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[382] Lieder aus der Familie des Kanva.
Dies Buch unterscheidet sich, wie schon in der Einleitung bemerkt ist, von den vorhergehenden sechs Büchern in wesentlichen Punkten. Die Anordnung der Lieder ist nach keinem durchgreifenden Princip geregelt, und es kann also nicht dieselbe Sammlerhand angenommen werden, welche die Bücher 2-7 ordnete. Auch gelingt es nicht, grössere Liedergruppen als selbständige Sammlungen auszusondern. Ferner ist die Ueberlieferung, wie sie in der sogenannten Anukramanika niedergelegt ist, in Bezug auf die Verfasser höchst unsicher. Es werden eine Menge mythischer Personen, zum Theil blosse Personificationen als Verfasser angegeben, oder ein in dem Liede vorkommendes auffällige Wort als Name des Verfassers gedeutet (wie haryata, begehrenswerth 61, 18; sudīti, glanzreich 60, 14.) Ja, sogar der Name eines Metrums, mit welchem das achte Buch beginnt, und welchem viele Lieder desselben angehören, pragātha, wird zum Liedverfasser gestempelt und seine Verwandtschaft mit dem kaṇva, dessen Bruder und Adoptivsohn er sein soll, angegeben. Man könnte hierdurch zu der Annahme geführt werden, dass die Angabe der Verfasser, wie sie in jener Ueberlieferung enthalten ist, durchweg zu verwerfen sei. Dies ist aber keineswegs der Fall. Die Verfasser nennen sich in vielen Liedern dieses Buchs und bezeichnen sich zum Theil bestimmt als dem Geschlechte des Kanva angehörig, oder wo sie ihre Abstammung nicht angeben, macht es doch der Vergleich mit dem ganzen Charakter des Buchs wahrscheinlich, dass sie derselben Familie (des Kanva) angehörten. Dieser eigenthümliche Charakter ist besonders aus dem Versmass erkennbar. Die Versart, welche in den übrigen Büchern die bei weitem vorherrschende[383] ist, und bei der jeder Vers aus vier elfsilbigen Zeilen besteht, tritt hier ganz zurück, und kommt, abgesehen von wenigen vereinzelten und später eingeschobenen Versen nur in drei Liedern (42. 48. 85) vor. Dagegen herrscht in unserm Buch der in den übrigen Büchern nur vereinzelt vorkommende Strophenbau durchaus vor. Namentlich zeichnen sich zwei Arten von Strophen aus. Die eine (Pragātha genannt, s.o.) besteht aus zwei Versen, von denen der erste die Form 8 + 8 + 12 + 8, der zweite die Form 12 + 8 + 12 + 8 hat (vgl. z.B. Lied 3.) Statt des ersten Verses tritt bisweilen ein dreizeiliger Vers (8 + 12 + 8) ein (z.B. in 21.) Die andere Strophe besteht aus drei Versen, deren jeder drei achtsilbige Zeilen enthält. Viele dieser Strophen finden sich im Sama-Veda wieder, und zwar in einer Weise, welche ein eigenthümliches Licht auf diesen Strophenbau zurückwirft. Der Sama-Veda nämlich, welcher eine nur um etwa 70 Verse erweiterte Zusammenstellung einzelner Verse des Rig-Veda zu liturgischen Zwecken ist, besteht aus zwei Theilen, von denen der erste vereinzelte Verse des Rig-Veda, namentlich solche, welche den Anfangsvers einer Strophe bilden, aus ihrem Zusammenhange herausreisst und zu Liedern von 8 bis 14, in der Regel von 10 Versen willkürlich zusammenfügt, hingegen der zweite Theil sich nicht solcher Zusammenfügungen schuldig macht, sondern entweder ganze Lieder des Rig-Veda wiederholt (namentlich des neunten und zehnten Buchs), oder Strophen, seien sie aus zwei oder drei Versen bestehend, als selbständige Lieder enthält, oder, was jedoch sehr selten ist (in 7. 13. 22. 246. 483 des Rig-Veda) zwei zusammenhängende Strophen als ein Lied darbietet, oder endlich (gleichfalls nur selten) einzelne Verse als eigene Lieder darstellt. So finden wir namentlich sehr viele Strophen des achten Buchs in diesem zweiten Theile des Sama-Veda wieder, hingegen im ersten Theile desselben mit sehr wenigen Ausnahmen von jeder Strophe höchstens den ersten Vers. Man kann, um dies eigenthümliche Verhältniss zu erklären, nicht etwa annehmen, dass die Strophenlieder spätere Erweiterungen von Liedern gewesen seien, die nur den ersten Vers jeder Strophe enthalten hätten, und dass dem Sammler des ersten Theils des Sama-Veda nur jene kürzere und ursprünglichere Recension bekannt gewesen sei; denn dagegen legt der Bau dieser Strophenlieder, namentlich da, wo eine Verkettung der Strophen stattfindet, entschieden Protest ein. Das wahrscheinlichste ist mir, dass die Verse einer Strophe von verschiedenen Recitatoren hergesagt wurden, namentlich der erste Vers von dem Dichter, später von dem Hotar, der gewissermassen an[384] die Stelle des Dichters eintrat, die übrigen von Sängern derselben Familie, und dass der erste Theil des Sama-Veda nach seinen liturgischen Zwecken nur die vom Hotar gesprochenen Verse umfasst. In der That tritt diese dramatische Vertheilung der Verse einer Strophe namentlich in diesem achten Buche mehrfach deutlich hervor, indem der Dichter in dem ersten Verse häufig die verwandten Sänger, und in den folgenden Versen der Strophe diese jenen anreden.
Um der Unsicherheit der Ueberlieferung in Betreff der Verfasser zu entgehen, werde ich die Verfasser im Folgenden nur da angeben, wo sie sich im Verlauf des Liedes selbst nennen.
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