so erfährt man Weiteres über die gedachte Composition aus einem Briefe Schumann's an Ignaz Moscheles vom 22. September 1837, in welchem es heißt:

»Der Carneval ist auf Gelegenheit entstanden meistentheils und bis auf 3 oder 4 Sätze immer über die Noten: A S C H gebaut, die der Name eines böhmischen Städtchens, wo ich eine musikalische Freundin hatte, sonderbarer Weise aber auch die einzigen musikalischen Buchstaben aus meinem Namen sind. Die Ueberschriften setzte ich später drüber. Ist denn die Musik nicht immer an sich genug und sprechend? Estrella ist ein Name, wie man ihn unter Portraits setzt, das Bild fester zu halten59; Reconnaissance eine Erkennungsscene, Aveu Liebesgeständniß, Promenade ein Spazierengehen, wie man[104] es auf deutschen Bällen Arm in Arm mit seiner Dame thut. Das Ganze hat durchaus keinen Kunstwerth; einzig scheinen mir die vielfachen verschiedenen Seelenzustände von Interesse.« –

Man ersieht aus Vorstehendem, daß Schumann den Carneval drei Jahre nach seiner Entstehung sehr streng beurtheilt, indem er seiner Schöpfung allen Kunstwerth abspricht, womit er jedoch über die Wahrheit hinausgeht. Ohne Kunstwerth ist der Carneval keinesweges, am allerwenigsten im Vergleich zu Dem, was ihm vorausgegangen war. Sind auch die Formen der einzelnen Stücke meist klein und einige Nummern abgerechnet, wenig ausgeführt, so prägt sich in ihnen doch ein gedrängter, organischer Bau aus. Die musikalische Gestaltung der einzelnen Stücke ist mit geringen Ausnahmen völlig klar und durchsichtig. Dazu gesellt sich eine geistvolle Charakteristik des Ausdruckes und der Formgebung, wie die melodischen harmonischen und rhythmischen Bildungen zeigen, deren Mannichfaltigkeit im Hinblick auf das kleine, unscheinbare Anfangsmotiv, eine reiche, elastische Erfindungskraft bekundet. Kurz, man hat ein echt Schumannsches Musikstück voll seiner Züge vor sich. Vieles darin ist geradezu reizend, anmuthig, graziös und geschmackvoll, das Finale aber in seiner Entwickelung durchaus humoristisch und derb komisch. Diesen Effekt erreicht der Componist durch die höchst wirksame Combination des Großvatertanzes mit den festen, markirten Rhythmen des, im 3/4 Takt gravitätisch und gleichsam siegesbewußt einherschreitenden Davidsbündlermarsches. Beide Motive bilden in ihrer Zusammenstellung einen höchst ergötzlichen Contrast; die Gegeneinanderführung derselben soll offenbar den geistigen Kampf der jugendlichen Richtung mit dem Kunstphilisterthum versinnlichen. Wer schließlich Sieger auf dem Schlachtfelde bleibt, ist unschwer zu errathen. Man könnte dies letztere Stück tendentiös nennen, womit indessen kein Vorwurf verbunden wäre, da es für sich als Musikstück des Anziehenden genug hat. Im Uebrigen möchte es als Beleg dienen dürfen, daß eine tendentiöse Musik, in der sich auch andere und größere Meister gelegentlich versuchten, wohl möglich ist60.[105]

Der »Carneval«, dessen Composition Schumann in der Carnevalszeit 1835 beendete, was ihm wohl mit Veranlassung zu der eigenthümlichen Betitelung dieses Werkes gegeben haben mag, scheint bei seiner Veröffentlichung Franz Liszt's besonderes Interesse erregt zu haben. Als dieser geistreiche Künstler zu Ende des Winters 1840 in Leipzig zu Concerten anwesend war, trug er in einem derselben u. A. die Nummern 1, 5, 6, 7, 8, 13, 15, 16, 19 und 21 aus dem genannten Opus vor, obwohl Schumann ihm seine Bedenken hinsichtlich des äußern Erfolges nicht verhehlt hatte. Schumann bemerkte darüber in seiner Zeitschrift61: »Meinem leisen Zweifel, ob überhaupt so rhapsodisches Carnevalleben auf eine Menge Eindruck machen könne, begegnete er durch seine feste Meinung, er hoffe es. Dennoch glaub' ich, hat er sich getäuscht. – – – – Mag Manches darin den und jenen reizen, so wechseln doch auch die musikalischen Stimmungen zu rasch, als daß ein ganzes Publikum folgen könnte, das nicht alle Minuten aufgescheucht sein will. Dies hatte mein liebenswürdiger Freund, wie gesagt, nicht berücksichtigt, und mit so großem Antheil, so genialisch er spielte, der Einzelne war vielleicht damit zu treffen, die ganze Masse aber nicht zu heben62

Das Ende des Jahres 1834 brachte für Schumann ein trauriges Erlebniß; er verlor, während er sich zum Besuche bei seiner Familie in Zwickau aufhielt, den ihm so nahestehenden Freund Ludwig Schunke, welcher am 7. December seinem verzehrenden Brustleiden erlag63. Dies an sich so schmerzliche Ereigniß blieb in Verbindung mit dem gleichzeitig erfolgenden Rücktritt Knorr's und Wieck's von der Redaktion, nicht ohne wichtigen Einfluß auf die fernere Geschäftsordnung der Neuen Zeitschr. für Musik. Schumann nämlich, nachdem er von den Mitbegründern des literarischen Unternehmens allein übrig geblieben war, betrachtete sich nun als alleiniger Besitzer desselben und beabsichtigte die Zeitschrift unter dem Vorwande[106] mannichfacher Unordnungen, welche sich der Verleger in Betreff derselben hatte zu Schulden kommen lassen,64 anderweitig in Commission zu geben. Hiergegen protestirte Hartmann jedoch, der mit pecuniären Opfern den Verlag der Zeitschrift auf eigene Gefahr ins Werk gesetzt, und so lange ohne sonderliche Erfolge für seine Kasse fortgesetzt hatte. Die hierüber entstandenen Differenzen, während deren mehrwöchentlicher Dauer Carl Banck auf Ersuchen Hartmann's der Redaktion vorstand, wurden durch Zahlung einer Abstandssumme an den letzteren erledigt, so daß mit Jahresschluß 183465 das bisherige Verhältniß als ein rechtlich gelöstes betrachtet werden konnte. Von hier ab trat Schumann allerdings in den ausschließlichen Besitz der Zeitschrift, an welcher Carl Banck demnächst hauptsächlich mit ihm thätig blieb. Den Verlag derselben übernahm vorläufig der Buchhändler Johann Ambrosius Barth in Leipzig. Anfangs Juli 1837 übergab Schumann dann den Debit der Zeitung dem Buchhändler R. Friese.

Die dem Jahr 1835 angehörigen Tonschöpfungen bestehen in den beiden bereits 1833 begonnenen Sonaten in Fis-moll op. 11, und G-moll op. 22. Die erstere erschien unter dem absonderlichen Titel: »Pianoforte-Sonate, Clara«66 zugeeignet von Florestan und Eusebius. Sie ist eine ächte »Davidsbündlercomposition« voll reicher, aber durchaus unvermittelter, contrastirender Stimmungen, und die vorgeschobene Autorschaft der beiden mächtigsten Bündler um so erklärlicher und passender.

In keinem andern Falle gewinnt der von Schumann mit Beziehung auf seine Frühproducte selbst gethane Ausspruch »wüstes Zeug«67, mehr Wahrheit, als gerade bei dieser Sonate. Niemand[107] wird die vielen einzelnen bedeutenden Momente, überhaupt den kühnen, gewaltigen Anlauf, den Schumann hier genommen, verkennen, ebensowenig aber übersehen dürfen, daß das Einzelne sich nicht dem Ganzen eint, daß es an der organischen Entfaltung, an dem logischen Fortspinnen des Gedankens fehlt, und daß ein schwülstiger, mitunter sogar unschöner Ausdruck vorherrscht. Es ist keine Frage, daß der Mangel formeller Beherrschung hieran die meiste Schuld trägt. Zumal die Sonatenform, welche von Schumann bisher kaum erst berührt worden war, mußte ihm fürs Erste unbesiegbare Schwierigkeiten in den Weg legen, und es ist wohl weder zufällig noch ohne innern Grund, daß die beiden schon 1833 begonnenen Sonaten erst im Jahr 1835 wieder hervorgesucht und vollendet wurden. Ueberall offenbart sich in der Fis-moll-Sonate ein mühevolles, dennoch zu keinem befriedigenden Resultate führendes Ringen mit der Form.68 Dürfte ihr somit kein positiver Kunstwerth zuzusprechen sein, so ist sie doch als Entwickelungswerk für die Folgezeit wichtig. Sie bildet in Schumann's produktiver Thätigkeit gewissermaßen ein Grenzgebirge, dessen Engpässe gewaltsam durchbrochen werden mußten, um dem Strom der Gedanken ein geregeltes Bette zu bereiten69. Der Fortschritt bekundet sich deutlich genug an der G-moll-Sonate; denn diese hat vor ihrer Schwester den entschiedenen Vorzug größerer Bestimmtheit und Formenklarheit voraus, wenn auch Einzelnheiten, wie beispielsweise der Mittelsatz des Andante's, noch nicht zur völligen Durchbildung des Gedankens gelangen. Das werthvollste Stück freilich, der letzte Satz, wurde erst Ende 1838 während der zeitweiligen Anwesenheit Schumann's in Wien, also drei Jahre später, an Stelle des ursprünglich vorhandenen Finale's componirt, wie es denn auch bei einer genauen Vergleichung mit den drei ersten Theilen der Sonate eine weit beherrschtere Handhabung der Form erkennen läßt. Die Gliederung und Formirung der Gedanken und des Periodenbaues,[108] die Gestaltung im Großen, der bestimmte geistige Ausdruck – Alles ordnet sich hier den Intentionen des Componisten gemäß zu einer klaren, runden Gestaltung. Der Grundcharakter des letzten Stückes einigt sich übrigens dem tief melancholischen, von der Gluth einer verhaltenen Leidenschaft gesättigten Ausdruck der vorhergehenden Sätze, so daß das Werk in seiner Totalität ein sprechendes Bild der höchst bewegten, innerlich erregten Seelenzustände giebt, von denen Schumann, wie sich sogleich zeigen wird, während der Periode 1836–1840 erfüllt und beherrscht wurde.

Der Beginn des Jahres 1836 war für Schumann ein in zwiefacher Hinsicht bedeutungsvoller. Zunächst betraf ihn der herbe Verlust seiner Mutter, die am 4. Februar im Alter von 65 Jahren verschied70, und fast gleichzeitig mit diesem für ihn erschütternden Ereigniß begann eine denkwürdige Periode seines Lebens.

Schumann's Verhältniß zu Ernestine von Fricken, Anfangs mit warmer Hingebung gepflegt, war nach und nach erkaltet. Hierzu trug nicht nur die Trennung der Betheiligten bei, da Ernestine bereits im September 1834 von Leipzig abgereist war, sondern auch ein bestimmter, nicht näher zu bezeichnender Grund, welcher für Schumann den Rücktritt wünschenswerth machte. So wurde denn diese Beziehung im Januar 1836 durch beiderseitiges freundschaftliches Uebereinkommen aufgelöst71. Bei Schumann stellte sich jedoch alsbald eine andere Neigung fest, in der er bis an sein Ende beharrte. Es war die tiefinnige Liebe zu seiner nachmaligen Gattin, zu Clara Wieck, die eben in das jungfräuliche Alter trat.

Diese Wendung des Geschickes war für Schumann zugleich der Beginn eines sich jahrelang hinziehenden Kampfes um den Besitz seiner Geliebten, – eines Kampfes, welcher dazu gemacht war, die geheimsten Tiefen der Seele zu erschüttern und aufzuregen, das schmerzvollste Weh zu erzeugen. Aber wie das vom Orkan gepeitschte wildschäumend aufbrausende Meer wunderbare Naturschätze aus seiner Tiefe emporhebt und an's Ufer wirft, so sollte das durch diesen Kampf erzeugte heftige Wogen in des Mannes Brust werthvolle Perlen und[109] Kleinodien der Kunst an's Tageslicht fördern. In diesem Sinne schreibt Schumann unter dem 5. September 183972 an H. Dorn: »Gewiß mag von den Kämpfen, die mir Clara gekostet, Manches in meiner Musik enthalten und gewiß auch von Ihnen verstanden worden sein. Das Concert, die Sonate, die Davidsbündlertänze, die Kreisleriana und die Novelletten hat sie beinah allein veranlaßt.«

Eine eigenthümliche Constellation der Verhältnisse hielt Schumann zunächst von dem Gegenstande seiner Inbrunst und Liebe fern, denn er besuchte das Wieck'sche Haus, aus Gründen, die sich der Berührung entziehen, lange Frist hindurch nicht; ja, er konnte um diese Zeit nicht einmal mit Gewißheit von der Erwiderung seiner Gefühle überzeugt sein, und es ist unzweifelhaft, daß in dem, kaum erst mit Ernst seinerseits begonnenen Verhältniß zu seiner späteren Gattin, eine wesentliche und andauernde Unterbrechung entstanden war. »Meine Sterne stehen sonderbar verschoben,« schreibt er unter dem 2. März an seine Schwägerin Therese, und ferner unter dem 1. April 183673: »Ueber Wieck's und Clara sprechen wir mündlich, ich bin in einer kritischen Lage, aus der mich herauszuziehen noch Ruhe und klarer Blick fehlt. Doch steht es so, daß ich entweder nie mit ihr mehr sprechen kann, oder daß sie ganz mein Eigen wird.« Dazu kam, daß Clara Wieck mit ihrem Vater eine Kunstreise antrat, wodurch den Liebenden die Möglichkeit einer Annäherung noch mehr erschwert wurde. Die Liebe aber macht bekanntlich erfinderisch, und so ersann Schumann einen Ausweg, der ihm wenigstens den Trost gewährte, durch dritte Hand von seiner Auserwählten zu hören. Er eröffnete sich denselben durch folgenden, an Aug. Kahlert74 nach Breslau gerichteten, höchst merkwürdigen Brief, bei dem unentschieden bleiben mag, in wie weit sein Inhalt hier und da auf einem Spiele der Phantasie beruht.


Leipzig, den 1. März 1836.


Mein verehrtester Herr,


Für heute geb ich Ihnen nichts Musikalisches zu entziffern und[110] lege Ihnen (um ohne Umschweife gleich auf die Sache einzugehen) vor Allem die dringende Bitte an's Herz, daß, wenn Sie nicht auf einige Minuten im Leben, einen Boten zwischen zwei getrennten Seelen abgeben wollten, Sie wenigstens nicht zum Verräther an ihnen werden möchten. Ihr Wort darauf im Voraus!

Clara Wieck liebt und wird wieder geliebt. Sie werden es leicht an ihrem leisen, wie überirdischen Thun und Wesen gewahren. Erlassen Sie mir, vor der Hand, Ihnen den Namen des Anderen zu nennen. Die Glücklichen handelten jedoch, sahen, sprachen und versprachen sich ohne des Vaters Wissen. Dieser merkt es, will mit Aexten drein schlagen, untersagt bei Todesstrafe jede Verbindung75 – nun es ist schon tausendmal da gewesen. Das schlimmste aber war, daß er fortreiste. Von Dresden lauten die letzten Nachrichten. Genaues wissen wir aber nicht; ich vermuthe und bin beinahe überzeugt, daß Sie im Augenblick sich in Breslau aufhalten. Wieck wird Sie jedenfalls gleich besuchen und Sie einladen, Clara zu hören. Jetzt meine sehnlichste Bitte, daß Sie mich von Allem, was Clara angeht, ihrer Gemüthsstimmung, ihrem Leben, soviel sie direkt oder indirekt erfahren können, rasch in Kenntniß setzen möchten, so wie daß Sie, was ich Ihnen als theuerstes Geheimniß anvertraut, als solches wahren möchten, und von diesem meinem Briefe weder dem Alten, noch Clara, noch überhaupt Jemanden mittheilen.

Spricht Wieck über mich, so wird es vielleicht nicht auf eine für mich schmeichelhafte Weise geschehen. Lassen Sie sich dadurch nicht irre machen. Sie werden ihn kennen lernen, es ist ein Ehrenmann, aber ein Rappelkopf – –

Noch bemerke ich Ihnen, daß es Ihnen ein Leichtes sein wird, sich bei Clara in Gunst und Vertrauen zu setzen, da sie von früher von mir, der ich die Liebenden mehr als begünstigte, gehört, daß ich mit Ihnen im Briefwechsel stehe. Sie wird glücklich sein, Sie zu sehen und Sie darauf anzusehen.

Ihre Hand, Unbekannter, in dessen Gesinnung ich so viel Edelmuth[111] setze, daß er mich nicht tauschen wird. Schreiben Sie bald. Ein Herz, ein Leben hängt daran, ja mein eignes; denn ich bin's selbst für den ich bitte.


Robert Schumann.


Die »kritische Lage« Schumann's, deren er gegen seine Schwägerin Therese gedenkt, konnte begreiflicherweise eine so zart besaitete und tief empfindende Natur nur auf's Aeußerste bedrängen und erregen. Der Meister deutet in einem Briefe vom 2. Juli 1836 an Zuccalmaglio76 direkt darauf hin; dort heißt es: »Den Grund zu meinem langen so sehr undankbaren Schweigen suchen Sie in meinem tiefen Seelenschmerz, von dem ich mich nicht zur Arbeit erheben konnte. Endlich hat mir die Musik, inniges eigenes Schaffen darin und vor Allem neben einem jungen selbsthelfenden Körper, die Wälder und das Grün, Kräfte und Muth wiedergebracht.« Die beruhigte, gefaßte Stimmung, welche aus den Schlußworten dieses Citat's hervorleuchtet, war leider eine nur vorübergehende. Denn die schmerzvollen Leiden, von denen der arme Schumann heimgesucht werden sollte, waren noch erst im Anzuge begriffen, und erreichten nach und nach eine beinahe erdrückende Schwere.

Schumann wohnte damals im Hinterhause des sogenannten »Rothen Collegiums« bei einer Frau Devrient77. Diese Dame, welche unsern Meister persönlich sehr hoch schätzte, nahm an seinen Erlebnissen warmen Antheil, was auch deutlich aus folgender Zuschrift an dieselbe hervorgeht. Schumann schreibt an sie:


(Ohne Datum.)


Verehrteste Frau,


Ihr schöner Brief hat mich im Herzen erquickt. Das waren die rechten Worte, Einen zu trösten, der in einer tödtlichen Angst oft die Winde ringen möchte. Was soll ich Ihnen vorklagen von gescheiterten Plänen, von verschuldeten und unverschuldeten Schmerzen, von Jugendleiden,[112] wie sie wohl Jeden treffen – hab' ich doch auch meine herrlichen Stunden, am Clavier, im Ideenaustausch mit trefflichen Menschen, im Bewußtsein eines ehrenvollen Wirkungskreises und in der Hoffnung, noch mehr und Größeres zu fördern. Eben diese erhöhte Geistesstimmung artet aber oft in Uebermuth aus, wo ich ordentlich gleich die ganze Welt mit Sturm nehmen möchte. Die Abspannung folgt auf dem Faße nach und dann die künstlichen Mittel, sich wieder aufzuhelfen. Das rechte Mittel, solche gefährliche Extreme zu versöhnen, kenne ich wohl: eine liebende Frau könnte es. Hier aber lassen Sie mich mit meinem Kummer allein und mich über die wunderbaren Verflechtungen schweigen, deren glückliche Lösung ich von meinem guten Geist, wenn auch noch nicht erwarte, aber täglich erflehe. Es muß ein tieferes Vertrauen sein, das ich gerade zu Ihnen hege; von Natur etwas scheu, erinnere ich mich nie, gegen Jemanden, dessen Liebe ich mir erst noch verdienen muß, so offen und ruhig gesprochen zu haben. Einstweilen rechnen Sie auf mich, als auf


Ihren Ihnen innig verbundenen

R. S.


Ganz der, in diesem Briefe vorherrschenden, und sich in Gegensätzen bewegenden Stimmung entsprechend, schreibt Schumann unterm 15. November und 31. December 1836 an seine Schwägerin Therese: »C. liebt mich noch so warm wie sonst; doch habe ich völlig resignirt,« und »In einer tödtlichen Herzensangst, die mich manchmal befällt, hab' ich Niemanden, als Dich, die mich ordentlich wie im Arme zu halten und zu schützen scheint.«78

Wer sich nur einigermaßen in Schumann's damalige so bedrängte Lage zu versetzen vermag, wird ein Verständniß dafür haben, daß die Gemüthsbewegungen, welche ihn andauernd durchzuckten, auch sein äußeres Leben beeinflussen mußten, und ihn nicht immer das rechte Maaß im Genusse der »künstlichen Mittel« finden ließen, mit denen er die heftigen Aufwallungen seines Innern gelegentlich zu betäuben suchte. Die kleinen Unzuträglichkeiten, welche sich dadurch für das ruhige, stille Hauswesen seiner Wirthin ab und zu ergaben, veranlaßten die letztere zu wohlwollenden und, so zu sagen, zu mütterlichen Vorstellungen, infolge deren Schumann diesen Brief an Frau Devrient schrieb:


[113] (Ohne Datum.)


Ihre Hand kömmt aus den Wolken. Bleiben kann ich aber nach dem, was Sie mir geschrieben, ohnmöglich, und will daher je eher je Ueber fort. Es thut mir Alles herzlich Leid, zumal ich gerade Ihnen (Sie wissen es gar nicht) mit ordentlicher Liebe anhänge. Das melancholische Wetter und immer schwerere Leiden, von denen ich Niemand sagen darf, hatten mich wüst gemacht; Sie haben so sehr Recht. Denken Sie nur nicht zu unedel von mir und erlassen Sie mir für heute mehr zu sagen.

R. S.


Indessen konnte Schumann sich im entscheidenden Momente dennoch nicht dazu entschließen, sein im Laufe der Zeit ihm lieb und werth gewordenes Quartier zu verlassen, wie folgende Zeilen beweisen:


An Madame Devrient einen schönen Morgengruß und daß ich mich nur mit Gewalt aus meiner Stube bringen lasse. Mir kommt vor, als habe ich hier dreimal mehr gelebt, als sonst und wenn ich es meinem Stern danke, der mich in dies Haus führte, so vor Allem auch Ihrer allseitigen Fürsorge.


Am 1. Juli 1836.

Ihr ergebener

R. Schumann.


Frau Devrient die, wie schon angedeutet, Verständniß für Schumann's edeln Geist besaß, und sich daher in ihrer Verehrung für denselben nicht beirren ließ, entsprach gern dessen Wunsch, bei ihr wohnen zu bleiben, womit denn die vorübergehende Spannung beseitigt war. Die Beziehungen zu der genannten Dame blieben auch ferner durchaus freundlicher Art, wie ein weiteres Schreiben Schumann's an dieselbe ersehen läßt, welches zugleich einen erheiternden Blick in die ökonomischen Verhältnisse, so wie in die culinarischen Neigungen unseres Tonmeisters thun läßt.


Leipzig, den 15. September 37.


Lachen Sie nicht über mich, meine gütige Frau – ich will nämlich Ersparnisse machen und biete mich Ihnen zwiefach an, erstens als Kostgänger, dann als Wäsche – Verbundener. Beides wäre wohl ohne große Weitläufigkeiten mündlich abzumachen, indeß gehorcht mir die Feder besser.

Auf beiliegendem Zeddel finden Sie Alles, was ich liebe und verabscheue. Einfach und kräftig ist höchster Wahlspruch – u. ein flüchtiger[114] Blick in Ihre Küche hat mir das längst verbürgt. Mehr als ein Gericht hab ich wohl gern, aber nicht nöthig – Suppen sehr etc. Was die Wäsche anbelangt, so sagte mir meine Schwägerin längst, sie wäre zu theuer, zu wenig gewaschen. Vielleicht stimmen Sie in meine Bitte. Wohlfeil müßte freilich Alles erstaunlich sein – ich will ja sparen. Aber lachen Sie nicht, sondern sein Sie gutgesinnt

Ihrem

ergeben Verbundenen

R. Schumann.


Speisezeddel eines Sparenden. Nichts Fettes nichts Süßes. Höchste Lieblingsspeisen:


Rindfleisch mit Reis, Nudeln, Gräubehen u. dgl.

Kalbfleisch, Schöpsenfleisch, Schweinefleisch, seltener, wenn nicht fett ist.

Braten, alle, wenn nicht fett –

Mehlspeisen, keine, durchaus keine.

Eierspeisen, gern.

Suppen, Bouillon, sehr gern.

Früchte, Eingemachtes, nicht.

Salate, sauer, alle.

Fisch, alle, ausgenommen Aal.

Gemüse, sehr gern, außer die süßen; wie Möhren etc.


Was Schumanns Herzensangelegenheiten betraf, so machte er mittlerweile seinen bedrängten und erregten Gefühlen durch zwei umfangreiche, in vieler Hinsicht sehr bedeutende Compositionen Luft. Die eine derselben war das schon erwähnte »Concert für Clavier allein,« die andere die Phantasie in C-dur für Pianoforte op. 17. Nach dem Compositionsverzeichniß Schumann's entstand letzteres Werk zuerst und zwar speciell auf Anregung des, unterm 17. December 1835 von Bonn ergangenen Aufrufs für das in genannter Stadt zu errichtende, und im August 1845 errichtete Beethovendenkmal. Schumann beabsichtigte nämlich, indem er dieses Tonstück schuf, den Ertrag desselben dem Fond für das Denkmal des großen Meisters beizusteuern. Auf dem Titel sollte das Wort »Obolus« stehen, und für die einzelnen Sätze waren die Ueberschriften »Ruinen«, »Triumphbogen« und »Sternenkranz« intentionirt, deren symbolische Ausdeutung einem Jeden überlassen bleiben möge. Später jedoch gab Schumann die Idee einer Veröffentlichung dieses Musikstückes[115] für den genannten Zweck gänzlich auf, und mit ihr die Bezeichnungen von denen eben die Rede gewesen ist. Statt dessen stellte er dem Werke als Motto die Strophe von Fr. Schlegel:


»Durch alle Töne tönet

Im bunten Erdentraum

Ein leiser Ton gezogen

Für den der heimlich lauschet.«


voran, und dedicirte es beim Erscheinen Franz Liszt.

Kein passenderer Titel hätte für dieses Musikstück gefunden werden können, als die Bezeichnung »Phantasie«. Alle drei Sätze haben, wenn man von der Folge derselben absieht, auf den ersten Blick zwar etwas der Sonatenform Nahekommendes, allein bei genauerer Betrachtung gewahrt man als charakteristisches Moment der Phantasie eben die freie Vermischung verschiedener Kunstformen. So trägt der erste Abschnitt des ersten Satzes, im wesentlichen aus dem, bis zum 19. Takte laufenden Motiv entwickelt, unverkennbar den Charakter der Sonatenform; dann folgt ein Mittelsatz in der Liedform, der nur einmal durch den vorübergehenden Eintritt des Hauptgedankens unterbrochen wird, und zum Schluß tritt wieder der erste Abschnitt mit einigen Modificationen auf.

Der zweite, dem Grundcharakter nach marschartige Satz, gehört großentheils der Rondoform an; er wird aber auch nach dem ersten Abschnitte durch einen zweitheiligen liedartigen Zwischensatz unterbrochen, der dann in seiner weiteren Ausführung mit einer, dem Hauptmotiv entnommenen punktirten Figur unterbaut und vermischt ist, und schließlich wieder zum ersten Thema zurückführt.

Das dritte und letzte Stück gehört durchaus der Liedform an; es sind zwei Hauptsätze in C und As, die schließlich eigenthümlich gemischt in eine Coda auslaufen.

Das ganze Werk ist seinem Inhalte nach ohne Bedenken dem Bedeutendsten beizuzählen, was Schumann in der ersten bis zum Jahre 1840 sich erstreckenden produktiven Periode überhaupt geschaffen hat. Die Motive sind eigenthümlich, ungemein intensiv, und dazu von hohem melodischen Reiz, freilich eher im Beethoven'schen, als Haydn'schen oder Mozart'schen Sinne. Es ist etwas Titanenhaftes, Weltenstürmendes in ihnen, das, auf den Fittigen einer helllodernden Phantasie dahinbrausend, fesselnde Gewalt ausüben müßte, wenn die Darstellung des Ganzen der großartigen und tiefgehenden[116] Anlage entsprechend, eine vollendetere, plastischere wäre. Die Hemmnisse, welche sich dem Strom des Mitempfindens bei diesem Werke stellenweise entgegensetzen, werden hauptsächlich durch jene eigenthümliche rhythmische Bildweise erzeugt, die später erst zum vollständigen Durchbruch kommt und hier, wie auch in den vorhergehenden Werken, das Maaß einer schönen Bewegung bisweilen aufhebt. Das letzte Stück allein möchte hiervon auszuschließen sein, wie es denn überhaupt den Anforderungen an eine maßvolle Darstellung am nächsten kommt, obwohl es den beiden ersten Sätzen an Großartigkeit und Schwungkraft der Grundgedanken nachsteht.

Die zweite Composition, in erster Ausgabe unter dem Titel »Concert sans Orchestre« (op. 14) herausgegeben, war ursprünglich als Sonate gedacht, und demgemäß auch so benannt. Der Musikhändler Tob. Haslinger indeß stellte die seltsame Forderung jener ganz unpassenden Bezeichnung eines »Concertes ohne Orchester,« und Schumann fügte sich dieser Verlegerlaune, sah sich nun aber, um wenigstens die Form einigermaßen mit dem Titel in Uebereinstimmung zu bringen, genöthigt, das dazu gehörige Scherzo ganz wegzulassen79.

Bei der zweiten Auflage, die dieses Tonstück im Jahre 1853 unter dem Titel »Troisième grande Sonate« erlebte, wurde der ursprüngliche Bestand desselben wieder hergestellt. Die sonstigen Abänderungen, welche Schumann mit dem Werke für die neue Ausgabe (Schubert, Hamburg) vorgenommen hat, betreffen hauptsächlich das erste Stück. Außer mehrfachen harmonischen und rhythmischen Varianten ist die Wiederholung der Takte 22–25 S. 12, eine Octave tiefer anzumerken, die in der ersten Auflage (S. 11) nur einmal vorkommen. Der dritte Satz (Andante) ist fast unberührt geblieben, und das Finale hat mit Ausnahme der vorgeschriebenen Taktart (6/10), statt deren der 3/4 Takt gewählt wurde, einige Aenderungen namentlich gegen den Schluß hin, erfahren.

Auch dieses Werk erschien, gleich wie die symphonischen Etüden nach dem Tode Schumanns, und zwar im Mai 1862, in einer dritten Ausgabe.

Die ganze Composition ist in der, durch Beethoven überkommenen,[117] erweiterten Sonatenform gehalten. Dem geistigen Ausdruck nach steht sie in naher verwandtschaftlicher Beziehung zu den Sonaten op. 11 und 22; nur ist Alles noch größer, breiter darin angelegt. Ein Allegro tief bewegten, leidenschaftlichen Charakters hebt an. Es sind mächtig contrastirende Seelenzustände, die sich darin abspiegeln, und bald in wild bewegten, bald in wehmuthsvollen Weisen sprechen. Das zweite Stück, welches sich durch seine Bewegung dem Menuettenstyl nähert, ist ruhiger, gemäßigter, als das erste, und bildet einen natürlichen Gegensatz zu demselben. Die hierauf erfolgenden Variationen über ein Andantino von Clara Wieck, von schwermüthigem, träumerischem Ausdruck, ergänzen die Grundstimmung des ersten Satzes, wogegen das Finale »Prestissime possibile« wieder ganz und gar den, von Grund aus bewegten, himmelstürmenden Charakter des ersten Satzes aufnimmt und verfolgt, nur mit dem Unterschiede, daß kaum ein zweites, beruhigenderes Element darin Platz greift. Alles drängt in unaufhaltsamem Sturme, wie verzweiflungsvoll, dem Schlusse entgegen. Demgemäß bietet es keinen Ruhepunkt; der Genießende wird, ohne zur Besinnung kommen zu können, fortgerissen, und zuletzt drängt sich unwillkürlich die Empfindung auf, in einem Tonmeere, dessen Wellen über dem Haupt unaufhörlich zusammenschlagen, umhergeworfen zu werden.

Was die technische Gestaltung dieser Sonate betrifft, so bietet sie mannichfache Vergleichungspunkte mit der unmittelbar vorher besprochenen Phantasie inC. op. 17 dar, weshalb eine Wiederholung des dort Gesagten überflüssig erscheint.

Außer den beiden eben erwähnten Werken fällt in das Jahr 1836 noch die Conception einer, wie es scheint, niemals zur Ausführung gekommenen Sonate in F-moll (der Zahl nach die vierte), so wie die Fertigung mehrerer kleiner Clavierstücke, unter diesen die in op. 124 mit aufgenommenen Nummern 5 (Phantasietanz) und 7 (Ländler). –

Der Weg, welchen wir Schumann als schaffenden Musiker bisher zurücklegen sahen, war von verhältnißmäßig nur geringen äußeren Erfolgen begleitet. Dies ist leicht erklärlich. Mangelt den bisher betrachteten Compositionen auch keineswegs tiefer Ernst, echt künstlerisches Streben und reiche schöpferische Kraft, gepaart mit poetischer Intention, so fehlt ihnen doch fast durchaus Das, was Kunstwerken eine schnellere, allgemeinere Anerkennung und dauernden Werth zu verleihen pflegt: plastische Vollendung und sinnliche Genüge. Ohne[118] Frage ist dies auch der Grund, weshalb gerade diese Werke Schumann's bei weitem weniger in großen musikalischen Kreisen Eingang gefunden haben, als eine bedeutende Anzahl der fernerhin entstandenen Compositionen. Hielt es doch schon schwer genug, denselben überhaupt den Weg in die Oeffentlichkeit zu bahnen. »Die Verleger wollen nichts von mir wissen«, schreibt er an Moscheles; und an Dorn80: »Uebrigens können Sie wohl glauben, daß, fürchteten die Verleger nicht den Redacteur, auch von mir die Welt nichts erfahren würde, vielleicht zum Besten der Welt«. Dazu kam, daß die öffentliche Kritik nicht denjenigen Antheil an Schumann's Compositionen nahm, den sie verdienten – die allgemeine Leipziger Musik-Zeitung ignorirte sie sogar sieben Jahre lang durchaus – und daß er selbst, wenige Ausnahmen abgerechnet, es grundsätzlich vermied, in der »Neuen Zeitschrift für Musik« über seine schöpferische Thätigkeit referiren zu lassen. »Die Caecilia ist das einzige Blatt, worin etwas über mich gesagt werden darf. Meine Zeitung ist für Andere da, und Fink hütet sich wohl, Dummes über mich zu sagen, wie er es würde, wenn er öffentlich darüber spräche«, berichtet er an Keferstein81. Nur in zwei Fällen hatte Schumann um diese Zeit die Freude, von gewichtiger Seite her, eine theilnehmende öffentliche Beurtheilung seiner Leistungen zu erfahren; einmal von Moscheles und dann von Franz Liszt82. Er legte auf diese Beurtheilungen viel Gewicht, und hielt sie noch später »für das Beste, was über ihn geschrieben worden.«

Wohl begreiflich ist's wenn Schumann unter dem Drucke solcher Verhältnisse gelegentlich seufzen mochte, und eine vertrauliche Aeußerung wie folgende83: »Oft wird mir's bange. Auf der Höhe der Zeit und der Erscheinungen zu stehen, fortzuhelfen, zu bekämpfen, selbstständig zu bleiben. – Aller innern und geheimeren Verhältnisse nicht gedacht, da schwindelt mir's oft«, darf nicht befremden. Jeder Mensch trägt das Bedürfniß einer Anerkennung seiner Leistungen in sich. Und auch Schumann, obschon er, was bei einem Manne von seinen[119] geistigen Qualitäten nicht befremden kann, eine nicht geringe Dosis von Selbstachtung und Selbstbewußtsein in sich fühlte, konnte sie nicht entbehren. »Ohne Aufmunterung keine Kunst. Auf den beliebten einsamen Inseln in einem stillen Ocean würden ein Mozart, ein Raphael Landbauern geblieben sein,« schreibt er an Fischhof84 und an H. Dorn85: »Sehr würde ich mich freuen, wenn Sie mich in Ihre Gallerie mit anbringen wollten, denn die Welt weiß eigentlich so gut wie nichts von mir. Sie wissen ja auch warum? Manchmal bildet man sich wohl ein, man bedürfe dessen nicht: im Grund aber halte ich es lieber mit Jean Paul, wenn er sagt: ›Luft und Lob ist das Einzige, was der Mensch unaufhörlich einschlucken kann und muß.‹« Wirklich freute sich Schumann auch aufrichtig über jede Anerkennung, die seinen künstlerischen Bestrebungen etwa zu Theil wurde. Er durfte sie aber, wie gesagt, damals weniger in der Oeffentlichkeit, als vielmehr im vertrauten Kreise auserwählter Kunstgenossen suchen. In diesem Sinne mußte ihm sicher der nähere persönliche Verkehr mit Männern, wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Ferdinand David, Moscheles, Chopin, Sterndale-Bennet, Lipinski, Ludwig Berger, später Franz Liszt und Anderen86, die sich in Leipzig mittlerweile theils ansässig gemacht hatten, theils aber ab und zu gingen, wohlthätig sein. Inwiefern Mendelssohn, bei entschieden entgegengesetzter Kunstrichtung, damals an Schumann's Streben Theil genommen hat, möchte sich schwer bestimmen lassen. Die Hoffnung, daß die inzwischen veröffentlichten Briefe des erstgenannten Meisters Aufschlüsse über das Verhältniß zu Schumann und zu dessen schöpferischer Thätigkeit geben würden, hat sich leider nicht erfüllt. Es ist kaum anzunehmen, daß Mendelssohn, der immer bereit war, fremdes Verdienst anzuerkennen, in seinen brieflichen Mittheilungen durchaus über Schumann geschwiegen habe. Und gewiß wäre es in mehr als einer Beziehung werthvoll und interessant, die etwa vorhandenen Urtheile des Paulus-Componisten über den Schöpfer von »Paradies und Peri« kennen zu lernen. Was Schumann betrifft, so fühlte er sich nicht allein bald nach Mendelssohn's Ankunft in Leipzig, welche im Spätsommer 1835 erfolgte, zu demselben hingezogen,[120] sondern gab auch seiner Verehrung für ihn offenen Ausdruck, wie seine bewundernden Aeußerungen über den Meister erkennen lassen. So schreibt er an seine Schwägerin Therese: »Mendelssohn ist der, an den ich hinanblicke, wie zu einem hohen Gebürge. Ein wahrer Gott ist er,« und »es vergeht wohl kein Tag, wo er nicht ein paar Gedanken wenigstens vorbringt, die man gleich in Gold eingraben könnte.«87 Und an C. Koßmaly: »Mendelssohn kommt, wie ich gewiß glaube, nächsten Winter wieder nach Leipzig zurück. Lieber Freund, der ist doch der beste Musiker, den die Welt jetzt hat. Glauben Sie nicht? Ein außerordentlicher Mensch – oder wie Santini88 in Rom von ihm sagt: ein monstrum sine vitio. –«

Noch an einen Umstand ist hier zu erinnern, der außer den bereits angeführten Gründen vielleicht mit dazu beitrug, die Aufmerksamkeit des musikalischen Publikums von Schumann's schöpferischer Thätigkeit einigermaßen abzulenken: seine in der Zeitschrift geoffenbarte schriftstellerische Thätigkeit. Diese war in der That anziehend genug, um den Componisten für's Erste etwas in den Hintergrund zu drängen. Auch verhinderte sie nebst den Redactionslasten die Möglichkeit, daß Schumann sich ungestört und mit allem Nachdruck dem musikalischen Schaffen hingeben konnte. Denn Carl Banck, der früher eine wesentliche Stütze in literarischer Beziehung für Schumann gewesen, war durch seine, bereits im Sommer 1836 erfolgte Abreise von Leipzig, der weiteren Mitwirkung entzogen worden. Schumann's näheren Bekannten entging dieses Mißverhältniß keinesweges, und sein Freund Keferstein rieth ihm daher brieflich, die Zeitung ganz aufzugeben, und sich ausschließlich dem Kunstschaffen zuzuwenden. Hierauf antwortete Schumann unter dem 31. Januar 183789: »Die Zeitschrift aufgeben hieße den ganzen Rückhalt verlieren, den jeder Künstler haben soll, soll es ihm leicht und frei von der Hand gehen. An große Compositionen kann ich jetzt freilich nicht denken; so seien es wenigstens kleinere.« Später dachte Schumann allerdings anders, wie man bald sehen wird. Vor der Hand aber blieb's beim Alten, und während der nächsten Jahre entstanden[121] fast nur Musikstücke kleinen Umfanges für das Pianoforte, wie das Compositionsverzeichniß Schumann's erweist. Von diesen fallen in das Jahr 1837 die Phantasiestücke op. 12, zwei Hefte und die Davidsbündlertänze op. 6, zwei Hefte.

Die Phantasiestücke90 gehören zu den bekannten, allgemein verbreiteten Werken Schumann's; er betrat mit ihnen ein Gebiet der Composition, welches er sich, gleich wie Mendelssohn in dem »Lied ohne Worte,« selbst erschloß, und das nach ihm von so vielen Tonsetzern mit mehr oder weniger Glück angebaut worden ist. So haben denn diese Tongebilde nicht allein Wichtigkeit für die Entwickelung Schumann's, sondern auch für diejenige eines großen Theiles der gegenwärtigen Pianofortemusik. Daß Niemand nach Schumann das Phantasiestück in so eigenthümlicher, gerade den Ton des Phantastischen scharf treffenden Weise behandelt hat, liegt in der Natur der Sache, da die Copie niemals das Original erreichen kann.

Die Phantasiestücke, durchaus dem Bereiche der Liedform angehörend, bieten »Starkes und Zartes« in wohlthuendem Wechsel. Die einzelnen Nummern fesseln ebenso sehr durch das specifisch Musikalische, als durch die ihnen innewohnenden prägnanten Stimmungen Diese letzteren suchte Schumann durch das Wort näher zu bezeichnen. So entstanden die Ueberschriften in ähnlicher Weise, wie man es bereits beim »Carneval« gesehen hat. Sie haben vielfache Anfechtungen erfahren; wenn man sich aber vergegenwärtigt, daß sie nach Vollendung der Stücke hinzugefügt wurden, und nur, um gewissermaßen einen poetischen Fingerzeig für die Auffassung zu geben, so können sie weder stören, noch als unberechtigt erscheinen. Etwas Anderes ist es, wenn der Componist nach einem vorgestellten Object arbeitet, und selbst diese gefährliche Art des Schaffens ist ausnahmsweise mit Glück von einigen Meistern der Vergangenheit unternommen worden – der Meister darf eben Alles wagen. Er weiß genau, was er thut, und wird sich nicht auf Probleme einlassen, die für seine Phantasie unergiebig, oder künstlerisch schlechthin verwerflich sind. Ueber die Zulässigkeit solcher Ueberschriften, wie die Phantasiestücke sie tragen, spricht sich Schumann selbst folgendermaßen aus:[122]

»Was überhaupt die schwierige Frage, wie weit die Instrumental-Musik in Darstellung der Gedanken und Begebenheiten gehen dürfe, anlangt, so sehen hier Viele zu ängstlich. Man irrt sich gewiß, wenn man glaubt, die Componisten legten sich Feder und Papier in der elenden Absicht zurecht, dies oder jenes auszudrücken, zu schildern, zu malen. Doch schlage man zufällige Eindrücke und Einflüsse von Außen nicht zu gering an. Unbewußt neben der musikalischen Phantasie wirkt oft eine Idee fort, neben dem Ohre das Auge und dieses, das immer thätige Organ, hält dann mitten unter den Klängen und Tönen gewisse Umrisse fest, die sich mit der vorrückenden Musik zu deutlichen Gestalten verdichten und ausbilden können. Je mehr nun der Musik verwandte Elemente die mit den Tönen erzeugten Gedanken oder Gebilde in sich tragen, von je poetischerem oder plastischerem Ausdrucke wird die Composition sein, – und je phantastischer oder schärfer der Musiker überhaupt auffaßt, um so mehr sein Werk erheben oder ergreifen wird. Warum könnte nicht einen Beethoven inmitten seiner Phantasieen der Gedanke an Unsterblichkeit überfallen? Warum nicht das Andenken eines großen gefallenen Helden ihn zu einem Werke begeistern? Warum nicht einen Anderen die Erinnerung an eine selig verlebte Zeit? Oder wollen wir undankbar sein gegen Shakespeare, daß er aus der Brust eines jungen Tondichters ein seiner würdiges Werk hervorrief, – undankbar gegen die Natur und leugnen, daß wir von ihrer Schönheit und Erhabenheit zu unseren Werken borgten? Italien, die Alpen, das Bild des Meeres, eine Frühlingsdämmerung, – hätte uns die Musik noch nichts von allem Diesem erzählt?« Ferner: »Dichterisch ist es wohl, eine Grundstimmung durch ein dieser verwandtes Einzelwesen zu bezeichnen.« Und endlich: »Die Hauptsache bleibt, ob die Musik ohne Text und Erläuterung an sich etwas ist, und vorzüglich, ob ihr Geist innewohnt.«

Die Musik also ist ihm das Wesentlichere, Wichtigere, der hinzugefügte concrete Begriff dagegen nur das, die Grundstimmung Andeutende, von der er während des Schaffens erfüllt gewesen. Demgemäß nun tragen die Phantasiestücke Ueberschriften von allgemeinem Charakter, als: »Aufschwung«, »der Abend«, »Grillen« (wobei gewiß Niemand im Ernst an wirkliche denken wird), »in der Nacht«, »Traumeswirren«, und »Ende vom Lied«. Mit dem »Warum« und der »Fabel« wurde allerdings auch die Grenze des Zulässigen scharf berührt.[123]

Daß in den Phantasiestücken sich Einzelheiten finden, die für den unbefangenen musikalischen Sinn befremdlich sind, wie z.B. der vierte Takt im Mittelsatze (B-dur) des »Aufschwunges«, einige harmonische Folgen im Mittelsatz der »Traumeswirren« etc., darf im Rückblick auf das Vorhergehende nicht befremden. Sie sind als natürliche Folge zu spät begonnener Studien aufzufassen, und den wilden Trieben vergleichbar, die der Stamm eines, in vollem kräftigem Wachsthume begriffenen, veredelten Fruchtbaumes so lange jedes Frühjahr ansetzt, bis seine Rinde fest und hart geworden ist. Im Allgemeinen dagegen kann der ungemein große Fortschritt nicht verkannt werden, den die Phantasiestücke in Beherrschung des Formellen gegen die früheren Arbeiten bekunden. Sie bilden einen Lichtpunkt unter den, während des ersten Decenniums entstandenen Werken.

Nicht gleiche Bedeutung dürfte den »Davidsbündlertänzen« op. 6 zuzuerkennen sein. Sie verhalten sich zu den Phantasiestücken, wie geistreiche Skizzen zu ausgeführten Genrebildern. Der musikalische Kern in ihnen ist durchgehends nicht so bedeutend als dort; kaum wird hier und da eine Ausführung des Grundgedankens – von durchgebildeten Motiven ist wenig die Rede – bemerkbar. Wie in den Büchern der Davidsbündler jeder Ausspruch durch Florestan Eusebius oder Raro vertreten ist, so hat auch hier Schumann die Autorschaft der 18 verschiedenen Stücke91 entweder dem Florestan oder dem Eusebius oder auch beiden (man findet am Schlusse eines jeden Satzes die Buchstaben E. oder F. mitunter auch E. und F.) zuertheilt, – es ist ein förmliches Controliren und Rubriciren des Gefühlslebens. Im Grunde sind die Davidsbündlertänze ein schwächerer Nachhall der Fis-moll-Sonate (op. 11). Während in dieser wenigstens der Versuch gemacht wurde, die Stimmungswelt, von der Schumann erfüllt war, in eine größere Kunstform zu bannen, ist hier eine Reihe von Stimmungen einzeln hingestellt. Einen seltsamen ächt Davidsbündlerartigen Eindruck machen die Ueberschriften: »Etwas hahnbüchen«92, »Sehr rasch und in sich hinein«, »Hierauf schloß Florestan und es zuckte ihm schmerzlich um die Lippen«, »Ganz zum Ueberfluß meinte Eusebius noch Folgendes; dabei sprach aber viel Seligkeit aus seinen Augen.« Schumann scheint gegen diese genialischen[124] Spielereien später eine Abneigung empfunden zu haben denn in der neuen, noch zu seinen Lebzeiten veranstalteten Ausgabe (1850 und 1851) sind sie unterdrückt. Ja, sogar das dem Titel der ersten Ausgabe hinzugefügte Motto:


»In all' und jeder Zeit

Verknüpft sich Lust und Leid:

Bleibt fromm in Lust und seid

Dem Leid mit Muth bereit«,


welches auf die erregten Seelenzustände hindeutet, unter denen die Davidsbündlertänze entstanden, ist weggeblieben. Die neue Ausgabe unterscheidet sich sonst von der alten nur durch die, nicht wesentliche Aenderung einzelner Noten. Eine dritte Ausgabe der »Davidsbündlertänze« erschien mit Berücksichtigung aller Varianten der ersten beiden Auflagen im Juli 1862.

Inzwischen war Schumann der Verwirklichung seiner Herzensangelegenheiten um ein gutes Stück näher gerückt. Er hatte die beseeligende Gewißheit erhalten, daß seine tiefinnige Neigung zu Clara Wieck vollkommen erwiedert wurde, und so konnte er denn seiner Schwägerin in einem kleinen Billet vom 31. August 1837 melden: »Ich bin ruhig, fleißig, glücklich.« Es fehlte dem nunmehr geschlossenen Seelenbündniß zur Besiegelung weiter nichts, als die Zustimmung von Clara's Vater. Dieser aber hegte in Betreff seiner Tochter andere Wünsche als eine derartige eheliche Verbindung. Sein oft von ihm gebrauchter Wahlspruch war: »Interim aliquid fit«. Er glaubte eben: »Zeit gewonnen, Alles gewonnen«, und so beobachtete er vor der Hand ein diplomatisch freundliches Verhalten in dieser Angelegenheit, ohne weder hemmend einzugreifen, noch ein thatsächliches Einverständniß zu bekunden.

Schumann indessen, dem begreiflicherweise daran liegen mußte, nach allen Seiten vollständige Klarheit in die Situation zu bringen, gelangte nach Ablauf einer gewissen Frist endlich zu dem Entschluß, gegen Mitte September 1837 förmlich um die Hand seiner Verlobten bei deren Vater anzuhalten. Seine Bewerbung sprach er brieflich aus. Vorsichtig aber wie er war, theilte er dieselbe zuvor im Entwurf einem vertrauten Freunde, dem Bergschreiber E. A. Becker93 in der[125] sächsischen Bergstadt Freiberg mit, der ein Musikenthusiast und warmer Verehrer seiner Tonmuse war. Zugleich schrieb er ihm:


Leipzig am 26. August 1837.


Hier, mein theurer Freund und Schutzgeist – greift Ihnen das nicht an's Herz, so weiß ich nichts weiter zu thun. – Wie mir's zu Muthe ist, können Sie sich denken; doch bin ich ruhig und glücklich im festen Glauben an Clara's Unerschütterlichkeit. Was das für eine Seeligkeit ist, an Jemanden zu glauben, auf ihn zu bauen! Der Alte ist liebenswürdig gegen mich und macht mir eher Muth. – Sonst bleibt Alles, wie wir es besprochen haben. Cl. wünschte mich zu sehen; es ist aber besser, daß es jetzt nicht geschieht. Daß Sie der Erste sind, dem ich schreibe am 14. September94, ach – das glauben Sie mir wohl. – Schicken Sie mir den Brief und Ihr Urtheil darüber; vielleicht habe ich etwas vergessen?

Ich küsse die Hand die aus Wolken gekommen ist – Ihre, und bin mit ewiger Liebe


Ihr

R. Schumann.


Der Empfänger vorstehender Zeilen hielt mit seinem freundschaftlichen Rath nicht zurück, was folgende Antwort Schumann's an Becker hervorrief:


Leipzig, am 8. September 1837.


Besten Dank für Alles, mein Theurer. Es soll Alles genau befolgt werden. Doch hatte mich Ihr Brief so entmuthigt, daß ich's Clara'n sagen ließ, ich würde jetzt gar nicht schreiben. Darauf ließ Sie mich dringend bitten, aber gerade zum Geburtstag; es könne nicht günstiger Alles zusammentreffen etc. Nun so geschieht's mit Gott! – Ich wandle wie unter lauter Seeligen und ich möchte Sie wohl bei mir haben, daß Sie mich sähen. Der Alte behandelt mich mit der größten Zartheit und Herzlichkeit. Vergelten will ich es ihm auch und er soll ein glückliches Leben im Alter haben. Für heute Gruß und Kuß von


Ihrem

Schumann.

Der Geburtstag ist den 13.95[126]


Aus diesen beiden Briefen an den berathenden Freund ist leicht zu ersehen, in welcher erwartungsvoll erregten Stimmung Schumann sich befand. Sein Herz schwankte zwischen Hoffnung und Besorgniß in Betreff der von Fr. Wieck zu gewärtigenden Antwort. Der sehnlichst erwartete Bescheid desselben fiel unbefriedigend aus. Schumann schreibt darüber an Becker:


Leipzig, den 14. Septbr. 37.


Lieber Freund,


W's Antwort war so verwirrt, so zweifelhaft ablehnend und zugebend, daß ich nun gar nicht weiß, was ich anfangen soll. Gar nicht. Wären Sie nur ein paar Minuten hier gewesen, oder jetzt hier, damit er mit Jemanden sprechen konnte, der ihn über gewisse Punkte, wie es mir scheint der Eitelkeit, hinwegbrächte; – – – Wesentliches konnte er ja nicht einwenden. Wie gesagt war aber überhaupt nicht klug zu werden. C. sprach ich noch nicht; ihre Stärke ist meine einzige Hoffnung. Wollen Sie einige Zeilen an W. schreiben, ihm seine große Verantwortlichkeit vorstellen? Doch möchte ich das vorher lesen – oder auch wie sie sonst wollen. Sagen Sie ihm, daß ich Ihnen den Brief an ihn mitgetheilt habe etc. etc. Ich bin schwer niedergedrückt und vermag nichts zu denken.

R. S.


Fr. Wieck hatte seinen Zweck erreicht, die Angelegenheit welche Schumann's ganzes Innere beherrschte, in der Schwebe zu lassen. Wie empfindlich dies auch im Moment für unsern Meister sein mochte, nach einiger Zeit dachte er einigermaßen beruhigt über die Sache, denn unterm 15. December desselben Jahres schrieb er an seine Schwägerin Therese nach Zwickau96: »Der Alte will Clara noch nicht aus den Händen geben, an der er zu sehr hängt. Und dann hat er wohl auch einiges Recht, wenn er meint, wir müßten erst noch mehr verdienen, um anständig zu leben. Mit des Himmels Segen soll und wird sich noch Alles einem schönen Ende nahen.«

Nichts desto weniger beschäftigte ihn unausgesetzt der Gedanke, möglichst bald mit dem Gegenstand seiner Neigung für immer verbunden zu sein. Im Hinblick hierauf faßte er im Einverständniß mit seiner Verlobten die schon früher ins Auge gefaßte Idee, nach Wien zu gehen, denn am 25. März 1838 schreibt er seiner Schwägerin97[127] »Hättest Du doch meinen letzten Brief an Clara gelesen, – da steht es drin, was mir den Abschied von hier schwer machen wird. Nun, der Himmel hat es gefügt und wird es fernerhin fügen. Ich denke doch, Du begleitest uns zur Hochzeit nach Wien und da wollen wir ein paar Wochen leben, an denen wir ein Jahr und darüber zu genießen haben in schönen Erinnerungen.«

Bestimmend für Schumann's Entschluß, Leipzig mit Wien zu vertauschen, war der Wunsch, einerseits durch seine Entfernung von ersterem Orte, wie er sich selbst in einem seiner Briefe ausdrückt, »Wieck zu beruhigen«, und andererseits »in Wien für sich und Clara eine neue Existenz zu begründen.« Freilich wurde die Ausführung dieses Planes wesentlich erschwert, und schließlich, wie sich zeigen wird, durch die gleichzeitig beabsichtigte Dislocation der Zeitschrift unmöglich gemacht. Sehr allmählig und vorsichtig bereitet er, seinem verschlossenem Charakter gemäß, Fischhof, den er als Vertrauten in dieser Angelegenheit erkoren, auf seine Absicht vor. »Ihre Mittheilungen über das Wiener Kliquen-Wesen danke ich Ihnen; diese Kleinlichkeiten in so großer Stadt waren mir neu. Das Gute hält doch aus; mich kann kaum etwas irre oder außer Fassung bringen Doch möcht' ich diese Stadt einmal sehen. Vielleicht diesen Sommer. Bleiben Sie in Wien?« schreibt er ihm am 3. April 183898. Als Fischhof ihn darauf zu sich in's Haus einladet, antwortet Schumann99: »Habe ich wegen Wien so ernsthaft mich eingeladen bei Ihnen? So rasch geht es freilich nicht und kostet mich viel Vor- und Nacharbeit. Doch schicken es die Götter vielleicht. Mich verlangt es einmal hinaus. Seit acht Jahren sitze ich fest.« Und ferner in einem Briefe vom 8. Mai100: »Ueber Vieles Andere, was Sie vielleicht interessiren wird, und sehr Wichtiges in der nächsten Zeit.«

Endlich geht er nach längerem Zwischenraume offen mit der Sprache heraus und schreibt:


Leipzig, den 5. August 1838.


Mein theurer Freund,


Eben empfing ich Ihren freundlichen Brief, als ich mich zum[128] Schreiben an Sie niedersetzen wollte, und zwar in einer für mich sehr wichtigen Angelegenheit, in der ich den Rath eines Freundes bedarf, als den ich Sie jetzt kennen gelernt. Erschrecken Sie also nicht, wenn schon in acht Wochen Jemand an Ihre Thüre klopft, mein Doppelgänger, ich selbst nämlich, noch mehr: wenn er Ihnen sagt, daß er die nächsten Jahre wahrscheinlich für immer in Wien zubringt. Alles dieses theile ich Ihnen aber im innigsten Vertrauen mit und mit der Bitte, gegen Jedermann (namentlich gegen wen aus Leipzig) davon noch still zu schweigen. Die Gründe, die mich nach Wien bringen, sind die Gründe freundlicher Art; eigene Verhältnisse sind es, die mir gebieten, meinen Aufenthalt in einer größeren Stadt als Leipzig aufzuschlagen. Mündlich hierüber mehr, was ich dem Papier nicht anvertrauen mag. Es ist entschieden, daß ich spätestens Mitte October in Wien sein muß. Und die Zeitung? werden Sie sagen, die laß ich natürlich nicht; während der drei Monate October bis December wird sie von Oswald Lorenz101 besorgt; und vom Januar an soll sie in Wien gedruckt werden. Und da brauch' ich denn Ihre gütige Hand. Natürlich bedarf die Zeitung der Concession, die wohl das dortige Censuramt unter Graf Sedlnytzky zu ertheilen hat. Daß man keine großen Schwierigkeiten machen wird, da es ja ein reines Kunstblatt, das seit seinem Erscheinen in den Oesterreichischen Staaten vertrieben worden ist, bin ich beinahe überzeugt. Doch kenn' ich die Vorsicht der dortigen Behörden und den langsamen Gang in ähnlichen Verhandlungen vom Hörensagen, so daß ich schon jetzt wirken, d.h. so bald als möglich mein Gesuch um ein Privilegium für das Erscheinen der Zeitschrift in Wien einreichen möchte, damit die erste Nummer des künftigen Bandes schon Mitte December von Wien aus verschickt werden kann. Völlig unbekannt mit den dortigen Gesetzen und Formen, in denen so ein Gesuch gestellt sein muß, bitte ich Sie nun dem armen Künstler, der sonst nie etwas mit Polizei und Censur zu schaffen gehabt, gütigst beistehen zu wollen. Ich werde nie vergessen, was Sie in dieser Sache für mich thun.

So bäte ich Sie denn, daß Sie sich bei einem Rechtsgelehrten dort erkundigten, unter welcher Adresse, in welcher Form ein solches Gesuch abgeschickt und abgefaßt werden muß. Vielleicht könnten Sie von selbem gleich eines nach dem Schema abfassen lassen, das ich auf der andern Seite geschrieben, und mir dann zuschicken, wo ich es dann in's[129] Reine schreiben ließe und vielleicht durch unsern Gesandten, den Fürsten Schönburg, an den ich empfohlen bin, an den Grafen Sedlnytzky befördern würde.

Sodann, wissen Sie, ob die dortige Behörde Ausweise über mein früheres Leben, über Vermögensumstände (es ist Alles in bester Ordnung) etc. etc. verlangt, und soll ich diese gleich im Gesuch mit vorbringen?

Endlich: wen schlagen Sie Friesen102 als Commissionär vor. Wir haben uns bereits an Haslinger und Diabelli gewandt, aber nicht die Antwort erhalten, wie wir sie gewünscht hätten. Und überhaupt wäre mir ein Buchhändler lieber, da ich dann nichts von etwaigen Eingriffen der Verleger zu befürchten habe. Friese bleibt nämlich nach wie vor Verleger (ich bin Eigenthümer); der Umzug ist ihm sogar lieb, da er dabei nur gewinnen kann. Auf die Zeitschrift käme somit die Firma einer Wiener Handlung und die von Friese.

Sollte ich Ihnen übrigens sagen, wie Manches Schöne ich mir von der Zukunft erwarte, wie die Zeitschrift dadurch großartiger, einflußreicher werden, eine Vermittelung zwischen Nord und Süden herstellen soll, so müßte ich neue Bogen anfangen, nämlich herunterschreiben. Sie sind der Einzige, den ich in Wien habe, den ich als so verständig wie tüchtig und bescheiden kennen gelernt. Werden Sie sich auch in mir täuschen? Werden Sie mir freundlich gesinnt bleiben? Hoffen Sie nicht manches Schöne von der Zukunft, die uns gewiß nicht trügen wird?

So schließ' ich denn mehr als je erregt und mit dankbarstem Herzen. Nehmen Sie sich meiner an; mein Lebensglück hängt mit daran; ich bin nicht mehr allein. Dieß Alles für Sie allein.

Heute haben wir den 5.; am 11. ist der Brief in Ihren Händen; bis zum 19. wären Sie vielleicht im Reinen und den 24. könnte ich Antwort haben. Mit Verlangen seh' ich ihr entgegen.

Ihr

Schumann.


Gesuch, woraus nun der gehörige juristische Brei zu machen:


Der Unterzeichnete, Sachse von Geburt, in Leipzig wohnhaft, Tonkünstler, Redacteur und Eigenthümer der neuen Zeitschrift für Musik, wünscht seiner Liebe zur Kunst, wie seiner geschäftlichen Verbindungen halber seinen bisherigen Wohnort Leipzig mit Wien zu vertauschen.[130] Die Zeitschrift, die nie andere als musikalische Interessen berührt hat, ist seit ihrem Entstehen (1834) in der Monarchie von höchster Behörde erlaubt und vielfach gelesen. Er sucht um die Erlaubniß nach, daß sie vom 1. Januar 1839 (oder vom 10. Band an), in Wien erscheinen dürfe. Ueber seine sonstigen Verhältnisse wird er alle erforderlichen Ausweise beibringen. Geschäfte halten ihn ab, eher als bis Mitte October selbst nach Wien kommen zu können, daher er schon jetzt sein Gesuch schriftlich einreicht, und um Berücksichtigung bittet.

(Dies Alles mit der gehörigen Gehorsamkeit.)


»Componiren kann ich besser, he? Nun nochmals Dank für Ihren lieben Brief. Vom Tagebuch hätte ich gern die Fortsetzung. Ihre Briefe habe ich sämmtlich richtig empfangen. Die Berichte über Liszt waren mir zu alt geworden, und im Anfang, da ich sie empfing, war nicht gleich Platz zum Einrücken. Was ist denn das police musicale? Wegen der Lieder müssen Sie einige Nachsicht mit uns haben; es liegen immer wenigstens gegen neunzig Hefte zum Recensiren da, so viel Lorenz auch abmacht. Bald sehen wir uns. Ich rauche viel Cigarren und sehe ziemlich roth. Wie viel kostet ein anständig Logis für ein Jahr? Womöglich eine Treppe? 100 bis 120 Thaler? Bitte, stehen Sie dem Fremdling bei! Adieu.«


Gleich nach Empfang der Antwort auf diesen Brief, folgte ein zweiter, die Uebersiedelung nach Wien betreffend:


Leipzig, den 25. August 1838.


Meinen innigen Dank für Ihren schönen Brief, der mir so viel Licht giebt; zwar giebt es noch Berge bis zu Ihnen und nach Wien; indeß muß ich darüber, »heitern Sinn und reine Zwecke – nun man kömmt wohl eine Strecke« sagt Göthe. Bleiben Sie mir nur treu und gewogen.

Meine Abreise von hier hängt nur allein von den Empfehlungsbriefen des Fürsten Schönburg an Metternich und Sedlnytzky ab, ohne welche es thöricht wäre die Reise zu unternehmen. Erhalte ich sie, so geht es den 22. September von hier fort. Nun hab ich aber Angst, daß am Ende trotz der Empfehlungen die Zeitschrift nicht vom 1. Januar an in Wien erscheinen könnte. Es wäre mir das höchst traurig, einmal der verlorenen Zeit halber, mit der ich geizen muß, dann der Rückreise halber, und daß ich dann noch einige Monate in Leipzig bleiben müßte, da die Zeitschrift bis zum Juni 1839 ohnmöglich[131] ohne mein Hiersein gedeihen könnte. Sie geben mir einige Hoffnung, daß ich bis Januar im Reinen sein könnte; hegen Sie aber jetzt, wo Sie vielleicht die Sache wiederholt überlegt haben, starken Zweifel, daß ich es bis Schluß dieses Jahres durchsetzen könnte, so schreiben Sie mir aufrichtig, da ich dann erst im März von hier fort will. Erwägen Sie auch, daß die Zeitschrift schon Anfang December in Wien gedruckt, Mitte des Monats December verschickt werden müßte! Es bleiben mir also zu den Verhandlungen der October und November übrig. Wird es also möglich sein, in acht Wochen mit der Censur im Klaren zu sein?

Ihre freundlichen Rathschläge wegen der Empfehlungen von hiesigen Behörden habe ich im Augenblick befolgt. Ich erhalte außer einem gewöhnlichen polizeilichen Zeugniß eine besondere Empfehlung des Magistrates. Dem österreichischen Consul hier, an den doch am ersten von Wien aus berichtet wird, lasse ich mich in diesen Tagen durch Mendelssohn vorstellen, der ihn genauer kennt (er ist Musikfreund – der Consul). Statt der Creditbriefe bring ich lieber gleich baares Geld mit. Ein Vorweis von 1000 Thalern genügt wohl? Wann nicht, so bring ich hypothekarische Zeugnisse des Magistrates über verliehene Summen. Schreiben Sie mir ja darüber!

Ihre Einladung, bei Ihnen zu wohnen, nehme ich mit herzlichem Dank an, sobald ich allein komme. Es ist nämlich möglich, daß mein Verleger Friese (ein sehr lieber bescheidener Mann), mit mir reist, um das Geschäftliche schnell in Ordnung zu bringen; da könnte ich mich doch nicht gut von ihm trennen, eben so wenig Ihnen aber zumuthen, uns beide zu beherbergen.

Meinen Sie aber, daß Friesen's Mitkommen überhaupt noch von wenigem Nutzen für die Zeitschrift sein dürfte, (im Falle nämlich die Zeitschrift nicht mit Januar 39 anfangen könnte), so schreiben Sie mir darüber Ihre Herzensmeinung. Mir wäre es natürlich sehr lieb, machte Friese Alles selbst mit einem Commissionair dort ab, da ich mich hierauf nicht verstehe. Ich dachte neulich an ***, der vielleicht später ganz Verleger werden könnte. Hat er Mittel? Kennen Sie ihn? Oder Artaria?

Lewy kommt in diesen Tagen hier an. Er soll ein gescheidter Mann sein. Schreiben Sie mir über ihn! Er hat davon gesprochen, selbst eine musikalische Zeitung in Wien zu gründen, auch geäußert, mich zu diesem Zweck nach Wien einzuladen. Compagnieschaft macht meist banquerott. Indeß werde ich immer mit Dank seinen Rath anhören. Mit meiner[132] Redaction in Wien sollen Sie zufrieden sein. Die Localsachen werde ich aber mehr en gros (in Briefen etc.) behandeln. Doch über Alles dieses mündlich.

Jetzt, mein lieber Freund, schreiben Sie mir nur noch einmal womöglich bis achten September, worauf Sie dann meinen festen Entschluß, die Angabe meiner Abreise, über Alles wie weit ich vorgerückt bin bis dahin, auf das Genaueste erfahren werden. Was Sie mir jetzt thun, thun Sie mir nicht für den Augenblick, sondern für das Glück meines ganzen Lebens. Sie schreiben von mystischen Andeutungen; auch darüber wird Auge gegen Auge am deutlichsten sprechen. Sie sind herzlich gegrüßt!

Wann reist Thalberg von Wien ab? Mit Ihrem Rath des Incognito stimme ich ganz überein. Wenn es irgend möglich ist.

Becker schreibt mir mit einem Gruß für Sie, daß er eine Abschrift des Bach'schen Stückes so eben an Hrn. Fuchs absende, der sie Ihnen dann zu Ihrer Benutzung überlassen werde. Das Orgelarchiv ist längst besorgt durch..... (unleserlich) u. M. Die fehlenden Nummern der Zeitschrift bring' ich selbst mit. Den beiliegenden Brief an Vesque103 besorgen Sie mir wohl rasch. Bennett kommt wahrscheinlich im December nach; er zieht in die Stube, die ich zu Michaelis verlasse. An dem werden Sie Ihre Lust haben!

Noch Eines! Wie hoch wohnen Sie! Ich bekomme an hohen Stellen Schwindel und Ueblichkeiten, und kann mich in hohen Stocks nicht lange aufhalten.104

Vesque weiß von meinem Plan. Könnte er nicht vielleicht wie gelegentlich dem Grafen Sedlnytzky von mir und meinem Vorhaben sprechen? Sprechen Sie ein Wort mit ihm darüber; bitten Sie ihn.

Daß Sie mir, mein Theurer, Alles recht geheim halten, die mystischen Andeutungen namentlich, und auch All das Andre, darauf glaub ich mich nach Ihrem ganzen schönen Thun für mich wohl verlassen zu können.


In Dank und Liebe

Ihr

S.


[133] Furcht.

Sedlnytzky wird doch im October auch in Wien sein?

Nachschrift. Zum Briefe an Vesque finde ich heute keine Zeit, daher ich diesen allein abgehen lasse.

Glauben Sie wirklich, daß sich Daslinger den Verlag der Zeitschrift entgehen lassen wird?


Ehe Schumann, wie man aus den vorstehend mitgetheilten Briefen ersieht, die lange vorbereitete Reise nach Wien antreten konnte, gab sein Freund Becker ihm die Absicht zu erkennen, nach Leipzig kommen zu wollen, um zwischen unserm Meister und Wieck, deren ganz entgegengesetzte Wünsche in der schwebenden Familienfrage allmählig zu einer bedenklichen Verstimmung führen mußte, womöglich eine Verständigung anzubahnen. Im Hinblick hierauf schreibt Schumann an Becker:


Leipzig, den 6. August 1838.


Mein theurer Freund,


Ich freue mich und freue mich nicht, daß Sie kommen. Die Gründe können Sie errathen. Zwischen W. und mir ist es so zu sagen aus, – – – – – dazu hat er den Kopf dermaßen verloren, ist so unangenehm gegen Alle, wie ich von Allen höre, daß Sie einen schlimmen Stand haben werden, da er ohnehin mißtrauisch gegen Sie ist – Sie Guter Lieber, der mich wieder dieser Herrlichen verbunden hat. Und doch möchte ich Sie so gern sprechen, vielleicht zum letzten mal. Wo sollte ich anfangen Ihnen zu erzählen, was ich Alles vorhabe, und was ich dem Papier nicht anvertrauen mag. Nun überlegen Sie sich es, ob Ihr Kommen gut ist, da Sie sich unsern zerrissenen Kreisen nun einmal nicht entziehen können. Vielleicht daß Sie zum zweitenmal die versöhnende Hand wären. Doch glaub' ich es nicht. – – – – – Würden Sie bei W. wohnen wollen? Gern böte ich Ihnen meine Wohnung an; doch kennen Sie ihre Beschränktheit. Wie es komme, mich finden Sie jedenfalls, der Sie von Herzen liebt und Ihnen eine Menge Musik vorspielen will, und Alles will, was Sie sonst wünschen; das wissen Sie. Schreiben Sie mir von Dresden aus! Clara ist noch immer dort. Tausend Grüße

Ihr S.

Diesen Brief verwahren Sie wohl![134]


Man sieht, Schumann hatte aus naheliegenden Gründen kein rechtes Vertrauen für das Gelingen der Vermittelungsgedanken seines Freundes, und der Erfolg lehrte nur zu bald, daß sein Gefühl ein richtiges gewesen war. Die Situation blieb unverändert, und bedrängten Herzens trat Schumann Ende September desselben Jahres die Reise, unterwegs in Prag ein paar Tage verweilend, nach Wien an. Er that es in dem guten Glauben, dort nicht nur seine persönlichen Wünsche verwirklichen, sondern zugleich auch den öffentlichen Musikverhältnissen nützlich sein zu können. In dieser Ueberzeugung schrieb er kurz vorher noch (am 8. August) an Zuccalmaglio: »Manches Gute hoffe ich von dieser Uebersiedelung; neue Lebenskreise, neue Thätigkeit, andere Gedanken; Vieles glaube ich da wirken zu können, wo sie, mit Jetter'n zu sprechen, in der Confusion schwimmen wie die Fliegen in der Buttermilch.« Ueber sein dortiges mehrmonatliches Leben, so wie über das, was er in Bezug auf seine Pläne und Wünsche zu hoffen hatte, geben die beiden folgenden, an seine Verwandten in Zwickau gerichteten Briefe werthvolle Aufschlüsse105:


Wien, den 10. October 1838.


Meine Lieben,


Euch von Allem zu unterrichten, was sich seit unserer Trennung um mich und in mir begeben, habe ich im Augenblick noch nicht Ruhe genug. Gleich zwei Tage nach meiner Ankunft hier wurde ich durch so trübe Nachrichten aus L. erschreckt, daß sich mein Sinnen nur allein dahin richtete.106 – – – – – – – – – – – – – – So bin ich denn in meiner Unternehmung noch nicht weit vorgeschritten. Die Stadt ist so groß, daß man zu Allem die Hälfte Zeit mehr braucht. Aufgenommen hat man mich überall mit Freundlichkeit, auch der Polizeiminister, bei dem ich vorgestern Audienz hatte. Er sagte mir, daß meinem Hiersein gar nichts im Wege stünde, und gelegt werden könne, – sobald sich ein Oesterreichischer Verleger an die Spitze mitstelle.[135] Könnte ich diesen nicht finden, so würde es für mich als Ausländer Schwierigkeiten geben etc. Vor Allem möcht' ich den ersten Weg einschlagen und ihn dann wieder besuchen. So will ich denn mich an Haslinger wenden – heute oder Morgen zu ihm gehen. Welche kleinliche Parteien, Coterien etc. es hier giebt, glaubt Ihr kaum107, und festen Fuß zu fassen, gehört viel Schlangennatur dazu, von der, glaub' ich, wenig in mir ist.

Nun getrost! – Unsere große Hoffnung ist auf Fr. von Cibbini gestützt; sie kann Alles! Clara hat einen herrlichen Brief an sie geschrieben und ihr alles vertraut. Sie kommt aber erst bis zum 24. zurück.

Die wichtigsten Besuche hab' ich ziemlich alle abgethan. Thalberg ist auf dem Lande; Seyfried war sehr herzlich und erfreut. Am Besten werde ich mich bei Herrn v. Vesque und bei der Cavalcabo108, die Ihr Beide aus der Zeitung kennt, einwöhnen. Bei Vesque war ich vorgestern zum Diner; von solch seiner Küche hatte ich noch keinen Begriff. Bei der Cavalcabo traf ich den Erzbischoff Pyrkner, den berühmten Dichter; er hat einen klaren ausdrucksvollen Koof und flößt Ehrerbietung ein. Meine häufigsten Begleiter sind Fischhof und der junge Mozart. Wie viel hätte ich Euch noch zu schreiben über andere Bekanntschaften, und was ich Alles sonst gesehen und erfahren. Euch aber im Vertrauen es zu sagen; lange und allein möchte ich hier nicht leben; ernstere Menschen und Sachen werden hier wenig gesucht und wenig verstanden. Einen Ersatz giebt die schöne Umgebung. Gestern war ich auf dem Kirchhof, wo Beethoven und Schubert liegen. Denkt Euch, was ich auf Beethoven's Leichenstein fand: eine Feder, noch dazu eine aus Stahl. Das war mir ein gutes Zeichen; ich werde sie heilig aufbewahren.

Kurrers haben mich sehr lieb aufgenommen, wie alle Prager. Da wirst Du staunen, Therese, wenn Du das alte Prag siehst; es ist weit merkwürdiger als Wien in seiner äußeren Gestalt, Wien dagegen um[136] das Zehnfache lebhafter. Mit knapper Mühe hab' ich eine Stube in der Stadt gefunden, merkt es Euch, Schön Laternengasse Nr. 679 im ersten Stock, was nicht mehr kostet für 1 Monat als 22 Gulden C.-M. Für Fremde, die die Wege und Stege noch nicht verstehen, ist es fürchterlich theuer, wenigstens dreimal theurer als in Leipzig; bei mehr Kenntniß läßt sich aber ziemlich gut mit demselben Geld, als man in Leipzig braucht, auskommen. Der Tisch ist freilich ausgezeichnet. Cigarren hat mir Haslinger geschickt, die allerfeinsten, was mich sehr erquickt.

Nun lechze ich nach Nachrichten von Euch und von Clara. Einen Vertrauten hab' ich in so kurzer Zeit natürlich noch nicht finden können, und so zehre ich Alles in mich hinein. Ich könnte krank werden, wenn mir nicht so viel durch den Kopf ginge. Einen großen Genuß macht mir die ganz treffliche Oper, namentlich die Chöre und das Orchester. Davon haben wir in Leipzig keinen Begriff. Auch das Ballet würde Dich unterhalten. Im deutschen Schauspiel, bekanntlich das erste in Deutschland, war ich noch nicht, auch noch nicht in den kleinen Possentheatern. Ihr wißt wohl nicht, daß ich auch Serre's in Maxen109 besucht. Wie es da zugeht, ist auch nicht zu beschreiben; es fließt da Alles von Freude und Reichthum über; dann kann Jeder thun, was ihm eben gefällt; ich mochte gar nicht wieder fort. Etwas Gefahr ist bei so schönem sinnlichen Leben freilich immer. Eine Frau von Berge, die Clara ihre Mama nennt, eine prächtige, lustige gesunde Frau in den 30gern gefiel mir ganz besonders; auch die Majorin110 selbst, die voll Leben übersprudelt.

Clara ist hier wahrhaft vergöttert worden; wo ich hinhöre, sagt man mir's und spricht in den liebendsten Ausdrücken von ihr. Ein aufmunternderes Auditorium kann man aber schwerlich in der Welt finden; es muntert viel zu viel auf; im Theater hört man mehr Händeklatschen als Musik. Das ist sehr lustig, ich ärgere mich zuweilen darüber.

Nun in den nächsten Wochen wird es sich mit unsern Angelegenheiten entscheiden. Kann ich nicht hier bleiben, so ist mein fester[137] Entschluß, ich gehe nach Paris oder London.111 Nach Leipzig komme ich nicht zurück. Doch will es Alles bedacht sein. Fürchte nicht, daß ich übereilt handele. Sobald ich Euch etwas Gewisses melden kann, schreibe ich es. Antwortet nur gleich.


In Liebe und Sehnsucht küß' ich Euch

Euer

R.


Schumann an seine Schwägerin Therese.


Wien, den 18. December, Mittwoch 1838.


Meine liebe Therese,


Bogen und Bücher hätt ich Dir vollzuschreiben und kann keine Zeit finden. Für heute sollst Du nur einen Gruß zum heiligen Abend bekommen. Du wirst ihn wohl so feiern wie ich – den Kopf in die Hände gestützt, an altes Vergangenes denkend – ich werde in Gedanken bei Dir sein mit meiner Klara, sehe Dich einen Baum anputzen – ja die schöne Zeit wird noch kommen, wo wir Drei uns bescheeren wollen, vielleicht eher als Jemand glaubt. – Daß Du in Leipzig warst, ist mir wie ein Traum; wie es Dir manchmal zu Muth gewesen sein mag, kann ich mir so gut denken. Klara war in Dresden; sie ist traurig, Dir so wenig antworten zu können. Verzeih ihr. Du weißt, daß sie die Liebe und Anhänglichkeit und Dankbarkeit selbst ist. Sie macht mich sehr glücklich in diesem materiellen Wiener Leben. Glaubst Du, Therese, hinge es von mir ab, morgen ginge ich nach Leipzig zurück. Leipzig ist gar kein so kleiner Ort, als ich gedacht. Hier klatschen und kleinstädtern sie trotz Zwickau. Namentlich muß ich mich als eine öffentliche Person von Ruf ungemein in Acht nehmen; sie lauschen mir jedes Wort ab. Auch zweifle ich, ob an der sogenannten Wiener Gutmüthigkeit mehr ist als ein bloßes freundliches Gesicht; ich selbst habe grade keine schlimmen Erfahrungen gemacht; aber ich muß oft Wunder von Andern und über Andere hören. Und nun namentlich Künstler suche ich vergebens, d.h. Künstler, die nicht allein eines oder zwei Instrumente passabel spielen, sondern ganze Menschen, die den Shakespeare und Jean Paul verstehen. Nun – der Schritt ist gethan und mußte gethan werden. Die Zeitung[138] verliert aber offenbar, wenn sie hier erscheinen muß. Das thut mir sehr weh. Hab ich nur erst meine Frau, dann will ich Alles vergessen, was mir die ganze Sache für Kummer und schlaflose Nächte gemacht. Viel könnte ich Dir erzählen von meinen großen Bekanntschaften, von der Kaiserin, die ich gesehen, und in die ich mich verliebt (wirklich eine Spanierin ist sie), vom Burgtheater, was wirklich ausgezeichnet, von Thalberg, mit dem ich gute Bekanntschaft geschlossen, von meiner Zeitung, zu der ich noch immer nicht die Concession habe, so daß sie noch ein halbes Jahr in Leipzig erscheinen muß, – und daß ich mich oft sehr wohl befinde, aber noch viel öfters zum Erschießen melancholisch, und daß die Novello112 Braut ist mit einem meiner liebsten Freunde, was mich herzinnig gefreut hat – Dies Alles sollte ich Dir in Länge auseinandersetzen. Aber ich weiß nicht, wie hier die Tage hinfliegen; (heute sind es schon 12 Wochen daß ich hier bin) und die Poststunde, hier um vier Uhr, ist schon wieder da. Also nur noch das Wichtigste. Klara geht Anfang Januar nach Paris und später wahrscheinlich nach London. Da wären wir denn in ziemlicher Entfernung von einander. Manchmal ertrag ich es kaum. Aber Du weißt den Grund; sie will sich noch verdienen, und wir haben's nöthig. Beschütze sie denn der gute Gott, dies gute treue Mädchen. Ich gehe vielleicht im Frühling auf einen Monat nach Salzburg, vielleicht komme ich auch nach Leipzig, wenn es nothwendig wäre (der Zeitung halber, wegen der ich mit Gerold und Friese zusammen conversiren muß). Jedenfalls bleiben wir die ersten Jahre in Wien, wenn man uns keine Schwierigkeiten in den Weg legt. Am Ende muß ich gar Oesterreichischer Bürger werden. Geld hier zu verdienen, ist nicht schwer; sie brauchen gescheute Leute. Also es wird schon gut mit uns gehen. Habe nur keine Angst, meine liebe Therese. – Hat Euch Laurentius nicht eine Nummer des Humorist mitgebracht, wo ein Aufsatz von Lyser über mich darin stand; ich gab ihn Laurentius für Euch mit. Was macht Eduard? Er soll mir doch gleich schreiben. Kann er mir vielleicht eine Anweisung von 25–35 Thalern mitschicken, so wäre ich sehr froh darüber. So wenig verschwenderisch ich lebe, so muß ich doch überall anständig erscheinen, und das hat mich im Anfang, wo ich die wohlfeilen Quellen noch nicht so kannte, doch sehr viel Geld gekostet. Auch habe ich meinen neuen Flügel, den ich mir gekauft, bis Mitte Januar zu zahlen versprochen, und ich weiß[139] nicht, wo Alles hernehmen, da ich meine Staatspapiere, die ich für K. bestimmt, nur mit großem Schmerz einlösen würde. Also kann Eduard entbehren, so soll er mir es zur Liebe thun. Karl hat ja seine..... (unleserlich) verkauft? Ich las es in einer öffentlichen Zeitung. Schreibe mir darüber, und überhaupt über Alles und so bald als möglich. – Es die höchste Zeit zum Schluß, damit Du den Brief zum Christ-Abend bekömmst. Also küsse ich Dich herzlich nur noch.

Bleib mir so gut wie ich Dir. Von ganzem Herzen


Euer Robert.


Aus den beiden letzten Briefen ergiebt sich, daß Schumann's illusorische Vorstellungen von Wien geschwunden waren, nachdem er die dortigen Verhältnisse aus unmittelbarer Anschauung hatte kennen lernen. Obschon ihn die dortige musikalische Atmosphäre nicht anmuthete, war er aber doch sehr geneigt, seinen Wohnsitz für die Folge in der Kaiserstadt zu nehmen, um die lang ersehnte Verbindung mit Clara Wieck zu ermöglichen. Seinen Wünschen und Plänen stellten sich indessen unübersteigliche Hindernisse in den Weg, so daß ihm schließlich ebensowohl die Nutzlosigkeit seiner Bemühungen, wie auch die Nothwendigkeit klar wurde, den Gedanken an die beabsichtigte Niederlassung in Wien aufgeben zu müssen. Sein Blick war natürlich sogleich wieder auf Leipzig gerichtet, und um sich dort eine Wohnung im Voraus zu sichern, schrieb er den 10. März 1839 an seine ehemalige Wirthin:


Meine liebe Madame Devrient,


Wer an der Klingel zieht und wieder eingelassen sein will in dem Haus, wo es ihm so gut ging, der bin ich. Wollen Sie mich wieder vom 1. April auf mehrere Monate, so bitte ich, schreiben Sie mir schnell einige Worte, und hoffe ich, freundlich bejahende. Jedenfalls werde ich Sie und Ihre Familie bald sehen und sprechen wir dann das Andere mündlich von


Die Madonna von Raphaël

darf aber nicht fehlen?

Wie?

Ihrem

Sie herzlich verehrenden

R. Schumann.

Meine Adresse ist:

Schön Laternengasse Nr. 679

im 1. Stock.


Der vorstehend ausgesprochene Wunsch wurde erfüllt. Schumann traf Anfangs April wieder in seiner alten Wohnung ein, und mit[140] dem Verlassen Wien's war von einer Uebersiedelung dahin nicht mehr die Rede. Nur in späteren Lebensjahren stellte sich bei ihm gelegentlich der Wunsch ein, in Wien leben zu können. Wenigstens sprach er bisweilen mit sichtlichem Behagen davon. So äußerte er ganz im Widerspruch zu früheren Kundgebungen einmal in Düsseldorf gegen mich, daß Wien noch immer der Ort seiner Sehnsucht geblieben sei. Es sei doch die allermusikalischste Stadt, die es überhaupt gebe; aber um dies behaupten zu können, müsse man wenigstens ein halbes Jahr dort gelebt haben.

Wie wenig auch Schumann durch seinen Wiener Aufenthalt für sich selbst erreicht hatte, so wurde derselbe doch für die musikalische Welt ergiebig. Er besuchte Franz Schubert's Bruder, und fand bei diesem den reichen künstlerischen Nachlaß des jung verstorbenen Meisters, den er so sehr liebte. Mit der ihm eigenen rühmenswerthen Begeisterung für Alles, was ihn sympathisch berührte, war er sogleich thätig für die Herausgabe mehrerer Schubert'scher Manuscripte. Die C-dur Symphonie sandte er dagegen an Mendelssohn nach Leipzig, welcher sie in einem Abonnementconcerte des Gewandhauses am 12. December 1839 zu Gehör brachte. Wahrscheinlich war dies die erste öffentliche Aufführung, welche dem bedeutenden Werke überhaupt zu Theil ward. Nach der ersten Probe zu derselben schrieb Schumann an seinen Freiberger Freund Becker: »Heute hörte ich in der Probe Einiges aus der Symphonie von Franz Schubert – darin gingen alle Ideale meines Lebens auf – es ist das Größeste, was in der Instrumentalmusik nach Beethoven geschrieben worden ist; selbst Spohr und Mendelssohn nicht ausgenommen!«

Nachdem Schumann sich wieder in Leipzig niedergelassen hatte, bot er Alles auf um sich dort den häuslichen Herd zu gründen, welchen er vergeblich in Wien gesucht hatte. Dies wurde ihm sehr erschwert durch den fortgesetzten Widerstand, welchen Fr. Wieck den berechtigten Wünschen der Verlobten entgegensetzte.

Fr. Wieck war ein Mann von mannichfachen nicht zu unterschätzenden Eigenschaften; allein sein leicht erregbarer Charakter führte ihn mitunter bis zu heftigen Entäußerungen, und in diesem Fall sogar bis zu einem, in seinen Consequenzen nicht mehr zu billigenden, hier aber aus naheliegenden Gründen nicht näher zu erörternden Verhalten. Zuerst glaubte er die ganze Angelegenheit dadurch bei Seite schieben zu können, daß er Bedingungen stellte, die in der Hauptsache[141] eben so unannehmbar wie unerfüllbar waren. Als sich dadurch nichts erreichen ließ, versuchte er die Verbindung seiner Tochter mit Schumann zu verhindern. Nichts wurde verabsäumt, um ihn im Guten zur Ertheilung seiner väterlichen Zustimmung zu bewegen. Da diese aber nicht zu erlangen war, so blieb endlich kein anderer Ausweg für Schumann übrig, als eine Entscheidung seines Geschicks durch richterlichen Spruch herbeizuführen. Fr. Wieck hatte sich nun vor der zuständigen juristischen Behörde zu verantworten. Die Gründe, durch welche er seine Handlungsweise zu motiviren suchte, wurden bis auf einen einzigen für unerheblich erklärt. Und wie unhaltbar auch dieser war, geht daraus hervor, daß Fr. Wieck schließlich darauf verzichtete, den ihm auferlegten Beweis für die Richtigkeit desselben zu führen.

Wie sehr unser Meister unter diesen Verhältnissen litt, ist bei seinem zartfühlenden Wesen nur zu begreiflich. Vielfach reflectirt sich dies in seinen, aus jener bewegten Zeit herrührenden Briefen. So schreibt er u.a. seinem Freunde Becker, mit dem er inzwischen das vertrauliche »Du« gewechselt, am 6. Juli 1839: »Ein Jahr ist beinahe vergangen, daß Du nichts Direktes von mir erfahren hast; immer wartete ich bis auf einen entscheidenden Augenblick. – Dieser ist nun gekommen – wir haben den traurigen Schritt thun und die Sache beim Appellationsgericht anhängig machen müssen. – – – ich glaube kaum die Entscheidung des Appellationsgerichtes zu erleben. – – – Mein Kummer ist erschrecklich«; und kurz darauf am 18. Juli: »Mir thun jetzt Freunde Noth, die aufrichtig an mir Theil nehmen, und ohne Falsch sind. Oft glaub ich zu unterliegen. Aber es muß durchgekämpft werden.« Ferner am 4. August: »Die Unruhe und Spannung, in der ich lebe seit einigen Wochen schon, kann ich Dir nicht beschreiben; doch muß Alles überwunden werden um Klara's willen. An eine Ausgleichung auf friedlichem Wege ist nicht mehr zu denken.« Und endlich unterm 6. December 1839: Die Sache drückt mich fast zu Boden; doch denke ich, das Schlimmste ist ja überstanden, und daß wir zu Ostern beieinander sind. Dann will ich wieder fröhlich arbeiten. Außer einem Romanzencyklus113 hab' ich nichts vollenden können, aber Unzähliges angefangen.

Aus dieser letzten brieflichen Aeußerung Schumann's geht hervor, daß die heftigen Gemüthsbewegungen, welche im Gefolge der unvermeidlich[142] gewordenen gerichtlichen Procedur waren, sogar seine schöpferische Thätigkeit beeinträchtigten.

Schumann sprach die Hoffnung aus, mit seiner Clara bis zu Ostern 1840 vereint zu sein. Allein bei dem damaligen umständlichen Gerichtsverfahren zog sich die definitive Entscheidung der schwebenden Angelegenheit bis zum Sommer 1840 hin, da erst am 1. August d. J. das mit Sicherheit erwartete rechtskräftige Erkenntniß des Leipziger Appellationsgerichtes zu Gunsten der Verlobten erlassen wurde. Die gesetzliche Behörde supplirte, wie hier gleich mitgetheilt sei, den verweigerten väterlichen Consens, und so stand der ersehnten ehelichen Verbindung Schumann's, welche sechs Wochen später erfolgte, nichts mehr im Wege.

Clara Wieck hielt sich kurz vor diesem bedeutungsvollen Zeitabschnitt gerade besuchsweise im thüring'schen Bade Liebenstein bei einer. Freundin E. L. auf. Von dort nach Leipzig über Weimar, um hier ein Conzert zu geben, zurückkehrend, trafen sich die Liebenden in letztgenannter Stadt im Hause des Musikdirektors Montag. Schumann erschien unangemeldet, und Jubel, Wonne und Entzücken nicht allein für die zunächst Betheiligten, sondern auch wohlthuendste Erhebung für einige, gerade in Weimar anwesende Freunde war damit verbunden. Aus diesen wonnigen Tagen rührt folgendes kleine Billet von Schumann's Hand her, dessen wenige Worte seine freudig beseelte Stimmung durchblicken lassen:


Weimar, den 6. September 1840.


Mein lieber Becker,


Ich hab Klara hier überrascht, die gestern hier Conzert gegeben, ihr letztes hoffentlich als Jungfrau. Nun lassen wir uns auch nimmer. Es bleibt noch beim nächsten Sonnabend; wir lassen uns schon früh (um 9 Uhr schon) in Schönfeld trauen, und erwarten Dich ganz gewiß, womöglich ein paar Tage früher.

In herzlichster Liebe grüßt Dich

Klara und Dein

glücklichster Freund R.


Die lang ersehnte Verbindung fand am 12. September in der Kirche zu Schönfeld114, einem Leipzig nahegelegenen Dorfe durch[143] Priesterhand statt. Von hier an begann nun für Schumann, da er sich nächst dem Berufe völlig seinem ehelichen Leben widmete, welchem im Laufe der Jahre acht Kinder115 entsprossen, ein noch stilleres beschauliches Leben als vorher; nur ab und zu wurde dasselbe durch Kunst- oder Erholungsreisen unterbrochen.


Nachträglich sind hier noch die, im Jahre 1838 vor der Wiener Reise geschriebenen Compositionen zu nennen. Sie bestehen in den Novelletten, vier Hefte (op. 21116), in den Kinderscenen (op. 15) und in der Kreisleriana (op. 16). Diese drei Werke bieten ebensoviel Interesse in musikalischer, wie in psychologischer Hinsicht dar.

Die Novelletten verdanken ihre Entstehung offenbar besonderen Erlebnissen, dies geht nicht allein aus dem Titel, sondern auch aus einer bereits citirten brieflichen Aeußerung Schumann's gegen Dorn hervor, nach welcher die Novelletten zu denjenigen Compositionen gehören, »die Clara veranlaßt hat«. Nicht minder aber deutet der Inhalt dieses Werkes auf Seelenzustände eines Menschen, der liebend bald hofft, bald zweifelt, bald aufjubelt, bald schmerzhaft zusammensinkt. So ist hier die Scala vom Melancholischen bis zum Heitern, Hellen, Kräftigen durchschritten.

Die Novelletten, den Lied und Rondoformen angehörend, möchten ihrem Gehalte nach in eine Linie mit den Phantasiestücken (op. 12) zu stellen sein; sie werden aber den formellen Forderungen weniger gerecht als diese, da sie im Allgemeinen nicht so concis und plastisch gestaltet sind. Dennoch interessiren sie in ungewöhnlichem Maße durch die Mannichfaltigkeit der ihnen innewohnenden Stimmungen, so wie durch die ebenso geistreiche wie originelle Art der Darstellung.

Als eine gesteigerte Fortsetzung der Novelletten könnte der[144] Cyklus der Kreisleriana117 betrachtet werden, deren einzelne Nummern gleichfalls die liedformartige Bildweise erkennen lassen. Dies Werk ist in jeder Beziehung bedeutender, nicht nur als op. 21, sondern auch als alles Andere was vorhergegangen. Ueberall offenbart sich eine, bis zum Ueberschwänglichen ausgreifende Energie der Leidenschaft, wie sie überhaupt nur in wenigen Werken Schumann's zu finden ist. Dazu gesellt sich Reichthum der Phantasie, Tiefe der Empfindung und treffliche Beherrschung des Stofflichen.

Die Bezeichnung »Kreisleriana« ist offenbar den Hoffmann'schen Schriften entlehnt. Wie in diesen die Leiden des Kapellmeisters Kreisler mit dem Worte geschildert werden, so führt Schumann in seinem Werke die mannichfachen Regungen des Liebesweh's, welches damals seine Seele durchzitterte, auf den musikalischen Ausdruck zurück. Er hätte sein Werk übrigens ebensogut »Wertheriana« oder auch »Schumaniana« betiteln können. Es scheint aber, daß das Anlehnen an die Figur des Kreisler ihm passender gewesen ist, weil man sie sich am Clavier zu denken hat. Was konnte Schumann hier zum Ausdruck bringen wollen, als die tiefe Gefühlsschwärmerei, von der er erfüllt war, jene schwermüthige, bald keusch verschleierte, bald leidenschaftlich durchbrechende Sehnsucht nach der Gemeinschaft mit seiner Liebe? Und er hat es gethan mit der Vollkraft des Genius. In keinem zweiten seiner Clavierwerke offenbart der Componist eine so reiche, phantasievolle Stimmungswelt, ein so poetisch gehobenes, gemüthvertieftes und geläutertes Schauen; nie ist er mehr Tondichter in des Wortes erhabenster Bedeutung gewesen, als hier.

Die Kinderscenen op. 15, welche ihrer Entstehung nach, wie das Compositionsverzeichniß Schumann's berichtet, zwischen die beiden eben genannten Werke fallen, sind poetische Rückblicke eines Erwachsenen in die Jugendzeit, nicht aber etwa Stücke für Kinder. Mit reinem, echt kindlichem Sinn, sind hier in einer Reihe von Tonbildern Zustände und Empfindungen aus der Kinderwelt musikalisch wiedergegeben, und es gehört in den meisten Fällen wohl nur ein geringer Grad von Einbildungskraft dazu, um dem Dichter zu folgen, der schließlich so zu sagen, einige schüchterne, nachsichterbittende Worte für seine[145] Lieblinge mehr vor sich hin flüstert, als spricht. Es zeugen die Kinderscenen von einer seltenen Feinheit und Sinnigkeit des Auffassungsvermögens für das Naive, Zarte; mit dem richtigsten poetischen Takte ist in denselben ein Ton angeschlagen, der noch nachhallen wird, wenn schon lange der Flugsand der Zeit all' die Erzeugnisse bedeckt hat, welche im Gefolge dieser Erscheinung aufgetaucht sind. Die eigentliche Bedeutung dieses Werkes wurde Anfangs von der öffentlichen Kritik theilweise verkannt, wie aus folgender, ziemlich erregter brieflicher Mittheilung Schumann's an Dorn118 hervorgeht: »Ungeschickteres und Bornirteres ist mir aber nicht leicht vorgekommen, als es Rellstab über meine Kinderscenen geschrieben. Der meint wohl, ich stelle mir ein schreiendes Kind hin und suche die Töne danach. Umgekehrt ist es. Doch läugne ich nicht, daß mir einige Kinderköpfe vorschwebten beim Componiren; die Ueberschriften entstanden aber natürlich später, und sind eigentlich weiter nichts als feinere Fingerzeige für Vortrag und Auffassung. Rellstab sieht aber wahrhaftig nicht viel über das ABC hinaus manchmal und will nur Akkorde.«

Die Kinderscenen, welche durchaus der Liedform angehören, haben weiteste Verbreitung gefunden, und zählen zu denjenigen Werken Schumann's, welche seinen Ruf als Tonsetzer zuerst in den großen musikalischen Kreisen begründeten. Es sind Meisterstücke, in denen Form und Inhalt einander vollkommen decken.

Während des Wiener Aufenthaltes entstanden zunächst in den Monaten October, November und December 1838: Scherzo, Gigue und Romanze (op. 32), – die in diesem Hefte befindliche Fughette wurde erst im folgenden Jahre componirt, – der letzte Satz zur G-moll-Sonate (op. 22)119 und mehrere kleine Stücke, namentlich Nr. 2, 4 und 5 der in op. Nr. 99 mitabgedruckten Albumblätter. Ferner schrieb Schumann in Wien während der Monate Januar, Februar und März 1839: Arabeske (op. 18), Blumenstück (op. 19), Humoreske (op. 20)120, die ersten Sätze des Faschingschwanges aus Wien (op. 26), Nachtstücke (op. 23) und einige kleine Stücke, von[146] denen die in op. 99 enthaltenen Tonsätze »Drei Stücklein« und »Präludium«, so wie auch Nr. 19 in op. 124 namhaft zu machen sind. Endlich wurden noch Entwürfe zu einem Concertsatz für Clavier mit Orchester und zu einem Allegro inC-moll, gleichfalls für Clavier, gemacht, die jedoch, wie es scheint, nicht zur Ausführung kamen.

Nach der Rückkehr von Wien entstanden während des Jahres 1839 nur noch: Fughette in G-moll (enthalten in op. 32) der letzte Satz des Faschingschwanges (op. 26), und drei Romanzen für Clavier (op. 23).

Von allen diesen Compositionen fordert allein der Faschingschwang aus Wien zu einigen Bemerkungen auf; er ist, wie schon der Titel besagt, auf Veranlassung des Wiener Carnevals entstanden, und auch wohl größtentheils während desselben geschrieben worden. Nr. I bietet in seinen rasch wechselnden und contrastirenden, meist liedartigen Tonsätzchen, von denen das erste mehrmals wiederkehrt, gleichsam ein Bild des bunt durcheinanderfahrenden Faschinglebens. Hat Schumann, wie sich nicht bezweifeln läßt dies wirklich darstellen wollen, so ist es ihm trefflich gelungen. Von einer formellen Einheit kann bei einer solchen Idee kaum die Rede sein, und auf diese muß man allerdings bei dem ersten Stücke von vornherein Verzicht leisten. Anziehend bleiben aber trotzdem die einzelnen, mosaikartig nebeneinander gestellten Sätze durch die ihnen eigene Charakteristik. Im Treiben und Wogen des Maskenspieles blickt auch (Seite 7) gar humoristisch die Marseillaise hindurch. Ja, Schumann that sich noch später auf das versteckte Anklingen derselben etwas zu Gute, weil sie, wie er sagte, damals gerade in Wien verboten gewesen sei. Als Nr. II folgt eine träumerische aber kurze und unausgeführte Romanze, an welche sich ein muthwilliges, ziemlich ausgelassenes Scherzino Nr. III, anschließt. Nach einem sehr schwärmerisch-innigen Intermezzo, Nr. IV, welches vielleicht das werthvollste Stück des Werkes ist, folgt dann eine Finale Nr. V, in der gewöhnlichen Sonatenform gehalten. Die vier letzten Sätze lassen, mit Ausnahme des Scherzino's, kaum eine Beziehung zum Faschingschwank erkennen. Vielleicht hat Schumann sie unwillkürlich hinzugefügt, um mit der Formlosigkeit des ersten Stückes einigermaßen zu versöhnen. –


Bevor in der Darstellung weiter vorgeschritten wird, scheint es um so angemessener, einen allgemeinen Rückblick auf die bis jetzt von[147] Schumann zurückgelegte Bahn zu werfen, als er fortan, wie sich sogleich zeigen wird, andern Gebieten des Schaffens seine Thätigkeit zuwendete, während die Claviercomposition ihn bisher fast ausschließlich in Anspruch genommen hatte. Dies einseitige Beharren in ein und derselben Richtung ist ein charakteristischer Zug Schumann's, welcher mehrmals bei ihm wiederkehrt; er deutet auf das Bestreben hin, sich in einer bestimmten Sphäre der Kunst heimisch zu machen, sie beherrschen zu lernen.

Schumann nahm, wie man gesehen hat, als schaffender Musiker leinen Ausgangspunkt vom Pianoforte; dies ist aus doppelten Gründen erklärlich. Einmal war es das einzige Instrument, auf dem er von Jugend an sich hatte bewegen und aussprechen lernen, mithin das einzige, welches er genau kannte; dann auch mußte der ursprüngliche Entschluß, sich ganz der virtuosen Laufbahn zu widmen121, ihm Veranlassung geben, zunächst für dieses Instrument zu schreiben. Das inzwischen aufgenommene Compositionsstudium, welches allmählig ein reiferes Urtheil über die Unzulänglichkeit seiner Erstlingswerke in ihm erzeugen mußte, konnte nur dazu beitragen, ihn für die Dauer an die Claviercomposition zu fesseln. Sein echt künstlerisches Streben mußte in ihm nothwendig das Verlangen erwecken, erst Leistungen von hervorragender Bedeutung in einem Fache hingestellt zu haben, ehe er sich an ein anderes wagte. Rechnet man hierzu, daß Schumann später durch seine ernsten und tiefeingreifenden Beziehungen zu Clara Wieck eine direkte Veranlassung hatte, für das Pianoforte zu componiren, so erklärt sich aus alledem die Erscheinung der Stabilität, welche Schumann's Wirken als schaffender Musiker während der ersten neun Jahre kennzeichnet.

Die Bahn, welche Schumann während dieser Periode durchschritten, bietet eine höchst eigenthümliche Erscheinung im Allgemeinen dar, – eine Erscheinung, wie sie ehedem in der Geschichte der Musik noch nicht beobachtet worden ist. Sie gründet sich im Wesentlichen auf die Art der Entwickelung, welche im Vergleich zu dem normalen Bildungsgange gewissermaßen eine entgegengesetzte genannt werden muß. Während sich nämlich bei allen productiven Geistern der Kunst, deren Leben genauer bekannt worden, ein folgerechter, organischer Fortschritt und ein dem entsprechendes Schaffen vom knabenhaften[148] schöpferischen Versuche bis zur harmonisch ausgebildeten Meisterschaft verfolgen läßt; so arbeitet Schumann sich als musikalisch-productiver Geist aus einer schon reich entfalteten, aber nicht völlig beherrschten Ideenwelt, auf dem Wege allmähliger innerer Reinigung hindurch zu größerer Klarheit. Dies war eine nothwendige Folge seiner musikalisch unzureichenden und lückenhaften Erziehung. Eine normale Natur, in frühzeitiger Zucht und Schule erzogen, nach und nach vom Kleinen zum Großen, vom Einfachen zum Complicirten aufsteigend, braucht bloß den Schulstaub von den Füßen zu schütteln, um mit Freiheit und Leichtigkeit sich in der Bahn fortzubewegen, welche zur Meisterschaft führt. Schumann aber gebrach es, als er in einem schon vorgerückten Alter den Entschluß faßte, sich der Musik und insbesondere der Composition zu widmen, an allen den technischen Fertigkeiten und Kenntnissen, ohne die nun einmal jeder Tonsetzer der Willkür und dem Zufalle überlassen bleibt. Er war Anfangs ohne seine Schuld von einer tüchtigen, frühzeitigen musikalischen Durchbildung zurückgehalten worden, und weiterhin hatte ihn ein seltsames Vorurtheil lange nicht zum Entschluß kommen lassen, das Versäumte nachzuholen. In begeistertem Schaffensdrang fühlte er einzig nur das Bedürfniß, den reichen, mächtig überwallenden Inhalt seines Innern zu offenbaren, Neues und Eigenthümliches mit der Vollkraft des Genius auszusprechen, was ihm denn auch die Sympathie jugendlich-schwärmerischer Gemüther gewann. Allein bei ruhiger Betrachtung läßt sich doch nicht übersehen, daß Schumann trotz besten, edelsten Strebens bei seinen Erstlingswerken unbekümmert um Tradition, so wie um künstlerisches Maaß und Gesetz verfuhr. Es ist eben in ihnen jener klare Goldgrund, jene feste, sichere Basis zu vermissen, ohne die eine stetige, gedeihliche Fortentwickelung nicht ermöglicht werden kann. Wenn unser Meister dies nun auch weiterhin einsehen lernte, und nachträglich in richtiger Erkenntniß dessen was ihm nöthig war, noch ein ernstes Studium der Compositionslehre aufnahm, so konnte dieses unmöglich sogleich Früchte tragen, unmöglich eine nach musikalischer Seite hin ungenügende Jugendbildung sofort paralysiren. Mit unsäglicher Mühe mußte er suchen spät sich noch Das anzueignen, was man in den Kinderschuhen spielend lernt. Dies läßt sich deutlich an der Mehrzahl der bisher erwähnten Compositionen erkennen. Sie gleichen den aus der Tiefe der Erde emporgeschafften Erzen, welche nach Durchlaufung aller Reinigungsprozesse einen[149] nur mäßigen Ertrag an gediegenem, edlem Metall liefern. Und als ein solcher Ertrag sind von allen während der Jahre 1830–1839 entstandenen und bekannt gewordenen Compositionen, streng genommen, nur die Phantasiestücke (op. 12), die Kinderscenen (op. 15), die Kreisleriana (op. 16) und einige Sätze aus den Novelletten (op. 21) zu betrachten, so Bedeutendes und Schönes auch alle übrigen Werke im Einzelnen enthalten. In ihnen ist Form und Inhalt wesentlich Eins, und bei aller Originalität der Ideen, bei aller Eigenthümlichkeit der Ausführung bis in's Detail, findet sich hier eine so glückliche Mischung jener, Schumann eigenen Melodik, Harmonik und Rhythmik, daß der Genuß wenn man von ganz vereinzelten, bei so vielem Schönen freudig zu übersehenden Momenten abstrahirt, als ein ungetrübter erscheint. Alle übrigen näher beleuchteten Werke lassen hingegen mehr oder minder ein Mißverhältniß, entweder nach Seite des Melodischen, Harmonischen oder Rhythmischen erkennen. Das melodische Element findet sich, wie schon früher ausgesprochen wurde, Anfangs sehr spärlich und embryoneuartig. Erst nach und nach sieht man es zu festeren Gestaltungen von charakteristischem Gepräge sich entwickeln und bilden. Ungleich hervorstechender zeigen sich von Hause aus die harmonischen und rhythmischen Elemente, nicht selten aber ohne jene Beherrschung, in deren Gefolge erst Klarheit und Schönheit sind. Den harmonischen Combinationen fehlt öfters die organische Entfaltung, das eng und unzertrennlich Gesponnene folgerechter Modulation, wofür sprunghafte, unvermittelte und stechende, wenn auch oft interessante Akkordverbindungen Platz greifen; den rhythmischen Verhältnissen mangelt zuweilen klare, plastische Gestaltung. Daß die letzteren in ihren eigenthümlichen auf Beethoven zurückdeutenden Verrückungen und Verschränkungen ein höchst charakteristisches Moment der Schumann'schen Musik bilden, daß durch sie eine originelle, ganz und gar seinem Wesen entsprechende, schwebende und verschwimmende, oft reizvolle Bewegung hervorgebracht wird, muß man einerseits zugeben. Andererseits aber ist nicht zu verkennen, daß ihre Anwendung mitunter in zu ausschließlicher monotonieerzeugender Einseitigkeit erfolgt, und wo dies geschieht, entbehrt die Schumann'sche Musik nicht selten einer gewissen körperhaften Consistenz. Später, und zwar schon in den oben genannten Werken, die als ein höchst glückliches Resultat der bereits absolvirten schöpferischen Periode zu betrachten sind, wurde das zuerst überwiegende rhythmische Element mehr und mehr in die Gränzen des Maaßhaltens zurückgedrängt, und[150] einigte sich dann mit der gleichfalls abgeklärteren Melodik und Harmonik zu einem Ganzen.

Zwei Besonderheiten der Schumann'schen Musik sind hier noch zu berühren. Die eine betrifft speciell seine Claviercompositionen, die andere die Art seiner musikalischen Arbeit überhaupt, den Bau und die Durchführung eines Musikstückes im Allgemeinen nämlich. Im Hinblick auf die erstere ist zu bemerken, daß Schumann sich eine eigene, ausschließlich ihm angehörende Claviertechnik gebildet hat. Sie offenbart sich nicht allein in dem zur Anwendung gebrachten Figurenwesen, sondern ebensosehr im Gebrauch der weiten Akkordlagen und des Ueber- und Durcheinander der Hände. Daß hierin zuerst sich Chopin's Einwirkung bemerklich macht, ist zweifellos und nachweisbar; allein weiterhin geht doch Schumann, dem wahlverwandtschaftlichen Einflusse sich mehr und mehr entziehend, seinen eigenen Weg, und man kann allerdings von einer specifisch Schumann'schen Claviertechnik, wie von der anderer Meister sprechen. Die beste und sicherste Anschauung hierüber, verschafft man sich durch gründliches Studium und Vergleichung seiner Clavierwerke mit anderen für die technische Ausbildung dieses Instrumentes wichtigen Componisten.

Im zweiten der oben berührten Punkte erlaubt sich Schumann gleichfalls Abweichungen von dem Herkömmlichen. Selten aber findet sich in seinen Compositionen – es ist hier nur immer von den bereits betrachteten die Rede – das, was man unter dem Begriff »thematische Arbeit« versteht; jenes Verfahren nämlich, wodurch sich ein organisch gegliederter Auf- und Ausbau in stetiger Steigerung der Grundmotive bis zu einem Gipfelpunkt erzielen läßt, wie die Meisterwerke unserer Heroen zeigen. Schumann verfährt dagegen in den meisten Fällen anders. Er zerlegt seine Motive, die eigentlich häufig nur melodische Figuren sind, nicht weiter, um neue Gestaltungen dadurch ins Dasein zu rufen, wieder aufzubauen, zu erweitern, zu steigern, bis endlich die vielfältigen, zur Bildung des Ganzen erforderlichen Combinationen gewonnen sind; er läßt vielmehr meist den Grundgedanken in seiner ursprünglichen Gestalt, wie in verschiedenen modulatorischen Positionen kreislaufartig wiederkehren, gleichsam ihn durch mannichfache Regionen führend. Es ist, als ob man ein und dasselbe Bild durch verschiedenartig gefärbte Gläser sähe, wobei das Object sich immer gleich bleibt, und nur das Abweichende des Colorits einen Reiz ausübt. Nun ist gewiß, daß mit dieser Art der Gestaltung[151] bei dem kleineren Genre, in dem die Stimmungen vorherrschend sein mögen, Wirkungsvolles erreicht werden kann, wie es denn auch so häufig bei Schumann geschieht. Allein bei größeren Kunstformen, in die Schumann gleichfalls diese Manier hinübergetragen hat – es sei hier beispielsweise nur an gewisse Partien in seinen Streichquartetten erinnert, – dürfte sie sich schwerlich günstig erweisen. Man verlangt da mehr, als ein bloßes schönes, freies Spiel mit einer anmuthigen oder ausdrucksvollen melodischen Figur, deren modulatorisch aufgebaute Reprisen endlich Monotonie erzeugen; der Musiker zumal kann sich nicht ganz befriedigt fühlen. Daher machen auch die Tonstücke, in denen die thematische Arbeit nahezu ausgeschlossen bleibt, mehr den Eindruck einer geistvollen Improvisation am Clavier, als einer aus- und durchgeführten Composition, und gewiß ist hier die Gewohnheit Schumanns, bis op. 50, Alles an diesem Instrumente zu componiren122, nicht ganz ohne Einfluß auf die Gestaltung seiner Schöpfungen geblieben. –

1

Ueber die Gründung der Leipziger Musikschule s. neue Zeitschrift für Musik Bd. 19, S. 201.

2

Die Continuatio Annalium Lips. Vogelii. Tom. II. pag. 511. anno 1743, besagt, Folgendes: »Den 11. März wurde von 16 Personen, sowohl Adel als Bürgerlichen Standes das große Concert angeleget, wobei jede Person jährlich zur Erhaltung deßelben 20 Thlr., und zwar vierteljährlich 1 Louisd'or erlegen mußten, die Anzahl der Musicirenden waren gleichfallß 16 auserlesene Personen, und wurde solches erstlich in der Grimmischen Gaße bey dem Herrn Berg Rath Schwaben, nachgehends in 4 Wochen drauf, weil bei erstern der Platz zu enge bei Herr Gleditzschen dem Buchführer aufgeführet und gehalten.«

Und ferner pag. 565. anno 1744.

»Den 9. März wurde der Jahres Tag des großenmusicalischen Concerts mit einer Cantata, so HerrDohles componiret mit Trompeten und Pauken gefeiert.«

3

Der eigentliche Beginn der Gewandhausconcerte ist insofern in's Jahr 1781 zu verlegen, als sie von diesem Jahre ab erst im Gewandhause, von dem sich auch ihr Name herschreibt, gehalten wurden. S. Allg. mus. Zeitung, Jahrgang 33, S. 801.

4

Das erste Abonnementsconcert, welches Mendelssohn leitete, fand am 4. October 1835 statt.

5

Es genügt hierbei bloß an den Cantor aller Cantoren Johann Sebastian Bach zu erinnern.

6

Es ist der, jetzt in Hamburg lebende Componist Ludwig Meinardus.

7

Ueber dieselben s. die von Schumann mit Randglossen versehene Kritik in den Briefen vom Jahre 1833–1854 Nr. 1.

8

Der »Großvatertanz« spielt eine gewisse Rolle bei Schumann, ebenso die »Marseillaise«. Beide Weisen finden sich in seinen Werken mehrmals, die erstere namentlich in humoristischer Anwendung.

9

Eine Nummer der Papillons (Nr. 8) stand ursprünglich in D-moll. In dieser Tonart spielte er sie zuerst seinem Freunde Töpken in Heidelberg unter der Firma eines Schubert'schen Walzers vor, und freute sich, seine Autorschaft schalkhaft in Anspruch nehmend, hinterher ungemein über das Gelingen der Mystification.

10

S. Briefe von 1833–1854 Nr. 2.

11

Sicher waltet bei dieser Angabe ein Irrthum Schumann's ob. Als op. 7 existirt im Musikalienhandel die Tokkata (C-dur). Ein Allegro für Pianoforte ist dagegen als op. 8 erschienen, doch steht dies keineswegs in G-moll. Der einzig denkbare Fall wäre das Vorhandensein zweier Compositionen mit der Werkzahl 7. Davon weiß indeß Niemand etwas. So handelt es sich hier wohl um einen Schreibfehler Schumann's in seinem Notizbuche, der ihm selbst entgangen ist. Neuerdings ist von diesem Allegro eine neue Ausgabe erschienen.

12

Die Widmung galt Ernestinen v. Fricken. S. Briefe vom Jahr 1833–1854 Nr. 5.

13

S. Briefe vom Jahr 1833–1854 Nr. 1.

14

Chopin's Vater war ein geborner Franzose, seine Mutter eine Polin.

15

Dieselbe Nummer dieser Musikzeitung enthält gleichzeitig eine Kritik des Chopin'schen Werkes von einem Ungenannten aus der »guten alten Zeit«, die in jeder Hinsicht mit Schumann's Denkweise über die neue Erscheinung scharf contrastirt. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß Chopin Anfangs überhaupt vielen und heftigen Widerstand Seiten der Kritik fand.

16

Vergl. S. 18.

17

Nach Angabe Knorr's gehört in diese Zeit noch ein »Fandango«, welcher ungedruckt blieb. Die Existenz desselben wird durch folgende in Nr. 28, Jahrgang 34 der allgem. musikal. Zeitung enthaltene Anzeige bestätigt:

»Nächstens erscheint in meinem Verlage mit Eigenthumsrecht:

Robert Schumann, 6 Capricen von Paganini,

zu Studien für Pianofortespieler,

die sich mehrseitig bilden wollen,

eingerichtet, 2tes Werk.

Robert Schumann, Intermezzi per il Pianoforte

Opera 3.

Robert Schumann, Fandango, Rhapsodie pour le

Pianoforte Oeuv. 4.

Leipzig, den 1. Juli 1832.

Friedrich Hofmeister.«

18

Ehedem Stadtmusikus in Schneeberg.

19

Hier ist die Rede von einer in Rellstab's »Iris« Jahrgang 4 S. 3 enthaltenen Recension über Schumann's opus 3.

20

Die vollständige Symphonie kam nie zur Aufführung.

21

Ohne Zweifel bezüglich auf Wieck's Rückkehr von Schneeberg nach Leipzig ohne Schumann.

22

Fink war damals Redacteur der allgemeinen musikalischen Zeitung. Die erwähnte Recension bezieht sich auf die Herz'sche Claviercomposition op. 62. Weder die eine noch die andere will viel besagen, allein man sieht aus den obigen Aeußerungen über Fink schon die Gereiztheit Schumann's gegen die Leipziger Kritik, welche sich im folgenden Jahre durch die Gründung der neuen Zeitschrift für Musik Luft machte.

23

Es wurde indeß bis zum 12. Februar 1833 aufgeschoben und in demselben der erste Satz von Schumann's G-moll-Symphonie wiederholt aufgeführt.

24

Pathe von Schumann; vergl. S. 7.

25

Franz Brendel, welcher auch an dieser Nachtpartie Theil nahm, giebt einen etwas abweichenden Bericht über dieselbe in Nr. 12 des Bandes 48 der Neuen Zeitschrift für Musik. Ich vermag natürlich nicht zu entscheiden, auf welcher Seite hier die richtige Darstellung zu suchen ist, muß indeß bei meiner Mittheilung stehen bleiben, da sie von einem durchaus zuverlässigen Augenzeugen herrührt, an dessen Wahrheitsliebe und objektiver Beobachtungsweise nicht im mindesten zu zweifeln ist. Möglicherweise handelt es sich hier auch um zwei verschiedene Fakta.

26

In der Neuen Zeitschr. f. Musik Bd. 4, S. 134. S. auch Schumann's ges. Schriften, Ausg. I, II 29, und Ausg. II, I 210.

27

Meines Wissens haben diese Bearbeitungen der Paganini'schen Capricen bis jetzt noch nicht den Weg in die Conzertsäle Deutschlands gefunden.

28

op. 92.

29

Von einer Seite erhielt ich die Mittheilung, daß Schumann sich in dieser Nacht habe zum Fenster hinausstürzen wollen. Doch wird dieser Angabe von anderer Seite widersprochen.

30

Er war aus Hamburg, und obwohl taub, ein großer Verehrer der Tonkunst. Auch wurde er Mitarbeiter an der »Neuen Zeitschrift für Musik«.

31

Ueber Schunke finden sich Mittheilungen in der »Neuen Zeitschrift für Musik«, Jahrgang 1835 Nr. 36, S. 145 ff. und Bd. 4. S. 182.

32

Leipzig bei Georg Wigand, 1854.

33

Vergl. S. 81.

34

S. Briefe vom Jahr 1733–1854 Nr. 3.

35

Die Beiträge von Knorr haben die Chiffre 1, diejenigen Schunke's sind mit 3 unterzeichnet. Fr. Wieck schrieb unter seinem vollen Namen. Hiernach läßt sich controlliren, was die Genannten beisteuerten.

36

Ein vor Jahren in Frankfurt a. M. verstorbener, damals in München lebender Violinist.

37

Ein damaliger preußischer Beamter in Berlin.

38

Kammersänger in Rudolstadt.

39

Von ihm rühren die Compositionen zu Oberon in dem Wielandzimmer des Weimaraner Schlosses her; auch hat er das Verdienst auf die ursprüngliche Struktur der Wartburg hingewiesen, und so gewissermaßen zu der später unternommenen Restauration derselben Veranlassung gegeben zu haben. Simon wanderte 1849 nach Chili aus, wo er das Unglück hatte, von Wilden erschlagen zu werden.

40

Siehe Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 3.

41

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 4.

42

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 14.

43

Die Wahl dieser beiden Pseudonymen scheint keine zufällige oder willkürliche zu sein; wenigstens läßt der Name Eusebius eine Absichtlichkeit erkennen. Schumann giebt selbst den Fingerzeig dazu in dem ersten seiner jeanpaulisirenden »Schwärmbriefe an Chiara«, in dem es am Schlusse heißt: »Vergiß nicht, manchmal auf dem Kalender den 13. August nachzusehen, wo eine Aurora deinen Namen mit meinem verbindet.« In dem sächsischen Kalender führen aber die Tage des 12., 13. und 14. August die Namen Clara, Aurora, Eusebius. – In Florestan suchte Schumann die kräftige, leidenschaftliche, in Euseb dagegen die milde, träumerische Seite seines Gemüthes zu personificiren. –

44

Carl Banck schrieb sogar gelegentlich unter dem Namen Serpentinus. S. Neue Zeitschrift für Musik Bd. 4. S. 108, 130, 135 und 139.

45

Von glaubwürdiger Seite ist mir versichert worden, daß Schumann lange mit der Idee umgegangen sei, einen Roman »Die Davidsbündler« zu schreiben. Dieselbe kam aber wohl niemals zur Ausführung.

46

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 3.

47

Er starb als Pastor in Wickerstedt bei Jena, und war, ehe er mit Schumann in Verbindung trat, unter dem Namen K. Stein Mitarbeiter an der Cäcilia und Allgem. mus. Zeitung.

48

Ehedem Buchhändler in Leipzig.

49

Der Grund, welchen Schumann für seinen Rücktritt in einem Gespräch mit mir angab, ist für jetzt nicht mittheilbar.

50

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 4.

51

Sie starb am 15. October 1839; Schumann errichtete ihr ein Freundesdenkmal in seiner Zeitung.

S. Neue Zeitschrift für Musik, Band 11. S. 158 ff.

52

Henriette Voigt war eine Schüllerin Ludwig Berger's.

53

Wie sehr man Schumann's Schweigsamkeit und öfters räthselhaftes Wesen in dem ihm nahe befreundeten Voigt'schen Hause tolerirte, geht aus Folgendem hervor: Schumann trat eines Abends unangemeldet in's Zimmer, nickte freundlich, die Lippen in pfeifender Stellung, wie er gewöhnlich that, wenn ihm innerlich wohl war, legte den Hut ab, öffnete das Clavier, griff einige Accorde auf demselben, verschloß es wieder, und verschwand wie er gekommen, nur Adieu nickend, ohne ein einziges Wort gesprochen zu haben. Dies Alles war aber das Werk weniger Augenblicke.

54

Mit diesem Ludwig ist Schunke gemeint. Er hatte ein verzehrendes Brustleiden.

55

Nämlich Ernestine v. F., Henriette Voigt, und Ludwig Schunke.

56

Hiermit meinte Schumann offenbar die über den Schubert'schen Sehnsuchtswalzer im Jahre 1833 geschriebenen Variationen. (Vergl. S. 86.)

57

Sie betraf jedenfalls einen Brief an Ernestine.

58

Vergl. S. 98.

59

Schumann sagte mir im Jahre 1853 in Bonn, auf mein Befragen über diesen Namen, daß er sich Ernestine, über deren Beziehungen zu ihm er damals gleichzeitig Aufschluß gab, darunter gedacht habe.

60

Daß nicht alle für den »Carneval« bestimmten und gefertigten Stücke in die veröffentlichte Ausgabe aufgenommen wurden, geht aus op. 124 hervor welches 3 Stücke (Romanze, Walzer und Elfe) mit der Jahreszahl 1835 über die Buchstaben A S C H enthält. Das in die »bunten Blätter« op. 99 mit aufgenommene dritte Stück der Albumblätter mit der Jahreszahl 1836, gehört, da es gleichfalls über die vier Noten A S C H componirt ist, wahrscheinlich in das Jahr 1834 oder in den Anfang des Jahres 1835.

61

S. Ausgabe I. von Schumann's ges. Schriften Bd. III. S. 241 und Ausg. II., Bd. II. S. 164.

62

Vergl. hierzu Fr. Liszt's briefliche Mittheilungen über den öffentlichen Vortrag von Schumann's »Carneval« im Anhange d. Bl. sub F.

63

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 6.

64

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 3 und 6.

65

S. die Erklärung Hartmann's am Schlusse des ersten Bandes der neuen Zeitschrift für Musik.

66

Clara Wieck.

67

Mit dieser Aeußerung, die eine besondere Vertretung verlangt, hatte es folgende Bewandtniß. In Düsseldorf äußerte ich einmal gesprächsweise gegen Schumann den Wunsch, einige seiner frühesten Claviercompositionen von seiner Gattin zu hören, worauf er abwehrend und in ironischer Weise erwiderte: »wüstes Zeug«. An dieser rücksichtslos übertriebenen Selbstkritik ist, wie sich nicht verkennen läßt, etwas Wahres.

68

Ueber die Beurtheilung der Fis-moll-Sonate von Ignaz Moscheles, welche auf Schumann's besonderen Wunsch geschrieben wurde, s. Neue Zeitschr. s. Musik Bd. 5, S. 135 ff.

69

Die im Jahre 1840 veranstaltete neue Ausgabe dieser Sonate unterscheidet sich von der ersten durch nichts weiter, als durch die Berichtigung einiger Fehler, und durch den Titel, der jetzt an Stelle von »Florestan und Eusebius«, Schumann als Autor nennt.

70

Nach dem amtlichen Todtenregister der St. Katharinenkirche zu Zwickau.

71

Es geht dies aus einem Briefe Schumann's hervor, der sich zwar in meinen Händen befindet, jedoch jetzt nicht mittheilbar ist. E. v. Fricken heirathete übrigens später einen Grafen Z., ist aber längst schon verstorben.

72

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 31.

73

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 9 und 11.

74

Aug. Kahlert, Professor der Aesthetik an der Universität Breslau, war damals Mitarbeiter an der n. Zeitschr. f. Musik. Er starb 29. März 1864. S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 7.

75

Man darf nicht vergessen, daß hier der Poet aus Schumann spricht, so wie auch das, was unmittelbar vorher gesagt ist, sich nur auf fern liegende Träumereien beziehen kann. Ein fest geschlossenes oder ausgesprochenes Verhältniß zwischen Schumann und Clara Wieck bestand um diese Zeit nicht. Daß der erstere es wünschte, ist eine andere Sache. Schuldige Rücksichten verbieten hier detaillirte Erörterungen anzustellen.

76

Dieses Citat wie auch die andern in die gegenwärtige Auflage d. Blätter eingereihten Mittheilungen aus Schumann's Briefen an Zuccalmaglio sind dem Buche Hüffer's über »die Poesie in der Tonkunst« entlehnt, in welchem sich die fraglichen Briefe vollständig mitgetheilt finden.

77

Frau Johanne Christiane Devrient, welche im Alter von nahezu 73 Jahren am 10. Octbr. 1857 starb, machte mir, als ich sie 1856 besuchte, genaue Mittheilungen in Betreff der Zeit, während welcher Schumann in ihrem Hause gewohnt hat.

78

S. d. Briefe Nr. 15 und 16 des Anhanges.

79

Von Interesse ist das Urtheil, welches Moscheles über dies ihm dedicirte Stück in dieser Gestalt damals brieflich gegen Schumann aussprach. S. neue Zeitschrift für Musik Bd. 6 S. 65.

80

S. Briefe von 1833–1854 Nr. 10 und 14.

81

S. Briefe von 1833–1854 Nr. 17.

82

Auf die Besprechung von Moscheles ist bereits hingewiesen. Die Liszt'sche, welche in der Gazette musicale erschien, ist im Anhange sub E. mitgetheilt.

83

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 16.

84

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 6.

85

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 31.

86

S. Briefe von 1833–1854 Nr. 15 und 37.

87

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 11, 15 und 41.

88

Abbáte Santini, ein längst verstorbener italienischer Tonsetzer und Musikgelehrter, der mit Mendelssohn befreundet war.

89

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 17.

90

Zu ihnen ist wohl auch das in op. 124 enthaltene »Leid ohne Ende« zu rechnen. Wenigstens wurde es in demselben Jahre componirt, wie die darübergesetzte Jahreszahl besagt.

91

Der Titel der neuen Ausgabe nennt ihrer irrthümlich sechzehn.

92

»Hahnbüchen« heißt so viel als: vierschrötig, derb.

93

Er starb am 31. Juli 1874 zu Dresden im nahezu vollendeten 76. Lebensjahre.

94

Der Tag, an welchem Sch. hoffte eine Antwort von Wieck erhalten zu haben.

95

Es war hiermit der Geliebten Geburtstag gemeint, welcher auf den 13. September fällt.

96

S. den Brief des Anhanges Nr. 21.

97

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 23.

98

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 24.

99

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 25.

100

S. Briefe vom Jahre 1833–1854. Nr. 26.

101

Einer der zu Leipzig damals lebenden Mitarbeiter an der Zeitschrift.

102

Der damalige Verleger der Zeitschrift in Leipzig.

103

Vesque von Püttlingen, ein hochgestellter Beamter in Wien, bekannt als Gesangscomponist J. Hoven.

104

Vergl. S. 87.

105

Ueber den Wiener Aufenthalt s. auch »N. Zeitschrift f. Musik« Bd. 12, S. 84.

106

Diese Nachrichten betrafen Schumann's Herzensangelegenheiten.

107

Auch an Zuccalmaglio berichtet Schumann Aehnliches. Er schrieb diesem am 19. Octbr. 1838 aus Wien: »Sie glauben kaum, welche Schwierigkeiten die Censur macht, und die Verleger auch, die für ihren Strauß, Proch etc. fürchten.«

108

Julie v. Webenau, geb. Baroni Cavalcabo, eine Dame, die in Wien lebte, und durch verschiedene Pianoforte- und Gesangscompositionen sich bekannt machte. Sie war eine Schüllerin von Mozart's Sohn.

109

Ein Rittergut bei Dresden, auf dem Schumann später, als er in Dresden wohnte, zeitweilig zum Besuche war.

110

Majorin Serre; Besitzerin von Maxen.

111

Von dieser in Erregtheit gemachten Aeußerung einer Uebersiedelung nach Paris oder London war weiter keine Rede. Man sieht aber, daß Schumann geneigt war, das Aeußerste zu unternehmen, um zum Ziele zu gelangen.

112

Die bekannte englische Sängerin Clara Novello.

113

Es ist op. 23 damit gemeint.

114

Das Trauungsregister der Gemeinde Schönfeld besagt: »Dr. R. Schumann, musical. Componist und Einwohner in Leipzig, hinterlassener ehelicher Sohn von August Schumann, gewesenem Buchhändler in Zwickau, wurde mit Jungfrau Clara Josephine Wieck, Friedrich Wieck's, Instrumentenhändler in Leipzig, ehelich ältester Tochter erster Ehe, getraut den 12. September, Sonnabend vor Dom. XIII. p. Trin., um Vormittags 10 Uhr.«

115

Von diesen ist eines schon frühzeitig seinem Vater in die Ewigkeit vorausgegangen; zwei andere starben nach ihm im reiferen Alter, so daß jetzt nur noch fünf von Schumann's Kindern leben.

116

Mit ihnen zugleich entstand jedenfalls Nr. 9 inop. 99. Auch fallen in das Jahr 1838 die in op. 124 mit enthaltenen Nummern 9, 10, 14 und 18, wie die darüber gesetzten Jahreszahlen bezeugen.

117

Dies Werk erschien, nachdem die ursprüngliche Haslinger'sche Ausgabe vergriffen war, 1850 in neuer Ausgabe bei Whistling in Leipzig, und ging dann 1858 in den Verlag von G. Heinze über.

118

S. Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 31.

119

Vergl. S. 108.

120

Ueber diese drei Compositionen schreibt Schumann an seinen Freund E. A. Becker: op. 18 und 19 sind schwächlich und für Damen; bedeutender aber scheint mir op. 20. – S. auch die Briefe vom Jahre 1833–1854 Nr. 30.

121

Vergl. S. 64 und 70.

122

Vergl. S. 78.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 64-152.
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