[307] Lindau, 3. August abends
So begrüss' ich denn heute, gerade am Geburtstage meines Vaters, die langersehnte Schweiz!
Wir fuhren früh bei schwülem, etwas gewitterhaftem Morgenhimmel aus Kempten, passierten einen Gebirgszug, welcher die Wasserscheide zwischen dem Flußgebiet der Donau und dem des Rhein bildet, und kamen gegen Mittag in ein kleines württembergisches Städtchen, Isny. Ich hatte den ziemlich hohen Berg größtenteils zu Fuß erstiegen und genoß eben noch einmal des Überblicks über einen Teil des Illertals. Am Wege stand eine kleine Kapelle, und der Anblick von zwei dort betenden Frauen stimmte gut zu diesem stillen Morgen.
In dem winkeligen, ärmlichen Isny ging ich vor Tisch noch ein paar Gassen auf und nieder und blieb endlich vor einem Buchladen stehen, welcher sich wohl neben den Apothekerladen stellen durfte, den Shakespeare im »Romeo« aufs beste geschildert. An der zugeschlossenen kleinen Glastür (die Käufer wurden durch einen Zettel ersucht, mittels der Klingelschnur den Besitzer herbeizuvermögen) lehnten aber doch unter allerhand Postillen Schillers Gedichte und einige seiner Dramen. Es war mir nun mit einemmal erst recht deutlich, daß ich hier im Württembergischen in Schillers Geburtslande sei, denn dieser Rücksicht wohl allein hatten jene Bücher ihren Platz zu danken.
Nachmittags war es, als wir auf einer Anhöhe zuerst den Bodensee als dünnen Silberstreif erblickten. Noch einmal wurde in einem Dorfe vom Kutscher angehalten, und von hier an wurde jetzt im Wirtshause der Wein das einzig vorrätige Getränk. Fuhrleute und wandernde Soldaten saßen in der freundlichen fensterreichen Wirtsstube[308] im lustigsten Sonnenschein bei Most und Markgräfler- oder Seewein. – Eine Strecke weiter fort, und das Rhein- und Bodenseetal öffnete sich den erstaunten Augen auf eine herrliche Weise. Der Weinbau zeigte sich dabei immer mächtiger, und auf dem weithin ausgedehnten Spiegel des Sees lag auf einmal Lindau mit seinen Wällen und Brücken vor uns.
Der Weg führte nun anhaltend bergab, die Hitze wurde drückender und die Vegetation üppiger. Unter den schönsten Wein- und Obstgärten näherten wir uns dem See, wo uns mehrere Fuhrmannswagen, mit Kirschkörben reich befrachtet, begegneten, und rollten endlich langsam über die lange, die Stadt mit dem Lande verbindende Brücke, indem wir uns zu beiden Seiten, vorzüglich aber in Süden, wo die herrlichsten Gebirge bis an den See herantragen, mit reichster Augenweide umgeben fanden. – Ein Altan hinter unserm Wirtshause gewährte so herrliche Aussicht über Hafen und See, daß wir uns gleich dort niederließen, um zu zeichnen. Bei sinkender Sonne umgingen wir dann noch die Wälle der Stadt, welche weitläufige Weingärten mit einschließen. – Herrlich sank die Sonne in das nordwestliche Ende des Sees, badende Knaben sprangen von den Hafenmauern in die grünen, wenig bewegten Wogen, und über der schönsten Abendröte schimmerte das erste Viertel des Mondes, der See selbst aber streckte sich in zauberhaft duftigem Grau den Hochgebirgen entgegen. – Ja, noch auf dem Heimweg gestaltete sich bei nun mächtiger werdendem Mondlicht das alte Hafentor mit seinem altergrauen Turm zum anmutigsten Bilde.
Konstanz, 4. August abends
Durch die üppigsten Felder unter Obstbäumen, deren Stämme bis zur Krone hinauf mit Efeu umsponnen, und bei der köstlichsten, wärmsten, gewürzreichsten Luft[309] wanderten wir heute früh von Lindau den Weg längs dem Seeufer hinauf. Die Straße zog sich dann höher an de Bergen hin, die Umgebungen wurden alltäglich, und die Hitze drückte gewaltig. In Friedrichshafen nahmen wir Post nach Meersberg, und dort mieteten wir abends ein kleines Fahrzeug, und so stießen wir mit einbrechender Dämmerung in dem von Kalkfelsen umgebenen kleinen Hafen vom Lande. – Ein günstiger Ostwind trieb uns jetzt langsam über die herrlich wogende smaragdgrüne Fläche des Sees; das allmählich immer heller leuchtende Mondviertel spiegelte sich in den zitternden Wellen, und die schönen Farben des Abendhimmels verglühten mehr und mehr vor der in Osten aufsteigenden Nacht. Oft verbarg nun das leichtgeschwellte Segel den Mond, das Spiegelbild seines Lichts erschien dann doppelt leuchtend, und so, unter mannigfaltigen Betrachtungen, landeten wir nach dreiviertel Stunden, immer noch viel zu bald, in einer recht muntern Brandung an einem Dorfe vor Konstanz.
Wir hatten noch einen halbstündigen Weg zu Fuß zu machen. Unter dem köstlichsten Sternenhimmel schritten wir bei stiller Nacht an manchem hohen Kreuz vorbei zwischen lauter Weingärten hindurch und endlich über die Rheinbrücke hin zu unserm Gasthof »Zum Adler«. – Am Markte gewahrte ich noch im Vorübergehen den hoch in den Sternenhimmel hinaufragenden Dom, dessen gotisches Portal von einer einzigen Lampe, aber hell genug, erleuchtet wurde.
Denselben Tag mittags auf dem Rhein
Still an der Spitze eines kleinen Rheinschiffs liegend und von nichts leidend als von gewaltiger Sonnenhitze, fahre ich im Tagebuche fort.
Der Konstanzer Dom hatte, seinem einfachen Stil gemäß[310] schon von außen wohltätig auf mich gewirkt, und als wir nun die Tür zum Turm entdeckten, wurde schnell der Entschluß gefaßt, bei dem köstlichen wolkenlosen Himmel seine Höhe zu ersteigen. Ein dienstfertiger Knabe zog für uns die Klingel, und bald schaute der Turmwächter über die schwindelnd hohe Galerie herab. Es wurde geöffnet, und mühsam erstiegen wir die 14 schlechten hölzernen Stiegen. – Die Gegend mit ihren milden Hügeln, vielfachen Weingärten, schönen Feldern, vom breiten, große Inseln umfassenden Rhein durchschnitten, glich nordwärts einem Frühlingsgarten, wenn südwärts der schöne Spiegel des Bodensees unabsehlich sich ausdehnte. Eine Stelle der Turmgalerie, wo man den spitzen Glockenturm des Doms mitten vor sich hatte und über das Kreuzdach der Kirche auf den das Sonnenlicht widerspiegelnden See hinausblickte, hielt mich besonders fest, und ich fing an zu zeichnen. Nicht lange aber hatte ich so gestanden, da begannen die Glocken zu läuten, die feierliche Kirchenmusik, mit Gesang begleitet, klang aus dem Dom zu mir herauf, und alles stimmte zu einem großen andächtigen Chor zusammen.
Augenblicke dieser Art lassen sich im Leben zählen; sie kommen selten, und es ist immer gleich gesorgt, daß irgendeine Störung folge, um uns von solchen Flügen wieder zur Erde herabzubringen. So auch hier; der Turmwächter trat mit seinen Ortserklärungen hervor, zeigte ausführlich die Stelle, nordwestlich der Stadt, wo im Jahre 1415 Huß verbrannt worden war, machte das Haus bemerklich, wo das ihn verurteilende Konzilium gehalten wurde, und fort war die höhere Stimmung. – Man führte uns dann zu dem Hause, wo Huß gewohnt hatte, sein Brustbild, in Stein gehauen, schaut dort aus der Mauer; sein Andenken ist dauerhafter.
Im ganzen ist Konstanz ein verfallener, winkeliger, trauriger[311] Ort, und alle Bemühungen der Regierung, ihm aufzuhelfen, sind bis jetzt vergeblich gewesen. Der Schiffer selbst, der uns zur Rheinfahrt abholte, ein bejahrter, wohlbeleibter Mann, sprach es aus, daß die Stadt leide um des unschuldig Gemordeten willen; der Fluch dieser Tat hafte noch immer auf ihren Bewohnern.
Gegen 10 Uhr fuhren wir mit dem Boot von der großen bedeckten Rheinbrücke ab und glitten aus jener verwitterten dumpfigen Stadt frisch auf den köstlich blaugrünen Wellen stromabwärts. Der Rhein ist hier noch mehr See als Fluß, und in seinem weiten Spiegel ruht die weitläufige Insel Reichenau.
Zürich, 6. August abends
Von Konstanz bis Stein am Rhein ist die Strömung noch kaum bemerklich, aber von hier aus, wo wir einen neuen Schiffer erhielten, wurden die grünen, klaren Wogen schon um vieles lebendiger. Immer schöner lehnten die dichtbepflanzten (nicht terrassenförmig angelegten) Weingärten sich an den anmutigen Hügeln übereinander, immer lustiger wurde es in den am Ufer gereihten Dörfern und Flecken, deren Häuser und Mauern ganz zuversichtlich (da hier der Flußstand nie bedeutend variiert) fast bis in die klaren grünen Wellen hineingebaut sind. Badende Knaben schwammen oft zu beiden Seiten an den Ufern, Musik schallte aus den Dörfern herüber, und es sah besonders keck und vergnüglich aus, als in einem Hause dicht am Wasser ein Fensterladen des ersten Stocks, offen bis zum Stubenboden, die volle Einsicht in die Wirtsstube gestattete, wo eben recht verwegen eine artige Frau sich nahe am Fenster auf den massiven Schenktisch gesetzt hatte. – Weiterhin hingen wieder herrliche Walnußbäume ihr breites Laub über das sie nährende Gewässer, Ruinen alter Schlösser ragten hier und da aus den bewaldeten[312] Hügeln auf, und das fort und fort klar ausgegossene Sonnenlicht vollendete den südlichen Charakter des Ganzen.
Weht doch wirklich ein recht eigener Zauberhauch über diesen hier im Jünglingsalter strömenden Rhein! – Denn betrachtete ich mir so diese Ufer im einzelnen, so mußte ich manchmal gestehen, daß die Elbufer wohl der Form nach ganz gut mit ihnen sich messen können; aber verglich ich nun wieder im ganzen, wie dürftig kam mir dann der Charakter jener gegen diese jugendliche Heiterkeit vor!
Gegen halb sieben Uhr landeten wir vor Schaffhausen, welches von dieser Seite einen besonders zierlichen Anblick gewährt, indem es mit seinem alten Schloß zwischen den Berglehnen des Ufers hervortritt.
Schaffhausen ist klein und winkelig gebaut, doch bei weitem belebter als Konstanz. Im ganzen sah alles, bis auf die Torwärter herunter, sehr naiv und unzulänglich aus, doch war hier und da die Neigung sichtbar, in Inschriften den Vorübergehenden sich auf eine witzige Art mitzuteilen. So sahen wir auf einer Gartenwand einige Totenköpfe gemalt mit einer Inschrift, welche den Vorübergehenden aufforderte, doch auszusuchen, welcher hiervon wohl Kaiser, welcher Edelmann und welcher Bauer gewesen sei.
Unser Abendspaziergang führte uns über den Schloßberg zwischen Weinbergen und Gärten zuletzt an das untere Ende der Stadt, und wir sahen uns jetzt wieder am Rhein. Aber wie ganz anders erschien nun hier dieser wohlbekannte Strom! Es war, als träfe ich einen lieben Freund wieder an, aber ich fände ihn verändert, von heftiger Bewegung ergriffen, auf ein nahes, bedeutendes Ereignis gespannt. – Schon hier beginnen die Wellen sich schäumend über mächtige Felsplatten zu stürzen, das klare,[313] blaugrüne Wasser bricht sich in den mannigfaltigsten Formen und Farben, die Ufer werden schroffer, und das mächtige Flußbett ist ein Wühlen und Brausen. Kein Kahn wagt schon von hier an sich mehr in dieses Toben, und mit Lust sieht man so den herrlichen Strom zum gewaltigen Katarakt sich vorbereiten. –
Erheitert durch ein in der Badeanstalt des Wirts genommenes Rheinbad, verschliefen wir ein starkes, in der Nacht vorüberziehendes Gewitter glücklich und waren heut früh 6 Uhr schon auf dem Weg zum Rheinfall. – Man geht am rechten Rheinufer zwischen Weinbergen und unter mächtigen Nußbäumen wohl eine halbe Stunde, bis man gegenüber Schloß Lauffen gewahrt und den Donner des Rheinfalls deutlicher vernimmt, kommt dann einen Hohlweg herunter und befindet sich plötzlich vor dem hart am Falle gelegenen Hammerwerk, unmittelbar über dem Katarakt. Die mächtigen, tiefunterwaschenen Felskegel ragen herrlich aus dem zum Absturz eilenden tobenden Strome hervor, und im leicht aufsteigenden Wassernebel bildeten die jetzt eben durch Frühgewölk brechenden Sonnenstrahlen duftige Farbenbogen. Nachdem wir nun hier die mannigfaltigsten Ansichten aufgesucht, ja zum Teil gezeichnet hatten, stiegen wir herab, um die Ansicht der Gesamtbreite des Falles zu genießen.
Wir kamen dort auch zu dem Turm, in welchem ein Spekulant mittels einer Camera obscura die Natur für Fremde in ein zweckmäßiges Taschenformat zusammenbricht, schifften dann, ohne diesen Ehrenmann zu belästigen, im schwankenden Kahne über die vom Sturze noch zitternden dahineilenden Wellen an das linke Ufer und gingen nun hier zu der hart am heftigsten Falle vorgebauten Galerie.
Hier war denn doch erst die wahre volle Genüge! Gleich großen Wolkenbergen stürzten die ungeheuern Gewässer[314] vor den unterwaschenen, im Sturze ungebrochen feststehenden Felsmassen hernieder! Dichter Wasserstaub umgab mich; ganze Wassermassen flogen stäubend über die Galerie, und von oben beleuchtete die Sonne die rastlos fortsteigenden und schäumenden Wellen. Man war so recht mitten im Reiche Neptuns!
Wir stiegen endlich zum Schlosse Lauffen hinauf und hatten dort jetzt, von einer andern Galerie, besonders aber von einem kleinen Eckturme, die Masse des Sturzes in ihrem herrlichsten Wellenleben und innerlichen Schäumen in einem Gesamtbilde zusammengefaßt unter uns. Das Phänomen war in jedem Sinne außerordentlich!
Über die Berge des linken Rheinufers gingen wir von da in drückender Mittagshitze nach der Stadt, bestiegen gleich nach Tische den leichten einspännigen Wagen unsers Wirts und rollten so über Eglisau, wo die bedeckte Rheinbrücke passiert wird, die mit einem alten Turme zusammen ein hübsches Bild macht, hierher nach Zürich.
Zürich, 7. August
Sogleich beim Erwachen sah ich heute über den Spiegel des Züricher Sees hinaus und erfreute mich des wieder aufgeheiterten Himmels. Viele mit Holz beladene Kähne liegen hier am Ufer, ein Tor, von einem Wächter bewohnt, steht geradezu im Wasser am Eingang des Hafens. – Auf der Stadtbibliothek sahen wir einen als Hautrelief gearbeiteten Plan der Schweiz. Er hat die Größe etwa eines gewöhnlichen Billards, umfaßt den größten Teil der gesamten Schweiz und ist von einem Bauern namens Müller von Engelberg gearbeitet. Die höchsten Gebirge haben hier über zwei Zoll Höhe, die Region des ewigen Schnees ist durch weiße Färbung angegeben, die Seen durch eingelegte Spiegel und Dörfer und Städte mit linsengroßen Häuserchen sorgfältig bezeichnet. Gewiß[315] eine stattliche Landkarte und sehr geeignet, einen bequemen Überblick dieser verschlungenen Gebirgsketten und Täler zu gewähren. – Ebenso sieht man Lavaters Marmorbüste von Dannecker, auch ist Lavaters (seitdem vermehrte) Naturaliensammlung hier aufgestellt.
Auf dem Rigi, 9. August vormittags
Wir zogen gestern früh mit dem beladenen Führer von Zürich aus über den Albis, einem hohen, aus Nagelflue bestehenden Gebirgszug, dessen Kamm in einem Gebirgspasse überschritten wird, von dem sich die herrlichste Aussicht zurück nach dem Züricher und vorwärts nach dem Zuger See darbietet. Vom Albis herab geht dann ein höchst anmutiger Fußweg, immerfort durch Gärten, Felder, Weinberge und unter gewaltigen efeuumsponnenen Nußbäumen hinführend, an Kappel vorbei (der Ort ist bekanntlich merkwürdig durch die in seiner Nähe vorgefallene Schlacht, in welcher Zwingli blieb) nach Zug, wo wir einen Kahn mieteten zur Fahrt nach dem am Fuße des Rigi liegenden Arth.
Schon vom See aus hatten wir die mächtigen Mythenberge hinter Arth aufragen sehen, und ohne uns im Orte zu verweilen, wanderten wir gleich die halbe Stunde zu dem verschütteten Goldau im Tal hinauf. Der Roßberg, welcher die furchtbare Steinlawine auf diesen unglücklichen Ort herabsendete, bleibt uns dabei immer zur Linken, und ich überzeugte mich schon auf dem Wege, wie sehr ich Ursache hatte, die mitgebrachte Vorstellung von der Natur eines solchen Bergsturzes zu berichtigen. Man denkt sich nämlich in solchem Falle gern einen jähen Abhang, von dessen Gipfel eine Erd- und Steinmasse losbricht und Vernichtung bringend niederstürzt; statt dessen erblickt man einen sehr allmählich, etwa unter einem Winkel von 40 Grad ansteigenden Berg, aus wechselnden Schichten[316] eines fetten Letten und Nagelflue gebildet, dessen größerer unterer Teil mit Wiesen und Gebüsch recht anmutig bedeckt ist. Wirken nun schmelzender Schnee, verbunden mit heftigen Regengüssen, anhaltend ein, so erklärt es sich leicht, wie ganze Schichten des Letten sich erweichen können, wie sie dann den aufgelagerten Schichten von Nagelflue nicht mehr den nötigen Halt gewähren und somit das Herabgleiten einer solchen Schicht herbeiführen müssen, die, wenn man sie auch an der Form des Berges so gut als gar nicht vermißt, doch oft eben hinreicht, um eine ganze Stadt zu bedecken.
Dämmerung senkte sich nun allmählich ins Tal, spät verglimmte das Licht an den Gipfeln der Mythensteine, die Glocken einzeln weidender Kühe und das Rauschen der vom Rigi herabströmenden Wasserfälle läuteten die Vesper dieses reichen Tages, und als wir endlich zu dem Kloster Maria zum Schnee (dem Klösterli, wie unser Führer sagte) gelangten, war völlige Nacht eingetreten, und wir sahen uns dort Quartier zu nehmen genötigt.
Das Haus war ziemlich voll von Leuten, welche aus benachbarten Orten über den Rigi nach Luzern wallfahrten, wo ein Volksfest eine große Menschenmasse versammelt; denn zum Gedächtnis der am 10. August 1789 in Verteidigung Ludwigs XVI. gefallenen Schweizer ist dort an einer Felswand ein kolossaler, auf Frankreichs Schilde sterbender Löwe, und zwar nach einem Modell Thorwaldsens und von einem seiner Schüler, ausgehauen worden, und die Einweihung dieses Denkmals soll nun eben morgen, wieder am 10. August, stattfinden. Natürlich war alles aufs lebhafteste mit solchem Feste beschäftigt; dabei aber freilich das Nachtlager das schlechteste, und schon gegen 3 Uhr weckte uns der wackere Führer, damit wir noch vor Sonnenaufgang auf den Rigikulm gelangen möchten.[317]
Es war ein wunderlicher Gang durch die noch ganz dunkle Nacht; der geübte Führer voraus zeigte die schmalen Fußpfade, dabei die Luft derb kalt auf diesen Höhen, welche den Kamm des Riesengebirges schon übertreffen. In den Tälern rauschten eine Menge Wasserfälle. Schnaufende Kühe mit Glocken lagen hier und da unter den Tannen, und zuweilen ragte ein einsames Kreuz in den Nachthimmel hinauf. So stiegen wir wohl anderthalb Stunden und erreichten jetzt, bei schon etwas dämmerndem Tag, ein zunächst vor dem eigentlichen Kulm liegendes Wirtshaus. Mächtig traten nun aus dem Dunkel die großen, schön gezeichneten Kämme der verschiedenen Gebirgszüge hervor, und klein und einsam schimmerte dagegen im Haus ein stilles Lichtchen. Ohne zu weilen, wendeten wir uns zur Ersteigung des höchsten Kulms, wo wir allerdings vor Sonnenaufgang anlangten, doch den östlichen Himmel stark bewölkt fanden. Auch so war indes die Wirkung des an den Wolkensäumen gebrochenen Lichts, wie es sich auf der langen Reihe der in Süden zackig aufragenden Gletscher spiegelte, unbeschreiblich schön. In Süden zieht sich die Kette der Surenen hin, aus Alpenkalkstein bestehend, und deshalb in den schroffsten Formen und von wunderlichem Gefüge, die Gipfel mit ewigem Schnee und Eis bedeckt. Scheerhorn, Finsteraarhorn, Schreckhorn, Wetterhorn, Jungfrau lagen vor uns, nur der Gipfel der letztern in Wolken gehüllt. Das treffliche Fernrohr eines Herrn Keller (dem Fertiger des für Reisende sehr zweckmäßig eingerichteten Panoramas vom Rigiberge) zeigte uns diese öden Eisfelder, wohin fast nie der Fuß eines Menschen sich verirrt, in größerer Nähe, so daß man sich mit einemmal in die Mitte des Dezember versetzt meinte.
Wie nun das Sonnenlicht immer heiterer und wärmer sich verbreitete, fingen plötzlich am östlichen Abhange an[318] die mannigfaltigsten Nebel- und Wolkenspiele sich zu entwickeln. Massenweis schienen sie rastlos aus den erwärmten Wänden des Berges zu dringen, stiegen dicht vor uns drehend und ziehend aufwärts, verschwanden scheinbar in dem von leichten Streifwölkchen durchzogenen Himmelblau, bis sie späterhin als kleine Kumuli sichtbar wurden. Und wie dies Spiel in der Nähe fortdauerte, so spann sich auch ein zarter weißlicher Duft um die ultramarinblauen Spitzen der entfernten Gebirge. – Gedenke ich dabei noch der vielen nähern, größtenteils mit zum Rigi gehörigen schön geformten Gebirgskämme, der Hinabsicht auf dreizehn bald näher, bald ferner liegenden Seen, des heitern Sonnenlichts auf dem zierlichen Schweizerhause am Rigikulm und der schönen, mit Gentianen und Alpenrosen geschmückten Alpenweiden des Rigi selbst, so habe ich doch immer nur schwache Umrisse zu einem Bilde gezogen, welches überdies noch durch die in Menge umhergrasenden mächtigen dunkelfarbigen Kühe und die zierlichen Schafe und Ziegen auf das eigentümlichste belebt wird.
Stans, denselben Tag abends
Unser Führer, ein alle Wege wackerer und starker Mann, dem die schweizerische Antwort »Ja Herr!« fast biblisch zu Munde steht, brachte uns beim Herabsteigen vom Rigi noch in eine Sennenhütte. Dieses kleine, von Balken zusammengeschränkte, mit Holz gedeckte und mit Steinen beschwerte Haus lag in einem weitläufigen Gehege, wo schönes Vieh umhergraste. In der Hütte war nur ein Bub von etwa 16 Jahren, guter Gesichtsbildung, mit langem, gerade abgeschnittenem Haar, grauem Oberhemd und einer im Nacken angebrachten Kapuze. Das Holzwerk der Hütte war gewaltig verräuchert, und den Fußboden gab die Erde selbst her. Der große Kessel, in welchem die Milch zum Gerinnen erwärmt wird, hängt in solchen[319] Hütten allemal zum Hin- und Zurückdrehen beweglich über dem Feuer. Er war jetzt eben geleert, und der Käsekoloß stand in der Presse. Allerhand Gerät lag und hing umher, besonders durften die einbeinigen, gleich an den Hüften festzuschnallenden Stühle zum Melken und die gedrechselten Eimer nicht übersehen werden. Auch sehr große hölzerne Kübel mit Molken waren aufgestapelt, welche letztere teils das gewöhnliche Getränk abgeben, teils zur Bereitung des Ziegers dienen; und endlich wurden in der einen Nebenkammer uns ganze Gestelle voll Käse gezeigt sowie in einer andern Kammer ein großer Trog mit durchfließendem Quellwasser, in welches eine Reihe von Äschen voller Milch gestellt war, denn alle Milch wird hier zur Käsebereitung verbraucht.
Nach langem Bergabsteigen gelangten wir gegen 2 Uhr in die hohle Gasse von Küßnacht, einem ganz gewöhnlichen wenig tiefen Hohlwege, von jungen Buchen beschattet. Fromm haben die alten Schweizer am Eingange eine Kapelle mit spitzem Glockentürmchen errichtet, unter deren Vordach die Begebenheiten der Schweizerbefreiung in einem Bilde vereinigt sind. Geßlers Tod durch den Pfeil Tells, dessen Gedächtnis das Kirchlein geweiht ist, fällt am meisten ins Auge. Nebenan steht manch alter gemütlicher Reim, zum Beispiel:
Hier ward Geßlers Hochmuth erschossen,
Daraus ist unsre Freiheit entsprossen.
Wie lange wird solche währen?
Noch lange, wenn wir die Alten wären!
Wir mieteten in Küßnacht einen Kahn und fuhren über den Vierwaldstätter See nach Stansstad, Wäggis links, Luzern rechts liegen lassend, von welchem letztern uns die Menschenmasse des Volksfestes zurückscheuchte. Es war Regenwetter eingefallen, die niedrig ziehenden Wolken[320] spielten mannigfaltig um die hohen Berggipfel, die Bergwände selbst waren in düsteres Grau gehüllt, der hellgrüne See wallte unruhig, und so wie die gestrige Fahrt den heitersten Eindruck hinterließ, so trug die heutige durchaus einen trüben, melancholischen und doch immer großen Charakter.
Bei Stansstad kamen Gebirgshörner von Alpenkalkstein näher an den See, und man bemerkte deutlich die stark einfallenden, oft gebogenen Schichten und die senkrecht abgesonderten, fast säulenförmigen Stücken. Stansstad, im Eingange eines herrlichen Tales zwischen dem schroffen Pilatusberge und Buochserhorn gelegen, erreichten wir gegen 7 Uhr und hatten nun noch einen halbstündigen, höchst anmutigen Weg durch ein wahres Alpental nach Stans. Schon der Eingang des Tales wurde durch die schönen Seeufer und einen alten, romantisch genug in die See hineingebauten Turm trefflich eingeleitet. Weiterhin nun die großen, köstlich verästeten Nußbäume und der üppige Graswuchs am Wege; der klar herabrauschende starke Gebirgsbach und die zierlichen, längs seiner Ufer erbauten Schweizerhäuser, von Holz sauber zusammengefügt und breit bedacht; oben aber die ungeheuern, häufig fast senkrechten Gebirgswände, mit Waldstreifen doch bis zur Höhe bewachsen und von immer noch sprühenden Wolken umspielt. Wir schienen erst jetzt recht mitten in die Schweiz eingetreten zu sein!
Stans war der Wohnort des Arnold von Winkelried, und ritterlich steht seine Bildsäule, ein Bündel Lanzen im Arm haltend, auf einem Brunnen der Kirche gegenüber.
Stans, 10. August vormittags
Gestärkt durch eine glückliche Nachtruhe, erwachten wir unter gewaltigen Regengüssen. Immer noch umweben die Wolken die Berge, und es ist leider wenig Aussicht zu[321] gutem Wetter. – Es ist heute hier Feiertag; die zierlich gekleideten Schweizerinnen ziehen zu der unsern Fenstern gegenüberliegenden Kirche, die mit ihrer luftigen Vorhalle ein heiteres Ansehen hat. Diesen immer etwas breitschulterigen, von Gesicht selten hübschen Frauen steht übrigens ihre Tracht meistens sehr gut. Die geflochtenen Haare werden durch eine große silberne Nadel in einem Neste zusammengehalten und sind mit einer roten Schleife geziert, ein großer, ganz flacher Strohhut, mit vier mächtigen Bandschleifen geschmückt, ein buntes Mieder, weite kurze Hemdärmel, schmale Schürzen, breite, aber kurze Röcke nebst Schnallenschuhen gehören zu dem üblichen Anzuge. Was männliche Tracht betrifft, so ist sie weniger ausgezeichnet. Sehr breitrandige Filzhüte und Ledergürtel scheinen vorzüglich getragen zu werden. Einige bemerken wir jedoch auch mit wahren Sandalen.
Stans, denselben Tag abends
Dieser vom Wetter erzwungene Rasttag war bei allem Regen doch nicht ohne mannigfaltig hübsche Erscheinungen. Vormittags beschäftigte mich insbesondere die Beobachtung der rastlos entstehenden und die Berge umlagernden Wolken. An dem ungeheuern, hinter den nächsten Häusern aufragenden Bergrücken lagen zuweilen zwei ganz verschiedene Wolkenschichten gleichsam terrassenartig übereinander. Bald flockten sie sich gleich zarter Baumwolle auseinander und umspannen die Tannenspitzen, bald sah man sie sich massiger zusammenballen und ratlos wechselnd zur Höhe hinanstreben. Erfährt man aber in diesen Gebirgen so deutlich die Bildung der Wolken, so kann man auch hinwiederum ihre Auflösung sehr bestimmt verfolgen. Gegen Abend stand zum Beispiel vor einem fernern Berge ein länglicher, völlig geformter weißer Kumulus. Kurze Zeit nachher fing er an sich aufzulockern,[322] auszubreiten und war, ehe man es dachte, völlig verschwunden. Eine wahre Naturgeschichte der Wolken könnte eigentlich nur in solchen Hochgebirgen, wo man mit diesen Luftgestalten nach und nach höchst vertraut wird, ausgearbeitet werden.
Trotz allem Regen wanderte ich vormittags noch zur Kirche. Man ist hier erzkatholisch, und in diesem Sinne ist denn auch die neue Kirche innen und außen verziert. Merkwürdig war mir eine kleine Nebenkapelle, in welcher ein unterirdisches Gewölbe zugleich als Beinhaus diente; sparsam durch einige kleine, schief eingebaute Fenster erleuchtet, mit wenigen morschen Gebetbänken versehen, ließ es in seiner hintern Halle eine ganze dicht mit Totenköpfen und Totenbeinen belegte Wand mühsam erkennen. Zwei kreuzförmige Leuchter dienten wahrscheinlich zum Lichteraufstecken am Allerseelentag, waren aber jetzt auch mit einigen Totenköpfen behangen und besteckt, dunkel aber brannte in einem großen eisernen Gehäuse die Ewige Lampe. – In der obern Kirche neben dem Altar sah man die widrigsten Votivbilder von barocker Arbeit. Einige Weiber beteten an der Grabstätte eines neuerlich kanonisierten Geistlichen, und ich sah dort eine ganze Reihe unförmlicher Wachsbilder an Schnuren aufgehangen, Krankheiten andeutend, von denen dieser Heilige geholfen haben sollte.
Altdorf, 11. August abends
Heute früh endlich, gegen 9 Uhr, zogen wir unter fortwährendem Regen von Stans nach Buochs, an dem einsam unter mächtigen Obstbäumen gelegenen Hause des Arnold von Winkelried vorüber; dort nahmen wir einen dreirudrigen Nachen und fuhren so gen Flüelen ab. – Dieser Vierwaldstätter See zeigte sich heute in peinlichem Lichte. Schwere Wolken des grauen Regenhimmels lagen gleich einer finstern Decke auf allen Bergen, deren untere Hälfte[323] sonach allein sichtbar blieb. Dumpfe Schwüle herrschte in der Luft, und die an sich herrlich mit Nußbäumen und Dörfern geschmückten, ja infolge des unendlichen Regens noch mit vielen Wasserfällen gezierten Ufer lagen grün und blau in unerfreulicher Härte unter den Wolken.
Wir landeten zuerst vor Tells mit bunten Wandgemälden und vielen Reimen gezierter Kapelle, welche recht wild und keck, gleich Tells Sprung selbst, am schroffen, bewaldeten Axenberge hervorgebaut ist. Um den Fuß des Axen, welcher weiterhin mit ungeheuern senkrechten Felsenmauern in den See hereintritt, fuhren wir dann nach Flüelen, wo wir in starker Brandung landeten. Immer noch hatten uns streifende Sonnenblicke von Zeit zu Zeit erfreut, und der mächtige Briestenstock, eine Spitze des Hochgebirges, trat mehrmals majestätisch über den glänzenden Wolken hervor, so daß uns denn doch dieser schönste Teil des Vierwaldstätter Sees, wo man sich, dank Schillers Genius, schon lange einheimisch gefühlt hatte, nicht ganz verlorenging.
Dann von hier nach Altdorf, einem hübsch und nach dem Brande vom Jahre 1800 neugebauten Flecken. Auf dem Markt steht ein einzelner Turm, wieder mit Tells Geschichten bemalt, dahinter dann die ungeheuersten Gebirgswände aufsteigend, dicht mit Schwarzwald bedeckt.
Vor einem Gasthof war eben eine ganze Karawane Reisender vom Gotthard heruntergekommen. Die Saumrosse und Maultiere mit Klingeln, die absteigenden Frauenzimmer, das hohe Gepäck, alles hatte schon ein völlig italienisches Ansehen.
Altdorf, 12. August
Den ganzen Tag Regen! Wir mieteten indes doch zur morgenden Abreise die Maultiere des Wirts und machten dann mit Schirmen bewaffnet uns auf, um nach Bürglen, Tells Geburts- und Wohnort, zu wandern. Ein halbstündiger[324] Weg führte zwischen vielen Gartenmauern unter großen Nußbäumen und über manchen von dick-trübem Gebirgswasser angeschwollenen Bach dahin. Auf einer Anhöhe, unter welcher der ganz erdfarbige Schächen fürchterlich brausend aus dem Schächentale hervortobte, lag die Kirche des Orts und ihr gegenüber, da wo Tells Haus gestanden haben soll, eine kleine, jetzt sehr beschädigte Kapelle, welches denn doch alles genau betrachtet sein wollte. Viele auf Tells Geschichte bezügliche Bilder sind fast unerkennbar geworden und ebenso die an sich schwachen Verse unleserlich.
Andermatt auf dem Sankt Gotthard,
13. August abends
So wäre uns denn doch dieser Zug trotz allem Wetter gelungen. Allerdings erwachte ich nämlich auch diesen Morgen zu Altdorf noch unter ziemlich heftigen Regengüssen, bald jedoch hielten sie an, die dicke graue Nebeldecke bildete sich wenigstens zu geformten Wolken, ja endlich wurde zu unserer großen Freude blauer Himmel hier und da sichtbar. Die Abreise wurde sofort nach 8 Uhr bestimmt, und wir fuhren mit zwei Maultieren in »ä leichte Wägeli«, wie der Wirt sagte, zu Altdorf hinaus.
Anfangs zieht die alte Straße sich immer am rechten Ufer der Reuß hinauf, dahingegen die neue auf der linken Seite sich hält und mit ihrer reinen Linie von weitem schon sich deutlich verfolgen läßt. Hier erst eröffnet sich nun die wahre Herrlichkeit des Reußtales! Die schneebedeckten Berghörner standen ihm besonders gut; die Sonne fing sie an zu erleuchten, und von allen Seiten stürzten schäumende Bergwasser zur Reuß hernieder. Der Reitweg geht oft dicht an schroffen Abgründen und mitten durch die herniederstürzenden Wasserfälle hindurch, allein der sichere Tritt dieser Maultiere entfernt die Gefahr, und man blickt bequem sitzend nach allen Seiten frei um sich. Herrlich[325] wurde dieser Weg vorzüglich gegen Wassen, einem ganz in diese Schluchten in der Nähe des Pfaffensprungs (einer gewaltigen Felskluft) hineingebauten Dorfes. Welch ein Rückblick da über die dunkle Schlucht, in welcher die grünliche Reuß schäumt, nach der beschneiten, sonnig erleuchteten hohen Alpe, die Windgälle genannt!
Hinter Wassen kaufte ich von einem Mädchen ein paar Gemshörner und einige Bergkristalle. Der Weg führt jetzt wieder am linken Ufer der Reuß hinauf. Hinter dem Dorfe Göschenen, dessen graue, aus Holz zusammengefügte Häuser selbst nur herabgerollte Felsstücke scheinen, verliert sich allmählich der Holzwuchs, die Flora aber bleibt auf den Matten zwischen den Steinen noch ziemlich gewöhnlich. Immer enger und ungeheuerer türmen sich nun diese Granitfelsen, anfänglich noch mit Knieholz kümmerlich umwachsen, oft furchtbar überhängend. Unter einzelnen Granitblöcken zeigten kleine hölzerne Kreuze zuweilen die Stellen an, wo im Winter und Frühjahr (denn die Straße wird das ganze Jahr hindurch bereist) Wanderer durch stürzende Lawinen begraben worden waren.
Fürchterlich schön tobt jetzt der Fluß in unzähligen Wasserfällen durch das enge Felsenbett. Keck gesprengte Bogenbrücken führen hinüber und herüber, bis zuletzt über einem herrlichen Wassersturze und zwischen den ganz veränderten Felsen des Urgesteins die sogenannte Teufelsbrücke sichtbar wird. Kühn ist ihr schmaler Bogen über den schäumenden stäubenden Sturz gespannt, und die schroffsten Granitblöcke umgeben sie. Der Weg wendet sich nun auf dem rechten Ufer jäh aufwärts, und man sieht den Eingange des Ursener Lochs, eines über 100 Schritte langen Felsenganges, welcher in seiner Mitte Licht durch eine vergitterte, zur Reuß führende Öffnung, erhält. Hindurchgedrungen, steht man dann in einem[326] neuen Tale oder vielmehr in einem Gebirgskessel, worin Andermatt liegt. Die Berge, welche dieses Wiesental einschließen, waren sämtlich seit gestern beschneit, das Ganze hatte, bei wieder ziemlich bewölktem Himmel, ein höchst winterliches Ansehen, und wir waren trotz der Mäntel tüchtig durchfroren.
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390 Seiten, 19.80 Euro