24. An Josef Fischhof.

[360] Leipzig, den 3. April 1838.


Lieber Herr und Freund,


Schon früher glaube ich Ihnen geschrieben zu haben, daß mein Schweigen auf Freundesbriefe kein Vergessen ist, mit einem Worte, daß ich meine Zeit sehr in Acht nehmen muß, um doch auch für mich und mein Componiren einige zu behalten. Erlassen Sie mir daher für die Zukunft alle Entschuldigungen und schreiben Sie selbst mir immer so freundschaftlich und interessant, wie Ihr letzter Brief war.

Zuerst nun von Ihrem Aufsatz. Ich habe ihn noch nicht abdrucken lassen. Offenheit ist immer das Beste und so erlauben Sie mir Ihnen zu sagen, daß ich ihn noch gern mehr ausgefeilt wünschte, womöglich auch die einzelne Spitze, das, worauf es ankommt, schärfer hervorgehoben. Sehen Sie ihn sich jetzt, wo Sie ihn vielleicht einige Zeit vergessen, noch einmal an; ich bin überzeugt, Sie werden manches anders, bestimmter stellen. Raubt Ihnen das aber Zeit, glauben Sie, daß der Aufsatz auch in der jetzigen Abfassung wirkt, was sie bezwecken, so bescheide ich mich natürlich und lasse ihn bis auf einige kleine Aenderungen im Styl, zu denen Sie mir selbst Vollmacht gegeben, nächstens abdrucken. Freilich, es ist so schwer, über Musik zu schreiben, zumal über solchen Gegenstand. Doch will ich sehen, was ich vielleicht selbst darüber im Kopfe habe und Ihrem Aufsatz anhängen.

Ihre Mittheilungen über das Wiener Kliquen-Wesen danke ich Ihnen; diese Kleinigkeiten in so großer Stadt waren mir neu. Das Gute hält doch aus; mich kann kaum etwas irre oder außer Fassung bringen. Doch möcht ich diese Stadt einmal sehen. Vielleicht diesen Sommer. Bleiben Sie in Wien?

Wieck's grüße ich. Die biographische Notiz aus der Witthauerschen Zeitung habe ich in meiner abdrucken lassen10.

Gegen zwanzig besondere Exemplare, die Hr. Wieck wünschte, sind vorgestern mit Buchhändlergelegenheit an Sie abgegangen. Derselbe Bogen enthält auch etwas über Henselt von mir11, worüber ich Ihre Meinung wünschte.[360]

Von meinen Sachen fehlen Ihnen, Ihrem Verzeichnisse nach, nur ep. 2 die Papillons – op. 5 Impromptus – und Op. 1212 Carneval. Nächstens erscheint viel. So ist mir's noch nie von Herzen gegangen, als in der letzten Zeit – drei Hefte Novelletten (größere zusammenhängende abenteuerliche Geschichten). Kinderscenen, sehr leicht für Kinder von einem großen – dann ein Quartett für Streichinstrumente, das mich eben hat und ganz beglückt, obgleich es nur als Versuch gelten kann13.

An Gedichte von Lenau erinnere ich Sie freundschaftlichst – Friese will eine Medaille für die beste Composition eines aufzugebenden Liedes prägen lassen. Darüber später.

Gleichfalls bitte ich Sie dringend um Notizen über das Musikleben in den letzten Wochen – A propos, ich lese von einer Beleidigung, die Clara'n von einem Grafen S. geschehen sein soll – ist daran etwas wahr?

Alles in Kürze zu resümiren: überarbeiten Sie Ihren Aufsatz wennmöglich noch einmal – sodann: schicken Sie mir Correspondenz bald möglichst – Endlich behalten Sie mich lieb


Ihren

ergebenen

R. Schumann.

10

Sie betraf Clara Wieck und ist Bd. 8 S. 103 der neuen Zeitschrift f. Musik zu finden.

11

S. Bd. 8. S. 97 der neuen Zeitschrift f. Musik.

12

Soll heißen: op. 9.

13

In Schumann's Compositionsverzeichniß ist eine derartige Composition des Jahres 1838 nicht vermerkt. Da Schumann sie in vorstehendem Briefe selbst als Versuch bezeichnet, so hat er sie jedenfallsad acta gelegt.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 360-361.
Lizenz:
Kategorien: