Zweiter Adhyâya.

[294] Vers 1-5. Preis des Gottes Savitar als des geistigen Erleuchters (= Vâj. Samh. 11,1-5; vgl. Taitt. Samh. 4,1,1).


1. Verstand und Sinn zur Wesenheit

Zuerst anschirrt Gott Savitar,[294]

Der Agni, als Licht kundmachend,

Über die Erde führte hin.


2. Getrieben von Gott Savitar

Sind angeschirrten Geistes wir,

Zum Himmelsliede und zur Kraft.


3. Anschirrend Sinne und Verstand,

Andächtig himmelwärts zu ziehn

Und grosses Licht zu schaffen uns,

Soll Savitar sie treiben an.


4. Nun schirren an die Andacht, schirren an den Geist,

Sie, die des grossen, weisen Priesters Priester sind;

Die Opfer ordnet er, dem alle Ordnung kund;

Laut wird gepriesen rings im Kreis Gott Savitar.


5. Das alte Brahman (Gebet) bring' ich euch in Ehrfurcht;

Weit dringt der Ruf, wie Sonnen ihre Bahn ziehn;

Des Ew'gen Kinder alle ihn vernehmen,

Und die in Wohnungen des Himmels schalten.


Vers 6-7. Vorbereitende und läuternde Bedeutung des Opferkultus.


6. Wo Agni aus dem Reibholze

Entspringt, wo Vâyu tritt hinzu,

Und wo auch Soma quillt reichlich,

Da entwickelt das Manas sich.


7. Durch Savitar, durch seinen Trieb

Freut des Gebets, des alten, euch;

Wenn dort ihr euren Stand nehmet,

Befleckt euch früh'res Werk nicht mehr.


Vers 8-15. Der Yoga. Verhalten, Ort, vorhergehende Erscheinungen, Erlangung der Yogakraft und ihre Folgen.


8. Den Leib dreifach gerichtet, ebenmässig,

Manas und Sinne im Herzen eingeschlossen,

So mag der Weise auf dem Brahmanschiffe

Die fürchterlichen Fluten überfahren.


9. Den Odem hemmend, die Bewegung zügelnd,

Bei Schwund des Hauchs ausatmend durch die Nase,

Wie jenen Wagen mit den schlechten Rossen (Kâṭh. 3,4),

So fesselt ohne Lässigkeit das Manas!
[295]

10. Rein sei der Ort und eben, von Geröll und Sand,

Von Feuer, von Geräusch und Wasserlachen frei;

Hier, wo den Geist nichts stört, das Auge nichts verletzt,

In windgeschützter Höhlung schicke man sich an.


11. Erscheinungen von Nebel, Rauch und Sonnen,

Von Wind und Feuer, von Leuchtkäfern, Blitzen,

Von Bergkristall und Mondglanz, sind beim Yoga

In Brahman Offenbarung vorbereitend.


12. Aus Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther dann

Fünffach entwickelt sich die Yoga-Tugend;

Der weiss nichts mehr von Krankheit, Alter, Leiden,

Der einen Leib erlangt aus Yogafeuer.


13. Behendigkeit, Gesundheit, Unbegehren,

Ein klares Antlitz, Lieblichkeit der Stimme,

Schöner Geruch, der Ausscheidungen wenig, –

Darin betätigt sich zuerst der Yoga.


14. Gleichwie ein Spiegel, der mit Staub bedeckt war,

Wie Feuerschein erglänzt, wenn er gereinigt,

So wird nur, wer erkannt der Seele Wesen,

Des Ziels teilhaftig und befreit von Kummer.


15. Wem seiner Seele Wesen ward zur Fackel,

Im Yoga Brahman's Wesen zu erschauen,

Fest, ewig, rein von allen Daseinsformen, –

Wer so den Gott weiss, der wird frei von Banden.


Vers 16-17. Nachträgliches: Die Allgegenwart Gottes und seine Verehrung. (Vers 17 ohne bestimmbares Metrum).


16.1 Er ist der Gott in allen Weltenräumen,

Vormals geboren und im Mutterleibe;

Er ward geboren, wird geboren werden,

Ist in den Menschen und allgegenwärtig.


17. Der Gott, der im Feuer ist, im Wasser,

Der in die ganze Welt ist eingegangen,

Der in den Kräutern weilt und in den Bäumen,

Diesem Gott sei Ehre! – sei Ehre!


Fußnoten

1 Vâj. Samh. 32,4 (Gesch. d. Phil. I, 292).

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 294-296.
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