Zwölfter Khaṇḍa.

[200] 1. »O Maghavan, sterblich, fürwahr, ist dieser Körper, vom Tode besessen; er ist der Wohnplatz für jenes unsterbliche, körperlose Selbst. Besessen wird der Bekörperte von Lust und Schmerz; denn weil er bekörpert ist, ist keine Abwehr möglich der Lust und des Schmerzes. Den Körperlosen aber berühren Lust und Schmerz nicht. – 2. Körperlos ist der Wind; die Wolke, der Blitz, der Donner sind körperlos. Sowie nun diese aus dem Weltraume [in welchem sie, wie die Seele im Leibe, gebunden sind] sich erheben, eingehen in das höchste Licht und dadurch hervortreten in ihrer eignen Gestalt, 3. so auch erhebt sich diese Vollberuhigung [d.h. die Seele im tiefen Schlafe] aus diesem Leibe, gehet ein in das höchste Licht und tritt dadurch hervor in eigner Gestalt: das ist der höchste Geist, – der dort umherwandelt, indem er scherzt und spielt und sich ergötzt, sei es mit Weibern, oder mit Wagen, oder mit Freunden und nicht zurückdenkt an dieses Anhängsel von Leib, an welches der Prâṇa angespannt ist wie ein Zugtier an den Karren. – 4. Wenn das Auge sich richtet auf den Weltraum, so ist er der Geist im Auge, das Auge [selbst] dient [nur] zum Sehen; und wer da riechen will, das ist der Âtman, die Nase dient nur zum[200] Geruche; und wer da reden will, das ist der Âtman, die Stimme dient nur zum Reden; und wer da hören will, das ist der Âtman, das Ohr dient nur zum Hören; 5. und wer da verstehen will, das ist der Âtman, der Verstand ist sein göttliches [Vergangenheit und Zukunft umspannendes] Auge; mit diesem göttlichen Auge, dem Verstande, erschaut er jene Genüsse und freut sich ihrer. – 6. Ihn verehren jene Götter in der Brahmanwelt [die von Indra die Belehrung erhalten werden] als das Selbst; darum besitzen sie alle Welten und alle Wünsche. – Der erlangt alle Welten und alle Wünsche, wer dieses Selbst gefunden hat und kennt.«

Also sprach Prajâpati, – sprach Prajâpati.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 200-201.
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