Gâruḍa-Upanishad.

[626] Dieser nach Garuḍa, dem Vogel des Vishṇu und Erbfeinde der Schlangen, benannte Schlangenzauber verdankt seine Aufnahme unter die Upanishad's wahrscheinlich der Bedeutung, welche die Gefahr, von Schlangen gebissen zu werden, bis auf den heutigen Tag in Indien hat, nicht so sehr für den Europäer, der mit kräftigem Schuhwerk versehen ist und es vermeiden kann, im Dunkeln zu gehen, um so mehr aber für die Eingebornen, wenn sie mit nackten Füssen bei Nacht wandern oder in Feld und Wald ihre Arbeit verrichten, wobei die Möglichkeit, versehentlich auf eine Schlange zu treten und infolgedessen von ihr gebissen zu werden, eine nicht geringe ist. Vermehrt wird die Gefahr durch das Gebot der Ahiṅsâ, welches dem strenggläubigen Hindu nicht erlaubt, eine Schlange zu töten, sondern nur, dieselbe, mit eigner Gefahr, zu nehmen und dorthin zu bringen, wo sie, nach seiner Meinung, keinen Schaden stiften kann. Auch in dem Gemäuer alter Häuser nisten nicht selten Schlangen, ohne dass sie von den Hausbewohnern ausgerottet würden, da man, vermöge eines verbreiteten Aberglaubens, in ihnen die Seelen der Vorfahren sieht, auch die Sage geht, dass sie den Bewohnern niemals Schaden zufügten.

Der vorliegende, zur Würde einer Upanishad erhobene Schlangenzauber hat den doppelten Zweck, sowohl vor Schlangenbiss zu bewahren, als auch, wenn er erfolgt ist, die übeln Folgen desselben zu verhüten.

Unsere Übersetzung folgt der in Jacob's Ausgabe (Eleven Âtharvaṇa Upanishad's p. 83-88) vorliegenden Re zension. In erweiterter Form hat Weber (Ind. Stud. XVII, 161 fg). unsere Upanishad herausgegeben.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 626-627.
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