[398] 1. Der grosse Indra, der an Kraft
der regenschwangern Wolke gleicht,
Erlabt an Vatsa's Liedern sich,
2. Wenn Priester ihm des Opfers SprossA1
entgegenbringen führend ihn,
Begeistert bei des Opfers Dienst.
3. Seit Indra durch der Kanva's Lied
zum Opferfördrer ist erseh'n,
Heisst Bruder ihnen sein Geschoss.
4. Zu seinem Eifer neigen sich
herab die Völker allesammt,
Wie zu dem Meer der Ströme Flut.
5. Da glänzte herrlich seine Kraft,
als Indra Erd' und Himmelszelt
Zusammenrollte wie ein Fell.[398]
6. Des Vritra Haupt, des tobenden,
zerschlug er auch mit seinem Blitz,
Dem hundertzackgen, kräftigen.
7. Wir preisen seine Pfeile hier,
die Flammen wie des Feuers Schein,
Im Sängerkreise andachtsvoll,
8. Seit die zuvor verborgenen,
andächt'gen Kanva's in dem Strom
Des frommen Werkes leuchteten.
9. Lass, Indra, uns erlangen nun
an Ross und Rindern reiches Gut,
Sogleich als des Gebets Gewähr.
10. Denn ich empfing vom Vater her
des heil'gen Brauches Wissenschaft,
Der Sonne gleich bin ich gezeugt.
11. Nach alter Weise schmücke ich
nach Kanva's Art die Lieder aus,
Durch welche Indra Kraft empfing.
12. Wenn andre Sänger dich gelobt,
und andre, Indra, nicht gelobt,
So labe dich an meinem Lob.
13. Als Indra seine Wuth gekühlt,
da Vritra er in Stücke riss,
Da trieb die Fluten er zum Meer.
14. Du, Indra, warfst den starken Blitz
dem Dämon Çuschna auf das Haupt,
Als Stier bist du, o Held, berühmt.
15. Den Indra fassen Himmel nicht,
nicht Lüfte ihn, der Blitze trägt,
Noch Erden ihn nach seiner Macht.
16. Der Indra dir der Wasser Flut
unausgesetzt umlagerte,
Den tratst du mit der Rosse Huf.
17. Der dieses grosse Weltenpaar
umspannend fest zusammenschloss,
Den hülltest du in Finsterniss.
18. Wenn Indra dich der Jati-stamm,
und dich die Bhrigu's auch gelobt,
So hör auf mich, du mächt'ger doch.
19.394 Es strömen diese Kühe hier,
die strotzen in dem Heiligthum,
Dir Indra Milch und Butter zu,[399]
20. Die Mütter, welche Indra dich
geboren als des Leibes Frucht,
Gleich wie die Sonn' am Himmelszelt.
21. Die Kanva's haben dich erquickt,
o Herr der Kraft, mit ihrem Spruch,
Dich die gebrauten Indu's auch.
22. In deiner Führung, Indra, nur
o Schleuderer, kann recht gedeihn
Das Opfer und der Lobgesang.
23. Erschliess uns, Indra, grosses Gut,
gleich einer rinderreichen Burg,
Und Kinder uns und Heldenschar,
24. Und auch der schnellen Rosse Schar,
die vor den Nachbarstämmen hier,
O Indra, herrlich strahlen mag.
25. Du hast wie einen weiten Stall
der Sonne Schein uns ausgedehnt,
Um gnädig, Indra, uns zu sein.
26. Wenn du in Wahrheit mächtig bist,
und, Indra, alle Welt beherrschst,
Gross, unermesslich du an Kraft,
27. So rufen dich zur Hülfe auch
die Menschen opferbringend her,
Der du durch Indu's weit dich dehnst.
28. An der Gebirge Ueberhang
und an der Ströme Einigung
Entsprang der weise durch Gebet.
29. Dort von der Höhe schaut herab
der einsichtsvolle auf das Meer,
Von wo es wogend sich bewegt.
30. Dann erst lässt schauen sich das LichtA2,
das aus dem alten Samen stammt,
Das hell und hoch am Himmel brennt.
31. Die Kanva's alle stärken dir,
o Indra, Muth und Manneskraft,
Und, stärkster, deine Heldenmacht.
32. Lass, Indra, dir mein schönes Lob
gefallen, unterstütze mich,
Und kräftige die Einsicht mir.[400]
33. Wir Sänger haben andachtsvoll,
dir, o gewalt'ger Schleuderer,
Dies Lied gemacht zum Leben uns.
A1 Den Soma.
A2 Die Sonne.
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