3. Literarische Betriebsamkeit.

[161] Aber auch um diese Bücher nur so weit, wie sie wirklich erschienen sind, ausarbeiten zu können, war ich genöthigt, schriftstellerischen Handarbeiten mich zu unterziehen. So fertigte ich einige Uebersetzungen, aus deren unten stehendem Verzeichnisse1[161] man sehen wird, daß ich nicht ekel war, sondern Alles übersetzte, was mir aufgetragen wurde; aber meine Bemühungen, fortwährend dergleichen Aufträge zu erhalten, waren, wie ich schon oben bemerkte, vergeblich. Ich galt einmal für einen Scribenten, nicht für einen Uebersetzer; hin und wieder machte ich selbst Anträge, medicinische Werke zu übersetzen: man lehnte sie ab und wollte nur Eigenes von mir. Die Menschen rangiren gern: haben sie Einen in einer gewissen Kategorie untergebracht, so bleiben sie dabei; das Urtheil steht fest, ac si papa locutus esset. Das habe ich oft erfahren, und nicht blos bei Buchhändlern: ich war den Literaten als Sammler und logischer Ordner bekannt geworden, und nun blieb manche mir eigenthümliche Ansicht oder Erfahrung unbeachtet. Zum Theil hatte ich freilich selbst dazu beigetragen, indem ich den Samen einer Ansicht oder die Spur einer Erfahrung bei meinen Vorgängern nachzuweisen pflegte, anstatt etwas Unerhörtes vom Dache auszurufen.

Ich muß noch erwähnen, wie die sächsische Regierung mir Anlaß zu einer Uebersetzung und ein Beispiel von ihrem damaligen Gange ab. Im Jahre 1798 hatte ein Arzt in Lübben vorgeschlagen, in Ermangelung eines eigenen Dispensatoriums das von Pfingsten in der Niederlausitz einzuführen, aber das sächsische Sanitäts-Collegium hatte sich dagegen erklärt und dafür Piderits Pharmacia rationalis dem Ministerium (geheimen Consilium) vorgeschlagen, worüber sich jedoch dieses nicht entschied. Nachdem nun acht Jahre verflossen und seitdem mehrere zeitgemäße Dispensatorien, namentlich auch das preußische, erschienen waren, kam der Entschluß des sächsischen Ministeriums[162] wirklich zur Reife und, ohne daß das Sanitätscollegium deshalb befragt worden wäre, wurde in der Zuversicht, daß doch binnen acht Jahren sich in der Literatur nichts verändert haben könnte, Piderits Pharmacia rationalis, deren erste Auflage 1779 erschienen war, bis zur Herausgabe eines sächsischen Dispensatoriums interimistisch im ganzen Lande eingeführt. Als aber zu Anfange des Jahres 1806 diese Verordnung erschien, hatte Piderit die Unzulänglichkeit seines Buchs selbst eingesehen und eine Umarbeitung desselben vorbereitet, die eben unter der Presse war, so daß also die Regierung der noch unbekannten Schrift eines hessischen Arztes gesetzliche Geltung für Sachsen gab. Der Buchhändler, der das Interim deutscher Regierungen kannte, übertrug mir die Uebersetzung, die ich denn in Dienstbeflissenheit prompt lieferte und auf deren, von der Industrie meines Sosius ein neues Zeugniß ablegendem Titel2 auch mein Name prangen mußte. Es war allerdings eine Schwäche, daß ich mir marktschreierische Zusätze auf dem Titel gefallen ließ, aber die Hartnäckigkeit, mit welcher Hinrichs darauf drang, besiegte meinen Widerstand, indem sie mich ermüdete und ich am Ende auch seine Kundschaft nicht verscherzen durfte.

Mit größerem Interesse vollzog ich den Auftrag einer anderen Buchhandlung, die durch Hebenstreits Tod unterbrochene Herausgabe der dritten Auflage von Bells Chirurgie zu beendigen3. Ich brachte die von Hebenstreit gelieferten[163] Zusätze in eine bessere Ordnung, trug die neueren Erfahrungen und Heilmethoden nach und gab ein reichhaltiges Register über das ganze Werk.

Im Jahre 1805 wollte ich eine Zeitschrift unter dem Titel: »Neue Paradoxieen aus dem Gebiete der Naturwissenschaft und der Heilkunst« herausgeben und hatte mich deßhalb schon mit mehreren Aerzten in Verbindung gesetzt, auch schon einige Mitarbeiter gewonnen, namentlich den trefflichen Professor Winkelmann in Braunschweig und den genialen Dr. Wetzel, damals in Dresden, dessen poetisch-phi losophische Natur sich späterhin der Sache der politischen Freiheit zuwendete. Der näheren Umstände, welche die Ausführung des bereits öffentlich angekündigten Unternehmens hinderten, erinnere ich mich nicht mehr.

In Hildburghausen sollte ein »Vereinigungsblatt der kritischen Literatur« erscheinen und Aufsätze von Schriftstellern zu Vertheidigung ihrer Schriften gegen unbillige Kritiken enthalten, und das Directorium lud mich 1807 zur Theilnahme ein. Hufeland forderte mich im März 1808 von Königsberg aus auf, eine Darstellung der Naturphilosophie für seine Bibliothek der praktischen Heilkunde zu liefern. Vom Dresdener Stadtphysikus, Dr. Röber, erhielt ich Ende 1808 die Einladung zur Theilnahme an einer Zeitschrift, die den Titel führen sollte: »Sammlung praktischer Beobachtungen sächsischer Aerzte.« Im folgenden Jahre verlangte die Redaction der Heidelberger Jahrbücher meine Theilnahme an diesem Institute, eben so Hofrath Wildberg an seinem Universitätsalmanach und Hofrath Pierer an seinen medicinischen Annalen. Ich habe keiner dieser Aufforderungen Folge geleistet.

Nicht minder passiv verhielt ich mich gegen die physikalisch-medicinische Societät zu Erlangen, welche mich 1809 zu ihrem correspondirenden Mitgliede ernannte und gegen die medicinisch-chirurgische Gesellschaft des Cantons Bern, welche mir 1810 die gleiche Ehre erzeigte. Schon 1806 war ich Ehrenmitglied der ökonomischen Gesellschaft zu Leipzig geworden; ich finde unter meinen Papieren zwei Aufsätze, die ich derselben mitgetheilt[164] habe: der eine betrifft die Ursachen des geringen Fortganges der Schutzblatternimpfung in Leipzig; der andere, der, wie ich mich erinnere, einige Sensation erregte, enthält Bemerkungen und Vorschläge zur körperlichen Beschäftigung der Wahnsinnigen.

Fußnoten

1 Pitou's Leben und Verweisung nach Cayenne, nebst Reisen durch das Innere von Amerika und authentischen Nachrichten von den dortigen Wilden oder Menschenfressern. Leipzig bei Hinrichs 1805.

J.B. Gariot's System der Physiologie, Pathologie und Therapeutik des Mundes u.s.w. für Deutschland bearbeitet, mit Anmerkungen und Zusätzen versehen von etc. Angermann. Leipzig bei Hinrichs 1805.

Magazin der berühmtesten See- und Landreisen, Entdeckungen und Schiffbrüche, 7ter Band. Leipzig bei Sommer 1805.

Palmer's ökonomische Abhandlungen und Entdeckungen eines Löschmittels. Leipzig bei 1806 bei Wolff.


2 Dispensatorium für die Kursächsischen Lande oder P.J. Piderit's Pharmacia rationalis, aus dem Lateinischen übersetzt und vornehmlich zum Gebrauche der Aerzte, Wundärzte und Apotheker in den kursächsischen Landen bearbeitet und in medicinischer, sowie in pharmaceutisch-praktischer Hinsicht erläutert von Dr. K.F. Burdach. Leipzig bei Hinrichs 1806. – Nachtrag zum Dispensatorium für die Königl. sächsischen Lande. Leipzig bei Hinrichs 1807.


3 Benj. Bell's Lehrbegriff der Wundarzneikunst. Aus dem Englischen mit einigen Zusätzen und Anmerkungen. Dritte vermehrte Ausgabe. Leipzig in der Weidmannschen Buchhandlung. V. Theil 1809. XVI und 486 S. VI. Theil 1809. VIII und 647 S. VII. Theil 1810. VI und 890 S. 8.


Quelle:
Burdach, Karl Friedrich: Rückblick auf mein Leben. Selbstbiographie. Leipzig 1848, S. 165.
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