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[621] Eine ähnliche Stellung wie in dem Corpus der platonischen Schriften die Ὅροι, Definitiones, nehmen in der Sammlung der Upanishad's einige, sehr späte und sekundäre Schriften ein, welche, auf Grund der ältern Upanishad's, vornehmlich, wie es scheint, für Zwecke des Lehrens und Lernens, die Hauptbegriffe des Vedântasystems aufzählen und erklären. Von dieser Art ist die von Weber (Ind. Stud. XVII, 136-160) behandelte Nirâlamba-Upanishad, welche 29 Grundbegriffe erörtert; mehr klassifizierend verfährt die Çârîraka-Upanishad, und auch die schwer zu beurteilende Nirvâṇa-Upanishad scheint diesem Kreise anzugehören. – Grössere Anerkennung als diese drei, nur in der Muktikâ-Sammlung aufgenommenen, Texte hat unsere, Sarva-upanishat-sâra oder Sarva-Upanishad genannte, Schrift gefunden, welche nicht nur in Colebrooke's und Nârâyaṇa's Sammlung, sondern auch als Sarb) (nicht zu verwechseln mit Sarbsar) im Oupnekhat und als Sarvasâra in der Muktikâ-Sammlung vorliegt. Dieselbe erklärt, auf Grund älterer Upanishadstellen, doch mit selbständiger Haltung, folgende dreiundzwanzig Termini:
1-4:bandha und moksha, avidyâ und vidyâ;
5-8:die vier Zustände in Mâṇḍûkya;
9-13:die fünf Hüllen in Taitt. 2;
14-16:kartar, jîva, kshetrajña;
17-19:sâkshin, kûṭastha, antaryâmin;
20-22:pratyagâtman, paramâtman, âtman;
23:mâyâ.
1. Was ist die Bindung?
2. Was die Erlösung?
3. Was ist das Nichtwissen?
4. Was das Wissen?
5-8. Was sind die Zustände des Wachens, Träumens, Tiefschlafes und Turîyam?[622]
9-13. Was ist die Nahrungsartige, Odemartige, Manasartige, Erkenntnisartige, Wonneartige [Hülle]?
14-19. Was ist der Täter, Jîva, Kshetrajña, Zuschauer, Höchststehende, innere Lenker?
20-23. Was ist der innere Âtman, der höchste Âtman, der Âtman und die Mâyâ?
1. Der Âtman ist Gott. Wenn aber einer wähnt, der Leib usw., welcher nicht der Âtman ist, sei der Âtman, so heisst dieser Wahn die Bindung (bandha) des Âtman.
2. Das Zunichtewerden dieses Wahnes ist die Erlösung (moksha).
3. Was jenen Wahn hewirkt, ist das Nichtwissen (avidyâ).
4. Das, wodurch der Wahn zunichte wird, ist das Wissen (vidyâ).
5. Wenn man mit den von Manas anfangenden vierzehn1 Organen, welche nach aussen sich entfalten (pushkala) und dabei von Gottheiten wie Âditya usw. unterstützt werden, die groben Objekte, wie Töne usw., wahrnimmt, so heisst dies das Wachen (jâgaraṇam) des Âtman.
6. Wenn man, von den Eindrücken des Wachens befreit, mit nur vier Organen [Manas, Buddhi, Cittam, Aha kâra] und ohne dass Töne usw. vorhanden sind, auf jenen Eindrücken beruhende Töne usw. vernimmt, so heisst dies das Träumen (svapnam, hier Neutrum!) des Âtman.
7. Wenn man, infolge des Ruhens aller vierzehn Organe und des Aufhörens des Bewusstseins der besonderen Objekte [ohne Bewusstsein ist], so heisst dies der Tiefschlaf (sushuptam) des Âtman.
8. Wenn, unter Wegfall der drei genannten Zustände, das dem Sein als Zuschauer gegenüberstehende Geistige nur noch selbst als eine von allem Sein befreite Unterschiedlosigkeit[623] besteht, so heisst dieses Geistige das Turîyam (das Vierte).
9. Die Zusammenfassung der sechs aus Nahrung gebildeten Hüllen [Knochen, Mark, Fett, Haut, Fleisch, Blut] heisst die nahrungsartige (annamaya) Hülle.
10. Wenn in der nahrungsartigen Hülle auch noch die vierzehn Arten des Windes, Prâṇa usw. [prâṇa, apâna, vyâna, udâna, samâna; nâga, kûrma, kṛika ra, devadatta, dhanañjaya; vairambhaṇa, sthânamukhya, pradyota, prakṛita] vorhanden sind, so heisst dies die odemartige (prâṇamaya) Hülle.
11. Wenn der Âtman, mit diesen beiden Hüllen verbunden, vermittelst der vier Organe des Manas usw. [Manas, Buddhi Cittam, Aha kâra] die Töne und andern Objekte, sowie die Betätigungen des Vorstellens usw. bewirkt, so heisst dies die manasartige (manomaya) Hülle.
12. Wenn der Âtman, mit diesen drei Hüllen verbunden, als die auf jenen Betätigungen [des Vorstellens usw.] beruhenden Unterschiede und Gleichheiten erkennend erscheint, so heisst dies die erkenntnisartige (vijñânamaya) Hülle.
13. Wenn er in der Erkenntnis, dass er selbst die Ursache jener vier Hüllen, wie der Feigenkern die des Feigenbaumes, sei, verweilt, so heisst dies die wonneartige (ânandamaya) Hülle.
14. Wenn er, auf die Erkenntnis der Lust und des Schmerzes sich stützend, innerhalb des Leibes zum Täter (kartar) wird, so wird die Erkenntnis eines erwünschten Objektes zur Erkenntnis der Lust, die Erkenntnis eines unerwünschten Objektes zur Erkenntnis des Schmerzes; die Ursachen aber der Lust und des Schmerzes sind Ton, Berührung, Gestalt, Geschmack und Geruch.
15. Wenn er im Verfolge der guten und bösen Werke die Trennung von dem gegenwärtigen Leibe und die Verbindung mit einem künftigen Leibe bewerkstelligt, so heisst er,[624] weil er mit diesen Leibern behaftet ist, die individuelle Seele (jîva).
16. Das Manas mit den übrigen [Buddhi, Cittam, Aha kâra], der Prâṇa mit den übrigen [Apâna, Vyâna, Udâna, Samâna], das Sattvam mit den übrigen [Rajas und Tamas], der Wunsch mit den übrigen2 und das Gute mit den übrigen [Böses, Erkenntnis, Eindrücke], – dies sind die fünf Gruppen. Der Träger dieser fünf Gruppen, welcher ohne die entstandene Erkenntnis des Âtman nicht vergeht und in der Nähe des Âtman als ewig aufgefasst wird, obgleich er nur eine Bestimmung (upâdhi) des Âtman ist, dieser heisst der Li galeib oder der Herzensknoten; und das Geistige, welches in ihm zum Vorscheine kommt, heisst der Leibkenner (kshetrajña).
17. Derjenige, welcher Subjekt, Objekt und Tätigkeit des Erkennens in ihrem Hervortreten und Zurücktreten erkennt, während er selbst weder hervortritt noch zurücktritt, sondern an sich selbst Licht ist, dieser heisst der Zuschauer (sâkshin).
18. Sofern er von Brahmán an bis zur Ameise herab in den Bewusstseinen aller Lebewesen ohne Unterschied wahrgenommen wird, als in dem Bewusstsein aller Lebewesen stehend, heisst er der Höchststehende (kûṭastha).
19. Wenn der Âtman, als die Ursache der Naturbeschaffenheit der mit dem Höchststehenden usw. ausgerüsteten Vielheiten, in allen Leibern, gleichwie die Schnur durch die Menge der Perlen, hindurchgefädelt erscheint, so heisst er der innere Lenker (antaryâmin).
20. Wenn der Âtman, von allen Bestimmungen befreit, wie gediegenes Gold erscheint als seiner Natur nach nur bestehend[625] aus Erkenntnis und Geist, so heisst dies der [in tat vam asi] durch das Wort »du« bezeichnete innere Âtman (pratyagâtman).
21. Das Brahman ist real, Erkenntnis, unendlich, Wonne. Real, d.h. unvergänglich, ist das, welches, während Name, Ort, Zeit, Körper und Ursache vergehen, nicht mit vergeht. Dieses Unvergängliche wird weiter als Erkenntnis, nämlich als ein dem Entstehen und Vergehen nicht unterworfenes Geistiges, d.h. als Erkenntnis, bezeichnet. Ferner heisst es unendlich: nämlich wie den Tongefässen der Ton, den Goldgeräten das Gold, den Geweben der Faden, so ist den vom Unoffenbaren anfangenden Schöpfungsprodukten das Geistige vorhergehend und sie durchdringend und wird als solches unendlich genannt. Ferner heisst es Wonne: der aus Lust und Geistigkeit bestehende, unermessliche Wonne-Ozean, der seinem Wesen nach ohne Unterschied aus Lust besteht, wird als Wonne bezeichnet. Dasjenige, dessen Merkmal diese vier Wesenheiten [seiend, Erkenntnis, unendlich, Wonne] sind, und welches in Raum, Zeit und Kausalität unwandelbar besteht, heisst der [in tat tvam asi] durch das Wort »das« bezeichnete höchste Âtman (paramâtman) oder das höchste Brahman.
22. Derjenige, welcher von dem mit Bestimmungen behafteten Worte »du« und von dem mit Bestimmungen behafteten Worte »das« verschieden ist und wie der Äther rein, absolut und nur aus Sein bestehend ist, wird als das Selbst (das Wesen, die Seele, âtman) des Wortes »das« bezeichnet.
23. Dasjenige, welches ohne Anfang, doch nicht ohne Ende (lies: antavatî) ist, welches sich gegen Beweis und Nichtbeweis gleich verhält, nicht seiend, noch auch nichtseiend, noch auch seiend und nichtseiend ist, welches, sofern man für das aus dem selbst Unerschaffenen stammende Erschaffene die Ursache [d.h. Brahman] vorstellt, nicht ist, und sofern man sie [im Empirischen bleibend] nicht vorstellt, ist, dieses aller Merkmale Entbehrende wird die Täuschung (mâyâ) benannt.
1 Manas, Buddhi, Cittam, Aha kâra, fünf Jñânendriyâṇi, fünf Karmendriyâṇi (Nârâyaṇa). Cittam als besonderes Organ auch Praçna 4,8. Cûlikâ v. 14.
2 Der Scholiast versteht die Bṛih. 1,5,3 vorkommende Aufzählung der Funktionen des Manas: »Verlangen, Entscheidung, Zweifel, Glaube, Unglaube, Festigkeit, Unfestigkeit, Scham, Erkenntnis, Furcht«; – schwerlich mit Recht, da icchâ gar kein Glied in dieser Reihe ist. Richtiger wird man an icchâ, dveshas, sukham, duḥkham (Ça k. ad Brahmasûtra p. 660,7) oder an die fünf Kleçâḥ (avidyâ, asmitâ, râga, dvesha, abhiniveça) des Yoga (Yogasûtra 2,3) zu denken haben.
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