23. An Therese Schumann.

[358] Leipzig, den 25. März 1838.


Meine geliebte treue Therese,


Hättest Du doch meinen letzten Brief an Clara gelesen, – da steht es darin, was mir den Abschied von hier schwer machen wird. Nun, der Himmel hat es gefügt und wird es fernerhin fügen. Ich denke doch, Du begleitest uns zur Hochzeit nach Wien und da wollen wir ein paar Wochen leben, an denen wir ein Jahr und darüber zu genießen haben in schönen Erinnerungen. Endlich ist ja auch ein größerer oder kleinerer Raum der Entfernung dasselbe. Sahen wir uns seither öfters als das Jahr einmal? und ich denke doch, daß ich künftighin wohl alle Jahre einmal zu Euch kommen werde, zumal Clara's Eltern wohl vor der Hand noch in Leipzig bleiben. Also wohlgemuth – und was wir uns nicht sagen können, wollen wir uns recht oft schreiben.

Clara wollte Dir schon immer selbst schreiben – ich sagte ihr, sie möchte Dich Schwester nennen – darauf antwortete sie mir; »Schwester möchte ich sie wohl nennen, doch zur Schwester gehört noch ein kleines Wörtchen; es ist das Wörtchen, was uns so nahe gebracht, was mich so glücklich gemacht hat.« – Zum Schreiben selbst hat sie noch keine Zeit finden können; hat sie ja kaum welche für mich; so zürne ihr denn nicht. Aber sie wird Dich wohl auf ihrer Rückreise von München auf einige Stunden besuchen; den Tag schreibe ich Dir später noch genauer; und da empfange denn das hohe Mädchen, wie sie es um meinetwillen verdient; denn, Therese, ich kann Dir gar nicht sagen, was für ein Wesen sie ist, was sie Alles in sich vereint – und daß ich sie gar nicht verdiene. Aber glücklich will ich sie machen – laß mich darüber schweigen; es paßt nicht für Worte, mein Gefühl.

Du nenne sie denn Schwester, wenn Du sie siehst – und dabei denket meiner!

Nun noch eine wichtige Angelegenheit, worin ich Deinen Rath und Beistand wünsche. Clara ist durch die Ernennung zur Kammervirtuosin[358] zu einem ziemlich hohen Rang gekommen; zwar bin ich auch beehrentitelt, doch kommt das nicht gleich.

Ich für mich wollte als Künstler sterben und erkenne Niemand über mich, als meine Kunst; aber der Eltern wegen möcht' ich wohl auch etwas werden. Du kennst Hartenstein8 genau und sollst nun an ihn oder Ida9 schreiben, etwa wie folgt:

Daß ich (Du kannst meinen Namen nennen, oder nicht, wie Du willst und denkst) mit einem angesehenen Mädchen in einer von den Eltern geduldeten Verbindung stände und diesen letzteren durch einen »Dr« vor meinem Namen gewiß eine große Freude machen würde, was das Ziel schneller erreichen hülfe. Nun möcht' ich durch Hartenstein's Güte erfahren, ob eine Ernennung der philosophischen Facultät viel Umstände mache; viel Zeit könne ich freilich nicht daran setzen, da ich von Berufsarbeiten aller Art gedrängt würde; er möchte Dir schreiben, wie ich es nun anzufangen habe; ich bezweckte damit nichts als einen Titel und würde mich dann von Leipzig ganz wegwenden. Das Ganze hätte übrigens keine so große Eile. Hätte ich nur einmal seine Ansicht, so würde ich ihn dann persönlich um das Weitere bitten. Zuletzt frage ihn, ob die Leipziger Universität keine Doktoren der Musik creire – und schließlich bitte ihn und Ida um das gewissenhafteste Stillschweigen, da es auf eine Ueberraschung abgesehen wäre. Ihr Weiber vermögt Alles, und so flüstere denn namentlich Ida zu, daß sie sich eines alten Bekannten dabei erinnern möchte. – Die ganze Angelegenheit lege ich Dir dringend an's Herz – thu nun was Du kannst und schreibe schnell! – – – – – – – – – – – – – – –

Viel hätte ich Dir noch zu schreiben. Dies für das nächste Mal. Nimm Dich meiner an und bleibe mir eine gute Schwester – Deinem

Robert.


Ueber alle diese Angelegenheiten beobachte auch Du, meine liebe Therese, das strengste Stillschweigen gegen Freunde und Verwandte. Man kann nicht leise genug gehen, wenn man ein Ziel erreichen will.[359]


8

Professor an der Leipziger Universität.

9

Dessen Gattin.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 358-360.
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