[7] Diese zumeist zwischen den Jahren 1846 und 1856 niedergeschriebene Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten hatten ursprünglich die Bestimmung, erst nach meinem Ableben der Öffentlichkeit übergeben zu werden. Vielfältig ist mir indes in der letzten Zeit der Wunsch ausgesprochen worden, einem solchen Vorsatze nicht unbedingt treu zu bleiben, vielmehr bald selbst an Herausgabe dieser Hefte zu denken, die in sechs großen Quartbänden nun schon so manche Jahre auf meinem Repositorium gestanden hatten. Wenn ich daher gegenwärtig jenem Wunsche wirklich nachgebe, so muß ich doch sagen, daß dabei auch noch einige besondere Gründe mitwirkten, deren Erwähnung wenigstens ich auch hier nicht ganz unterdrücken darf.
Für alle nachlebende Angehörige und Freunde nämlich wird es in solchem Falle stets eine höchst schwierige Aufgabe bleiben, Erlebnisse und Selbstbekenntnisse eines Verstorbenen in der Tat möglichst genau in derjenigen Weise ans Licht zu stellen, wie man voraussetzen durfte, daß es wohl dem Verfasser selbst hätte homogen und erfreulich genannt werden können. Geschehen doch gerade in unsern Tagen in solcher Beziehung die mannigfachsten und oft bedauerlichsten Mißgriffe! Denn wenn einesteils es zuweilen begegnet, daß Mitteilungen, auf welche der Autor ein größeres Gewicht zu legen das Recht hatte, gänzlich unbeachtet bleiben oder nur unvollkommen und in ungeschickter Weise dem Publikum zukommen, so geschieht es doch noch weit häufiger, daß entweder wirklich unbedeutende und dem Namen des Verfassers wenig entsprechende Fragmente oder aber solche, welche geradezu nie für die[7] Öffentlichkeit bestimmt, vielmehr nur als stille Besprechung der Seele mit sich selbst entstanden waren, rücksichts- und schonungslos dem Druck übergeben werden. Gegen alles dieses nun wird vollständig immer nur dann Schutz verliehen sein, wenn der, dem solche Aufzeichnungen verdankt wurden, auch seine späten Jahre dazu benutzt, die Herausgabe derselben zu ordnen.
Freilich bleibt es immer wieder ein gewiß schmerzliches Empfinden, Gefühle und Gedanken, deren Aufzeichnung einst in der Stille des Gemüts und zunächst nur zu eigener Aufklärung und Befriedigung geschah, zuletzt so ohne allen Rückhalt ebenso Befreundeten und Teilnehmenden als Gleichgültigen und Widerwilligen hingegeben zu sehen! Da man jedoch zuletzt hier nur die Wahl frei behält, entweder alles dergleichen unmittelbar der Vernichtung zu übergeben oder jenes Empfinden von Scheu durch sorgliche Wahl und freien Geistesblick zu besiegen, so fiel es nicht schwer, zuletzt auch hier eine Entscheidung zu treffen; und ich darf sagen, wenn irgend hierbei noch eine fremde Persönlichkeit mitbestimmend einwirken konnte, so war es der Hinblick auf einen Geist, der seit frühen Jahren mir vielfach und eigentümlich vorgeleuchtet hat und dem ich in der Mitte meines Lebens selbst etwas näherzutreten das besondere Glück hatte: ich sage, daß der Hinblick auf die unübertroffenen Mitteilungen Goethes aus seinem Leben es war, der auch mich bei diesen oft unter der Last vielfältiger Arbeiten geschriebenen Mitteilungen endlich zur Herausgabe derselben bestimmte. Indem daher nun auch seinem Namen ein Teil der Verantwortung für diese Entscheidung mit zugewiesen bleibe, hoffe ich doch andererseits, daß einige Günstiggesinnte auch diesen Blättern nicht unbedingt fehlen werden!
Dresden, im März 1865
Carus