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[450] »Nicht jedem blüht das Glück, Korinth zu sehen«, hieß es im Alterthume, um den zu trösten, der mit bescheideneren Ansprüchen es sich im Kreise kleinerer Anschauungen genügen lassen sollte. Nur Auserwählte dürfen sich an der lieblichen Pracht jener südlichen Eilande weiden, welche ihr Dasein und ihre gegenwärtige Gestalt der vieltausendjährigen Lebensthätigkeit der Korallenthierchen verdanken, dürfen innerhalb der Lagune den wißbegierigen Blick auf die in Farben glühende Thierwelt senken. Solche korinthische Ueppigkeit bieten unsere europäischen Meere nicht, aber doch haben dich vielleicht schon auf stiller Meerfahrt jene schwankenden, mit Guirlanden und langen Fransen behangenen Glocken entzückt, deren Körper wie zart violett, röthlich oder gelblich gefärbte Glasgebilde aussehen. Wie unser Boot an ihnen vorübertreibt, blähen sie sich abwechselnd auf und ziehen den Glocken- oder Scheibenrand zusammen, um durch diese Stöße sich nahe an der Oberfläche zu halten. Bei längerem Aufenthalte in Seebädern hat auch wohl jeder Gast noch intimere und zwar unliebsame Bekanntschaft mit diesen Quallen gemacht, die als Farben-Sirenen zur Berührung verlockten und dieselbe mit dem empfindlichsten Nesseln vergalten. Die vielen tausende unserer Leser aber, welche nicht in vollen Zügen die Eindrücke des offenen Seestrandes in sich aufnehmen, aber doch ein Miniaturbild durch Vermittelung eines Aquariums genießen konnten, lernten als die größte Zierde dieser mühsam und schwierig zu unterhaltenden Seewasserkäfige die Seerosen oder Seeanemonen, die Actinien kennen, welche Polypen sind, gleich den Erbauern der Riffe, Strahlthiere gleich den Quallen, und mit ihnen und vielen anderen gleich und ähnlich gebauten Formen den Kreis der Coelenteraten bilden.
Ich weiß leider kein deutsches Wort, welches ich zur nächsten Verdeutlichung und Orientirung an Stelle des aus zwei griechischen bestehenden Ausdruckes setzen könnte. Es bedarf dasselbe vielmehr einer ausführlicheren Erklärung, welche sich auf den inneren Bau aller dieser Thiere zu beziehen hat.
Mit dem Namen Coelenteraten sollten solche Thiere bezeichnet werden, deren dem Darmkanale der anderen Thiere entsprechende Höhlung nicht in sich abgeschlossen sei, sondern in offener Verbindung mit denjenigen Räumen steht, welche der Leibeshöhle der Wirbelthiere, Insekten usw. entsprächen. Die beiden Worte »Darm – Leibeshöhle« sind nämlich in dem dem Griechischen entlehnten Ausdrucke enthalten.
Die Entwickelungsgeschichte, welche auch hier seit 1868 die größten Fortschritte aufweist, hat uns belehrt, daß diese Auffassung nicht richtig ist. Das Höhlensystem des Coelenteratenkörpers, welches man der Leibeshöhle vergleicht, besteht nämlich, wie wir unten an einem Polypen zeigen [450] werden, aus nichts anderem, als den regelmäßigen strahligen Aussackungen des kurzen Darmes und geht gleich diesem aus dem sogenannten Urdarme der Larve hervor. Das Resultat dieser embryonalen und larvalen Entwickelung ist allerdings ein in der ganzen übrigen Thierwelt nicht wieder vorkommendes, eine Verquickung des Verdauungs-, Blutgefäß- und Athmungsapparates, wofür wir höchstens bei den Weichthieren in der unmittelbaren Wasseraufnahme in das Blutgefäßsystem eine Hinweisung finden. Mit allgemeinen Redensarten über diese wunderlichen Verhältnisse ist nicht gedient, und wir werden, wie gesagt, unten durch Specificirung einzelner Beispiele eine genügende Erläuterung zu geben haben. War bei den Stachelhäutern Fünf die Grundzahl der Strahlen, so steht hier die strahlige Eintheilung des Baues unter der Herrschaft der Vier-und Sechszahl und ihren Mehrheiten. War dort die Haut fast ausnahmslos skelettmäßig und lederartig verdickt, so sind hier die lederhäutigen Sippen die Ausnahmen. Auch im Falle der Verkalkung eines oder des größten Theiles der Leibeswände bleibt das mit einem oder mehreren Fühlerkränzen gekrönte Vorderende zart und blumenhaft, und die höchst entwickelten freieren Formen ziehen das Auge durch die Zartheit und Zierlichkeit ihres ganzen Wesens an.
In ihrer Entwickelungsfähigkeit zum Höheren vertreten sie trotz großer Mannigfaltigkeit das Princip der Stabilität fast noch mehr als die Echinodermen. An dem mächtigen Streben der übrigen Thierwelt, in dem großen Kampfe um das Dasein auf dem Festlande oder wenigstens im Süßwasser sich einzubürgern und die Vortheile dieses veränderten Aufenthaltes der Veredelung der Organisation zu Gute kommen zu lassen, haben sie ebensowenig wie die Stachelhäuter mit Erfolg theil genommen. Denn ein Erfolg kann es kaum genannt werden, daß ein armseliges, kaum bemerkbares polypenartiges Wesen, die Hydra, als vorgeschobener Posten in unseren Gräben und Sümpfen haust.
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