Poppée, Frl. Dolphine

[148] Poppée, Frl. Dolphine, Wien VIII, Schlösselgasse 26, Th. 14, ständige Adresse; zur Zeit Tabor, Böhmen, am 8. September 1865 auf einem einsamen Gehöfte Böhmens als achte Tochter unter 14 Kindern eines Pächters geboren, erwählte sie den Lehrerinnenberuf. Später beschäftigte[148] sie sich mit verschiedenen Spezialstudien u.a. mit der Graphologie. 1890 wurde sie Mitglied der graphologischen Gesellschaft in Paris. Fortgesetztes Studium und vielfache Urteile, die sie auf Grund vorgelegter Handschriften gab und die Betreffenden ob des richtigen Urteils in Erstaunen setzten, veranlassten Frl. D. P., sich auf diesem Gebiete eine Existenz zu gründen. Auf Anraten massgebender Personen kam sie bei der Statthalterei in Prag um eine Konzession zur Errichtung eines graphologischen Instituts in Tabor ein. Anfänglich misstrauisch beurteilt, und die Graphologie auf dem Statthalterei-Bureau geradezu als »Schwindel« bezeichnet, worauf es keine Konzession gäbe, waren die hohen Beamten nicht wenig verblüfft, als die Gesuchstellerin prima vista auf Grund der vorgelegten Schriftproben die Schreiber richtig »porträtierte«, zum Ärger der einen, zur Schadenfreude der anderen, denn mancher von ihnen erhielt kein schmeichelhaftes Porträt. Innerhalb 3 Tagen hatte die Petentin die angesuchte Konzession in der Tasche. Eine sehr bedeutende Protektorin gewann Frl. D. P. in der Fürstin Pauline Metternich, auf deren Empfehlung hin die Wiener Tagespresse sich Proben ihrer graphologischen Kenntnisse von D. P. geben liess und hierüber sehr anerkennende Urteile veröffentlichte. In Wien fand sie in den besten Gesellschaftskreisen Eingang, sie gab in bevorzugten Vereinen, wie in der »Concordia«, im Kunstlitterarischen Verein u.a., sowie in den Privatzirkeln der auserlesensten Kreise Vorstellungen. 1897 wurde sie als Sachverständige im Schreibfache beim Wiener Landesgericht vereidigt, der erste Fall in Österreich, dass eine weibliche Sachverständige bei Gericht zugelassen wurde. D. P. vollendete jetzt das erste czechische graphologische Werk »Das Schriftgeheimnis«, welches bei Vilimek in Prag erscheinen wird. Sie ist auch Korrespondentin für »La Graphologie« in Paris, sowie vieler deutscher und böhmischer Zeitungen.

‒ Pismověda. (Graphologie.) 8. (100) Prag 1896, Vilimek. 1.70

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 2. Berlin, 1898., S. 148-149.
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