3. Amtsbewerbungen.

[120] Bei meinen Bemühungen, mir durch literarische Arbeiten das Nöthige zum Unterhalte meiner Familie zu erwerben, war ich auch in der Bewerbung um Anstellung nicht träge.

Der Oberhofprediger Reinhard, dessen Gunst ich vor allen Andern zu erlangen suchte, nahm meine Zusendungen sehr freundlich auf und äußerte sich (November 1802), daß er, indem er sich nicht anmaße, über medicinische Schriften zu urtheilen, doch erkenne, daß mir die Gabe einer deutlichen Darstellung und eines guten Vortrages eigen sei. Superintendent Tittmann, das zweite wissenschaftliche Mitglied des Oberconsistoriums, als der obersten Behörde für die sächsischen Universitäten, schrieb mir (März 1803) sehr verbindlich, eröffnete mir, daß Kreyßig von Wittenberg nach Dresden berufen werde und gab mir die Schritte an, die ich thun müsse, um die dadurch erledigt werdende Professur zu erlangen; außerdem rieth er mir, wenn ich vier Jahre Collegia gelesen hätte, um eine außerordentliche Professur in Leipzig anzuhalten, wovon er einen guten Erfolg hoffe. Der Hofrath Leonhardi, welcher die vor Jahren bekleidete Professur in Wittenberg auch als Leibarzt in Dresden noch inne hatte und an jener Universität durch einen Substituten vertreten wurde, meldete mir (April 1803), daß die medicinische Facultät in ihrem Probuleuma meine Kenntnisse, Talente und Fleiß gerühmt habe, gestand aber, daß das Urtheil, welches die medicinische Facultät zu Leipzig bei Gelegenheit meines Gesuches um ein Reisestipendium über mich gefällt, mir geschadet habe und rieth mir, wenn ich etwa ein Mitglied derselben beleidigt hätte, mich um dessen Gunst wieder zu bewerben; übrigens versicherte er, wie bisher, auch ferner mich empfehlen zu wollen. Der Historiker Schröckh vertraute mir (im Mai), daß in dem Probuleuma der Facultät Voigt, Seiler, Clarus und Neumann der Universität zur Denomination vorgeschlagen, [120] Erdmann, ich und Leune empfohlen, Kühn, Hecker, Suckow und Horn übergangen worden seien; und Professor Langguth zeigte mir (im Juni) an, daß die Universität zur dritten Stelle in der medicinischen Facultät 1) Voigt, 2) Seiler, 3) mich, 4) Suckow denominirt habe, wobei er versicherte, daß die Universität wegen der großen Zahl der Bewerber in Verlegenheit gewesen sei und sonst wohl gern mich mehr berücksichtigt habe. – Dabei hatte ich nicht versäumt, meine kleinen Verbindungen in Dresden zu benutzen und die Mitwirkung eines Universitätsfreundes, des Dr. Flemming, der jetzt Schwiegersohn des Hofraths Leonhardi geworden, und des Landrentmeisters Weiße, in dessen Hause ich so gastlich aufgenommen worden war, in Anspruch zu nehmen. Vor Allem hatte sich auch hierbei mein theurer Onkel bewährt. Bei Uebersendung seiner theologischen Inauguraldissertation (1802) schrieb er mir: »Es thut mir äußerst wehe, daß wir einander seit einiger Zeit so fremd geworden sind. Sei nicht ungerecht gegen mich und schreib es nicht auf Rechnung meiner Gesinnung, wenn Du glaubst, daß ich zu dieser Entfernung beigetragen habe. Gott weiß, wie sehr es mich schmerzt, wenn ich daran denke, daß wir einander das nicht mehr sind, was wir uns sonst waren. Meine Verhältnisse entschuldigen mich vor mir selbst; aber dennoch bleibt es sehr kränkend für mich, wenn ich denken muß, daß sie mich vielleicht nicht eben so in Deinen Augen rechtfertigen.«

Ueber die Vacanz in Wittenberg hatte er genaue Nachrichten eingezogen, und indem er sie (April 1803) mir mittheilte, setzte er hinzu: »Ich glaube, in Deinem letzten Briefe eine mißmuthige Laune zu bemerken. Das wäre in der That das Schlimmste, was Dir widerfahren könnte. Du brauchst heitern Sinn und Muth. Laß Dich durch eine vereitelte Hoffnung nicht niederwerfen! Wie Mancher mußte erst mit harten Stürmen des Schicksals kämpfen, ehe er in den Hafen des Glücks einlaufen konnte! Deine gegenwärtige Lage ist das Werk Deines Entschlusses: zeige Dich nun auch als ein Mann, der seines Entschlusses Meister ist!« – Seine Verwendung beim[121] Minister konnte keinen Erfolg haben, da ich nur tertio loco denominirt war.

Gegen Ende des Jahres 1804 trat wiederum eine Vacanz in Wittenberg ein. Reinhard, an den ich mich deßhalb auch gewendet hatte, schrieb mir (November 1804), indem er mein Gesuch zu unterstützen versprach: »Sehr leid sollte mir's thun, wenn sich Ew. Hochedelgeboren entschließen wollten, das Vaterland zu verlassen. Es kann freilich nicht immer so freigebig und dankbar sein, wie zu wünschen wäre, aber es erkennt und schätzt doch wahre Verdienste und belohnt sie, sobald es eine Gelegenheit dazu findet.« – Langguth äußerte in einem Briefe in sehr herzlicher Weise sein Bedauern, daß auch diesmal keine Aussichten für mich seien; »mir thut es bitter leid,« schrieb er, »daß ich ziemlich gewiß voraussehen kann, auch Sie werden Ihr besseres Fortkommen im Auslande erwarten müssen. Ich wünschte, eine andere Gesinnung höhern Orts veranlassen zu können.« Im Januar 1805 meldete er mir, daß die Facultät 1) Seilern in Wittenberg, 2) Erdmannen daselbst, 3) mich, 4) Bartels in Helmstädt denominirt, Weigeln in Dresden und Heckern in Erfurt übergangen habe.

Außerdem richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Rußland und die von Alexander gestifteten oder neu organisirten Universitäten. Professor Erhard, der vom Curator der Universität Charkow, Grafen Potocki, beauftragt worden war, ihm Professoren vorzuschlagen, empfahl mich, und so erwartete ich denn mit einiger Zuversicht einen Erfolg; auch suchte Schwägrichen durch seinen Freund de la Vigne, Professor der Botanik in Charkow, die Sache zu fördern. Später schrieb mir Meiners in Göttingen, daß er ähnlichen Aufträgen Potocki's zufolge ihm vierzehn Gelehrte empfohlen, aber keine Antwort erhalten habe, dann aber von der Universität Charkow selbst beauftragt worden sei, zweien der Empfohlenen Vocationen anzubieten. – Auch wollte Karl Heun (nachmaliger Clauren) durch seine Verbindungen in Petersburg mir zu einer Berufung auf eine russische Universität behülflich sein. Eben darauf bezog es sich, daß ich meine Diätetik dem Kaiser dedicirte.[122]

Ferner wendete ich mich mit Uebersendung der Diätetik wegen Würzburg an den Minister Thürheim und wegen Heidelberg an den Minister Edelsheim. Die freundlichen Antworten lauteten, daß vor der Hand keine Vacanz sei.

Wie unwahrscheinlich auch der Erfolg war, so bat ich doch (1803) den nachmaligen Baron Stifft um seine Mitwirkung zu einer Anstellung in Wien. Er erwiderte bei übrigens sehr artigen Aeußerungen das, was ich freilich ohnedies wußte: »es gehört ein Zusammenfluß sehr außerordentlicher Umstände dazu, daß ein Fremder berufen werde. Ueberdies ist die Anzahl der Aerzte in Wien und in der österreichischen Monarchie übermäßig angewachsen, die alle nach Anstellungen seufzen.«

Unter Uebersendung der Diätetik hatte ich mich Hufelanden in Berlin und Reiln in Halle genähert und freundlich anerkennende Antworten erhalten.

Quelle:
Burdach, Karl Friedrich: Rückblick auf mein Leben. Selbstbiographie. Leipzig 1848, S. 120-123.
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