Über die wissenschaftlichen

Behandlungsarten des Naturrechts,

seine Stelle in der praktischen

Philosophie und sein Verhältnis

zu den positiven Rechtswissenschaften

[434] Die Wissenschaft des Naturrechts ist gleich anderen Wissenschaften als Mechanik, Physik zwar längst als eine wesentlich philosophische Wissenschaft und, weil die Philosophie Teile haben muß, als ein wesentlicher Teil derselben anerkannt worden; aber sie hat mit den anderen das gemeinschaftliche Schicksal gehabt, daß das Philosophische der Philosophie allein in die Metaphysik verlegt und ihnen wenig Anteil daran vergönnt [war], sondern daß sie, in ihrem besonderen Prinzip, ganz unabhängig von der Idee gehalten wurden. Die als Beispiele angeführten Wissenschaften sind endlich gezwungen worden, mehr oder weniger ihrer Entfernung von der Philosophie geständig zu sein, so daß sie das, was Erfahrung genannt zu werden pflegt, für ihr wissenschaftliches Prinzip anerkennen, hiermit auf die Ansprüche, wahrhafte Wissenschaften zu sein, Verzicht tun und sich begnügen, aus einer Sammlung empirischer Kenntnisse zu bestehen und sich der Verstandesbegriffe bittweise, und ohne damit etwas Objektives behaupten zu wollen, zu bedienen. Wenn solches, was sich philosophische Wissenschaft genannt, aus der Philosophie und aus der Kategorie der Wissenschaft überhaupt zuerst wider seinen Willen ausgeschlossen worden ist und alsdann diese Stellung sich am Ende hat gefallen lassen, so hat diese Ausschließung nicht[434] darin ihren Grund, daß jene sogenannten Wissenschaften nicht von der Wissenschaft der Philosophie selbst ausgegangen und in dem bewußten Zusammenhang mit ihr sich nicht gehalten haben; denn es ist jeder Teil der Philosophie in seiner Einzelheit fähig, eine selbständige Wissenschaft zu sein und eine vollkommene innere Notwendigkeit zu gewinnen, weil das, wodurch sie wahrhafte Wissenschaft ist, das Absolute ist, – in welcher Gestalt es allein das eigentümliche Prinzip ist, welches über der Sphäre ihres Erkennens und ihrer Freiheit liegt und in Beziehung auf welches sie einer äußeren Notwendigkeit angehört. Aber von dieser Bestimmtheit bleibt die Idee selbst frei und vermag sich in dieser bestimmten Wissenschaft so rein zu reflektieren, als das absolute Leben in jedem Lebendigen sich ausdrückt, ohne daß das Wissenschaftliche einer solchen Wissenschaft oder ihre innere Vernünftigkeit sich zum Tage heraus in die reine Form der Idee erhöbe, welche das Wesen jeder Wissenschaft und in der Philosophie als der absoluten Wissenschaft als diese reine Idee ist; von jener eigenen und doch freien wissenschaftlichen Ausbildung einer Wissenschaft gibt die Geometrie ein glänzendes, von den anderen Wissenschaften beneidetes Beispiel. Ebenso ist es auch nicht darum, daß den Wissenschaften, welche wie die obengenannten beschaffen sind, alle Realität abgesprochen werden muß, weil sie eigentlich empirisch seien; denn wie jeder Teil oder jede Seite der Philosophie eine selbständige Wissenschaft zu sein fähig ist, so ist jede unmittelbar damit auch ein selbständiges und vollendetes Bild und kann in der Gestalt eines Bildes von einer Anschauung, welche rein und glücklich sich der Verunreinigung mit fixen Begriffen enthält, aufgenommen und dargestellt werden.

Die Vollendung der Wissenschaft aber erfordert, daß ebensowohl die Anschauung und das Bild mit dem Logischen vereinigt und in das rein Ideelle aufgenommen sei, als daß der abgesonderten, obzwar wahrhaften Wissenschaft ihre Einzelheit genommen und ihr Prinzip nach seinem höheren[435] Zusammenhang und Notwendigkeit erkannt und eben dadurch selbst vollkommen befreit werde, – wodurch es allein auch möglich ist, die Grenzen der Wissenschaft zu erkennen, über welche sie ohne dieses in Unwissenheit sein muß, weil sie sonst über sich selbst stehen und die Natur ihres Prinzips nach seiner Bestimmtheit in der absoluten Form erkennen müßte; denn aus dieser Erkenntnis würde für sie unmittelbar die Erkenntnis und Gewißheit der Ausdehnung der Gleichheit ihrer verschiedenen Bestimmtheiten folgen. So aber kann sie gegen ihre Grenzen nur empirisch sich verhalten und muß bald falsche Versuche machen, sie zu überschreiten, bald sie enger meinen, als sie sind, und darum ganz unerwartete Erweiterungen erleben, wie die Geometrie ebenfalls – welche z.B. zwar die Inkommensurabilität des Diameters und der Seite des Quadrats, aber nicht die des Diameters und der Peripherie eines Kreises zu erweisen weiß3 –, noch mehr die Arithmetik und am meisten die Vereinigung beider die größten Beispiele vom Herumtappen der Wissenschaft im Dunkeln an den Grenzen gibt.

Wenn die kritische Philosophie auf theoretische Wissenschaften die wichtige negative Wirkung gehabt hat, das Wissenschaftliche[436] an ihnen als etwas nicht Objektives, sondern dem Mitteldinge zwischen Nichts und Realität, der Vermischung von Sein und Nichtsein angehörig zu erweisen und ihr Geständnis herbeizuführen, daß sie nur im empirischen Meinen sind, so ist ihr Positives von dieser Seite desto ärmer ausgefallen und nicht vermögend gewesen, jene Wissenschaften der Philosophie wiederzugeben. Dagegen hat sie das Absolute ganz in die praktische Philosophie gelegt, und in dieser ist sie positives oder dogmatisches Wissen. Wir müssen die kritische Philosophie, welche sich auch transzendentalen Idealismus nennt, wie überhaupt, so besonders im Naturrecht als den Kulminationspunkt desjenigen Gegensatzes betrachten, der, wie die Kreise auf der Oberfläche des Wassers von dem Punkt an, wo es bewegt wird, sich konzentrisch ausbreiten, endlich in kleinen Bewegungen die Beziehung auf einen Mittelpunkt verlieren und unendlich werden, sich in früheren wissenschaftlichen Bestrebungen aus der Verschlossenheit der Barbarei von schwächeren Anfängen immer mehr vergrößerte, bis er in der kritischen Philosophie durch den absoluten Begriff der Unendlichkeit sich selbst verständigte und als Unendlichkeit auch sich aufhebt. Den früheren Behandlungsarten des Naturrechts und demjenigen, was für verschiedene Prinzipien desselben angesehen werden müßte, muß daher für das Wesen der Wissenschaft alle Bedeutung abgesprochen werden, weil sie zwar im Gegensatze und in der Negativität, aber nicht in der absoluten Negativität oder in der Unendlichkeit sind, welche allein für die Wissenschaft ist, sondern sowenig das Positive als das Negative rein haben und Vermischungen von beiden sind. Es würde allein das Interesse einer Neugierde über das Geschichtliche der Wissenschaft sein, welches bei ihnen verweilen könnte, sowohl um sie mit der absoluten Idee zu vergleichen und in der Verzerrung derselben selbst die Notwendigkeit zu erblicken, mit welcher durch eine Bestimmtheit, die Prinzip ist, verzogen die Momente der absoluten Form sich darstellen und selbst unter der Herrschaft[437] eines eingeschränkten Prinzips doch diese Versuche beherrschen, – als auch den empirischen Zustand der Welt sich in dem ideellen Spiegel der Wissenschaft reflektieren zu sehen.

Denn was das Letzte betrifft, so wird in dem Zusammenhang aller Dinge das empirische Dasein und der Zustand aller Wissenschaften zwar ebenfalls den Zustand der Welt ausdrücken, aber am nächsten der Zustand des Naturrechts, weil es unmittelbar sich auf das Sittliche, den Beweger aller menschlichen Dinge bezieht und, insofern die Wissenschaft desselben ein Dasein hat, der Notwendigkeit angehört, mit der empirischen Gestalt des Sittlichen, welche ebenso in der Notwendigkeit ist, eins sein und als Wissenschaft dieselbe in der Form der Allgemeinheit ausdrücken muß.

Was das Erste betrifft, so kann als wahrer Unterschied des Prinzips der Wissenschaft allein anerkannt werden, ob sie im Absoluten oder ob sie außer der absoluten Einheit, in dem Gegensatze ist. Sie könnte im letzteren Fall aber überhaupt gar nicht Wissenschaft sein, wenn ihr Prinzip nicht irgendeine unvollständige und relative Einheit oder der Begriff eines Verhältnisses wäre, und wäre es auch nur die leere Abstraktion des Verhältnisses selbst, unter dem Namen der Attraktivkraft oder der Kraft des Einsseins. Wissenschaften, deren Prinzip kein Verhältnisbegriff oder nur die leere Kraft des Einsseins ist, bleibt nichts Ideelles als das erste ideelle Verhältnis, nach welchem das Kind different gegen die Welt ist, die Form der Vorstellung, in welche sie die empirischen Qualitäten setzen und deren Mannigfaltigkeit sie hererzählen können; sie würden vorzüglich empirische Wissenschaften heißen. Weil aber praktische Wissenschaften ihrer Natur nach auf etwas reell Allgemeines oder auf eine Einheit gehen, welche die Einheit von Differentem ist, so müssen in der praktischen Empirie auch die Empfindungen nicht reine Qualitäten, sondern Verhältnisse, es seien negative wie der Selbsterhaltungstrieb oder positive als Liebe und Haß, Geselligkeit und dergleichen, in sich schließen; und die wissenschaftlichere[438] Empirie unterscheidet sich von jener reinen Empirie nicht im allgemeinen dadurch, daß Verhältnisse mehr als Qualitäten ihr Gegenstand wären, sondern dadurch, daß sie diese Verhältnisse in der Begriffsform fixiert und sich an diese negative Absolutheit hält, ohne jedoch diese Form der Einheit und den Inhalt derselben zu trennen. Wir werden diese empirische Wissenschaften nennen; dagegen diejenige Form der Wissenschaft, in welcher der Gegensatz absolut und die reine Einheit oder die Unendlichkeit, das negativ Absolute rein von dem Inhalt abgesondert und für sich gesetzt ist, eine rein-formelle Wissenschaft.

Obzwar hiermit ein spezifischer Unterschied zwischen den beiden unechten Arten der wissenschaftlichen Behandlung des Naturrechts festgesetzt ist, nach welchem das Prinzip der einen Verhältnisse und Vermischungen der empirischen Anschauung und des Allgemeinen, das der anderen aber absoluter Gegensatz und absolute Allgemeinheit ist, so erhellt doch von selbst, daß die Ingredienzien beider, empirische Anschauung und Begriff, dieselben sind und daß der Formalismus, wie er zu einem Inhalt aus seiner reinen Negation übergeht, ebenfalls zu nichts anderem als zu Verhältnissen oder relativen Identitäten gelangen kann, weil das Rein-Ideelle oder der Gegensatz absolut gesetzt [ist], also die absolute Idee und Einheit nicht vorhanden sein kann und in Beziehung auf die Anschauung – da mit dem Prinzip der absoluten Entgegensetzung oder des Absolutseins des Rein-Ideellen das absolute Prinzip der Empirie gesetzt ist – die Synthesen, insofern sie nicht die bloß negative Bedeutung der Aufhebung eines Teils des Gegensatzes, sondern auch eine positive Bedeutung der Anschauung haben sollen, nur empirische Anschauungen vorstellen.

Diese zwei Arten der wissenschaftlichen Behandlung des Naturrechts sind fürs erste näher zu charakterisieren: die erstere in bezug auf die Weise, wie die absolute Idee nach den Momenten der absoluten Form in ihr erscheint; die andere, wie das Unendliche oder das negative Absolute es vergebens[439] zu einer positiven Organisation zu bringen sucht. Die Auseinandersetzung des letzteren Versuchs wird unmittelbar auf die Betrachtung der Natur und des Verhältnisses der Wissenschaften des Sittlichen als philosophischer Wissenschaften führen sowie des Verhältnisses derselben zu dem, was positive Rechtswissenschaft genannt wird und was sich zwar außerhalb der Philosophie hält und, indem es von selbst auf sie Verzicht tut, sich ihrer Kritik entziehen zu können glaubt, zugleich aber doch auch ein absolutes Bestehen und eine wahre Realität zu haben behauptet, welche Prätention nicht nachzusehen ist.


[I]

Was nun die Behandlungsart des Naturrechts betrifft, welche wir die empirische genannt haben, so kann fürs erste überhaupt sich nicht auf die Bestimmtheiten und Verhältnisbegriffe selbst, ihrer Materie nach, eingelassen werden, welche sie aufgreift und unter dem Namen von Grundsätzen geltend macht, sondern es ist gerade dies Absondern und Fixieren von Bestimmtheiten, was negiert werden muß. Die Natur dieses Absonderns bringt es mit sich, daß das Wissenschaftliche nur auf die Form der Einheit gehen und an einem organischen Verhältnisse von den vielerlei Qualitäten, in die es sich verteilen läßt, wenn sie nicht bloß erzählt werden sollen – um über diese Menge eine Einheit zu erreichen – irgendeine Bestimmtheit herausgehoben und diese als das Wesen des Verhältnisses angesehen werden muß. Aber eben damit ist die Totalität des Organischen nicht erreicht, und das Übrige desselben, aus jener erwählten Bestimmtheit Ausgeschlossene kommt unter die Herrschaft dieser, welche zum Wesen und Zweck erhoben wird. So wird z.B., um das Verhältnis der Ehe zu erkennen, bald die Kinderzeugung, bald die Gemeinschaft der Güter usw. gesetzt und von einer solchen Bestimmtheit aus, welche als das Wesentliche zum Gesetz gemacht wird, das ganze organische Verhältnis bestimmt und verunreinigt; oder von der Strafe [wird][440] bald die Bestimmtheit der moralischen Besserung des Verbrechers, bald des angerichteten Schadens, bald der Vorstellung der Strafe in anderen, bald ihrer dem Verbrechen vorhergegangenen Vorstellung des Verbrechers selbst, bald der Notwendigkeit, daß diese Vorstellung reell, die Drohung ausgeführt werde usw., aufgegriffen und eine solche Einzelheit zum Zweck und Wesen des Ganzen gemacht; wobei dann natürlich erfolgt, daß, weil eine solche Bestimmtheit mit den übrigen Bestimmtheiten, die weiter aufzutreiben und zu unterscheiden sind, nicht in notwendigem Zusammenhange ist, ein Gequäle darüber, um die notwendige Beziehung und Herrschaft der einen über die anderen zu finden, entsteht, das kein Ende nimmt, und daß, weil die Innere Notwendigkeit, die nicht in der Einzelheit ist, fehlt, jede sich die Unabhängigkeit von der anderen sehr gut vindizieren kann. – Solche Qualitäten, aus der Vielheit der Verhältnisse, worein das Organische durch empirische oder unvollkommen reflektierte Anschauung zersplittert ist, aufgegriffen und in die Form der Begriffseinheit gesetzt, sind das, was von jenem Wissen das Wesen und die Zwecke genannt und, indem ihre Form des Begriffs als absolutes Sein der Bestimmtheit, welche den Inhalt des Begriffs ausmacht, ausgedrückt ist, als Grundsätze, Gesetze, Pflichten usw. aufgestellt werden, – von welcher Verwandlung der Absolutheit der reinen Form, welche aber die negative Absolutheit oder die reine Identität, der reine Begriff, die Unendlichkeit ist, in die Absolutheit des Inhalts und der Bestimmtheit, welche in die Form aufgenommen ist, mehr gesprochen werden wird bei dem Prinzip der kritischen Philosophie, welche jene Verwandlung, die bei dem empirischen Wissen, von welchem hier die Rede ist, bewußtlos geschieht, mit Reflexion darauf und als absolute Vernunft und Pflicht vornimmt.

Diese formale Einheit, in welche die Bestimmtheit durch das Denken gesetzt wird, ist es zugleich, was den Schein der Notwendigkeit gibt, welche die Wissenschaft sucht; denn die[441] Einheit Entgegengesetzter, in Beziehung auf diese als reelle betrachtet, ist ihre Notwendigkeit. Aber weil die Materie der formalen Einheit, von der gesprochen wird, nicht das Ganze der Entgegengesetzten, sondern nur eines von Entgegengesetzten, eine Bestimmtheit ist, so ist auch die Notwendigkeit nur eine formale analytische und bezieht sich bloß auf die Form eines identischen oder analytischen Satzes, in welchem die Bestimmtheit dargestellt werden kann, durch welche Absolutheit des Satzes aber auch eine Absolutheit des Inhalts erschlichen und so Gesetze und Grundsätze konstituiert werden.

Aber indem diese empirische Wissenschaft in der Mannigfaltigkeit von solchen Grundsätzen, Gesetzen, Zwecken, Pflichten, Rechten sich befindet, deren keines absolut ist, muß ihr zugleich das Bild und das Bedürfnis der absoluten Einheit aller dieser zusammenhanglosen Bestimmtheiten und einer ursprünglichen einfachen Notwendigkeit vorschweben, und wir betrachten, wie sie dieser aus der Vernunft abstammenden Forderung Genüge tun wird oder wie die absolute Vernunftidee in ihren Momenten unter der Herrschaft des für dieses empirische Wissen unüberwindlichen Gegensatzes des Vielen und des Einen dargestellt werden wird. Es ist teils an sich interessant in diesem wissenschaftlichen Bemühen und in dem trüben Medium desselben, selbst noch den Reflex und die Herrschaft des Absoluten, aber zugleich die Verkehrtheit desselben zu erblicken; teils sind die Formen, welche die Momente des Absoluten darin erhalten haben, zu einer Art von Vorurteilen und zweifelsfreien, allgemeingeltenden Gedanken geworden, deren Nichtigkeit die Kritik aufzeigen muß, um die Wissenschaft zu rechtfertigen, daß sie keine Rücksicht darauf nimmt, – welcher Erweis ihrer Nichtigkeit durch Aufzeigung des realitätslosen Grundes und Bodens, aus dem sie erwachsen und dessen Geschmack und Natur ihnen sich einwächst, am evidentesten geschieht.

Fürs erste schwebt der empirischen Wissenschaft die wissenschaftliche[442] Totalität als eine Totalität des Mannigfaltigen oder als Vollständigkeit, dem eigentlichen Formalismus aber als Konsequenz vor. Jene kann ihre Erfahrungen beliebig in die Allgemeinheit erheben und mit ihren gedachten Bestimmtheiten die Konsequenz so weit fortsetzen, bis anderer empirischer Stoff, der jenem widerspricht, aber ebenso sein Recht hat, gedacht und als Grundsatz ausgesprochen zu werden, die Konsequenz der vorhergehenden Bestimmtheit nicht mehr erlaubt, sondern sie zu verlassen zwingt. Der Formalismus kann seine Konsequenz so weit ausdehnen, als die Leerheit seines Prinzips es überhaupt erlaubt, oder ein Inhalt, den er sich erschlichen hat; dafür ist er aber auch berechtigt, was der Vollständigkeit abgeht, stolzerweise von seiner Apriorität und Wissenschaft unter dem Ekelnamen des Empirischen auszuschließen, denn seine formalen Prinzipien behauptet er als das Apriorische und Absolute und also dasjenige, dessen er sich durch sie nicht bemeistern kann, als Nicht-Absolutes und Zufälliges, wenn er anders sich nicht so zu helfen weiß, daß er zum Empirischen überhaupt und von einer Bestimmtheit wieder zur anderen den formellen Übergang des Fortschreitens vom Bedingten zur Bedingung findet und, da diese wieder ein Bedingtes ist, so fort ins Unendliche, – wodurch er aber nicht nur alles Vorzugs vor dem, was er Empirie nennt, sich begibt, sondern, da in dem Zusammenhang des Bedingten mit der Bedingung diese Entgegengesetzten als absolut bestehend gesetzt werden, selbst ganz in die empirische Notwendigkeit versinkt und dieser durch die formale Identität oder das Negativ-Absolute, womit er sie zusammenhält, den Schein wahrhafter Absolutheit erteilt.

Diese Verbindung der Konsequenz mit der Vollständigkeit des Bildes – es sei der letzteren vollständigeren formalen und leeren Konsequenz oder jener ersteren, die mit bestimmten Begriffen als Grundsätzen, von deren einem sie zu anderen übergeht, nur in der Inkonsequenz konsequent ist – verrückt aber unmittelbar die Stellung des Mannigfaltigen,[443] wie es für die reine Empirie ist, für welche jedes gleiche Rechte mit dem anderen hat und welche keine Bestimmtheit, deren eine so reell ist als die andere, der anderen vorzieht, worauf wir unten bei Vergleichung der reinen Empirie mit dieser wissenschaftlichen, von der hier die Rede ist, noch zurückkommen werden.

Nach dieser formalen Totalität müssen wir betrachten, wie die absolute Einheit sowohl als einfache Einheit, die wir die ursprüngliche nennen können, als auch als Totalität in dem Reflex des empirischen Wissens erscheint; beide Einheiten, welche im Absoluten eins und deren Identität das Absolute ist, müssen in jenem Wissen getrennt und als ein Verschiedenes vorkommen.

Was fürs erste jene Einheit betrifft, so kann es der Empirie nicht um sie als das Wesen der Notwendigkeit, das für die Erscheinung ein äußeres Band derselben ist, zu tun sein; denn in der Einheit, welche die wesentliche ist, ist das Mannigfaltige unmittelbar vernichtet und nichts; weil mannigfaltiges Sein Prinzip der Empirie ist, so ist es ihr versagt, zum absoluten Nichts ihrer Qualitäten, welche für sie absolut und auch durch den Begriff, nach dem sie schlechthin Viele sind, unendlich Viele sind, zu dringen. Jene ursprüngliche Einheit kann daher nur eine, soviel möglich ist, einfache und geringe Menge von Qualitäten bedeuten, womit sie zur Erkenntnis der übrigen ausreichen zu können glaubt. Jenes Ideal, worin das, was so ungefähr für willkürlich und zufällig gilt, verwischt und des Mannigfaltigen die geringste nötige Menge gesetzt wird, ist für die Empirie im Physischen sowie im Sittlichen das Chaos, das im letzteren bald mehr unter dem Bild des Seins durch Phantasie als Naturzustand, bald mehr unter der Form der Möglichkeit und der Abstraktion als eine Aufzählung der im Menschen vorgefundenen Vermögen durch empirische Psychologie, [als] Natur und Bestimmung des Menschen vorgestellt wird, und auf diese Weise wird das, was als schlechthin notwendig, an sich, absolut einerseits behauptet ist, zugleich andererseits als etwas[444] nicht Reelles, bloß Eingebildetes und als Gedankending, dort als eine Fiktion, hier als eine bloße Möglichkeit anerkannt, welches der härteste Widerspruch ist.

Es ist für den gemeinen Verstand, welcher sich in der trüben Vermischung dessen, was an sich, und dessen, was vergänglich ist, hält, nichts begreiflicher, als daß er das, was an sich sei, auf die Weise finden könne, daß, wenn er aus dem vermischten Bilde des Rechtszustandes alles Willkürliche und Zufällige absondere, durch diese Abstraktion ihm unmittelbar das absolut Notwendige übrigbleiben müsse. Wenn man sich alles hinwegdenke, was eine trübe Ahnung unter das Besondere und Vergängliche rechnen kann, als besonderen Sitten, der Geschichte, der Bildung und auch dem Staate angehörig, so bleibt der Mensch unter dem Bilde des nackten Naturzustandes oder das Abstraktum desselben mit seinen wesentlichen Möglichkeiten übrig, und man hat nur hinzusehen, um das zu finden, was notwendig ist. Es muß das, was in Beziehung auf den Staat zu sein erkannt wird, darum auch mit abgesondert werden, weil das chaotische Bild des Notwendigen nicht die absolute Einheit, sondern nur die einfache Mannigfaltigkeit, die Atome mit den möglich wenigsten Eigenschaften enthalten kann und also [das,] was unter den Begriff eines Verknüpfens und Ordnens derselben als der schwächsten Einheit, deren das Prinzip der Vielheit fähig ist, fallen kann, als das erst Spätere und Hinzukommende zu jener Vielheit daraus ausgeschlossen ist. Es fehlt nun bei jener Scheidung dem Empirismus fürs erste überhaupt alles Kriterium darüber, wo die Grenze zwischen dem Zufälligen und Notwendigen gehe, was also im Chaos des Naturzustandes oder in der Abstraktion des Menschen bleiben und was weggelassen werden müsse. Die leitende Bestimmung kann hierin nichts anderes sein, als daß soviel darin sei, als man für die Darstellung dessen, was in der Wirklichkeit gefunden wird, braucht; das richtende Prinzip für jenes Apriorische ist das Aposteriorische. Was in der Vorstellung des Rechtszustandes geltend gemacht werden[445] soll, dafür hat man nur, um seinen Zusammenhang mit dem Ursprünglichen und Notwendigen und also es selbst als notwendig darzutun, zu diesem Behuf eine eigene Qualität oder Vermögen in das Chaos zu verlegen, nach der Weise der vom Empirischen ausgehenden Wissenschaften überhaupt zur sogenannten Erklärung der Wirklichkeit Hypothesen zu machen, in welchen diese Wirklichkeit in derselben Bestimmtheit, nur in ganz formell-ideeller Gestalt als Kraft, Materie, Vermögen gesetzt, eins also aus dem anderen auch sehr leicht begreiflich und erklärlich ist.

Auf einer Seite bringt es diese trübe Ahnung von ursprünglicher und absoluter Einheit, welche sich im Chaos des Naturzustandes und in der Abstraktion von Vermögen und Neigungen äußert, nicht bis zur absoluten negativen Einheit, sondern sie geht nur auf Auslöschung einer großen Menge von Besonderheiten und Entgegensetzungen; aber es bleibt noch eine unbestimmbare Menge von qualitativen Bestimmtheiten in ihm, die ebensowenig für sich eine andere als eine empirische und füreinander keine innere Notwendigkeit haben; sie haben nur die Beziehung, als Vieles und, weil dies Viele füreinander, aber ohne Einheit ist, als sich entgegengesetzt und in absolutem Widerstreite gegeneinander bestimmt zu sein, und die abgesonderten Energien des Sittlichen müssen in dem Naturzustande oder im dem Abstraktum des Menschen als in einem sich gegenseitig vernichtenden Kriege gedacht werden. Es ist aber eben darum leicht zu zeigen, daß, indem diese Qualitäten einander schlechthin entgegengesetzt und also rein ideell sind, sie in dieser Idealität und Absonderung nicht, wie es doch sein soll, bestehen können, sondern sich aufheben und auf nichts reduzieren; aber zu dieser absoluten Reflexion und zu der Einsicht des Nichts der Bestimmtheiten im absolut Einfachen vermag es die Empirie nicht zu bringen, sondern das viele Nichts bleibt für sie eine Menge von Realitäten. Zu dieser Vielheit aber muß die positive, als absolute Totalität sich ausdrückende Einheit für den Empirismus als ein Anderes und Fremdes[446] hinzukommen, und schon in dieser Form des Verknüpfens der beiden Seiten der absoluten Identität ist es enthalten, daß die Totalität ebenso getrübt und unrein als die der ursprünglichen Einheit sich darstellen wird. Der Grund des Seins der einen dieser hier abgesonderten Einheiten für die andere oder des Obergangs von der ersten zur zweiten ist der Empirie ebensoleicht anzugeben, als es ihr überhaupt mit dem Begründen leicht wird. Nach der Fiktion des Naturzustandes wird er um der Übel willen, die er mit sich führt, verlassen, was nichts anderes heißt als: es wird vorausgesetzt, wohin man gelangen will, daß nämlich eine Einstimmung des als Chaos Widerstreitenden das Gute oder das sei, wohin man kommen müsse; oder in die Vorstellung der ursprünglichen Qualitäten als Möglichkeiten wird unmittelbar ein solcher Grund des Übergangs als Trieb der Geselligkeit hineingelegt oder auf die Begriffsform eines Vermögens Verzicht getan und sogleich zu dem ganz Besonderen der Erscheinung jener zweiten Einheit, zu Geschichtlichem als Unterjochung der Schwächeren durch Mächtigere usw. fortgegangen. Die Einheit selbst aber kann nach dem Prinzip der absoluten qualitativen Vielheit, wie in der empirischen Physik, nichts als wieder mannigfaltige Verwicklungen des als ursprünglich gesetzten einfachen und abgesonderten Vielen, oberflächliche Berührungen dieser Qualitäten, die für sich selbst in ihrer Besonderheit unzerstörbar und nur leichte, teilweise Verbindungen und Vermischungen einzugehen vermögend sind, an die Stelle der vielen atomen Qualitäten [setzen], also eine Vielheit von Geteiltem oder von Verhältnissen darstellen und, insofern die Einheit als Ganzes gesetzt wird, den leeren Namen einer formlosen und äußeren Harmonie unter dem Namen der Gesellschaft und des Staats setzen. Wenn diese Einheit auch, es sei für sich oder, in einer mehr empirischen Beziehung, nach ihrer Entstehung als absolut, von Gott ihren unmittelbaren Ursprung erhaltend, und wenn in ihrem Bestehen auch der Mittelpunkt und das innere Wesen als göttlich vorgestellt wird, so bleibt[447] doch diese Vorstellung wieder etwas Formelles, nur über der Vielheit Schwebendes, nicht sie Durchdringendes. Es sei, daß Gott nicht nur als Stifter der Vereinigung, sondern auch als ihr Erhalter und in Beziehung auf das Letztere die Majestät der obersten Gewalt, als sein Abglanz und in sich göttlich erkannt werde, so ist das Göttliche der Vereinigung ein Äußeres für die vereinigten Vielen, welche mit demselben nur im Verhältnis der Herrschaft gesetzt werden müssen, weil das Prinzip dieser Empirie die absolute Einheit des Einen und Vielen ausschließt, auf welchem Punkte dieses Verhältnisses sie unmittelbar mit dem ihr entgegengesetzten Prinzip, für welches die abstrakte Einheit das Erste ist, zusammentrifft, nur daß die Empirie über ihre Inkonsequenzen, die aus der Vermischung so spezifisch verschieden gesetzter Dinge, wie die abstrakte Einheit und die absolute Vielheit ist, entspringen, nicht verlegen ist und eben darum auch den Vorteil hat, Ansichten, die außer ihrer bloß materiellen Seite Erscheinungen von einem reineren und göttlicheren Innern sind, als nach dem Prinzip der Entgegensetzung, worin allein Herrschen und Gehorchen möglich, geschehen kann, den Zugang nicht zu verschließen.

Der Naturzustand und die den Individuen fremde und darum selbst einzelne und besondere Majestät und Göttlichkeit des Ganzen des Rechtszustandes sowie das Verhältnis der absoluten Unterwürfigkeit der Subjekte unter jene höchste Gewalt sind die Formen, in welchen die zersplitterten Momente der organischen Sittlichkeit – das Moment der absoluten Einheit und derselben, insofern sie den Gegensatz der Einheit und Vielheit in sich begreift und absolute Totalität ist, und das Moment der Unendlichkeit oder des Nichts der Realitäten des Gegensatzes – als besondere Wesenheiten fixiert und eben dadurch, so wie die Idee, verkehrt sind. Die absolute Idee der Sittlichkeit enthält dagegen den Naturstand und die Majestät als schlechthin identisch, indem die letztere selbst nichts anderes als die absolute sittliche Natur ist und an keinen Verlust der absoluten Freiheit, welche man[448] unter der natürlichen Freiheit verstehen müßte, oder ein Aufgeben der sittlichen Natur durch das Reellsein der Majestät gedacht werden kann; das Natürliche aber, welches im sittlichen Verhältnis als ein Aufzugebendes gedacht werden müßte, würde selbst nichts Sittliches sein und also am wenigsten dasselbe in seiner Ursprünglichkeit darstellen. Ebensowenig ist die Unendlichkeit oder das Nichts des Einzelnen, der Subjekte in der absoluten Idee fixiert und in relativer Identität mit der Majestät als ein Verhältnis der Unterwürfigkeit, in welchem auch die Einzelheit etwas schlechthin Gesetztes wäre, sondern in der Idee ist die Unendlichkeit wahrhaftig, die Einzelheit als solche nichts und schlechthin eins mit der absoluten sittlichen Majestät, welches wahrhafte lebendige, nicht unterwürfige Einssein allein die wahrhafte Sittlichkeit des Einzelnen ist.

Wir haben die wissenschaftliche Empirie, insofern sie wissenschaftlich ist, der positiven Nichtigkeit und der Unwahrheit ihrer Grundsätze, Gesetze usw. angeklagt, weil sie Bestimmtheiten durch die formale Einheit, in welche sie dieselben versetzt, die negative Absolutheit des Begriffs erteilt und sie als positiv absolut und an sich seiend, als Zweck und Bestimmung, Grundsatz, Gesetz, Pflicht und Recht, welche Formen etwas Absolutes bedeuten, ausspricht. Um aber die Einheit eines organischen Verhältnisses, welches diesem qualitativen Bestimmen eine Menge solcher Begriffe darbietet, zu erhalten, muß einer als Zweck, Bestimmung oder Gesetz ausgedrückten Bestimmtheit eine Herrschaft über die anderen Bestimmtheiten der Mannigfaltigkeit gegeben und diese vor ihr als unreell und nichtig gesetzt werden. In dieser Anwendung und Konsequenz ist es, daß die Anschauung als innere Totalität vernichtet wird; es ist daher die Inkonsequenz, durch welche jene Aufnahme der Bestimmtheiten in den Begriff sich berichtigen und die der Anschauung angetane Gewalt aufheben kann, denn die Inkonsequenz vernichtet unmittelbar die einer Bestimmtheit vorher erteilte Absolutheit. Von dieser Seite muß die alte, durchaus inkonsequente[449] Empirie nicht im Verhältnis zur absoluten Wissenschaft als solcher, aber im Verhältnis zur Konsequenz der empirischen Wissenschaftlichkeit, von welcher die Rede bisher gewesen, gerechtfertigt werden. Eine große und reine Anschauung vermag auf diese Art in dem rein Architektonischen ihrer Darstellung, an welchem der Zusammenhang der Notwendigkeit und die Herrschaft der Form nicht ins Sichtbare hervortritt, das wahrhaft Sittliche auszudrücken, – einem Gebäude gleich, das den Geist seines Urhebers in der auseinandergeworfenen Masse stumm darstellt, ohne daß dessen Bild selbst, in eins versammelt, als Gestalt darin aufgestellt wäre. Es ist in einer solchen durch Hilfe von Begriffen gemachten Darstellung nur eine Ungeschicklichkeit der Vernunft, daß sie das, was sie umfaßt und durchdringt, nicht in die ideelle Form erhebt und sich desselben als Idee bewußt wird. Wenn die Anschauung sich nur selbst getreu bleibt und vom Verstande sich nicht irremachen läßt, so wird sie, insofern sie der Begriffe zu ihrem Ausdruck nicht entbehren kann, sich in Ansehung derselben ungeschickt verhalten, im Durchgang durchs Bewußtsein verkehrte Gestalten annehmen und für den Begriff sowohl unzusammenhängend als widersprechend sein; aber die Anordnung der Teile und der sich modifizierenden Bestimmtheiten lassen den zwar unsichtbaren, aber inneren vernünftigen Geist erraten, und insofern diese seine Erscheinung als Produkt und Resultat betrachtet wird, wird es mit der Idee als Produkt vollkommen übereinstimmen.

Für den Verstand ist hierbei nichts leichter, als über diese Empirie herzufallen, jenen ungeschickten Gründen andere entgegenzusetzen, die Konfusion und den Widerspruch der Begriffe aufzuzeigen, aus den vereinzelten Sätzen Konsequenzen zu ziehen, welche das Härteste und Unvernünftigste ausdrücken, und auf mannigfaltige Weise das Unwissenschaftliche der Empirie darzulegen, woran dieser ihr Recht widerfährt, besonders wenn sie entweder die Prätention hat, wissenschaftlich zu sein, oder gegen die Wissenschaft als[450] solche polemisch ist. Dagegen wenn Bestimmtheiten fixiert und ihr Gesetz mit Konsequenz durch die von der Empirie aufgetriebenen Seiten durchgeführt, die Anschauung ihnen unterworfen und überhaupt das gebildet wird, was Theorie genannt zu werden pflegt, so hat die Empirie diese mit Recht der Einseitigkeit anzuklagen, und es steht durch die Vollständigkeit der Bestimmtheiten, die sie geltend macht, in ihrer Gewalt, jene Theorie mit Instanzen zu einer Allgemeinheit zu nötigen, die ganz leer wird. Jene Beschränktheit der Begriffe, das Fixieren von Bestimmtheiten, die Erhebung einer aufgegriffenen Seite der Erscheinung in die Allgemeinheit und die ihr erteilte Herrschaft über die anderen ist es, was in den letzten Zeiten sich nicht mehr Theorie, sondern Philosophie und, je nachdem sie sich zu leereren Abstraktionen erschwang und sich reinerer Negationen bemächtigte wie Freiheit, reiner Wille, Menschheit usw., Metaphysik genannt hat und sowohl im Naturrecht als besonders im Staats- und in dem peinlichen Recht philosophische Revolutionen hervorgebracht zu haben glaubte, wenn sie mit solchen wesenlosen Abstraktionen und positiv ausgedrückten Negationen als Freiheit, Gleichheit, reinem Staate usw. oder mit aus der gemeinen Empirie aufgegriffenen Bestimmtheiten, die ebenso wesenlos wie jene sind, wie Zwang, besonders psychologischer Zwang mit seinem ganzen Anhang von Entgegensetzung der praktischen Vernunft und der sinnlichen Triebfedern, und was sonst in dieser Psychologie einheimisch ist, diese Wissenschaften hin- und herzerrte und dergleichen nichtige Begriffe gleichfalls als absolute Vernunftzwecke, Vernunftgrundsätze und Gesetze mit mehr oder weniger Konsequenz durch eine Wissenschaft hindurchzwang. Mit Recht fordert die Empirie, daß ein solches Philosophieren sich an der Erfahrung orientieren müsse. Sie besteht mit Recht auf ihrer Zähigkeit gegen ein solches Gerüste und Künstelei von Grundsätzen und zieht ihre empirische Inkonsequenz, welche sich auf eine wenn auch trübe Anschauung eines Ganzen gründet, der Konsequenz eines[451] solchen Philosophierens und ihre eigene Konfusion z.B. der Sittlichkeit, Moralität, Legalität oder, in einem einzelneren Falle, in der Strafe, die Konfusion von Rache, Sicherheit des Staats, Besserung, Ausführung der Drohung, Abschreckung, Prävention usw., sei es in einer wissenschaftlichen Rücksicht oder im praktischen Leben, dem absoluten Auseinanderhalten dieser verschiedenen Seiten einer und ebenderselben Anschauung und dem Bestimmen des Ganzen derselben durch eine einzelne dieser Qualitäten vor, – behauptet mit Recht, daß die Theorie und jenes, was sich Philosophie und Metaphysik nennt, keine Anwendung habe und der notwendigen Praxis widerspreche, – welche Nichtanwendbarkeit besser so ausgedrückt würde, daß in jener Theorie und Philosophie nichts Absolutes, keine Realität und Wahrheit ist. Die Empirie wirft endlich mit Recht solchem Philosophieren auch seinen Undank gegen sie vor, indem sie es ist, welche ihm den Inhalt seiner Begriffe liefert und denselben durch jenes verderbt und verkehrt werden sehen muß; denn die Empirie bietet die Bestimmtheit des Inhalts in einer Verwicklung und Verbundenheit mit anderen Bestimmtheiten dar, welche in ihrem Wesen ein Ganzes, organisch und lebendig ist, was durch jene Zerstückelung und durch jene Erhebung wesenloser Abstraktionen und Einzelheiten zur Absolutheit getötet wird.

Eine Empirie würde gegen solche Theorie und Philosophie mit dem größten Rechte sich behaupten und die Menge der Grundsätze, Zwecke, Gesetze, Pflichten, Rechte als etwas nicht Absolutes, sondern als Unterscheidungen, die für die Bildung, durch die ihr ihre eigene Anschauung klarer wird, wichtig sind, betrachten, wenn sie selbst rein wäre und bliebe. Aber wenn die Empirie mit der Theorie in den Kampf zu treten scheint, so zeigt sich gewöhnlich, daß die eine wie die andere eine durch Reflektieren schon vorher verunreinigte und aufgehobene Anschauung und verkehrte Vernunft und, was sich für Empirie ausgibt, nur das Schwächere in der Abstraktion und dasjenige ist, was mit weniger Selbsttätigkeit[452] seine Beschränktheiten nicht selbst herausgenommen, unterschieden und fixiert hat, sondern in solchen, welche in der allgemeinen Bildung festgeworden, als gesunder Menschenverstand vorhanden sind und darum unmittelbar aus der Erfahrung aufgenommen zu sein scheinen, befangen ist. Zwischen solcher festgewordenen Verkehrtheit der Anschauung und den jetzt erst fixierten Abstraktionen ist das Bild des Streits notwendig ebenso buntscheckig, als sie selbst sind; jede gebraucht gegen die andere bald eine Abstraktion, bald eine sogenannte Erfahrung, und es ist auf beiden Seiten Empirie, die sich an Empirie, und Beschränktheit, welche sich an Beschränktheit zerschlägt, – bald ein Großtun mit Grundsätzen und Gesetzen gegen die Philosophie und Ausschließung derselben als einer inkompetenten Richterin über solche absolute Wahrheiten, in die sich der Verstand festgerannt hat, bald ein Mißbrauch derselben für das Räsonnement und eine Berufung auf dieselbe.

Dieses relative Recht, welches der Empirie, wenn die Anschauung in ihr das Herrschende ist, gegen die Vermischung des Empirischen und Reflektierten eingeräumt worden, bezieht sich erinnertermaßen auf das bewußtlose Innere derselben; aber die Mitte zwischen beidem, jenem Inneren und ihrem Äußeren, – das Bewußtsein ist die Seite, nach welcher hin ihr Mangel und darum ihre Einseitigkeit liegt, und ihr Hintreiben gegen das Wissenschaftliche und die unvollständige Verknüpfung und bloße Berührung mit dem Begriff, durch welchen sie sich auf diese Weise nur verunreinigt, stammt aus der Notwendigkeit, daß die Vielheit und Endlichkeit sich in die Unendlichkeit oder in die Allgemeinheit absolut versenke.


[II]

Die Seite der Unendlichkeit aber ist es, was das Prinzip der dem Empirischen sich entgegensetzenden Apriorität ausmacht, zu dessen Betrachtung wir jetzt übergehen.

Das Hingehen des empirischen Meinens und seiner Vermischung[453] des Mannigfaltigen mit dem Einfachen gegen den Begriff ist in dem absoluten Begriff oder in der Unendlichkeit seinem Schwanken entnommen und die unvollständige Trennung entschieden. In einer niedrigeren Abstraktion ist die Unendlichkeit zwar auch als Absolutheit des Subjekts in der Glückseligkeitslehre überhaupt und im Naturrecht insbesondere von den Systemen, welche antisozialistisch heißen und das Sein des Einzelnen als das Erste und Höchste setzen, herausgehoben, aber nicht in die reine Abstraktion, welche sie in dem Kantischen oder Fichteschen Idealismus erhalten hat.

Es gehört nicht hierher, die Natur der Unendlichkeit und ihrer mannigfaltigen Verwandlungen darzustellen; denn wie sie das Prinzip der Bewegung und der Veränderung ist, so ist ihr Wesen selbst nichts anderes, als das unvermittelte Gegenteil seiner selbst zu sein, oder sie ist das negativ Absolute, die Abstraktion der Form, welche, indem sie reine Identität, unmittelbar reine Nichtidentität oder absolute Entgegensetzung; indem sie reine Idealität, ebenso unmittelbar reine Realität; indem sie das Unendliche, das Absolutendliche; indem sie das Unbestimmte, die absolute Bestimmtheit ist. Der absolute Obergang ins Entgegengesetzte, der ihr Wesen ist, und das Verschwinden jeder Realität in ihrem Gegenteil kann nicht anders aufgehalten werden, als daß empirischerweise die eine Seite derselben, nämlich die Realität, oder das Bestehen der Entgegengesetzten fixiert und von dem Gegenteil, dem Nichts dieses Bestehens abstrahiert wird. Dieses reelle Entgegengesetzte ist auf einer Seite das mannigfaltige Sein oder die Endlichkeit und ihr gegenüber die Unendlichkeit als Negation der Vielheit und positiv als reine Einheit; und der absolute Begriff, auf diese Weise konstituiert, gibt in dieser Einheit dasjenige, was reine Vernunft genannt worden ist. Das Verhältnis dieser reinen Einheit aber zu dem ihr gegenüberstehenden mannigfaltigen Seienden[454] ist selbst wieder ebenso eine gedoppelte Beziehung, entweder die positive des Bestehens beider oder des Vernichtetseins beider; sowohl jenes Bestehen aber als dieses Vernichtetsein ist nur als ein teilweises zu verstehen, denn wäre jenes Bestehen beider absolut, so wäre gar keine Beziehung beider, und wäre das vollkommene Vernichtetsein beider gesetzt, so wäre nicht ein Bestehen beider. Dieses teilweise Bestehen und teilweise Negiertsein beider – das Entgegensetzen eines teilbaren Ichs einem teilbaren Nicht-Ich im Ich, d. i. in der eben darum gleichfalls teilweisen Beziehung – ist das absolute Prinzip dieser Philosophie. In der ersten, der positiven Beziehung heißt die reine Einheit theoretische, in der negativen Beziehung praktische Vernunft; und weil in dieser die Negation der Entgegensetzung das Erste, also die Einheit als das mehr Bestehende, in der ersten aber das Bestehen des Gegensatzes das Erste, also die Vielheit das zuerst und mehr Bestehende ist, so erscheint hier die praktische Vernunft als die reelle, die theoretische aber als die ideelle. – Man sieht aber, daß diese Bestimmung ganz dem Gegensatze und der Erscheinung angehört; denn die reine Einheit, die als Vernunft gesetzt wird, ist freilich negativ, ideell, wenn das Entgegengesetzte, Viele, was hiermit das Unvernünftige ist, schlechthin ein Bestehen hat, so wie sie als mehr bestehend und reeller erscheint, wenn das Viele als negiert oder vielmehr als zu negierend gesetzt ist. Jenes unvernünftige Viele aber, wie die Natur gegen die Vernunft als die reine Einheit gesetzt wird, ist nur darum unvernünftig, weil sie als die wesenlose Abstraktion des Vielen und hingegen die Vernunft als die wesenlose Abstraktion des Einen gesetzt ist; an sich aber betrachtet, ist sowohl jenes Viele absolute Einheit des Einen und Vielen als diese Einheit, und die Natur oder die theoretische Vernunft, welche das Viele ist, als absolute Einheit des Einen und Vielen, muß vielmehr umgekehrt als die reelle Vernunft, die sittliche, welche die Einheit ist, als absolute Einheit des Einen und Vielen, aber als die ideelle bestimmt werden, weil in der[455] Entgegensetzung die Realität in der Vielheit, die Idealität aber in der Einheit ist.

Es ist an dem, was praktische Vernunft heißt, deswegen allein die formelle Idee der Identität des Ideellen und Reellen zu erkennen, und diese Idee sollte in diesen Systemen der absolute Indifferenzpunkt sein; aber jene Idee kommt nicht aus der Differenz und das Ideelle nicht zur Realität, denn ungeachtet in dieser praktischen Vernunft das Ideelle und Reelle identisch ist, bleibt doch das Reelle schlechthin entgegengesetzt. Dieses Reelle ist außer der Vernunft wesentlich gesetzt, und nur in der Differenz gegen dasselbe ist die praktische Vernunft, deren Wesen begriffen wird als ein Kausalitätsverhältnis zum Vielen, – als eine Identität, welche mit einer Differenz absolut affiziert [ist] und aus der Erscheinung nicht herausgeht. Diese Wissenschaft des Sittlichen, welche von der absoluten Identität des Ideellen und Reellen spricht, tut sonach nicht nach ihren Worten, sondern ihre sittliche Vernunft ist in Wahrheit und in ihrem Wesen eine Nichtidentität des Ideellen und Reellen.

Es ist vorhin die sittliche Vernunft als das Absolute in der Form der Einheit bestimmt worden, und hiermit, indem sie selbst als eine Bestimmtheit gesetzt wird, scheint sie unmittelbar in dieser Bestimmung ebenso wesentlich mit einem Gegensatze gesetzt zu sein. Der Unterschied ist aber, daß die wahrhafte Realität und das Absolute derselben von diesem Gegensatz gegen die Natur ganz frei und daß sie absolute Identität des Ideellen und Reellen ist. Das Absolute wird nach seiner Idee erkannt als diese Identität Differenter, deren Bestimmtheit ist, der einen die Einheit, der anderen die Vielheit zu sein, und diese Bestimmtheit ist ideell, d.h. sie ist nur in der Unendlichkeit nach dem oben aufgezeigten Begriffe derselben: diese Bestimmtheit ist ebensowohl aufgehoben, als sie gesetzt ist; jede, sowohl die Einheit als die Vielheit, deren Identität das Absolute ist, ist selbst Einheit des Einen und Vielen. Aber die eine, deren ideelle Bestimmung die Vielheit ist, ist das Bestehen der Entgegengesetzten,[456] die positive Realität, und darum ist ihr selbst ein entgegengesetztes, gedoppeltes Verhältnis notwendig. Weil das Reelle in ihr besteht, ist ihre Identität eine relative, und diese relative Identität der Entgegengesetzten ist die Notwendigkeit. Wie sie also in der Differenz ist, so muß auch ihr Verhältnis selbst oder die Identität des Verhältnisses ein Differentes sein; sowohl daß in ihm die Einheit, als daß die Vielheit das Erste ist. Dieses zweifache Verhältnis be stimmt die gedoppelte Seite der Notwendigkeit oder der Erscheinung des Absoluten. Da dieses zweifache Verhältnis auf die Vielheit fällt, und wenn wir die Einheit der Differenten, welche auf der anderen Seite steht und in welcher jene Realität oder das Viele aufgehoben ist, die Indifferenz nennen, so ist das Absolute die Einheit der Indifferenz und des Verhältnisses; und weil dieses ein gedoppeltes ist, ist die Erscheinung des Absoluten bestimmt als Einheit der Indifferenz und desjenigen Verhältnisses oder derjenigen relativen Identität, in welcher das Viele das Erste, das Positive ist, – und als Einheit der Indifferenz und desjenigen Verhältnisses, in welchem die Einheit das Erste und Positive ist; jene ist die physische, diese die sittliche Natur. Und da die Indifferenz oder die Einheit die Freiheit, das Verhältnis aber oder die relative Identität die Notwendigkeit ist, so ist jede dieser beiden Erscheinungen das Einssein und die Indifferenz der Freiheit und der Notwendigkeit. Die Substanz ist absolut und unendlich; in diesem Prädikat Unendlichkeit ist die Notwendigkeit der göttlichen Natur oder ihre Erscheinung [enthalten], und diese Notwendigkeit drückt sich als Realität eben in einem gedoppelten Verhältnisse aus. Jedes der beiden Attribute drückt selbst die Substanz aus und ist absolut und unendlich oder die Einheit der Indifferenz und des Verhältnisses, und an dem Verhältnisse ist ihr Unter schied so gesetzt, daß in dem Verhältnisse der Einen das Viele, in dem Verhältnisse der Anderen das Eine das Erste oder das gegen die Anderen Herausgekehrte ist. Weil aber in der sittlichen Natur selbst in ihrem Verhältnis die Einheit das Erste ist, so[457] ist sie auch in dieser relativen Identität, d. i. in ihrer Notwendigkeit frei; oder weil die relative Identität dadurch, daß die Einheit das Erste ist, nicht aufgehoben wird, so ist diese zweite Freiheit so bestimmt, daß das Notwendige für die sittliche Natur zwar ist, aber negativ gesetzt ist. Würden wir nun diese Seite der relativen Identität der sittlichen Natur isolieren und nicht die absolute Einheit der Indifferenz und dieser relativen Identität für das Wesen der sittlichen Natur anerkennen, sondern die Seite des Verhältnisses oder der Notwendigkeit, so würden wir auf demselben Punkte stehen, auf welchem das Wesen der praktischen Vernunft als absolute Kausalität habend bestimmt wird, oder daß sie zwar frei und die Notwendigkeit nur negativ, aber eben darum doch gesetzt ist, wodurch eben jene Freiheit nicht aus der Differenz herauskommt, das Verhältnis oder die relative Identität zum Wesen gemacht und das Absolute allein als negativ Absolutes oder als Unendliches begriffen wird.

Der empirische und populäre Ausdruck, wodurch diese Vorstellung, welche die sittliche Natur bloß von der Seite ihrer relativen Identität auffaßt, sich so sehr empfohlen hat, ist, daß das Reelle unter den Namen von Sinnlichkeit, Neigungen, unterem Begehrungsvermögen usw. (Moment der Vielheit des Verhältnisses) mit der Vernunft (Moment der reinen Einheit des Verhältnisses) nicht übereinstimme (Moment der Entgegensetzung der Einheit und Vielheit) und daß die Vernunft darin bestehe, aus eigener absoluter Selbsttätigkeit und Autonomie zu wollen und jene Sinnlichkeit einzuschränken und zu beherrschen (Moment der Bestimmtheit dieses Verhältnisses, daß in ihm die Einheit oder die Negation der Vielheit das Erste ist). Die Realität dieser Vorstellung begründet sich auf das empirische Bewußtsein und die allgemeine Erfahrung eines jeden, sowohl jenen Zwiespalt als diese reine Einheit der praktischen Vernunft oder die Abstraktion des Ich in sich zu finden. Es kann auch nicht die Rede davon sein, diesen Standpunkt zu leugnen, sondern er[458] ist vorhin als die Seite der relativen Identität, des Seins des Unendlichen im Endlichen bestimmt worden; aber dies muß behauptet werden, daß er nicht der absolute Standpunkt ist, als m welchem aufgezeigtermaßen das Verhältnis sich nur als eine Seite und das Isolieren desselben also als etwas Einseitiges beweist und daß, weil Sittlichkeit etwas Absolutes ist, jener Standpunkt nicht der Standpunkt der Sittlichkeit, sondern daß in ihm keine Sittlichkeit ist. Und was die Berufung auf das gemeine Bewußtsein betrifft, so muß in eben demselben ebenso notwendig die Sittlichkeit selbst vorkommen als jener Standpunkt, welcher, da das Verhältnis für sich isoliert, als an sich seiend und nicht als Moment gesetzt ist, das Prinzip der Unsittlichkeit ist. Das empirische Bewußtsein ist darum empirisch, weil die Momente des Absoluten in ihm zerstreut, nebeneinander, aufeinanderfolgend, zersplittert erscheinen; aber es wäre selbst kein gemeines Bewußtsein, wenn die Sittlichkeit nicht ebenso in ihm vorkäme. Unter diesen mannigfaltigen Erscheinungen des Sittlichen und des Unsittlichen, die im empirischen Bewußtsein vorkommen, hatte jene formelle Philosophie die Wahl, und es ist nicht der Fehler des gemeinen Bewußtseins, sondern der Philosophie, daß sie die Erscheinung des Unsittlichen gewählt und an der negativen Absolutheit oder an der Unendlichkeit das wahrhafte Absolute zu haben gemeint hat.

Auf der Darstellung desjenigen, was diese negative Absolutheit vermag, beruht die Ausführung dieser praktischen Philosophie, und wir müssen dem falschen Versuch, in dem negativ Absoluten ein wahrhaft Absolutes aufzuzeigen, in seinen Hauptmomenten nachgehen.

Es ergibt sich sogleich, daß, da die reine Einheit das Wesen der praktischen Vernunft ausmacht, von einem Systeme der Sittlichkeit so wenig die Rede sein kann, daß selbst nicht einmal eine Mehrheit von Gesetzen möglich ist, indem, was über den reinen Begriff oder – weil dieser, insofern er als negierend das Viele, d.h. als praktisch gesetzt wird, die Pflicht[459] ist – was über den reinen Begriff der Pflicht und die Abstraktion eines Gesetzes hinausgeht, nicht mehr dieser reinen Vernunft angehört; wie Kant, derjenige, der diese Abstraktion des Begriffs in ihrer absoluten Reinheit dargestellt hat, sehr gut erkennt, daß der praktischen Vernunft aller Stoff des Gesetzes abgeht und daß sie nichts mehr als die Form der Tauglichkeit der Maxime der Willkür zum obersten Gesetze machen könne. Die Maxime der Willkür hat einen Inhalt und schließt eine Bestimmtheit in sich; der reine Wille dagegen ist frei von Bestimmtheiten; das absolute Gesetz der praktischen Vernunft ist, jene Bestimmtheit in die Form der reinen Einheit zu erheben, und der Ausdruck dieser in die Form aufgenommenen Bestimmtheit ist das Gesetz. Ist es möglich, daß die Bestimmtheit in die Form des reinen Begriffs aufgenommen wird, hebt sie sich durch diese Form nicht auf, so ist sie gerechtfertigt und ist durch die negative Absolutheit selbst absolut geworden, Gesetz und Recht oder Pflicht. Aber die Materie der Maxime bleibt, was sie ist, eine Bestimmtheit oder Einzelheit; und die Allgemeinheit, welche ihr die Aufnahme in die Form erteilt, ist also eine schlechthin analytische Einheit, und wenn die ihr erteilte Einheit rein als das, was sie ist, in einem Satze ausgesprochen wird, so ist der Satz ein analytischer und eine Tautologie. Und in der Produktion von Tautologien besteht nach der Wahrheit das erhabene Vermögen der Autonomie der Gesetzgebung der reinen praktischen Vernunft; die reine Identität des Verstandes, im Theoretischen als der Satz des Widerspruchs ausgedrückt, bleibt, auf die praktische Form gekehrt, ebendasselbe. Wenn die Frage »Was ist Wahrheit?«, an die Logik gemacht und von ihr beantwortet, Kant den belachenswerten Anblick gibt, daß einer den Bock melkt, der andere ein Sieb unterhält, so ist die Frage »Was ist Recht und Pflicht?«, an jene reine praktische Vernunft gemacht und von ihr beantwortet, in demselben Falle. Wenn Kant erkennt, daß ein allgemeines Kriterium der Wahrheit dasjenige sein würde, welches von allen Erkenntnissen ohne Unterschied[460] ihrer Gegenstände gültig wäre, daß es aber klar sei, daß, da man bei demselben von allem Inhalt der Erkenntnis abstrahiert und Wahrheit gerade diesen Inhalt angeht, es ganz unmöglich und ungereimt sei, nach einem Merkmale der Wahrheit dieses Inhalts der Erkenntnisse, indem das Merkmal den Inhalt der Erkenntnisse zugleich nicht angehen soll, zu fragen, so spricht er eben damit das Urteil über das Prinzip der Pflicht und des Rechts, das durch die praktische Vernunft aufgestellt wird. Denn sie ist die absolute Abstraktion von aller Materie des Willens; durch einen Inhalt wird eine Heteronomie der Willkür gesetzt. Nun ist es aber gerade das Interesse zu wissen, was denn Recht und Pflicht sei; es wird nach dem Inhalt des Sittengesetzes gefragt, und es ist allein um diesen Inhalt zu tun; aber das Wesen des reinen Willens und der reinen praktischen Vernunft ist, daß von allem Inhalt abstrahiert sei, und also ist es an sich widersprechend, eine Sittengesetzgebung, da sie einen Inhalt haben müßte, bei dieser absoluten praktischen Vernunft zu suchen, da ihr Wesen darin besteht, keinen Inhalt zu haben.

Daß also dieser Formalismus ein Gesetz aussprechen könne, dazu ist notwendig, daß irgendeine Materie, eine Bestimmtheit gesetzt werde, welche den Inhalt des Gesetzes ausmache, und die Form, welche zu dieser Bestimmtheit hinzukommt, ist die Einheit oder Allgemeinheit; daß eine Maxime deines Willens zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten müsse, dieses Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft drückt aus, daß irgendeine Bestimmtheit, welche den Inhalt der Maxime des besonderen Willens ausmacht, als Begriff, als Allgemeines gesetzt werde. Aber jede Bestimmtheit ist fähig, in die Begriffsform aufgenommen und als eine Qualität gesetzt zu werden, und es gibt gar nichts, was nicht auf diese Weise zu einem sittlichen Gesetz gemacht werden könnte. Jede Bestimmtheit ist aber an sich selbst ein Besonderes und nicht ein Allgemeines; es steht ihr die entgegengesetzte Bestimmtheit gegenüber, und sie ist nur Bestimmtheit,[461] insofern ihr eine solche gegenübersteht. Jede von beiden Bestimmtheiten ist gleichermaßen fähig, gedacht zu werden; welche von beiden es sein soll, welche in die Einheit aufgenommen oder gedacht und von welcher abstrahiert werden soll, dies ist völlig unbestimmt und frei; wenn die eine fixiert ist als an und für sich bestehend, so kann die andere freilich nicht gesetzt werden; aber diese andere kann ebensogut gedacht und, da diese Form des Denkens das Wesen ist, als ein absolutes Sittengesetz ausgesprochen werden. Daß der gemeinste Verstand ohne Unterweisung jene leichte Operation vornehmen und unterscheiden könne, welche Form in der Maxime sich zur allgemeinen Gesetzgebung schicke oder nicht, zeigt Kant an dem Beispiel der Frage, ob die Maxime, mein Vermögen durch alle sicheren Mittel zu vergrößern – im Fall sich an einem Depositum ein solches Mittel zeigte –, als ein allgemeines praktisches Gesetz gelten könne, welche also des Inhalts sein würde, daß jedermann ein Depositum, dessen Niederlegung ihm niemand beweisen kann, ableugnen dürfe; diese Frage entscheide sich von sich selbst, indem ein solches Prinzip als Gesetz sich selbst vernichten würde, weil es machen würde, daß es gar kein Depositum gäbe. Daß es aber gar kein Depositum gäbe, welcher Widerspruch läge darin? Daß kein Depositum sei, wird anderen notwendigen Bestimmtheiten widersprechen, so wie, daß ein Depositum möglich sei, mit anderen notwendigen Bestimmtheiten zusammenhängen und dadurch selbst notwendig sein wird. Aber nicht andere Zwecke und materiale Gründe sollen herbeigerufen werden, sondern die unmittelbare Form des Begriffs soll die Richtigkeit der ersten oder der zweiten Annahme entscheiden; aber für die Form ist die eine der entgegengesetzten Bestimmtheiten so gleichgültig als die andere; jede kann als Qualität begriffen und dies Begreifen als Gesetz ausgesprochen werden. Wenn die Bestimmtheit des Eigentums überhaupt gesetzt ist, so läßt sich der tautologische[462] Satz daraus machen: das Eigentum ist Eigentum und sonst nichts anderes, und diese tautologische Produktion ist das Gesetzgeben dieser, der praktischen Vernunft: das Eigentum, wenn Eigentum ist, muß Eigentum sein. Aber ist die entgegengesetzte Bestimmtheit, Negation des Eigentums gesetzt, so ergibt sich durch die Gesetzgebung ebenderselben praktischen Vernunft die Tautologie: das Nichteigentum ist Nichteigentum; wenn kein Eigentum ist, so muß das, was Eigentum sein will, aufgehoben werden. Aber es ist gerade das Interesse, zu erweisen, daß Eigentum sein müsse; es geht allein auf dasjenige, was außerhalb des Vermögens dieses praktischen Gesetzgebens der reinen Vernunft liegt, nämlich zu entscheiden, welche von entgegengesetzten Bestimmtheiten gesetzt werden müsse; aber daß dies schon vorher geschehen und eine der entgegengesetzten Bestimmtheiten zum voraus gesetzt sei, fordert die reine Vernunft, und dann erst kann sie ihr nunmehr überflüssiges Gesetzgeben vollführen.

Aber die analytische Einheit und Tautologie der praktischen Vernunft ist nicht nur etwas Überflüssiges, sondern in der Wendung, welche sie erhält, etwas Falsches, und sie muß als das Prinzip der Unsittlichkeit erkannt werden. Durch die bloße Aufnahme einer Bestimmtheit in die Form der Einheit soll sich die Natur des Seins derselben verändern; und die Bestimmtheit, welche ihrer Natur nach eine andere Bestimmtheit gegen sich hat, deren eine die Negation der anderen und ebendarum keine etwas Absolutes ist (und es ist für die Funktion der praktischen Vernunft gleichgültig, welche von beiden es ist, denn sie gibt bloß die leere Form), soll durch diese Verbindung mit der Form der reinen Einheit selbst zur absoluten, zum Gesetz und Pflicht gemacht sein. Wo aber eine Bestimmtheit und Einzelheit zu einem Ansich erhoben wird, da ist Vernunftwidrigkeit und, in Beziehung aufs Sittliche, Unsittlichkeit gesetzt. – Diese Verwandlung des Bedingten, Unreellen in ein Unbedingtes und Absolutes ist leicht in ihrer Unrechtmäßigkeit zu erkennen und auf ihrem Schleichwege auszufinden. Die Bestimmtheit, in die Form[463] der reinen Einheit oder der formellen Identität aufgenommen, bringt, wenn der bestimmte Begriff als Satz ausgedrückt wird, die Tautologie des formellen Satzes »die Bestimmtheit A ist die Bestimmtheit hervor. Die Form, oder im Satze: »die Identität des Subjekts und Prädikats ist etwas Absolutes«, [bringt] aber nur ein Negatives oder Formales [hervor], welches die Bestimmtheit A selbst nichts angeht; dieser Inhalt ist für die Form etwas durchaus Hypothetisches. Die Absolutheit, die in dem Satz seiner Form nach ist, gewinnt aber in der praktischen Vernunft eine ganz andere Bedeutung; sie wird nämlich auch auf den Inhalt übertragen, der seiner Natur nach ein Bedingtes ist, und dieses nicht Absolute, Bedingte wider sein Wesen zu einem Absoluten durch jene Vermischung erhoben. Es ist nicht das praktische Interesse, eine Tautologie zu produzieren, und um dieser müßigen Form willen, die doch ihre einzige Kraft ist, würde nicht so viel Aufhebens von der praktischen Vernunft gemacht; durch Vermischung der absoluten Form aber mit der bedingten Materie wird unversehens dem Unreellen, Bedingten des Inhalts die Absolutheit der Form untergeschoben, und in dieser Verkehrung und Taschenspielerei liegt der Nerv dieser praktischen Gesetzgebung der reinen Vernunft. Dem Satze »das Eigentum ist Eigentum« wird anstatt seiner wahrhaften Bedeutung: »die Identität, welche dieser Satz in seiner Form ausdrückt, ist absolut«, die Bedeutung untergeschoben: »die Materie desselben, nämlich das Eigentum, ist absolut«, und sofort kann jede Bestimmtheit zur Pflicht gemacht werden. Die Willkür hat die Wahl unter entgegengesetzten Bestimmtheiten, und es wäre nur eine Ungeschicklichkeit, wenn zu irgendeiner Handlung kein solcher Grund, der nicht mehr nur die Form eines probablen Grundes wie bei den Jesuiten hat, sondern die Form von Recht und Pflicht erhält, aufgefunden werden könnte; und dieser moralische Formalismus geht nicht über die moralische Kunst der Jesuiten und die Prinzipien der Glückseligkeitslehre, welche zusammenfallen, hinaus.[464]

Es ist hierbei wohl zu merken, daß das Aufnehmen der Bestimmtheit in den Begriff so verstanden wird, daß diese Aufnahme etwas Formelles ist oder daß die Bestimmtheit bleiben soll, also Materie und Form sich widersprechen, deren jene bestimmt, diese unendlich ist. Würde aber der Inhalt der Form, die Bestimmtheit der Einheit wahrhaft gleichgesetzt, so würde kein praktisches Gesetzgeben stattfinden, sondern nur ein Vernichten der Bestimmtheit. So ist das Eigentum selbst unmittelbar der Allgemeinheit entgegengesetzt; ihr gleichgesetzt, ist es aufgehoben. – Unmittelbar fällt diese Vernichtung der Bestimmtheit durch die Aufnahme in die Unendlichkeit, Allgemeinheit auch dem praktischen Gesetzgeben beschwerlich. Denn wenn die Bestimmtheit von der Art ist, daß sie selbst das Aufheben einer Bestimmtheit ausdrückt, so wird durch die Erhebung des Aufhebens ins Allgemeine oder ins Aufgehobensein sowohl die Bestimmtheit, die aufzuheben ist, als das Aufheben vernichtet; also wäre eine Maxime, die sich auf eine solche Bestimmtheit bezieht, die in der Allgemeinheit gedacht sich vernichtet, nicht fähig, Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung zu werden, und also unmoralisch. Oder: der Inhalt der Maxime, welcher das Aufheben einer Bestimmtheit ist, in den Begriff erhoben, widerspricht sich selbst; wird die Bestimmtheit als aufgehoben gedacht, so fällt das Aufheben derselben weg; oder aber diese Bestimmtheit soll bleiben, so ist wieder das in der Maxime gesetzte Aufheben nicht gesetzt, und die Bestimmtheit mag also bleiben oder nicht, so ist in keinem Falle ihr Aufheben möglich. Aber eine nach dem Prinzip (weil sie sich widerspricht) unmoralische Maxime ist, da sie die Aufhebung einer Bestimmtheit ausdrückt, absolut vernünftig und also absolut moralisch; denn das Vernünftige ist von seiner negativen Seite die Indifferenz der Bestimmtheiten, das Aufgehobensein des Bedingten. So drückt die Bestimmtheit, den Armen zu helfen, aus die Aufhebung der Bestimmtheit, welche Armut ist; die Maxime, deren Inhalt jene Bestimmtheit ist, geprüft durch Erhebung derselben zum Prinzip einer[465] allgemeinen Gesetzgebung, wird sich als falsch erweisen, denn sie vernichtet sich selbst. Wird es gedacht, daß den Armen allgemein geholfen werde, so gibt es entweder gar keine Armen mehr oder lauter Arme, und da bleiben keine, die helfen können, und so fiele in beiden Fällen die Hilfe weg; die Maxime also, als allgemein gedacht, hebt sich selbst auf. Sollte aber die Bestimmtheit, welche die Bedingung des Aufhebens ist, nämlich die Armut bleiben, so bleibt die Möglichkeit der Hilfe, aber als Möglichkeit, nicht als Wirklichkeit, wie die Maxime aussagt; wenn Armut bleiben soll, damit die Pflicht, Armen zu helfen, ausgeübt werden könne, so wird durch jenes Bestehenlassen der Armut unmittelbar die Pflicht nicht erfüllt. So die Maxime, sein Vaterland gegen Feinde mit Ehre zu verteidigen, und unendliche mehr heben sich, als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gedacht, auf; denn jene z.B., so erweitert, hebt sowohl die Bestimmtheit eines Vaterlandes als der Feinde und der Verteidigung auf.

Sowenig die Einheit die reine negative Bedeutung des bloßen Aufhebens der Bestimmtheiten hat, ebensowenig ist sie die wahrhafte Einheit der Anschauung oder die positive Indifferenz der Bestimmtheiten, und die Vergleichung mit dieser wird das verkehrte Wesen jener Einheit von einer anderen Seite klarer machen. Jene Einheit der praktischen Vernunft nämlich ist wesentlich mit einer Differenz affiziert, es sei, daß sie als das Fixieren einer Bestimmtheit gesetzt wird, so sind durch diese unmittelbar andere ausgeschlossen, negativ gesetzt, oder als analytischer Satz, so widerspricht die Identität desselben, diese seine Form seinem Inhalt. Was auch so gefaßt werden kann: er widerspricht als Satz mit seinem Inhalt der Anforderung an den Satz, ein Urteil zu sein; es sollte etwas mit dem Satze gesagt sein, aber mit dem identischen Satz ist nichts gesagt, denn er ist kein Urteil, weil das Verhältnis des Subjekts zum Prädikat bloß formell und gar keine Differenz derselben gesetzt ist. Oder die Einheit werde als Allgemeinheit genommen, so hat sie vollends ganz[466] auf eine empirische Mannigfaltigkeit Beziehung, und die Bestimmtheit wird als gegenwärtige einer unendlichen Menge empirisch anderer entgegengesetzt. Die Einheit der Anschauung hingegen ist die Indifferenz der Bestimmtheiten, welche ein Ganzes ausmachen, nicht ein Fixieren derselben als Abgesonderter und Entgegengesetzter, sondern ein Zusammenfassen und Objektivieren derselben; und hiermit, da diese Indifferenz und die differenten Bestimmtheiten schlechthin vereinigt sind, ist sie keine Trennung – jener als Möglichkeit, dieser als Wirklichkeiten, oder dieser selbst teils als möglicher, teils als wirklicher –, sondern absolute Gegenwart. Und in dieser Kraft der Anschauung und Gegenwart liegt die Kraft der Sittlichkeit überhaupt und natürlich auch der Sittlichkeit im Besonderen, um welche es jener gesetzgebenden Vernunft zunächst zu tun und von welcher vielmehr gerade jene Form des Begriffes, der formalen Einheit und der Allgemeinheit schlechthin abzuhalten ist, denn diese ist es gerade, durch welche das Wesen der Sittlichkeit unmittelbar aufgehoben wird, indem sie das, was sittlich notwendig ist, dadurch, daß sie es in dem Gegensatz gegen Anderes erscheinen läßt, zu einem Zufälligen macht; Zufälliges aber in der Sittlichkeit – und das Zufällige ist eins mit dem empirisch Notwendigen – ist unsittlich. Ein Schmerz, der ist, wird durch die Kraft der Anschauung aus der Empfindung, in welcher er ein Akzidenz und ein Zufälliges ist, in die Einheit und in die Gestalt eines Objektiven und für sich seienden Notwendigen erhoben und durch diese unmittelbare Einheit, die nicht links und rechts an Möglichkeiten, welche die formale Einheit herbeiführt, denkt, in seiner absoluten Gegenwart erhalten, aber durch die Objektivität des Anschauens und die Erhebung in diese Einheit des Fürsichseins vom Subjekt wahrhaft abgetrennt und im fixen Anschauen derselben ideell gemacht; da er hingegen, durch die Einheit der Reflexion mit anderen Bestimmtheiten verglichen oder als ein Allgemeines gedacht und nicht allgemein gefunden, auf beide Art zufällig gemacht wird und dadurch das Subjekt[467] sich bloß in seiner Zufälligkeit und Besonderheit erkennt, welche Erkenntnis die Empfindsamkeit und die Unsittlichkeit der Ohnmacht ist. Oder wenn das Sittliche sich auf Verhältnisse von Individuen zu Individuen bezieht, so ist es die reine Anschauung und Idealität, die z.B. in dem Vertrauen eines Depositums ist, welche festzuhalten und von welcher die Einmischung der formalen Einheit und des Gedankens der Möglichkeit anderer Bestimmungen abzuhalten ist. Der Ausdruck jener Einheit der Anschauung: ein mir vertrautes Eigentum eines anderen ist das mir vertraute Eigentum eines anderen und sonst nichts anderes, hat eine ganz andere Bedeutung als die allgemein ausdrückende Tautologie der praktischen Gesetzgebung: ein fremdes mir vertrautes Eigentum ist ein fremdes mir vertrautes Eigentum; denn diesem Satze steht ebensogut der andere gegenüber: ein mir vertrautes Nichteigentum des anderen ist Nichteigentum des anderen; d.h. eine Bestimmtheit, welche in den Begriff erhoben wird, ist dadurch ideell, und es kann ebensogut die ihr entgegengesetzte gesetzt werden. Hingegen der Ausdruck der Anschauung enthält ein Dieses, eine lebendige Beziehung und absolute Gegenwart, mit welcher die Möglichkeit selbst schlechthin verknüpft und eine davon getrennte Möglichkeit oder ein Anderssein schlechthin vernichtet ist, als in welchem möglichen Anderssein die Unsittlichkeit liegt.

Wenn nun die Einheit der praktischen Vernunft auch nicht diese positive Einheit der Anschauung wäre, sondern allein die negative Bedeutung hätte, das Bestimmte zu vernichten, so würde sie rein das Wesen der negativen Vernunft oder der Unendlichkeit, des absoluten Begriffs ausdrücken. Aber weil die Unendlichkeit fixiert und vom Absoluten abgesondert wird, so zeigt sie sich in ihrem Wesen, das Gegenteil ihrer selbst zu sein, und äfft die Reflexion, die sie festhalten und eine absolute Einheit in ihr ergreifen will, dadurch, daß sie schlechthin auch das Gegenteil davon, eine Differenz und Vielheit herbeiführt und so zwischen diesem Gegensatz, der[468] sich unendlich reproduziert, nur eine relative Identität erlaubt und also selbst als Unendlichkeit das Gegenteil ihrer selbst, absolute Endlichkeit ist. Und indem sie so isoliert wird, ist sie selbst nur die kraftlose, von der wahrhaft vernichtenden Macht der Vernunft verlassene Form, welche die Bestimmtheiten in sich aufnimmt und beherbergt, ohne sie zu vernichten, sondern sie im Gegenteil verewigt.

Von der dargestellten Entgegensetzung, dem Fixieren derselben als einer Realität und ihrer unvollständigen Verknüpfung als einer relativen Identität ist es, daß die neuere Bestimmung des Begriffs des Naturrechts und seines Verhältnisses in der ganzen Wissenschaft des Sittlichen abhängt, und wir müssen das bis her allgemein Auseinandergesetzte in dieser näheren Beziehung betrachten, wie die einmal gesetzte unüberwindliche Trennung in der Wissenschaft des Naturrechts auf ihre eigentümliche Art erscheint.

Der absolute Begriff, welcher das Prinzip der Entgegensetzung und die Entgegensetzung selbst ist, stellt sich, der fixiert ist, in der Trennung so dar, daß er als reine Einheit sich entgegengesetzt ist als Vielheit, so daß er sowohl unter der Form der reinen Einheit als der reinen Vielheit der absolute Begriff bleibe, also in der Form der Vielheit nicht eine Mannigfaltigkeit von verschieden bestimmten Begriffen, sondern wie unter die Einheit, so auch unter die Vielheit subsumiert sei; in vielen bestimmten Begriffen subsumiert er und ist nicht ein Vieles, sondern Eines. Der absolute Begriff, als selbst eine Vielheit, ist eine Menge von Subjekten, und diesen ist er in der Form der reinen Einheit, als absolute Quantität, gegen dieses sein qualitatives Gesetztsein entgegengesetzt. Es ist also beides gesetzt, ein inneres Einssein der Entgegengesetzten, das das Wesen beider, der absolute Begriff ist, und ein Getrenntsein desselben unter der Form der Einheit, in welcher er Recht und Pflicht ist, und unter der Form der Vielheit, in welcher er denkendes und wollendes Subjekt ist. Jene erste Seite, nach welcher das Wesen des Rechts und der Pflicht und das Wesen des denkenden und[469] wollenden Subjekts schlechthin eins sind, ist – wie im allgemeinen die höhere Abstraktion der Unendlichkeit – die große Seite der Kantischen und Fichteschen Philosophie; aber sie ist diesem Einssein nicht getreu geblieben, sondern indem sie zwar dasselbe als das Wesen und als das Absolute anerkennt, setzt sie die Trennung in Eines und Vieles ebenso absolut und eins mit gleicher Würde neben das andere. Hierdurch ist es sowohl nicht das positive Absolute, was das Wesen von beiden ausmachte und worin sie eins wären, sondern das negative oder der absolute Begriff; als auch wird jenes notwendige Einssein formal, und die beiden entgegengesetzten Bestimmtheiten, als absolut gesetzt, fallen hiermit in ihrem Bestehen unter die Idealität, die insofern die bloße Möglichkeit beider ist. Es ist möglich, daß Recht und Pflicht unabhängig, als ein Besonderes, getrennt von den Subjekten und die Subjekte getrennt von jenem, Realität haben; es ist aber auch möglich, daß beides verknüpft sei. Und es ist absolut notwendig, daß diese beiden Möglichkeiten besonders seien und unterschieden werden, so daß jede eine eigene Wissenschaft gründe; die eine, welche das Einssein des reinen Begriffs und der Subjekte oder die Moralität der Handlungen, die andere, welche das Nichteinssein oder die Legalität betreffe, und zwar so, daß, wenn in dieser Trennung des Sittlichen in Moralität und Legalität diese beiden bloße Möglichkeiten werden, eben darum beide gleich positiv sind. Die eine ist für die andere zwar negativ, aber so sind beide; es ist nicht die eine das absolut Positive, die andere absolut das Negative, sondern jede ist beides in der Relation aufeinander, und dadurch, daß fürs erste beide nur relativ positiv sind, ist weder die Legalität noch die Moralität absolut positiv oder wahrhaft sittlich. Und dann, weil beide, eine so positiv ist als die andere, sind beide absolut notwendig, und die Möglichkeit, daß der reine Begriff und das Subjekt der Pflicht und des Rechtes nicht eins seien, muß unabänderlich und schlechthin gesetzt werden.

Die Grundbegriffe des Systems der Legalität ergeben sich[470] hieraus unmittelbar auf folgende Weise. Es ist Bedingung des reinen Selbstbewußtseins, und dies reine Selbstbewußtsein, Ich, ist das wahre Wesen und das Absolute, dessenungeachtet aber ist es bedingt, und seine Bedingung ist, daß es zu einem reellen Bewußtsein fortgeht, welche [beiden Formen] in diesem Verhältnis des Bedingtseins gegeneinander sich schlechthin entgegengesetzt bleiben. Jenes reine Selbstbewußtsein, die reine Einheit oder das leere Sittengesetz, die allgemeine Freiheit aller, ist dem realen Bewußtsein, d. i. dem Subjekt, dem Vernunftwesen, der einzelnen Freiheit entgegengesetzt, was auf eine populärere Weise Fichte als die Voraussetzung ausdruckt, daß Treu und Glauben verlorengehe, und auf diese Voraussetzung wird ein System gegründet, durch welches, ungeachtet der Trennung des Begriffs und des Subjekts der Sittlichkeit, aber eben darum nur formell und äußerlich – und dieses Verhältnis heißt der Zwang – beide vereinigt werden sollen. Indem hiermit diese Äußerlichkeit des Einsseins schlechthin fixiert und als etwas absolutes Ansichseiendes gesetzt ist, so ist die Innerlichkeit, die Wiederaufbauung des verlorenen Treu und Glaubens, das Einssein der allgemeinen und der individuellen Freiheit und die Sittlichkeit unmöglich gemacht.

In dem Systeme einer solchen Äußerlichkeit – und wir beziehen uns hierbei auf die Fichtesche als die konsequenteste Darstellung, die am wenigsten formal ist, sondern wirklich ein konsequentes System versucht, das nicht der ihm fremden Sittlichkeit und Religion bedürfte – kann, wie in allem von Bedingtem zu Bedingtem Fortschreitenden, entweder kein Unbedingtes aufgezeigt werden, oder, wenn ein solches gesetzt wird, so ist es die formale Indifferenz, welche das bedingte Differente außer sich hat, Wesen ohne Form, Macht ohne Weisheit, Quantität ohne innere Qualität oder Unendlichkeit, Ruhe ohne Bewegung.

Die oberste Aufgabe bei der mit mechanischer Notwendigkeit[471] wirkenden Veranstaltung, daß die Wirksamkeit jedes Einzelnen durch den allgemeinen Willen gezwungen werde, ist, wie dieser allgemeine Wille notwendig in den Subjekten, welche dessen Organe und Verwalter sind, reell sei, – eine Aufgabe, welcher die Entgegensetzung des einzelnen Willens gegen den allgemeinen Willen vorausgesetzt ist; das Einssein mit dem allgemeinen Willen kann hiermit nicht als innere absolute Majestät aufgefaßt und gesetzt [werden], sondern als etwas, das durch ein äußeres Verhältnis oder Zwang hervorgebracht werden soll. Es kann aber hier in der Realität in dem zu setzenden Progressus des Zwingens und Aufsehens nicht in unendliche Reihen fortgegangen und von dem Reellen zum Ideellen übergesprungen werden; es muß ein höchster positiver Punkt sein, von dem das Zwingen nach dem Begriffe der allgemeinen Freiheit anfängt. Aber dieser Punkt muß wie alle anderen Punkte dazu gezwungen werden, daß er so nach dem Begriffe der allgemeinen Freiheit zwingt; ein Punkt, der in diesem allgemeinen Systeme des Zwangs nicht gezwungen würde, träte aus dem Prinzip und wäre transzendent. Die Frage ist also nun, wie dieser höchste Wille ebenso durch Zwang und Aufsehen dem Begriff des allgemeinen Willens gemäß werde und also das System ganz immanent und transzendental bleibe. Dies könnte nicht anders geschehen, als daß die Macht des Ganzen an die beiden Seiten, die einander gegenüberstehen, verteilt sei, so daß das Regierte von der Regierung und die Regierung von dem Regierten gezwungen werden. Ist die Macht und hiermit der mögliche Zwang von beiden Seiten in ungleicher Stärke gesetzt, so wird, um soviel der eine Teil mehr Gewalt hat als der andere oder um den Überschuß beider, nur ein Teil und nicht der entgegengesetzte gezwungen, was nicht sein soll. Aber eigentlich ist der Übermächtige allein der Mächtige, denn daß etwas Grenze für das Andere sei, muß es ihm gleich sein; der Schwächere ist daher keine Grenze[472] für denselben; beide müssen also mit gleicher Gewalt gegenseitig gezwungen werden und sich zwingen. Allein wenn auf diese Weise Aktion und Reaktion, Stand und Widerstand gleich stark sind, so reduziert sich die beiderseitige Gewalt aufs Gleichgewicht; es ist hiermit alle Tätigkeit, Willensäußerung und Handeln aufgehoben, – die Reduktion werde positiv oder negativ gedacht, daß die Aktion und Reaktion als seiend, wirkend oder daß sie negativ gesetzt und das Gleichgewicht dadurch ist, daß sowenig ein Agieren als ein Reagieren vorhanden sei. Diesem Tode dadurch aufhelfen wollen, daß das unmittelbare Gegenüberstehen in einen Kreis von Wirkungen ausgedehnt und so scheinbar die Mitte der Berührung und der Punkt, worin die Reduktion der Entgegengesetzten erscheint, durch das täuschende Leerlassen dieser Mitte aufgehoben werde, ist ebensowenig eine wahre Auskunft. Gegen die von der obersten Gewalt durch ihre Verzweigungen niedersteigende Hierarchie des Zwangs bis zu allen Einzelheiten soll von diesen wieder eine ebensolche Pyramide in die Höhe sich zu einer obersten Spitze des Gegendrucks gegen die niedersteigende emporheben und sich so das Ganze in einem Kreise krümmen, worin die Unmittelbarkeit der Berührung verschwände, die Kräfte, insofern sie Masse machen, auseinandergehalten und durch Zwischenglieder jene künstliche Differenz hervorgebracht würde und so kein Glied unmittelbar auf dasjenige, von welchem es bewegt wird, rückwirken (als wodurch die Reduktion aufs Gleichgewicht entsteht), sondern immer auf ein anderes, als das ist, von dem es bewegt wird, – daß so das erste das letzte und dieses letzte wieder jenes erste bewegte. Aber ein solches perpetuum mobile, dessen Teile in der Reihe herum sich alle bewegen sollen, setzt sich, statt sich zu bewegen, sogleich in vollkommenes Gleichgewicht und wird ein vollkommenes perpetuum quietum, denn Druck und Gegendruck, Zwingen und Gezwungenwerden sind sich[473] vollkommen gleich und stehen sich ebenso unmittelbar gegenüber und bewirken eben die Reduktion der Kräfte wie in der ersten Vorstellung; die reine Quantität läßt sich durch eine solche Mittelbarkeit nicht täuschen, durch welche in sie durchaus keine Differenz oder wahre Unendlichkeit und Form gebracht ist, sondern sie bleibt wie vorhin eine völlig unzertrennte, reine, gestaltlose Macht. Es ist auf diese Weise gegen die Macht, daß sie dem Begriffe der allgemeinen Freiheit gemäß sei, kein Zwang möglich, denn es ist außer ihr keine Gewalt aufzufinden und in sie selbst keine Trennung zu setzen.

Um deswillen wird denn zu einer ganz formellen Unterscheidung geflüchtet. Die wirkliche Gewalt wird allerdings als eine und in der Regierung vereinigt gesetzt; was aber ihr gegenübergestellt wird, ist die mögliche Gewalt, und diese Möglichkeit soll als solche jene Wirklichkeit zu zwingen vermögend sein. Dieser zweiten gewaltlosen Existenz des gemeinsamen Willens soll nämlich die Beurteilung zukommen, ob die Gewalt den ersteren, welchem sie verbunden ist, verlassen, ob die Gewalt nicht mehr dem Begriff der allgemeinen Freiheit gemäß sei; er soll die oberste Gewalt überhaupt beaufsichtigen und, wie bei ihr ein Privatwille an die Stelle des allgemeinen tritt, ihm dieselbe entreißen, und die Art, mit weither dies geschehen soll, soll eine absolute Wirkung habende öffentliche Erklärung der gänzlichen Nullität aller Handlungen der obersten Staatsgewalt von diesem Augenblick an sein. Daß die Gewalt sich durch eigenes Urteil von selbst absondere, was die Insurrektion wäre, soll, darf nicht geschehen; denn diese reine Gewalt besteht aus lauter Privatwillen, die sich also nicht als gemeinsamer Wille konstituieren können. Aber jener zweite gemeinsame Wille ist es, der diese Menge als Gemeinde oder die reine Gewalt auch mit der Idee des allgemeinen Willens vereinigt erkläre, da er in den vorhergehenden Gewalthabern nicht mehr vorhanden ist. Welche Bestimmtheit gesetzt werde, durch die gegen die oberste Gewalt irgend etwas erzwungen werden soll, so[474] müßte mit jener Bestimmtheit nicht die bloße Möglichkeit, sondern reelle Gewalt verbunden sein; aber da diese in den Händen der anderen Repräsentation des gemeinsamen Willens ist, so ist diese vermögend, jede solche Bestimmtheit zu verhindern und, was für Verrichtungen auch dem Ephorat aufgetragen seien, das Beaufsichtigen, die öffentliche Erklärung des Interdikts, und welche Formalitäten ausgeheckt werden, zu vernichten, – und zwar mit dem gleichen Rechte als die, in deren Hände die Wirksamkeit dieser Bestimmtheit gelegt wäre, denn diese Ephoren sind nicht weniger zugleich Privatwillen als jene, und ob der Privatwille dieser sich vom allgemeinen Willen abgesondert habe, darüber kann die Regierung sowohl urteilen als das Ephorat über sie und zugleich dies Urteil schlechthin geltend machen. Bekanntlich hat bei einer in neueren Zeiten durch eine Regierung vorgenommenen Auflösung einer rivalisierenden und sie lähmenden gesetzgebenden Gewalt ein Mann, der selbst darein verwickelt worden war, über den Einfall, daß die Errichtung einer ähnlichen Aufsichtskommission wie das Fichtesche Ephorat eine solche Gewalttat verhindert haben würde, mit Recht geurteilt, daß ein solcher Aufsicht habender und der Regierung sich widersetzen wollender Rat ebenso gewalttätig würde behandelt worden sein. – Endlich aber, wenn die obersten Gewalthaber freiwillig diesen zweiten Repräsentanten des allgemeinen Willens es gestatten wollten, die Gemeinde zusammenzurufen, daß diese zwischen ihnen und den Aufsehern urteile, – was wäre mit solchem Pöbel anzufangen, der auch in allem beaufsichtigt, was Privatsache ist, noch weniger ein öffentliches Leben führt und der hiermit zum Bewußtsein des gemeinsamen Willens und zum Handeln im Geist eines Ganzen schlechthin nicht, sondern allein zum Gegenteil gebildet ist.

Was hiermit gezeigt worden, ist, daß das Sittliche, welches nach dem Verhältnis allein gesetzt wird, oder die Äußerlichkeit und der Zwang, als Totalität gedacht, sich selbst aufhebt. Es ist damit zwar erwiesen, daß der Zwang nichts[475] Reelles, nichts an sich ist, aber dies wird noch klarer werden, wenn wir dies an ihm selbst nach seinem Begriff und nach der Bestimmtheit, welche das Verhältnis dieser Beziehung hat, zeigen, – denn daß das Verhältnis überhaupt nichts an sich ist, hat teils die Dialektik zu erweisen, teils ist es oben kurz dargestellt worden.

Von den Begriffen überhaupt, welche mit dem Zwang zusammenhängen und eben dies Verhältnis ausdrücken, ist zum Teil schon gezeigt worden, daß sie wesenlose Abstraktionen, Gedankendinge oder Wesen der Einbildung, ohne Realität sind; es kommt fürs erste die nichtige Abstraktion eines Begriffs der allgemeinen Freiheit Aller, die von der Freiheit der Einzelnen getrennt wäre, vor, alsdann auf der ändern Seite eben diese Freiheit des Einzelnen, ebenso isoliert. Jede für sich gesetzt ist eine Abstraktion ohne Realität; beide aber, absolut identisch und dann bloß an dieser ersten zugrunde liegenden Identität gesetzt, sind etwas ganz anderes als jene Begriffe, welche ihre Bedeutung allein in der Nichtidentität haben. Alsdann soll die natürliche oder ursprüngliche Freiheit durch den Begriff der allgemeinen Freiheit sich beschränken; aber jene Freiheit, welche als beschränkbar gesetzt werden kann, ist eben darum wieder nichts Absolutes; und alsdann ist es an sich widersprechend, eine Idee zusammenzusetzen, daß mit absoluter Notwendigkeit die Freiheit des Einzelnen durch die Äußerlichkeit des Zwangs dem Begriff der allgemeinen Freiheit gemäß sei, – was nichts anderes heißt, als daß sich vorgestellt wird, daß das Einzelne durch etwas nicht Absolutes dem Allgemeinen doch absolut gleich sei. In dem Begriff des Zwangs selbst wird unmittelbar etwas Äußeres für die Freiheit gesetzt; aber eine Freiheit, für welche etwas wahrhaft Äußeres, Fremdes wäre, ist keine Freiheit; ihr Wesen und ihre formelle Definition ist gerade, daß nichts absolut Äußeres ist.

Es ist die Ansicht der Freiheit völlig zu verwerfen, nach welcher sie eine Wahl sein soll zwischen entgegengesetzten Bestimmtheiten, so daß, wenn + A und – A vorlägen, sie[476] darin bestünde, entweder als + A oder als – A sich zu bestimmen, und an dies Entweder-Oder schlechthin gebunden wäre. So etwas wie diese Möglichkeit der Wahl ist schlechthin eine empirische Freiheit, welche eins ist mit der empirischen gemeinen Notwendigkeit und schlechthin nicht von ihr trennbar. Sie ist vielmehr die Negation oder Idealität der Entgegengesetzten, sowohl des + A als des – A, die Abstraktion der Möglichkeit, daß keins von beiden ist; ein Äußeres wäre für sie nur, insofern sie allein als + A oder allein als – A bestimmt wäre, aber sie ist gerade das Gegenteil hiervon und nichts Äußeres für sie, und so ist für sie kein Zwang möglich.

Jede Bestimmtheit ist nach ihrem Wesen entweder + A oder – A, und an das + A ist das – A sowie an das – A das + A unauflöslich gekettet; so wie das Individuum sich in die Bestimmtheit des + A gesetzt hat, so ist es auch an – A gebunden, und – A ist ein Äußeres für dasselbe und nicht unter seiner Gewalt, sondern es wäre um der absoluten Verbindung des + A mit – A [willen] unmittelbar durch die Bestimmtheit von + A unter einer fremden Gewalt des – A, und die Freiheit, welche im Wählen bestünde, entweder sich als + A oder als – A zu bestimmen, käme aus der Notwendigkeit gar nicht heraus. Bestimmt sie sich als + A, so hat sie – A nicht vernichtet, sondern es besteht absolut notwendig als ein Äußeres für sie, und so umgekehrt, wenn sie sich als – A bestimmt. Sie ist Freiheit allein, daß sie, positiv oder negativ, – A mit + A vereinigt und so aufhört, in der Bestimmtheit + A zu sein. In der Vereinigung beider Bestimmtheiten sind beide vernichtet; + A – A = 0. Wenn dieses Nichts nur relativ auf + A und – A, das indifferente A selbst als eine Bestimmtheit und ein Plus oder Minus gegen ein anderes Minus oder Plus gedacht wird, so ist die absolute Freiheit ebenso über diesen Gegensatz wie über jeden und jede Äußerlichkeit erhaben und schlechthin alles Zwangs unfähig, und der Zwang hat gar keine Realität.

Aber diese Idee der Freiheit scheint selbst eine Abstraktion[477] zu sein, und wenn z.B. von einer konkreten Freiheit, der Freiheit des Individuums die Rede wäre, so würde jenes Sein einer Bestimmtheit und damit bloße empirische Freiheit als eine Möglichkeit der Wahl [gesetzt] und also auch empirische Notwendigkeit und die Möglichkeit des Zwangs, überhaupt die Entgegensetzung der Allgemeinheit und Einzelheit gesetzt. Denn das Individuum ist eine Einzelheit, und die Freiheit ist ein Vernichten der Einzelheit; durch die Einzelheit ist das Individuum unmittelbar unter Bestimmtheiten, damit ist Äußeres für dasselbe vorhanden und damit Zwang möglich. Aber ein anderes ist, Bestimmtheiten in das Individuum unter der Form der Unendlichkeit, ein Anderes, sie absolut in dasselbe setzen. Die Bestimmtheit unter der Form der Unendlichkeit ist damit zugleich aufgehoben, und das Individuum ist nur als freies Wesen; d. i. indem Bestimmtheiten in ihm gesetzt sind, ist es die absolute Indifferenz dieser Bestimmtheiten, und hierin besteht formell seine sittliche Natur; so wie darin, daß, insofern die Individuen überhaupt – es sei gegen sich oder etwas anderes – different sind und eine Beziehung auf ein Äußeres haben, diese Äußerlichkeit selbst indifferent und eine lebendige Beziehung sei, die Organisation und hiermit, weil nur in der Organisation Totalität ist, das Positive der Sittlichkeit besteht. – Aber die Indifferenz des Individuums als einzelnen ist in Beziehung auf das Sein der Bestimmtheiten eine negative; aber wo wirklich sein Sein als Einzelheit, d.h. eine für dasselbe positiv unüberwindliche Negation, eine Bestimmtheit, durch welche das Äußerliche als solches sich festhält, gesetzt wird, so bleibt ihm nur aber die schlechthin negative Absolutheit oder die Unendlichkeit, – die absolute Negation sowohl des – A als des + A, oder daß es dies Einzelnsein absolut in den Begriff aufnimmt. Indem – A ein Äußeres gegen die Bestimmtheit + A des Subjekts, so ist es durch dies Verhältnis in fremder Gewalt; aber dadurch, daß es sein + A als eine Bestimmtheit ebenso negativ setzen, aufheben und entäußern kann, bleibt es bei[478] der Möglichkeit und bei der Wirklichkeit fremder Gewalt schlechthin frei. Indem es + A sowohl als – A negiert, ist es bezwungen, aber nicht gezwungen; es würde Zwang nur erleiden müssen, wenn + A in ihm absolut fixiert wäre, wodurch an dasselbe als an eine Bestimmtheit eine unendliche Kette anderer Bestimmtheiten gefesselt werden könnte. Diese Möglichkeit, von Bestimmtheiten zu abstrahieren, ist ohne Beschränkung, oder es ist keine Bestimmtheit, welche absolut ist, denn dies widerspräche sich unmittelbar; sondern die Freiheit selbst oder die Unendlichkeit ist zwar das Negative, aber das Absolute, und sein Einzelnsein ist absolute in den Begriff aufgenommene Einzelheit, negativ absolute Unendlichkeit, reine Freiheit. Dies negativ Absolute, die reine Freiheit, ist in ihrer Erscheinung der Tod, und durch die Fähigkeit des Todes erweist sich das Subjekt als frei und schlechthin über allen Zwang erhaben. Er ist die absolute Bezwingung; und weil sie absolut ist oder weil in ihr die Einzelheit schlechthin reine Einzelheit wird – nämlich nicht das Setzen eines + A mit Ausschließung des – A (welche Ausschließung keine wahre Negation, sondern nur das Setzen des – A als eines Äußeren und zugleich des + A als einer Bestimmtheit wäre), sondern Aufhebung sowohl des Plus als des Minus –, so ist sie der Begriff ihrer selbst, also unendlich und das Gegenteil ihrer selbst, oder absolute Befreiung, und die reine Einzelheit, die im Tode ist, ist ihr eigenes Gegenteil, die Allgemeinheit. In dem Bezwingen ist also dadurch Freiheit, daß es rein auf die Aufhebung einer Bestimmtheit, sowohl insofern sie positiv als insofern sie negativ, subjektiv und objektiv gesetzt ist, nicht bloß einer Seite derselben geht und also an sich betrachtet sich rein negativ hält; oder da das Aufheben selbst auch von der Reflexion positiv aufgefaßt und ausgedrückt werden kann, so erscheint alsdann das Aufheben beider Seiten der Bestimmtheit als das vollkommen gleiche Setzen des Bestimmten nach seinen beiden Seiten.

Dies z.B. auf die Strafe angewandt, so ist in ihr allein die[479] Wiedervergeltung vernünftig; denn durch sie wird das Verbrechen bezwungen. Eine Bestimmtheit + A, welche das Verbrechen gesetzt hat, wird durch das Setzen von – A ergänzt und so beide vernichtet; oder positiv angesehen: mit der Bestimmtheit + A wird für den Verbrecher die entgegengesetzte – A verbunden und beider gleicherweise gesetzt, da das Verbrechen nur eine setzte. So ist die Strafe Wiederherstellung der Freiheit, und der Verbrecher sowohl ist frei geblieben oder vielmehr frei gemacht, als der Strafende vernünftig und frei gehandelt hat. In dieser ihrer Bestimmung ist also die Strafe etwas an sich, wahrhaftig unendlich und etwas Absolutes, das hiermit seine Achtung und Furcht in sich selbst hat; sie kommt aus der Freiheit und bleibt selbst als bezwingend in der Freiheit. Wenn hingegen die Strafe als Zwang vorgestellt wird, so ist sie bloß als eine Bestimmtheit und als etwas schlechthin Endliches, keine Vernünftigkeit in sich Führendes gesetzt und fällt ganz unter den gemeinen Begriff eines bestimmten Dinges, gegen ein Anderes, oder einer Ware, für die etwas anderes, nämlich das Verbrechen zu erkaufen ist; der Staat hält als richterliche Gewalt einen Markt mit Bestimmtheiten, die Verbrechen heißen und die ihm gegen andere Bestimmtheiten feil sind, und das Gesetzbuch ist der Preiskourant.


[III]

Aber so nichtig diese Abstraktionen und das daraus hervorgehende Verhältnis der Äußerlichkeit ist, so ist das Moment des negativ Absoluten oder der Unendlichkeit, welches in diesem Beispiel als das Verhältnis von Verbrechen und Strafe bestimmend bezeichnet ist, Moment des Absoluten selbst und muß in der absoluten Sittlichkeit aufgezeigt werden, und wir werden das Vielgewandte der absoluten Form oder der Unendlichkeit in seinen notwendigen Momenten ergreifen und aufzeigen, wie sie die Gestalt der absoluten Sittlichkeit bestimmen, woraus der wahre Begriff und das Verhältnis der[480] praktischen Wissenschaften sich ergeben wird. Da es hier zunächst auf die Bestimmung dieser hierin enthaltenen Verhältnisse ankommt und also die Seite der Unendlichkeit herausgehoben werden muß, so setzen wir das Positive voraus, daß die absolute sittliche Totalität nichts anderes als ein Volk ist, was sich auch schon am dem Negativen, das wir hier betrachten, in den folgenden Momenten desselben klar machen wird.

In der absoluten Sittlichkeit ist nun die Unendlichkeit oder die Form als das absolut Negative nichts anderes als das vorhin begriffene Bezwingen selbst in seinen absoluten Begriff aufgenommen, worin es sich nicht auf einzelne Bestimmtheiten bezieht, sondern auf die ganze Wirklichkeit und Möglichkeit derselben, nämlich das Leben selbst, also die Materie der unendlichen Form gleich ist, aber so, daß das Positive derselben das absolut Sittliche, nämlich das Angehören einem Volke ist, das Einssein mit welchem der Einzelne im Negativen, durch die Gefahr des Todes allein, auf eine unzweideutige Art erweist. Durch die absolute Identität des Unendlichen oder der Seite des Verhältnisses mit dem Positiven gestalten sich die sittlichen Totalitäten, wie die Völker sind, konstituieren sich als Individuen und stellen sich hiermit als einzeln gegen einzelne Völker; diese Stellung und Individualität ist die Seite der Realität, ohne diese gedacht sind sie Gedankendinge; es wäre die Abstraktion des Wesens ohne die absolute Form, welches Wesen eben dadurch wesenlos wäre. Diese Beziehung von Individualität zu Individualität ist ein Verhältnis und darum eine gedoppelte: die eine die positive, das ruhige gleiche Nebeneinanderbestehen beider im Frieden, die andere die negative, das Ausschließen einer durch die andere; und beide Beziehungen sind absolut notwendig. Für die zweite haben wir das vernünftige Verhältnis als ein in seinen Begriff aufgenommenes Bezwingen begriffen oder als absolute formale Tugend, welche die Tapferkeit ist. Es ist durch diese zweite Seite der Beziehung für Gestalt und Individualität der sittlichen Totalität die[481] Notwendigkeit des Kriegs gesetzt, der – weil in ihm die freie Möglichkeit ist, daß nicht nur einzelne Bestimmtheiten, sondern die Vollständigkeit derselben als Leben vernichtet wird, und zwar für das Absolute selbst oder für das Volk – ebenso die sittliche Gesundheit der Völker in ihrer Indifferenz gegen die Bestimmtheiten und gegen das Angewöhnen und Festwerden derselben erhält, als die Bewegung der Winde die Seen vor der Fäulnis bewahrt, in welche sie eine dauernde Stille, wie die Völker ein dauernder oder gar ein ewiger Frieden, versetzen würde.

Dem soeben betrachteten Negativen der Unendlichkeit – weil die Gestalt der sittlichen Totalität und die Individualität derselben als eine Einzelheit nach außen und dieser ihre Bewegung als Tapferkeit bestimmt ist – ist die andere Seite unmittelbar verbunden, nämlich das Bestehen des Gegensatzes. Eine ist Unendlichkeit, negativ, wie die andere; die erste ist die Negation der Negation, die Entgegensetzung gegen die Entgegensetzung, die zweite die Negation und Entgegensetzung selbst in ihrem Bestehen als Bestimmtheiten oder mannigfaltige Realität. Diese Realitäten in ihrer reinen inneren Formlosigkeit und Einfachheit oder die Gefühle sind im Praktischen aus der Differenz sich rekonstruierende und aus dem Aufgehobensein des differenzlosen Selbstgefühls durch eine Vernichtung der Anschauungen hindurchgehende und sich wiederherstellende Gefühle, – physische Bedürfnisse und Genüsse, die, für sich wieder in der Totalität gesetzt, in ihren unendlichen Verwicklungen einer Notwendigkeit gehorchen und das System der allgemeinen gegenseitigen Abhängigkeit in Ansehung der physischen Bedürfnisse und der Arbeit und Anhäufung für dieselben und – dieses als Wissenschaft – das System der sogenannten politischen Ökonomie bilden. Da dieses System der Realität ganz in der Negativität und in der Unendlichkeit ist, so folgt für sein Verhältnis zu der positiven Totalität,[482] daß es von derselben ganz negativ behandelt werden und seiner Herrschaft unterworfen bleiben muß; was seiner Natur nach negativ ist, muß negativ bleiben und darf nicht etwas Festes werden. Um zu verhindern, daß es sich nicht für sich konstituiere und eine unabhängige Macht werde, ist es nicht genug, die Sätze aufzustellen, daß jeder das Recht habe, zu leben, daß in einem Volke das Allgemeine dafür sorgen müsse, daß jeder Bürger sein Auskommen habe und daß eine vollkommene Sicherheit und Leichtigkeit des Erwerbes vorhanden sei; dieses Letzte, als absoluter Grundsatz gedacht, schlösse vielmehr eine negative Behandlung des Systems des Besitzes aus und ließe es vollkommen gewähren und sich absolut festsetzen. Aber vielmehr muß das sittliche Ganze es in dem Gefühl seiner inneren Nichtigkeit erhalten und sein Emporschießen in Beziehung auf die Quantität und die Bildung zu immer größerer Differenz und Ungleichheit, als worauf seine Natur geht, hindern, was auch in jedem Staate – mehr bewußtlos und in der Gestalt einer äußeren Naturnotwendigkeit, der er überhoben zu sein sich selbst wünschte, durch immer größeren, mit dem Wachstum des Systems des Besitzes wachsenden Aufwand des Staats selbst und demgemäß steigende Auflagen und also Verminderung des Besitzes und Erschwerung des Erwerbens, am meisten durch den Krieg, der, was dahin geht, in mannigfaltige Verwirrung bringt, sowie durch Eifersucht anderer Stände und Bedrückung des Handels, teils mit Willen, teils wider ihren Willen durch Unverstand usw. – bis auf solche Grade bewirkt wird, in welchen die positive Sittlichkeit des Staats selbst die Unabhängigkeit von dem rein reellen Systeme und die Behauptung der negativen und einschränkenden Haltung erlaubt.

Die Realität in der Beziehung, in der sie soeben betrachtet worden ist und von der physisches Bedürfnis, Genuß, Besitz und die Objekte des Besitzes und Genusses verschiedene Seiten sind, ist reine Realität; sie drückt bloß die Extreme des Verhältnisses aus. Aber das Verhältnis enthält auch eine[483] Idealität, eine relative Identität der entgegengesetzten Bestimmtheiten, und diese kann also nicht positiv absolut, sondern nur formal sein. Durch die Identität, in welche das Reelle in der Beziehung der Verhältnisse gesetzt wird, wird der Besitz Eigentum und überhaupt die Besonderheit, auch die lebendige, zugleich als ein Allgemeines bestimmt, wodurch die Sphäre des Rechts konstituiert ist.

Was nun den Reflex des Absoluten in diesem Verhältnis betrifft, so ist er schon oben nach seiner negativen Seite gegen das Bestehen des Reellen und Bestimmten als ein Bezwingen bestimmt worden; nach der positiven Seite für das Bestehen des Reellen kann die Indifferenz in diesem bestimmten Stoffe sich nur als eine äußere, formale Gleichheit ausdrücken, und die Wissenschaft, die sich hierauf bezieht, kann nur darauf gehen, teils die Abstufungen der Ungleichheit, teils (damit dies möglich sei) die Art zu bestimmen, wie ein Lebendiges oder Inneres überhaupt so objektiv und äußerlich zu setzen ist, damit es jener Bestimmung und Berechnung fähig sei. Auf diese oberflächliche Erscheinung ist die absolute Realität der Sittlichkeit in dieser Potenz durch das Bestehen der im Gegensatz vorhandenen Realität eingeschränkt. Nicht nur hat um der fixierten Bestimmtheit willen, welche eine absolute Entgegensetzung in sich schließt, das Gleichsetzen und die Berechnung der Ungleichheit ihre Grenzen und stößt wie die Geometrie auf Inkommensurabilität, sondern – weil sie ganz in der Bestimmtheit [bleibt] und doch nicht wie die Geometrie abstrahieren kann, sondern schlechthin, da sie in lebendigen Verhältnissen ist, immer ganze Konvolute solcher Bestimmtheiten vor sich hat – auch schlechthin auf endlose Widersprüche. Diesem Widersprechen der Bestimmtheiten wird allerdings bei einer Anschauung durch Festsetzen und Festhalten an einzelnen Bestimmtheiten abgeholfen und ein Ende gemacht, als wodurch eine Entscheidung erfolgen kann, was noch immer besser ist, als daß keine erfolgt; denn weil in der Sache selbst nichts Absolutes ist, so ist eigentlich das Formelle, daß überhaupt[484] entschieden und bestimmt wird, das Wesentliche. Aber ein ganz anderes ist, daß nach wahrhafter totaler Gerechtigkeit und Sittlichkeit auf diese Weise entschieden werde, welche gerade durch das Festsetzen und absolute Festhalten an den Bestimmtheiten unmöglich, allein in der Konfusion derselben möglich und durch unmittelbare sittliche Anschauung wirklich ist, welche die als absolut gesetzten Bestimmtheiten unterjocht und allein das Ganze festhält. – Es ist – sagt Platon in seiner einfachen Sprache über die beiden Seiten des endlosen Bestimmens der unendlichen Aufnahme der Qualitäten in den Begriff und des Widerspruchs ihrer Einzelheit gegen die Anschauung und dabei unter sich – es ist klar, daß zu der königlichen Kunst die Gesetzgebungskunst gehört; das Beste aber ist, nicht daß die Gesetze gelten, sondern der Mann, der weise und königlich ist, weil das Gesetz nicht vermag, das, was aufs Genauste und ganz allgemein das Vortrefflichste und Gerechteste wäre, vollkommen vorzuschreiben; weil die Ungleichheiten der Menschen und der Handlungen und das Niemals-Ruhe-Halten der menschlichen Dinge nichts Sichselbstgleiches bei keiner Sache über alle Seiten derselben und für alle Zeit in keiner Kunst darzustellen erlauben. Das Gesetz aber sehen wir gerade auf ein und dasselbe sich hinrichten, wie ein eigensinniger und roher Mensch, der nichts gegen seine Anordnung geschehen noch auch von jemand sich darüber fragen läßt, wenn einem etwas anderes, Besseres vorkommt gegen das Verhältnis, das er festgesetzt hat; – es ist also unmöglich, daß für das nie Sichselbstgleiche das sich durchaus Selbstgleiche gut sei.

Daß an dem Gedanken, es sei in dieser Sphäre der menschlichen Dinge an sich seiendes und absolutes bestimmtes Recht und Pflicht möglich, festgehangen wird, kommt von der formalen Indifferenz oder dem negativ Absoluten, welches in der fixen Realität dieser Sphäre allein Platz hat und welches[485] allerdings an sich ist; aber insofern es an sich ist, ist es leer, oder es ist an ihm nichts Absolutes als gerade die reine Abstraktion, der völlig inhaltlose Gedanke der Einheit. Es ist nicht etwa ein Schluß aus bisheriger Erfahrung, noch ist es als zufällige Unvollkommenheit des Konkreten und der Ausführung einer a priori wahrhaften Idee zu betrachten; sondern es ist zu erkennen, daß, was hier Idee genannt wird und eine Hoffnung auf bessere Zukunft hierüber, an sich nichtig und daß eine vollkommene Gesetzgebung sowie eine der Bestimmtheit der Gesetze entsprechende wahrhafte Gerechtigkeit im Konkreten der richterlichen Gewalt an sich unmöglich ist. Was jenes betrifft, so ist das Absolute, weil es in den Bestimmtheiten als solchen sein soll, nur das Unendliche, und es ist ebendieselbe empirische Unendlichkeit und an sich endlose Bestimmbarkeit gesetzt, welche in dem Gedanken einer Vergleichung eines bestimmten Maßes mit einer absolut unbestimmten Linie oder einer bestimmten Linie mit einem absolut unbestimmten Maße, des Messens einer unendlichen Linie oder des absoluten Teilens einer bestimmten Linie gesetzt ist. Was das andere betrifft, so werden von den ebenfalls unendlich vielen und unendlich verschieden geformten Anschauungen, welche der Gegenstand des Richterlichen sind, jede mit der wachsenden Menge von Bestimmungen vielfacher bestimmt; jene Bildung von Unterscheidungen durch die Gesetzgebung macht jede einzelne Anschauung unterscheidbarer und gebildeter, und die Ausdehnung der Gesetzgebung ist nicht eine Annäherung zum Ziele einer positiven Vollkommenheit, die hier, wie oben gezeigt, keine Wahrheit hat, sondern nur das Formale der zunehmenden Bildung. Und damit nun in dieser Mannigfaltigkeit das Eins der richterlichen Anschauung des Rechts und des Urteils sich organisiere, ein wahrhaftes Eins und Ganzes werde, ist absolut notwendig, daß jede einzelne der Bestimmtheiten modifiziert, d.h. eben als eine absolute, für sich seiende, für was sie sich als Gesetz ausspricht, zum Teil aufgehoben, also ihr Absolutsein nicht respektiert werde; und von einer[486] reinen Anwendung kann nicht die Rede sein, denn eine reine Anwendung wäre das Setzen einzelner Bestimmtheiten mit Ausschließung anderer. Aber durch ihr Sein machen diese ebenso die Anforderung, daß sie bedacht werden, damit die Gegenwirkung nicht durch Teile, sondern durch das Ganze bestimmt, selbst ein Ganzes sei. Dieser klaren und bestimmten Erkenntnis muß die leere Hoffnung und der formale Gedanke sowohl einer absoluten Gesetzgebung als eines dem Innern des Richters entzogenen Rechtsprechens unterliegen.

Es ist bei dem betrachteten System der Realität gezeigt worden, daß die absolute Sittlichkeit sich negativ gegen dasselbe verhalten müsse; in demselben ist das Absolute, wie es unter der fixen Bestimmtheit desselben erscheint, als negativ Absolutes, als Unendlichkeit gesetzt, die sich gegen den Gegensatz als formale, relative, abstrakte Einheit darstellt; in jenem negativen Verhalten feindlich, in diesem selbst unter seiner Herrschaft, in keinem indifferent gegen dasselbe. Aber die Einheit, welche Indifferenz der Entgegengesetzten ist und sie in sich vernichtet und begreift, und die Einheit, welche nur formale Indifferenz oder die Identität des Verhältnisses bestehender Realitäten ist, müssen selbst schlechthin als Eines sein, durch vollkommene Aufnahme des Verhältnisses in die Indifferenz selbst; d.h. das absolute Sittliche muß sich als Gestalt, denn das Verhältnis ist die Abstraktion der Seite der Gestalt, vollkommen organisieren. Indem das Verhältnis in der Gestalt schlechthin indifferenziert wird, hört es nicht auf, die Natur des Verhältnisses zu haben; es bleibt ein Verhältnis der organischen zur unorganischen Natur. Aber wie oben gezeigt, ist das Verhältnis, als Seite der Unendlichkeit, selbst ein gedoppeltes; das eine Mal insofern die Einheit oder das Ideelle, das andere Mal insofern das Viele oder das Reelle das Erste und Herrschende ist. Nach jener Seite ist es eigentlich in der Gestalt und in der Indifferenz, und die ewige Unruhe des Begriffs oder der Unendlichkeit ist teils in der Organisation selbst sich selbst[487] aufzehrend und die Erscheinung des Lebens, das rein Quantitative, hingebend, daß es als sein eigenes Samenkorn aus seiner Asche ewig zu neuer Jugend sich emporhebe, – teils seine Differenz nach außen ewig vernichtend und vom Unorganischen sich nährend und es produzierend, aus der Indifferenz eine Differenz oder ein Verhältnis einer unorganischen Natur hervorrufend und dasselbe wieder aufhebend und sie wie sich selbst verzehrend. Wir werden gleich sehen, was diese unorganische Natur des Sittlichen ist. Aber zweitens ist in dieser Seite des Verhältnisses oder der Unendlichkeit auch das Bestehen des Vernichteten gesetzt, denn eben da der absolute Begriff das Gegenteil seiner selbst ist, ist mit seiner reinen Einheit und Negativität auch das Sein der Differenz gesetzt; oder das Vernichten setzt etwas, was es vernichtet, oder das Reelle, und so wäre eine für die Sittlichkeit unüberwindliche Wirklichkeit und Differenz. Die Individualität, welche durch den Sitz, den die Unendlichkeit hier in der ganzen Kraft ihres Gegensatzes aufgeschlagen hat und nicht bloß der Möglichkeit nach, sondern actu, der Wirklichkeit nach im Gegensatze ist, vermöchte nicht sich von der Differenz zu reinigen und in die absolute Indifferenz sich aufzunehmen. Daß beides, das Aufgehobensein des Gegensatzes und das Bestehen desselben, nicht nur ideell, sondern auch reell sei, ist überhaupt das Setzen einer Abtrennung und Aussonderung, so daß die Realität, in welcher die Sittlichkeit objektiv ist, geteilt sei in einen Teil, welcher absolut in die Indifferenz aufgenommen ist, und in einen, worin das Reelle als solches bestehend, also relativ identisch ist und nur den Widerschein der absoluten Sittlichkeit in sich trägt. Es ist hiermit gesetzt ein Verhältnis der absoluten Sittlichkeit, die ganz inwohnend in den Individuen und ihr Wesen sei, zu der relativen Sittlichkeit, die ebenso in Individuen reell ist. Anders kann die sittliche Organisation in der Realität sich nicht rein erhalten, als daß die allgemeine Verbreitung des Negativen in ihr gehemmt und auf eine Seite gestellt sei. Wie nun in dem bestehenden Reellen die[488] Indifferenz erscheint und formale Sittlichkeit ist, ist oben gezeigt worden. Der Begriff dieser Sphäre ist das reelle Praktische, subjektiv betrachtet der Empfindung oder des physischen Bedürfnisses und Genusses, objektiv der Arbeit und des Besitzes; und dieses Praktische, wie es nach seinem Begriff geschehen kann, in die Indifferenz aufgenommen, ist die formale Einheit oder das Recht, das in ihm möglich ist, über welchen beiden das Dritte als das Absolute oder das Sittliche ist. Die Realität aber der Sphäre der relativen Einheit oder des Praktischen und Rechtlichen ist in dem Systeme seiner Totalität als eigener Stand konstituiert.

So bilden nach der absoluten Notwendigkeit des Sittlichen zwei Stände, wovon der eine als Stand der Freien, das Individuum der absoluten Sittlichkeit, dessen Organe die einzelnen Individuen sind und das von selten seiner Indifferenz betrachtet der absolute lebendige Geist, von selten seiner Objektivität die lebendige Bewegung und der göttliche Selbstgenuß dieses Ganzen in der Totalität der Individuen als seiner Organe und Glieder ist, dessen formale oder negative Seite aber ebenso die absolute sein muß, nämlich Arbeit, die nicht auf das Vernichten einzelner Bestimmtheiten geht, sondern auf den Tod, und deren Produkt ebenso nicht Einzelnes, sondern das Sein und die Erhaltung des Ganzen der sittlichen Organisation ist. Diesem Stande weist Aristoteles als sein Geschäft das an, wofür die Griechen den Namen politeuein hatten, was in und mit und für sein Volk leben, ein allgemeines, dem Öffentlichen ganz gehöriges Leben führen ausdrückt, oder das Philosophieren, – welche beiden Geschäfte Platon nach seiner höheren Lebendigkeit nicht getrennt, sondern schlechthin verknüpft sehen will. – Alsdann ein Stand der nicht Freien, welcher in der Differenz des Bedürfnisses und der Arbeit und im Rechte und der Gerechtigkeit des Besitzes und Eigentumes ist, dessen Arbeit auf die Einzelheit geht und also die Gefahr des Todes nicht in[489] sich schließt. Zu welchen der dritte Stand gerechnet werden muß, der in der Roheit seiner nicht bildenden Arbeit nur mit der Erde als Element zu tun und dessen Arbeit das Ganze des Bedürfnisses im unmittelbaren Objekt ohne Zwischenglieder vor sich hat, also selbst eine gediegene Totalität und Indifferenz wie ein Element ist, hiermit sich außer der Differenz des Verstandes des zweiten Standes, seine Leiber und seinen Geist in der Möglichkeit formeller absoluter Sittlichkeit, der Tapferkeit und eines gewaltsamen Todes erhält, also den ersten Stand nach der Masse und dem elementarischen Wesen zu vermehren vermag. – Diese beiden Stände überheben den ersten des Verhältnisses, in welchem die Realität teils in ihrer ruhenden, teils in ihrer tätigen Beziehung als Besitz und Eigentum und als Arbeit fixiert ist, nach der Weise, wie auf eine zur Zeit sich hierauf beschränkende Art unter den neueren Völkern nach und nach die erwerbende Klasse aufgehört [hat], Kriegsdienste zu tun, und die Tapferkeit sich gereinigter zu einem besonderen Stande gebildet hat, der durch jene des Erwerbens überhoben und welchem Besitz und Eigentum wenigstens etwas Zufälliges ist. Die Konstitution jenes zweiten Standes, ihrer Materie nach, bestimmt Platon so, daß die königliche Kunst diejenigen, welche der tapferen und gezügelten Sitte (und welche andere sonst zur Tugend treibt) nicht teilhaftig zu werden vermögen, sondern nur dessen, was zur Gottlosigkeit und Übermut und Ungerechtigkeit durch seine böse gewaltsame Natur hinstößt, durch Tod und Verbannung und die letzte Schmach bezwingt und auswirft, daß die königliche Kunst dagegen die Naturen, die in Roheit und Niedrigkeit liegen, zum knechtischen Geschlechte unterjocht, und Aristoteles erkennt dasjenige dazugehörig, was durch seine Natur nicht sein eigen, sondern eines Anderen ist, was sich wie Leib zu einem Geiste verhält.[490]

Aber das Verhältnis dieses, was durch seine Natur eines Anderen ist und seinen Geist nicht in sich selbst hat, zu der absolut selbständigen Individualität vermag seiner Form nach ein gedoppeltes zu sein, nämlich entweder ein Verhältnis der Individuen dieses Standes als besonderen zu den Individuen des ersten als besonderen, oder von Allgemeinem zu Allgemeinem. Jenes Verhältnis der Sklaverei ist in der empirischen Erscheinung der Universalität des römischen Reichs von selbst verschwunden; in dem Verluste der absoluten Sittlichkeit und mit der Erniedrigung des edlen Standes sind sich die beiden vorher besonderen Stände gleich geworden, und mit dem Aufhören der Freiheit hat notwendig die Sklaverei aufgehört. Indem das Prinzip der formellen Einheit und der Gleichheit geltend werden mußte, hat es überhaupt den inneren wahrhaften Unterschied der Stände aufgehoben und fürs erste nicht die oben gesetzte Absonderung von Ständen, noch weniger die durch sie bedingte Form der Absonderung derselben zustande gebracht, nach welcher sie unter der Form der Allgemeinheit nur als ganzer Stand zum ganzen Stand im Verhältnisse der Herrschaft und der Abhängigkeit sind, so daß auch in diesem Verhältnisse die beiden, die in der Beziehung sind, allgemeine bleiben; wie hingegen im Verhältnis der Sklaverei die Form der Besonderheit die bestimmende desselben und nicht Stand gegen Stand, sondern diese Einheit eines jeden Teils in der realen Beziehung aufgelöst ist und die Einzelnen von Einzelnen abhängig sind. Das Prinzip der Allgemeinheit und Gleichheit hat sich zuerst des Ganzen so bemächtigen müssen, daß es an die Stelle einer Absonderung eine Vermischung beider Stände setzte; in dieser Vermischung unter dem Gesetz der formalen Einheit ist in Wahrheit der erste Stand ganz aufgehoben und der zweite zum alleinigen Volk gemacht; das Bild von welcher Veränderung Gibbon in[491] diesen Zügen ausdrückt: Der lange Friede und die gleichförmige Herrschaft der Römer führte ein langsames und geheimes Gift in die Lebenskräfte des Reichs. Die Gesinnungen der Menschen waren allmählich auf eine Ebene gebracht, das Feuer des Genius ausgelöscht und selbst der militärische Geist verdunstet. Der persönliche Mut blieb, aber sie besaßen nicht mehr diesen öffentlichen Mut, welcher von der Liebe zur Unabhängigkeit, dem Sinne der Nationalehre, der Gegenwart der Gefahr und der Gewohnheit zu befehlen genährt wird; sie empfingen Gesetze und Befehlshaber von dem Willen ihres Monarchen, und die Nachkommenschaft der kühnsten Häupter war mit dem Rang von Bürgern und Untertanen zufrieden. Die höher strebenden Gemüter sammelten sich zu der Fahne der Kaiser, und die verlassenen Länder, politischer Stärke oder Einheit beraubt, sanken unmerklich in die matte Gleichgültigkeit des Privatlebens. – Mit diesem allgemeinen Privatleben, und für den Zustand, in welchem das Volk nur aus einem zweiten Stande besteht, ist unmittelbar das formale Rechtsverhältnis, welches das Einzelnsein fixiert und absolut setzt, vorhanden, und es hat sich auch die vollständigste Ausbildung der auf dasselbe sich beziehenden Gesetzgebung aus einer solchen Verdorbenheit und universellen Erniedrigung gebildet und entwickelt. Dieses System von Eigentum und Recht, das um jenes Festseins der Einzelheit willen in nichts Absolutem und Ewigem, sondern ganz im Endlichen und Formellen ist, muß, reell abgesondert und ausgeschieden von dem edlen Stande, sich in einem eigenen Stande konstituieren und hier dann in seiner ganzen Länge und Breite sich ausdehnen können. Es gehören ihm teils die für sich untergeordneten und im Formellen bleibenden Fragen über den rechtlichen Grund von Besitz, Vertrag usw. an, teils aber überhaupt die ganze endlose Expansion der Gesetzgebung über – wie Platon die Rubriken dieser Dinge aufführt – »diese gerichtlichen Gegenstände der Verträge Einzelner gegen Einzelne über Sachen oder Handarbeiten wie auch der Injurien und Schläge, Anordnungen[492] über Kompetenz und Bestellungen von Richtern, und wo ein Eintreiben oder Auflegen von Zöllen auf den Märkten und Häfen notwendig sei, – als worüber schönen und guten Männern vorzuschreiben nicht würdig ist, denn sie werden das Viele, was darüber festgesetzt werden muß, von selbst leicht finden, wenn Gott ihnen den Segen einer wahrhaft sittlichen Verfassung gibt. Wo aber dies nicht der Fall ist, so erfolgt, daß sie das Leben damit zubringen, vieles dergleichen festzusetzen und zu verbessern, meinend, sie werden des Besten sich endlich bemächtigen, – daß sie leben wie Kranke, die aus Unenthaltsamkeit nicht aus ihrer schlechten Diät treten wollen und durch die Heilmittel nichts bewirken, als mannigfaltigere und größere Krankheiten zu erzeugen, während sie immer hoffen, wenn jemand ihnen ein Mittel rät, von diesem gesund zu werden. Ebenso possierlich sind diejenigen, welche Gesetze über die angeführten Dinge geben und daran immer bessern, in der Meinung, darüber ein Ende zu erreichen, – unwissend, daß sie in der Tat gleichsam die Hydra zerschneiden.« – »Wenn es nun wahr ist, daß mit zunehmender Zügellosigkeit und Krankheit in dem Volke die vielen Gerichtshöfe sich öffnen und einer schlechten und schimpflichen Zucht kein größeres Zeichen gefunden werden kann, als daß vortrefflicher Ärzte und Richter nicht nur die Schlechten und die Handwerker bedürfen, sondern auch die, welche in einer freien Bildung gezogen zu sein sich rühmen, eine von anderen als Herren und Richtern auferlegte Gerechtigkeit zu haben genötigt sind und viele Zeit vor Gerichten mit Klagen und Verteidigen zubringen«, – wenn dieses System zugleich als allgemeiner Zustand sich da entwickeln und die freie Sittlichkeit zerstören muß, wo sie mit jenen Verhältnissen vermischt und von denselben und ihren Folgen nicht ursprünglich gesondert ist, so ist notwendig, daß dieses System mit Bewußtsein[493] aufgenommen, in seinem Recht erkannt, von dem edlen Stande ausgeschlossen und ihm ein eigener Stand als sein Reich eingeräumt sei, worin es sich festsetzen und an seiner Verwirrung und der Aufhebung einer Verwirrung durch eine andere seine völlige Tätigkeit entwickeln könne. Es bestimmt sich hiernach die Potenz dieses Standes so, daß er in dem Besitz überhaupt und in der Gerechtigkeit, die hierin über Besitz möglich ist, sich befindet, daß er zugleich ein zusammenhängendes System konstituiert und [daß] unmittelbar dadurch, daß das Verhältnis des Besitzes in die formelle Einheit aufgenommen ist, jeder Einzelne, da er an sich eines Besitzes fähig ist, gegen alle als Allgemeines oder als Bürger, in dem Sinne als bourgeois, sich verhält, für die politische Nullität, nach der die Mitglieder dieses Standes Privatleute sind, den Ersatz in den Früchten des Friedens und des Erwerbes und in der vollkommenen Sicherheit des Genusses derselben findet, sowohl insofern sie aufs Einzelne als auf das Ganze desselben geht. Auf das Ganze aber geht die Sicherheit für jeden Einzelnen, insofern er der Tapferkeit überhoben und der Notwendigkeit, die dem ersten Stande angehört, sich der Gefahr eines gewaltsamen Todes auszusetzen, entnommen ist, welche Gefahr für den Einzelnen die absolute Unsicherheit alles Genusses und Besitzes und Rechts ist. Durch diese aufgehobene Vermischung der Prinzipien und die konstituierte und bewußte Sonderung derselben erhält jedes sein Recht, und es ist allein dasjenige zustande gebracht, was sein soll, die Realität der Sittlichkeit als absoluter Indifferenz und zugleich ebenderselben als des reellen Verhältnisses im bestehenden Gegensatze, so daß das letztere von dem ersteren bezwungen ist und daß dieses Bezwingen selbst indifferentiiert und versöhnt ist, welche Versöhnung eben in der Erkenntnis der Notwendigkeit und in dem Rechte besteht, welches die Sittlichkeit ihrer unorganischen Natur und den unterirdischen Mächten gibt, indem sie ihnen einen Teil ihrer selbst überläßt und opfert; denn die Kraft des Opfers besteht in dem Anschauen und[494] Objektivieren der Verwicklung mit dem Unorganischen, durch welche Anschauung diese Verwicklung gelöst, das Unorganische abgetrennt und, als solches erkannt, hiermit selbst in die Indifferenz aufgenommen ist, das Lebendige aber, indem es das, was es als einen Teil seiner selbst weiß, in dasselbe legt und dem Tode opfert, dessen Recht zugleich anerkannt und zugleich sich davon gereinigt hat.

Es ist dies nichts anderes als die Aufführung der Tragödie im Sittlichen, welche das Absolute ewig mit sich selbst spielt, – daß es sich ewig in die Objektivität gebiert, in dieser seiner Gestalt hiermit sich dem Leiden und dem Tode übergibt und sich aus seiner Asche in die Herrlichkeit erhebt. Das Göttliche in seiner Gestalt und Objektivität hat unmittelbar eine gedoppelte Natur, und sein Leben ist das absolute Einssein dieser Naturen. Aber die Bewegung des absoluten Widerstreits dieser zwei Naturen stellt sich an der göttlichen, welche darin sich begriffen hat, als Tapferkeit dar, mit welcher sie von dem Tode der anderen widerstreitenden sich befreit, jedoch durch diese Befreiung ihr eigenes Leben gibt, denn dieses ist nur in dem Verbundensein mit diesem anderen, aber ebenso absolut aus ihm aufersteht, denn in diesem Tode, als der Aufopferung der zweiten Natur, ist der Tod bezwungen; – an der anderen erscheinend aber stellt sich die göttliche Bewegung so dar, daß die reine Abstraktion dieser Natur, welche eine bloß unterirdische, reine negative Macht wäre, durch die lebendige Vereinigung mit der göttlichen aufgehoben ist, daß diese in sie hineinscheint und sie durch dies ideelle Einssein im Geist zu ihrem ausgesöhnten lebendigen Leibe macht, der als der Leib zugleich in der Differenz und in der Vergänglichkeit bleibt und durch den Geist das Göttliche als ein sich Fremdes anschaut. – Das Bild dieses Trauerspiels, näher für das Sittliche bestimmt, ist der Ausgang jenes Prozesses der Eumeniden als der Mächte des Rechts, das in der Differenz ist, und Apollos, des Gottes des indifferenten Lichtes, über Orest vor der sittlichen Organisation, dem Volke Athens, – welches menschlicherweise[495] als Areopagos Athens in die Urne beider Mächte gleiche Stimmen legt, das Nebeneinanderbestehen beider anerkennt, allein so den Streit nicht schlichtet und keine Beziehung und Verhältnis derselben bestimmt, aber göttlicherweise als die Athene Athens den durch den Gott selbst in die Differenz Verwickelten diesem ganz wiedergibt und mit der Scheidung der Mächte, die an dem Verbrecher beide teilhatten, auch die Versöhnung so vornimmt, daß die Eumeniden von diesem Volke als göttliche Mächte geehrt würden und ihren Sitz jetzt in der Stadt hätten, so daß ihre wilde Natur des Anschauens der ihrem unten in der Stadt errichteten Altare gegenüber auf der Burg hoch thronenden Athene genösse und hierdurch beruhigt wäre.

Wenn die Tragödie darin ist, daß die sittliche Natur ihre unorganische, damit sie sich nicht mit ihr verwickele, als ein Schicksal von sich abtrennt und sich gegenüberstellt und, durch die Anerkennung desselben in dem Kampfe, mit dem göttlichen Wesen als der Einheit von beidem versöhnt ist, so wird dagegen, um dieses Bild auszuführen, die Komödie überhaupt auf die Seite der Schicksallosigkeit fallen; entweder daß sie innerhalb der absoluten Lebendigkeit [fällt] und also nur Schattenbilder von Gegensätzen oder Scherze von Kämpfen mit einem gemachten Schicksal und erdichteten Feinde [darstellt] – oder innerhalb der Nichtlebendigkeit fällt und also nur Schattenbilder von Selbständigkeit und von Absolutheit darstellt: jene die alte oder göttliche Komödie, diese die moderne Komödie. Die göttliche Komödie ist ohne Schicksal und ohne wahrhaften Kampf, darum daß in ihr die absolute Zuversicht und Gewißheit der Realität des Absoluten ohne Gegensatz ist und, was als Gegensatz eine Bewegung in diese vollkommene Sicherheit und Ruhe bringt, nur ein ernstloser, keine innere Wahrheit habender Gegensatz ist, – dieser Gegensatz stelle sich nun dar gegen die fremd und außerhalb erscheinende, aber in absoluter Gewißheit dastehende Göttlichkeit, als der Rest oder Traum eines Bewußtseins vereinzelter Selbständigkeit, auch[496] als ein zwar fixiertes und festgehaltenes Bewußtsein der Eigenheit, aber dasselbe in völliger Ohnmacht und Kraftlosigkeit; oder aber stelle sich der Gegensatz auch in einer selbstempfundenen und in sich bewußten Göttlichkeit dar, welche mit Bewußtsein sich Gegensätze und Spiele erzeugt, in denen sie mit absolutem Leichtsinn einzelne ihrer Glieder an das Erringen eines bestimmten Preises setzt und ihre mannigfaltigen Seiten und Momente sich zur vollkommenen Individualität ausgebären und zu eigenen Organisationen sich bilden läßt, so wie sie überhaupt auch als Ganzes ihre Bewegungen nicht als Bewegungen gegen ein Schicksal, sondern als Zufälligkeiten nehmen kann, sich selbst für unüberwindlich, den Verlust für nichts achtend, der absoluten Herrschaft über jede Eigenheit und Ausschweifung gewiß und sich dessen bewußt, was Platon in anderer Rücksicht sagt, daß eine Polis eine zum Bewundern starke Natur hat. Eine solche sittliche Organisation wird so z.B. ohne Gefahr und Angst oder Neid einzelne Glieder zu Extremen des Talents in jeder Kunst und Wissenschaft und Geschicklichkeit hinaustreiben und sie darin zu etwas Besonderem machen, – ihrer selbst sicher, daß solche göttlichen Monstruositäten der Schönheit ihrer Gestalt nicht schaden, sondern komische Züge sind, die einen Moment ihrer Gestalt erheitern. Als solche heitere Erhöhungen einzelner Züge werden wir, um ein bestimmtes Volk anzuführen, den Homer, Pindar, Aischylos, Sophokles, Platon, Aristophanes usw. ansehen können, [werden] aber auch sowohl in der ernsthaften Reaktion gegen die ernsthafter werdende Besonderung des Sokrates und vollends in der Reue darüber, als [auch] in der pullulierenden Menge und hohen Energie der zugleich aufkeimenden Individualisierungen nicht verkennen, daß die innere Lebendigkeit damit in ihre Extreme herausgetreten [war], in der Reife dieser Samenkörner ihre Kraft,[497] aber auch die Nähe des Todes dieses Körpers, der sie trug, ankündigte und die Gegensätze, die sie überhaupt hervorrief und vorher selbst in ihrem ernsthafteren und weitgreifenderen Aussehen, wie Kriege, als Zufälligkeiten und mit gleichem Leichtsinn erregen und betreiben konnte, nicht mehr für Schattenbilder, sondern für ein übermächtig werdendes Schicksal nehmen mußte.

Auf einer anderen Seite aber ist die andere Komödie, deren Verwicklungen ohne Schicksal und ohne wahrhaften Kampf sind, weil die sittliche Natur in jenem selbst befangen ist; die Knoten schürzen sich hier nicht in spielenden, sondern in für diesen sittlichen Trieb ernsthaften, für den Zuschauer aber komischen Gegensätzen, und die Rettung gegen sie wird in einer Affektation von Charakter und Absolutheit gesucht, die sich beständig getäuscht und abgesetzt findet. Der sittliche Trieb (denn es ist nicht die bewußte absolute sittliche Natur, die in dieser Komödie spielt) muß, um es kurz zu sagen, das Bestehende in die formale und negative Absolutheit des Rechts verwandeln und dadurch seiner Angst die Meinung von Festigkeit für seinen Besitz geben, seine Habseligkeiten durch Traktate und Verträge und alle erdenklichen Verklausulierungen zu etwas Sicherem und Gewissem erheben, die Systeme darüber aus Erfahrung und Vernunft, als der Gewißheit und Notwendigkeit selbst, deduzieren und mit den tiefsinnigsten Räsonnements begründen, – aber, wie unterirdische Geister bei dem Dichter die Pflanzungen, die sie in den höllischen Wüsteneien anlegten, vom nächsten Sturmwinde weggefegt sahen, so durch die nächste Umwendung oder gar Emporrichtung des Erdengeistes halbe und ganze Wissenschaften weggeschwemmt, die aus Erfahrung und Vernunft bewiesen waren, ein Rechtssystem durch das andere verdrängt, hier Humanitär an die Stelle von Härte, dort zu gleicher Zeit den Willen der Macht an die Stelle der Vertragssicherheit treten und im Wissenschaftlichen wie in der Wirklichkeit die wohlerworbensten und versichertsten Besitzungen von Grundsätzen und Rechten[498] verheert sehen – und entweder meinen, es seien die eigenen, über dem Schicksal mit Vernunft und Willen schwebenden Bemühungen, die in solchem Stoff sich abarbeiten und die solche Veränderungen hervorgebracht hätten, oder auch sich über sie als Unerwartetes und nicht Gehöriges ereifern und zuerst alle Götter gegen solche Notwendigkeit anrufen und dann sich darein fügen. In beiden Fällen gibt der sittliche Trieb, der in diesen Endlichkeiten eine absolute Unendlichkeit sucht, nur die Farce seines Glaubens und seiner nicht sterbenden Täuschung, die – am finstersten, wo sie am hellsten – schon im Verlust und Unrecht ist, wo sie in den Armen der Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und des Genusses selbst zu ruhen meint.

Die Komödie trennt die zwei Zonen des Sittlichen so voneinander ab, daß sie jede rein für sich gewähren läßt, daß in der einen die Gegensätze und das Endliche ein wesenloser Schatten, in der anderen aber das Absolute eine Täuschung ist. Das wahrhafte und absolute Verhältnis aber ist, daß die eine im Ernste in die andere scheint, jede mit der anderen in leibhafter Beziehung [ist] und daß sie füreinander gegenseitig das ernste Schicksal sind; das absolute Verhältnis ist also im Trauerspiel aufgestellt.

Denn obwohl in der lebendigen Gestalt oder der organischen Totalität der Sittlichkeit dasjenige, was die reelle Seite derselben ausmacht, im Endlichen ist und darum zwar an und für sich sein leibliches Wesen nicht vollkommen in ihre Göttlichkeit aufnehmen kann, so drückt es jedoch schon an sich selbst ihre absolute Idee, aber verzogen aus. Sie vereinigt zwar die als Notwendigkeit auseinandergehaltenen Momente derselben nicht zur absoluten Unendlichkeit in sich innerlich, sondern hat diese Einheit nur als eine nachgeahmte negative Selbständigkeit, nämlich als Freiheit des Einzelnen; aber es ist doch dieses reelle Wesen schlechthin der absoluten indifferenten Natur und Gestalt der Sittlichkeit verbunden, wenn es dieselbe nur als ein Fremdes anschauen muß, so schaut es sie doch an und ist im Geiste eins mit ihr.[499] Es ist, selbst für dasselbe, schlechthin das Erste, daß die ganz reine und indifferente Gestalt und das sittliche absolute Bewußtsein sei, und das Zweite ist das Gleichgültige, daß es als das Reelle sich zu ihm nur als dessen empirisches Bewußtsein verhalte, – wie es das Erste ist, daß ein absolutes Kunstwerk sei, und erst das Zweite, ob dieser bestimmte Einzelne dessen Urheber sei oder nur dasselbe anschaue und genieße. So notwendig jene Existenz des Absoluten ist, so notwendig ist auch diese Verteilung, daß einiges der lebendige Geist, das absolute Bewußtsein und die absolute Indifferenz des Ideellen und Reellen der Sittlichkeit selbst sei, anderes aber dessen leibliche und sterbliche Seele und sein empirisches Bewußtsein, das seine absolute Form und das innere Wesen nicht vollkommen vereinigen darf, aber doch der absoluten Anschauung als eines gleichsam ihm Fremden genießt und, für das reelle Bewußtsein, durch Furcht und Vertrauen sowie durch Gehorsam mit ihm eins ist, für das ideelle aber in der Religion, dem gemeinschaftlichen Gott und dem Dienste desselben sich ganz mit ihm vereinigt.

Aber das, was wir unter der äußeren Form des ersten Standes auf die eine Seite gestellt haben, ist das reale absolute Bewußtsein der Sittlichkeit. Es ist Bewußtsein und als solches nach der negativen Seite reine Unendlichkeit und die höchste Abstraktion der Freiheit, d. i. das bis zu seiner Aufhebung getriebene Verhältnis des Bezwingens oder der freie gewaltsame Tod; – nach der positiven Seite aber ist das Bewußtsein die Einzelheit und Besonderheit des Individuums. Aber dieses an sich Negative, nämlich das Bewußtsein überhaupt, von dem die angezeigten Unterscheidungen nur seine beiden Seiten sind, ist absolut in das Positive, seine Besonderheit und Unendlichkeit oder Idealität absolut in das Allgemeine und Reale auf eine vollkommene Weise aufgenommen, welches Einssein die Idee des absoluten Lebens der Sittlichkeit ist. In diesem Einssein der Unendlichkeit und der Realität in der sittlichen Organisation scheint die göttliche Natur – von welcher Platon sagt, daß sie ein unsterbliches Tier sei,[500] dessen Seele und Leib aber auf ewig zusammengeboren sind – den Reichtum ihrer Mannigfaltigkeit zugleich in der höchsten Energie der Unendlichkeit und Einheit darzustellen, welche die ganz einfache Natur des ideellen Elements wird. Denn das vollkommenste Mineral stellt zwar in jedem Teil, der von einer Masse abgesondert wird, die Natur des Ganzen vor, aber seine ideelle Form ist sowohl als innere des Bruchs als auch als die äußere der Kristallisation ein Außereinander; und nicht wie in den Elementen des Wassers, Feuers und der Luft ist jeder besondere Teil die vollkommene Natur und der Repräsentant des Ganzen, sowohl dem Wesen als der Form oder Unendlichkeit nach. Nicht weniger ist auch die reelle Form desselben nicht von der wahrhaften Identität der Unendlichkeit durchdrungen, sondern seine Sinne haben kein Bewußtsein. Sein Licht ist eine einzelne Farbe und sieht nicht; oder ist es die Indifferenz derselben, so ist kein Hemmungspunkt gegen ihren Durchgang durch sich. Sein Ton tönt angeschlagen von einem Fremden, aber nicht aus sich; sein Geschmack schmeckt nicht, sein Geruch riecht nicht, seine Schwere und Härte fühlt nicht; wenn es nicht der Einzelheit der Bestimmungen des Sinnes angehört, sondern sie in der Indifferenz vereinigt, ist es die unentfaltete, verschlossene Differenzlosigkeit, nicht die sich in sich trennende und ihre Trennung unterjochende Einheit, – so wie auch die Elemente, die in allen ihren Teilen sich gleich sind, nur die Möglichkeit, nicht die Wirklichkeit der Differenzen, und nur die Indifferenz unter der Form der Quantität, nicht als Indifferenz des qualitativ Gesetzten in sich haben. Die Erde aber als das organische und individuelle Element breitet sich durch das System seiner Gestalten von der ersten Starrheit und Individualität an in Qualitatives und Differenz aus und resümiert sich erst in der absoluten Indifferenz der sittlichen Natur allein in die vollkommene Gleichheit aller Teile und das absolute reale Einssein[501] des Einzelnen mit dem Absoluten – in den ersten Äther, welcher aus seiner sich selbst gleichen, flüssigen und weichen Form seine reine Quantität durch die individuellen Bildungen in Einzelheit und Zahl zerstreut und dieses absolut spröde und rebellische System dadurch vollkommen bezwingt, daß die Zahl zur reinen Einheit und zur Unendlichkeit geläutert und Intelligenz wird und so das Negative dadurch, daß es absolut negativ wird – denn der absolute Begriff ist das absolute unmittelbare Gegenteil seiner selbst, und das Nichts ist, wie ein Alter sagt, nicht weniger als das Etwas –, mit dem positiv Absoluten vollkommen eins sein kann; und in der Intelligenz ist die Form oder das Ideelle absolute Form und als solche reell und in der absoluten Sittlichkeit die absolute Form mit der absoluten Substanz aufs wahrhafteste verbunden. Von den Individualitäten der Bildungen, welche zwischen der einfachen Substanz in der Realität als reinem Äther und ihr als der Vermählung mit der absoluten Unendlichkeit liegen, kann keine die Form und qualitative Einheit (es sei durch die quantitative, elementarische Gleichheit der Ganzen und der Teile oder in höheren Bildungen durch die ins Einzelnere der Teile gehende Individualisierung) und zu gleich die formelle Vereinigung derselben zu einem Ganzen (durch die Gesellschaftlichkeit der Blätter der Pflanzen, des Geschlechts, des herdeweisen Lebens und gemeinsamen Arbeitens der Tiere), zur absoluten Indifferenz mit dem Wesen und der Substanz bringen, welche in der Sittlichkeit ist, weil in der Intelligenz allein die Individualisierung zu dem absoluten Extrem, nämlich zum absoluten Begriffe, das Negative bis zum absolut Negativen, das unvermittelte Gegenteil seiner selbst zu sein, getrieben ist. Diese ist also allein fähig, indem sie absolute Einzelheit ist, absolute Allgemeinheit zu sein; indem sie absolute Negation und Subjektivität ist, absolute Position und Objektivität; indem absolute Differenz und Unendlichkeit, absolute[502] Indifferenz, und die Totalität – actu in der Entfaltung aller Gegensätze und potentia in dem absoluten Vernichtet- und Einssein derselben – die höchste Identität der Realität und Idealität zu sein.

Wenn der Äther seine absolute Indifferenz in den Lichtindifferenzen zur Mannigfaltigkeit herausgeworfen und in den Blumen der Sonnensysteme seine innere Vernunft und Totalität in die Expansion herausgeboren hat, aber jene Lichtindividuen in der Vielheit zerstreut sind, diejenigen aber, welche die kreisenden Blätter dieser bilden, sich in starrer Individualität gegen jene verhalten müssen und so der Einheit jener die Form der Allgemeinheit, der Einheit dieser die reine Einheit mangelt und keine von beiden den absoluten Begriff als solchen in sich trägt, so ist in dem Systeme der Sittlichkeit die außereinandergefaltete Blume des himmlischen Systems zusammengeschlagen und die absoluten Individuen in die Allgemeinheit vollkommen zusammengeeint und die Realität oder der Leib aufs höchste eins mit der Seele, weil die reelle Vielheit des Leibes selbst nichts anderes ist als die abstrakte Idealität, die absoluten Begriffe reine Individuen, wodurch diese selbst das absolute System zu sein vermögen. Deswegen, wenn das Absolute das ist, daß es sich selbst anschaut, und zwar als sich selbst, und jene absolute Anschauung und dieses Selbsterkennen, jene unendliche Expansion und dieses unendliche Zurücknehmen derselben in sich selbst schlechthin eins ist, so ist, wenn beide als Attribute reell sind, der Geist höher als die Natur; denn wenn diese das absolute Selbstanschauen und die Wirklichkeit der unendlich differentiierten Vermittlung und Entfaltung ist, so ist der Geist, der das Anschauen seiner als seiner selbst oder das absolute Erkennen ist, in dem Zurücknehmen des Universums in sich selbst sowohl die auseinandergeworfene Totalität dieser Vielheit, über welche er übergreift, als auch die absolute Idealität derselben, in der er dies Außereinander vernichtet und in sich als den unvermittelten Einheitspunkt des unendlichen Begriffs reflektiert.[503]

Aus dieser Idee der Natur der absoluten Sittlichkeit ergibt sich nun ein Verhältnis, von welchem noch zu sprechen ist, das Verhältnis der Sittlichkeit des Individuums zur realen absoluten Sittlichkeit, und das Verhältnis der Wissenschaften derselben, der Moral und des Naturrechts. Da nämlich die reale absolute Sittlichkeit die Unendlichkeit oder den absoluten Begriff, die reine Einzelheit schlechthin und in seiner höchsten Abstraktion in sich vereinigt begreift, so ist sie unmittelbar Sittlichkeit des Einzelnen, und umgekehrt das Wesen der Sittlichkeit des Einzelnen ist schlechthin die reale und darum allgemeine absolute Sittlichkeit; die Sittlichkeit des Einzelnen ist ein Pulsschlag des ganzen Systems und selbst das ganze System. Wir bemerken hier auch eine Andeutung der Sprache, die, sonst verworfen, aus dem vorherigen vollkommen gerechtfertigt wird, daß es nämlich in der Natur der absoluten Sittlichkeit ist, ein Allgemeines oder Sitten zu sein, daß also das griechische Wort, welches Sittlichkeit bezeichnet, und das deutsche diese ihre Natur vortrefflich ausdrücken, daß aber die neueren Systeme der Sittlichkeit, da sie ein Fürsichsein und die Einzelheit zum Prinzip machen, nicht ermangeln können, an diesen Worten ihre Beziehung auszustellen, und diese innere Andeutung sich so mächtig erweist, daß jene Systeme, um ihre Sache zu bezeichnen, jene Worte nicht dazu mißbrauchen konnten, sondern das Wort Moralität annahmen, was zwar nach seinem Ursprung gleichfalls dahin deutet, aber, weil es mehr ein erst gemachtes Wort ist, nicht so unmittelbar seiner schlechteren Bedeutung widersträubt.

Die absolute Sittlichkeit aber ist nach dem Bisherigen so wesentlich die Sittlichkeit aller, daß man von ihr nicht sagen kann, sie spiegle sich als solche am Einzelnen ab; denn sie ist so sehr sein Wesen, als der die Natur durchdringende Äther das untrennbare Wesen der Gestalten der Natur ist und als die Idealität ihrer erscheinenden Formen, der Raum, in keiner sich schlechthin um nichts besondert; sondern wie die Linien und Ecken des Kristalls, in denen er die äußere Form[504] seiner Natur ausdrückt, Negationen sind, so ist die Sittlichkeit, insofern sie am Einzelnen als solchem sich ausdrückt, ein Negatives. Sie kann sich fürs erste nicht im Einzelnen ausdrücken, wenn sie nicht seine Seele ist, und sie ist es nur, insofern sie ein Allgemeines und der reine Geist eines Volkes ist. Das Positive ist der Natur nach eher als das Negative, oder, wie Aristoteles es sagt, das Volk ist eher der Natur nach als der Einzelne; denn wenn der Einzelne abgesondert nichts Selbständiges ist, so muß er gleich allen Teilen in einer Einheit mit dem Ganzen sein; wer aber nicht gemeinschaftlich sein kann oder aus Selbständigkeit nichts bedarf, ist kein Teil des Volks und darum entweder Tier oder Gott. Alsdann, insofern sie im Einzelnen sich als solchem ausdrückt, ist sie unter der Form der Negation gesetzt, d. i. sie ist die Möglichkeit des allgemeinen Geistes, und die sittlichen Eigenschaften, die dem Einzelnen angehören, wie Mut oder Mäßigkeit oder Sparsamkeit oder Freigebigkeit usw., sind negative Sittlichkeit – daß nämlich in der Besonderheit des Einzelnen nicht wahrhaft eine Einzelheit fixiert und eine reelle Abstraktion gemacht werde – und Möglichkeiten oder Fähigkeiten, in der allgemeinen Sittlichkeit zu sein. Diese Tugenden, die an sich Möglichkeiten und in einer negativen Bedeutung sind, sind der Gegenstand der Moral, und man sieht, daß das Verhältnis des Naturrechts und der Moral sich auf diese Weise umgekehrt hat, daß nämlich der Moral nur das Gebiet des an sich Negativen zukommt, dem Naturrecht aber das wahrhaft Positive, nach seinem Namen, daß es konstruieren soll, wie die sittliche Natur zu ihrem wahrhaften Rechte gelangt; dahingegen – wenn sowohl das Negative als auch dieses als die Abstraktion der Äußerlichkeit, des formalen Sittengesetzes, des reinen Willens und des Willens des Einzelnen, und dann die Synthesen dieser Abstraktionen wie der Zwang, die Beschränkung der Freiheit des Einzelnen durch den Begriff der allgemeinen Freiheit[505] usw. die Bestimmung des Naturrechts ausdrückten – es ein Naturunrecht sein würde, indem bei der Zugrundelegung solcher Negationen als Realitäten die sittliche Natur in das höchste Verderben und Unglück versetzt wird.

Aber wie diese Eigenschaften der Reflex der absoluten Sittlichkeit im Einzelnen als dem Negativen, aber dem Einzelnen, welches in absoluter Indifferenz mit dem Allgemeinen und Ganzen ist, also ihr Reflex in ihrem reinen Bewußtsein sind, so muß auch ein Reflex derselben in ihrem empirischen Bewußtsein vorhanden sein und solcher die sittliche Natur des zweiten Standes, der in der feststehenden Realität, im Besitz und Eigentum und außer der Tapferkeit ist, konstituieren. Dieser Reflex derselben ist es nun, für den die gewöhnliche Bedeutung der Moralität mehr oder weniger passen kann, – das formelle Indifferentsetzen der Bestimmtheiten des Verhältnisses, also die Sittlichkeit des bourgeois oder des Privatmenschen, für welche die Differenz der Verhältnisse fest ist und welche von ihnen abhängt und in ihnen ist. Eine Wissenschaft dieser Moralität ist demnach zunächst die Kenntnis dieser Verhältnisse selbst, so daß, insofern sie in Beziehung aufs Sittliche betrachtet werden, da diese um des absoluten Fixiertseins willen nur formell sein kann, eben jenes oben erwähnte Aussprechen von Tautologie hier seine Stelle findet: dieses Verhältnis ist nur dieses Verhältnis; wenn du in diesem Verhältnisse bist, so sei, in der Beziehung auf dasselbe, in demselben; denn wenn du in Handlungen, welche auf dieses Verhältnis Beziehungen haben, nicht in Beziehung auf dasselbe handelst, so vernichtest, so hebst du es auf. Der wahre Sinn dieser Tautologie schließt zugleich unmittelbar in sich, daß dies Verhältnis selbst nichts Absolutes und also auch die Moralität, die auf dasselbe geht, etwas Abhängiges und nichts wahrhaft Sittliches ist, welcher wahre Sinn nach dem Obigen sich daraus ergibt, daß nur die Form des Begriffs, die analytische Einheit das Absolute und also negativ Absolute wegen des Inhalts ist, der als ein Bestimmtes der Form widerspricht.[506]

Jene Eigenschaften aber, welche wahrhaft sittlich sind, indem in ihnen das Besondere oder Negative erscheint, rein aufgenommen in die Indifferenz, können sittliche Eigenschaften heißen und nur alsdann Tugenden, wenn sie in einer höheren Energie sich wieder individualisieren und, jedoch innerhalb der absoluten Sittlichkeit, gleichsam zu eigenen lebenden Gestalten werden wie die Tugenden eines Epameinondas, Hannibal, Cäsar und einiger anderer. Als solche Energien sind sie Gestalten und also nicht an sich absolut, sowenig als die Gestalten der anderen organischen Bildungen, sondern das stärkere Hervortreten einer Seite der Idee des Ganzen, und die Moral der Tugenden oder – wenn wir die Moral überhaupt der Moralität bestimmen wollen und für die Darstellung der Tugend der Name Ethik genommen würde – die Ethik muß deswegen nur eine Naturbeschreibung der Tugenden sein.

Wie nun diese auf das Subjektive oder Negative Beziehung hat, so muß das Negative überhaupt unterschieden werden als das Bestehen der Differenz und als der Mangel derselben; jenes erste Negative ist es, wovon vorhin die Rede war, aber dieses andere Negative, der Mangel der Differenz stellt die Totalität als ein Eingehülltes und Unentfaltetes vor, in welchem die Bewegung und die Unendlichkeit in ihrer Realität nicht ist. Das Lebendige unter dieser Form des Negativen ist das Werden der Sittlichkeit und die Erziehung nach ihrer Bestimmtheit das erscheinende fortgehende Aufheben des Negativen oder Subjektiven, denn das Kind ist als die Form der Möglichkeit eines sittlichen Individuums ein Subjektives oder Negatives, dessen Mannbarwerden das Aufhören dieser Form und dessen Erziehung die Zucht oder das Bezwingen derselben ist; aber das Positive und das Wesen ist, daß es, an der Brust der allgemeinen Sittlichkeit getränkt, in ihrer absoluten Anschauung zuerst als eines fremden Wesens lebt, sie immer mehr begreift und so in den allgemeinen Geist übergeht. Es erhellt hieraus von selbst, daß jene Tugenden sowohl als die absolute Sittlichkeit, gleich wenig wie das[507] Werden derselben durch die Erziehung, ein Bemühen um eigentümliche und abgesonderte Sittlichkeit sind und daß das Bestreben um eine eigentümliche positive Sittlichkeit etwas Vergebliches und an sich selbst Unmögliches ist und in Ansehung der Sittlichkeit das Wort der weisesten Männer des Altertums allein das Wahre ist: sittlich sei, den Sitten seines Landes gemäß zu leben, – und in Ansehung der Erziehung das, welches ein Pythagoreer einem auf die Frage, welches die beste Erziehung für seinen Sohn wäre, antwortete: wenn du ihn zum Bürger eines wohleingerichteten Volkes machst.

Wenn so das absolut Sittliche seinen eigentümlichen organischen Leib an den Individuen hat und seine Bewegung und Lebendigkeit im gemeinsamen Sein und Tun aller absolut identisch als Allgemeines und Besonderes ist und wir es in der Besonderheit, aber so, daß ihr Wesen das absolut Identische sei, so eben, überhaupt aber in jener Identität betrachtet haben, so muß es auch in der Form der Allgemeinheit und der Erkenntnis, als System der Gesetzgebung sich vorstellen, – so daß dieses System vollkommen die Realität oder die lebendigen vorhandenen Sitten ausdrückt, damit es nicht geschieht, wie oft der Fall ist, daß dasjenige, was in einem Volke recht und in der Wirklichkeit ist, aus seinen Gesetzen nicht erkannt werden kann, welche Ungeschicklichkeit, die wahrhaften Sitten in die Form von Gesetzen zu bringen, und die Angst, diese Sitten zu denken, als sein anzusehen und zu bekennen, das Zeichen der Barbarei ist. Aber diese Idealität der. Sitten und ihre Form der Allgemeinheit in den Gesetzen muß, insofern sie als Idealität besteht, zugleich auch wieder vollkommen mit der Form der Besonderheit vereinigt werden und so die Idealität als solche eine reine absolute Gestalt erhalten, also als Gott des Volkes angeschaut und angebetet werden und diese Anschauung selbst wieder ihre Regsamkeit und freudige Bewegung in einem Kultus haben.


[IV]

[508] Nachdem wir so die absolute Sittlichkeit in den Momenten ihrer Totalität dargestellt und ihre Idee konstruiert, auch die in Beziehung auf sie herrschende Unterscheidung von Legalität und Moralität nebst den damit zusammenhängenden Abstraktionen der allgemeinen Freiheit einer formellen praktischen Vernunft als wesenlose Gedankendinge vernichtet und nicht durch Vermischung etwa beider Prinzipien, sondern durch Aufhebung derselben und Konstituierung der absoluten sittlichen Identität die Unterschiede der Wissenschaft des Naturrechts und der Moral nach der absoluten Idee bestimmt haben, so haben wir festgesetzt, daß ihr Wesen nicht eine Abstraktion, sondern die Lebendigkeit des Sittlichen sei und ihr Unterschied nur das Äußere und Negative betreffe und dieser Unterschied zugleich das völlig umgekehrte Verhältnis gegen den anderen sei, indem nach dem letzteren dem Naturrecht das Formelle und Negative, der Moral aber das Absolute und Positive als Wesen gegeben werden soll, aber so, daß auch selbst dieses Absolute nach der Wahrheit ein nicht weniger Formelles und Negatives und, was hier Formelles und Negatives heißt, vollends schlechthin gar nichts ist.

Wir brauchen nun, um noch das Verhältnis des Naturrechts zu den positiven Rechtswissenschaften anzugeben, nur die Fäden desselben da aufzunehmen, wo wir es nicht weiter verfolgten, und die Stelle zu bezeichnen, wo es ausläuft.

Zum voraus bemerken wir überhaupt, daß die Philosophie sich durch die Allgemeinheit des Begriffs einer Bestimmtheit oder einer Potenz willkürlich ihre Grenze im Verhältnis zu einer bestimmten Wissenschaft steckt. Die bestimmte Wissenschaft ist nichts anderes als die fortgehende Darstellung und Analyse (das Wort im höheren Sinne genommen), wie das, was die Philosophie unentwickelt als eine einfache Bestimmtheit läßt, sich wieder verzweigt und selbst Totalität ist. Die Möglichkeit aber einer solchen Entwicklung liegt [509] formell darin, daß in der Idee unmittelbar das Gesetz der absoluten Form und der Totalität ist, nach welchem eine Bestimmtheit weiter zu erkennen und zu entwickeln ist. Die reale Möglichkeit aber ist dadurch vorhanden, daß eine solche von der Philosophie nicht entwickelte Bestimmtheit oder Potenz nicht eine Abstraktion oder wahrhaft einfaches Atom, sondern wie alles in der Philosophie Realität [ist], und eine Realität ist darum Realität, daß sie Totalität und selbst das System der Potenzen ist; als solche die Potenz dar [zu]-stellen, ist die Entwicklung, welche der bestimmten Wissenschaft angehört.

Es folgt hieraus, daß wir vorderhand sagen könnten, daß ein guter Teil dessen, was positive Rechtswissenschaften heißt, vielleicht das Ganze derselben in die vollkommen entwickelte und ausgebreitete Philosophie fallen würde und daß sie darum, weil sie sich als eigene Wissenschaften konstituieren, weder aus der Philosophie ausgeschlossen noch ihr entgegengesetzt sind; es ist durch das Fürsichsein und die empirische Unterscheidung dieses Corps von Wissenschaften keine wahrhafte Unterscheidung desselben von der Philosophie gesetzt. Daß sie sich empirische Wissenschaften nennen, welche teils ihre Anwendbarkeit in der wirklichen Welt haben und ihre Gesetze und Verfahrungsart auch vor der gemeinen Vorstellungsart geltend machen wollen, teils sich auf individuelle Systeme bestehender Verfassungen und Gesetzgebungen beziehen und einem bestimmten Volke sowie einer bestimmten Zeit angehören, bestimmt keinen sie notwendig von der Philosophie ausschließenden Unterschied, denn es muß nichts so anwendbar auf die Wirklichkeit sein und vor der allgemeinen Vorstellungsart, nämlich der wahrhaft allgemeinen (denn es gibt gemeine Vorstellungsarten, welche dabei sehr partikulär sind) so sehr gerechtfertigt sein als das, was aus der Philosophie kommt, so wie auch nichts so sehr individuell, lebendig und bestehend sein können [muß] als ebendasselbe. Um vom Verhältnisse dieser Wissenschaften zur Philosophie sprechen zu können, muß erst ein Unterschied[510] festgesetzt und bestimmt werden, wodurch sie positive Wissenschaften sind.

Fürs erste begreifen nun die positiven Wissenschaften unter der Wirklichkeit, auf welche sie sich zu beziehen vorgeben, nicht nur das Geschichtliche, sondern auch die Begriffe, Grundsätze, Verhältnisse und überhaupt vieles, was an sich der Vernunft angehört und eine innere Wahrheit und Notwendigkeit ausdrücken soll. Über solches nun sich auf die Wirklichkeit und Erfahrung zu berufen und es als ein Positives gegen Philosophie festzuhalten, muß an und für sich als unstatthaft erkannt werden. Was die Philosophie als nicht reell erweist, von dem ist unmöglich, daß es in der Erfahrung wahrhaft vorkomme; und wenn die positive Wissenschaft sich auf die Wirklichkeit und die Erfahrung beruft, so kann die Philosophie ihren Erweis der Nichtrealität eines von der positiven Wissenschaft behaupteten Begriffes ebenso nach der empirischen Beziehung aussprechen und leugnen, daß jenes, was die positive Wissenschaft in der Erfahrung und Wirklichkeit zu finden vorgibt, in ihnen gefunden werde. Das Meinen, daß so etwas erfahren werde, eine zufällige subjektive Ansicht wird freilich die Philosophie zugeben; aber die positive Wissenschaft, wenn sie in der Erfahrung ihre Vorstellungen und Grundbegriffe zu finden und aufzuzeigen vorgibt, will damit etwas Reales, Notwendiges und Objektives, nicht eine subjektive Ansicht behaupten. Ob etwas eine subjektive Ansicht oder eine objektive Vorstellung, ein Meinen oder Wahrheit sei, kann die Philosophie allein ausmachen. Der positiven Wissenschaft kann sie ad hominem ihre Weise heimgeben und außerdem, daß sie ihr das Faktum, daß eine Vorstellung derselben in der Erfahrung vorkomme, leugnet, im Gegenteil behaupten, daß nur die Vorstellung der Philosophie in der Erfahrung zu finden sei. Daß die Philosophie ihre Vorstellung in der Erfahrung aufzeigen könne, davon liegt der Grund unmittelbar in der zweideutigen Natur dessen, was Erfahrung genannt wird. Denn es ist nicht die unmittelbare Anschauung[511] selbst, sondern dieselbe in das Intellektuelle erhoben, gedacht und erklärt, aus ihrer Einzelheit genommen und als Notwendigkeit ausgesprochen, was für Erfahrung gilt. Es kommt also bei dem, was in der Erfahrung und als Erfahrung aufgezeigt wird, nicht auf dasjenige in ihr an, was wir in Beziehung auf die Trennung, welche in die Anschauung durch das Denken gebracht wird, Wirklichkeit nennen können. Aber in das Feld des Gedankens die Anschauung gezogen, muß der Wahrheit der Philosophie das Meinen unterliegen. Jene Unterscheidung nun dessen, was die positive Wissenschaft unmittelbar aus der Anschauung genommen zu haben meint, womit aber sie selbst als mit einem Verhältnis und Begriff derselben sie bestimmt hat, von demjenigen, was nicht dem Denken angehört, ist in jedem Falle sehr leicht aufzuzeigen und also die vollkommene Befugnis der Philosophie, sich desselben zu bemächtigen, zu erweisen. Alsdann, weil ein solches auf die Wirklichkeit sich berufendes Denken in seinem Meinen dadurch wahrhaft positiv zu sein pflegt, daß es in der Entgegensetzung ist und Bestimmtheiten festhält, also Gedankendinge oder Dinge der Einbildung für absolut nimmt und seine Grundsätze hieraus nimmt, so ist es dem ausgesetzt, daß an jeder Bestimmtheit ihm immer die entgegengesetzte Bestimmtheit erwiesen und aus dem, was es annimmt, vielmehr gerade das Gegenteil hergeleitet wird. So wie, wenn vermehrte Dichtigkeit oder spezifisches Gewicht eines Körpers als Erhöhung der Attraktivkraft erklärt wird, sie ebensogut als Erhöhung der Repulsivkraft erklärt werden kann, denn es kann nur um soviel angezogen werden, als zurückgestoßen wird; eines hat nur Bedeutung in Beziehung auf das andere; um was das eine größer wäre als das andere, um soviel wäre es gar nicht, und was also als Erhöhung des einen angesehen werden sollte, das kann genau als Erhöhung des Gegenteils betrachtet werden.

So also, wenn im Naturrecht überhaupt oder bei der Theorie der Strafe insbesondere ein Verhältnis als Zwang bestimmt[512] wird, die Philosophie aber die Nichtigkeit dieses Begriffs erweist und die positive Wissenschaft die Erfahrung und Wirklichkeit anspricht, daß doch wirklich Zwang etwas Reelles sei, daß Zwang wirklich stattfinde, so kann die von der Philosophie erwiesene Nichtrealität desselben mit eben dem Rechte und mit Berufung auf Erfahrung und Wirklichkeit so ausgedrückt werden, daß es gar keinen Zwang gebe und nie ein Mensch gezwungen werde noch gezwungen worden sei. Denn es kommt hier ganz allein auf die Erklärung der Erscheinung an, ob zum Behuf der Vorstellung des Zwangs etwas als ein bloß Äußeres oder aber als ein Inneres betrachtet wird. Wo also irgendwo die Existenz von Zwang aufgewiesen werden will, da kann von einer und ebenderselben Erscheinung gerade das Gegenteil gezeigt wer den, nämlich daß sie nicht ein Zwang, sondern vielmehr eine Äußerung der Freiheit sei; denn dadurch, daß sie in die Form der Vorstellung aufgenommen und hiermit durch das Innere, Ideelle bestimmt wird, ist das Subjekt in der Freiheit gegen dieselbe. Und wenn das, was als Äußeres und als Zwang angesehen werden soll, um den Gegensatz des Innern oder der Freiheit wegzuschaffen, ins Innere selbst verlegt und hiernach ein psychologischer Zwang geltend gemacht wird, so hilft diese Aufnahme des Äußeren in das Innere ebensowenig. Denn der Gedanke bleibt schlechthin frei, und der psychologische oder der Gedankenzwang vermag nicht, ihn zu binden. Die Möglichkeit, die Bestimmtheit, welche vorgestellt wird und als Zwang dienen soll, aufzuheben, ist absolut; es ist schlechthin möglich, daß der Verlust einer Bestimmtheit, welcher durch die Strafe angedroht, auf sich genommen und das hingegeben wird, was das Gesetz in der Strafe entreißen will. Wenn also in der Erklärung einer Erscheinung die Vorstellung einer Bestimmtheit als Zwang wirken oder gewirkt haben soll, so ist die Erklärung aus dem Gegenteil, daß die Erscheinung eine Äußerung der Freiheit sei, ebenso schlechthin möglich. Daß die sinnliche Triebfeder, es sei nun, die zur Handlung antreiben oder die[513] von der Seite des Gesetzes her von ihr abschrecken soll, etwas Psychologisches, nämlich etwas Inneres ist, dadurch ist sie unmittelbar in die Freiheit gesetzt, welche von ihr abstrahieren konnte oder nicht, und eins wie das andere ist Freiheit des Willens. Wird aber dagegengehalten, man meine doch, und es sei eine allgemeine Vorstellungsart, daß ein Zwang, und ein psychologischer, stattfinde, so ist dies fürs erste nicht wahr, sondern es wird ebensogut und ohne Zweifel allgemeiner gemeint, eine Handlung oder die Unterlassung einer Handlung komme aus dem freien Willen, und dann würde man sich zur Aufstellung von Grundsätzen und Bestimmung der Gesetze ebensowenig um das Meinen zu bekümmern haben, als die Astronomen sich in der Erkenntnis der Gesetze des Himmels von der Meinung, daß die Sonne und die Planeten und alle Sterne sich um die Erde bewegen, gerade so groß seien, als sie erscheinen usw., aufhalten lassen; sowenig als der Schiffsherr sich um die Meinung, daß das Schiff ruhe und die Ufer fortgehen, bekümmert. Wenn beide sich an die Meinung hielten, so würden jene es unmöglich finden, das Sonnensystem zu begreifen, und dieser würde die Ruderer die Arbeit aufhören oder die Segel einziehen lassen, und beide sich sogleich in der Unmöglichkeit, ihren Zweck zu erreichen, befinden und die Nichtrealität der Meinung unmittelbar inne werden, wie sie ihr Realität zugestehen wollten, – wie oben gezeigt worden ist, daß der Zwang als Realität gedacht, d.h. in einem System und in der Totalität vorgestellt, unmittelbar sich und das Ganze aufhebt.

Indem so eine Bestimmtheit, welche von dem Meinen der positiven Wissenschaft festgehalten wird, das gerade Gegenteil ihrer selbst ist, so ist für die beiden Parteien, deren jede sich an die eine der entgegengesetzten Bestimmtheiten hält, gleich möglich, die andere zu widerlegen, welche Möglichkeit des Widerlegens darin besteht, daß von jeder Bestimmtheit gezeigt wird, sie sei gar nicht denkbar und gar nichts ohne Beziehung auf die ihr entgegengesetzte; aber dadurch,[514] daß sie nur ist und nur Bedeutung in Beziehung auf diese hat, kann und muß unmittelbar diese entgegengesetzte ebenso vorhanden sein und aufgezeigt werden. Daß + A keinen Sinn hat ohne Beziehung auf ein – A, daraus ist zu erweisen, daß mit + A unmittelbar – A ist, was der Gegner alsdann so faßt, daß vielmehr – A hier vorhanden sei als + A; aber seinem – A kann ebendies erwidert werden. Oft wird sich aber auch diese Mühe nicht gegeben und z.B. von der sinnlichen Triebfedern entgegengesetzten Freiheit, welche um dieser Entgegensetzung willen ebensowenig eine wahre Freiheit ist, nicht gezeigt, daß alles, was als Äußerung dieser Freiheit erklärt werden wolle, eigentlich als Wirkung der sinnlichen Triebfedern erklärt werden müsse, was sich sehr gut tun läßt, aber nicht mehr, als sich im Gegenteil wieder zeigen läßt, daß, was als Wirkung der sinnlichen Triebfeder erfahren werden solle, eigentlich als Wirkung der Freiheit erfahren werden müsse, sondern es wird von der Freiheit geradezu abstrahiert und behauptet, daß sie gar nicht hierher gehöre, weil sie etwas Inneres, noch mehr etwas Moralisches und gar etwas Metaphysisches sei, aber dabei nicht bedacht, daß die andere Bestimmtheit, bei welcher stehengeblieben wird, nämlich der Zwang und die sinnliche Triebfeder, durch die er gesetzt sein soll als etwas Äußerliches, gar keine Bedeutung hat ohne das entgegengesetzte Innere oder die Freiheit und daß diese schlechterdings von dem Zwang nicht abzutrennen ist. Die Handlung, welche ein Verbrechen ist, von der Seite angesehen, daß dadurch, der angedrohten Strafe und der sinnlichen Triebfeder, welche das Gesetz durch diese Drohung aufstellt, zuwider, etwas Bestimmtes gewollt wird, so heißt dies Bestimmte etwas Sinnliches, und man wird sagen, daß es ein sinnlicher Reiz sei, von dem das Verbrechen abstamme; aber von der Seite, daß die Handlung ein Wollen ist, und die Möglichkeit in ihr, von der sinnlichen Triebfeder des Gesetzes zu abstrahieren, so erscheint sie als frei, und keine Ansicht, weder jene Bestimmtheit noch diese Möglichkeit kann weggelassen werden,[515] sondern eins ist schlechthin an das andere geknüpft, und damit kann unmittelbar jedes aus seinem Gegenteil hergeleitet werden. Aber die Logik des Meinens meint, wenn eine Bestimmtheit, ein Entgegengesetztes gesetzt sei, daß von der anderen, entgegengesetzten Bestimmtheit wirklich abstrahiert und derselben entbehrt werden könne, so wie auch jene Logik vermöge der Art ihres Grundsatzes des Widerspruches gar nicht begreifen kann, daß in solchen Bestimmtheiten das Gegenteil einer jeden ganz gleichgültig für die Bestimmung der Anschauung und in diesem Abstrahieren und negativen Wesen das Gegenteil seinem Gegenteil völlig gleich ist, noch weniger, daß beide zusammen wie die Freiheit, welche der Sinnlichkeit gegenüber ist, und die Sinnlichkeit und der Zwang schlechthin nichts Reelles, sondern bloße Gedankendinge und Wesen der Einbildung sind.

Insofern also eine Rechtswissenschaft dadurch positiv ist, daß sie sich an das Meinen und wesenlose Abstraktionen hält, so hat ihre Berufung auf die Erfahrung oder auf ihre Bestimmung der Anwendbarkeit auf die Wirklichkeit oder auf den gesunden Menschenverstand und allgemeine Vorstellungsart oder gar Berufung auf Philosophie nicht den mindesten Sinn.

Wenn wir nun den Grund näher betrachten, wodurch die Wissenschaft auf die angezeigte Weise positiv wird, und überhaupt den Grund des Scheins und des Meinens erwägen, so ergibt sich, daß er in der Form liegt, – indem nämlich dasjenige, was ideell, ein Entgegengesetztes, Einseitiges ist und allein in der absoluten Identität mit dem Entgegengesetzten Realität hat, isoliert, für sich seiend gesetzt und als etwas Reelles ausgesprochen wird. Diese Form ist es, wodurch die Anschauung unmittelbar aufgehoben [wird] und das Ganze aufgelöst aufhört, ein Ganzes und etwas Reelles zu sein; dieser Unterschied des Positiven und nicht Positiven geht also nicht auf den Inhalt. Es ist durch diese Form möglich, daß nicht nur, wie im oben Angezeigten, eine rein formelle Abstraktion fixiert und als eine Wahrheit[516] und Realität fälschlicherweise behauptet, sondern auch daß eine wahrhafte Idee und echtes Prinzip von selten seiner Grenze verkannt und außer der Potenz, in welcher es seine Wahrheit hat, gesetzt wird und dadurch völlig seine Wahrheit verliert. Daß ein Prinzip einer Potenz angehört, ist die Seite seiner Bestimmtheit; aber in der Potenz selbst ist diese Bestimmtheit ebensowohl indifferentiiert und real durchdrungen von der Idee vorhanden und dadurch wahres Prinzip; und dann ist es als die Idee, in diesen Bestimmtheiten als ihrer Gestalt erscheinend, nur als Prinzip dieser Potenz und damit die Grenze und Bedingtheit desselben erkannt. Aber es wird gänzlich aus seiner Wahrheit gerissen, wenn es in seiner Bedingtheit absolut gemacht oder gar über die Natur anderer Potenzen ausgebreitet wird. Die absolute klare Einheit der Sittlichkeit ist darin absolut und lebendig, daß weder eine einzelne Potenz noch das Bestehen der Potenzen überhaupt fest sein kann, sondern daß sie dieselben, so wie sie sie ewig ausdehnt, ebenso absolut zusammenschlägt und aufhebt und sich selbst in unentwickelter Einheit und Klarheit genießt und in Beziehung auf die Potenzen, ihres inneren Lebens sicher und unteilbar, bald der einen durch die andere Abbruch tut, bald in die eine ganz übergeht und die anderen vernichtet, so wie sie überhaupt aus dieser Bewegung ebenso sich in die absolute Ruhe zurückzieht, in welcher alle aufgehoben sind. Dagegen ist Krankheit und der Anfang des Todes vorhanden, wenn ein Teil sich selbst organisiert und sich der Herrschaft des Ganzen entzieht, durch welche Vereinzelung er es negativ affiziert oder es gar zwingt, sich allein für diese Potenz zu organisieren, – wie wenn die dem Ganzen gehorchende Lebendigkeit der Eingeweide sich zu eigenen Tieren bildet oder die Leber sich zum herrschenden Organ macht und die ganze Organisation zu ihrer Verrichtung zwingt. So kann es im allgemeinen Systeme der Sittlichkeit geschehen, daß sich z.B. das Prinzip und System des bürgerlichen Rechts, welches auf Besitz und Eigentum geht, so in sich selbst vertieft[517] und in der Weitläufigkeit, in die es sich verliert, sich für eine Totalität nimmt, die an sich, unbedingt und absolut sei. Es ist schon oben die innere Negativität dieser Potenz auch ihrem Inhalt nach, der das bestehende Endliche ist, bestimmt worden, und der Widerschein der Indifferenz, der in ihm möglich ist, kann um so weniger für etwas Absolutes genommen werden, – so wie ebensowenig das System des Erwerbs und des Besitzes selbst, der Reichtum eines Volkes, und in diesem System wieder eine einzelne Potenz, es sei der Ackerbau oder die Manufakturen und Fabriken oder der Handel, zur unbedingten gemacht werden kann.

Aber noch mehr wird eine einzelne Potenz positiv, wenn sie und ihr Prinzip ihre Bedingtheit so sehr vergessen, daß sie über andere übergreifen und sich dieselben unterwerfen. Wie das Prinzip der Mechanik sich in die Chemie und Naturwissenschaft und das der Chemie wieder ganz besonders in die letztere eingedrängt hat, so ist dies in der Philosophie des Sittlichen zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Prinzipien der Fall gewesen. Aber zu den neuen Zeiten hat in der inneren Haushaltung des Naturrechts diese äußere Gerechtigkeit, die im bestehenden Endlichen reflektierte und darum formelle Unendlichkeit, welche das Prinzip des bürgerlichen Rechts ausmacht, sich eine besondere Oberherrschaft über das Staats- und Völkerrecht erworben. Die Form eines solchen untergeordneten Verhältnisses, wie der Vertrag ist, hat sich in die absolute Majestät der sittlichen Totalität eingedrängt, und es ist z.B. für die Monarchie die absolute Allgemeinheit des Mittelpunkts und das Einssein des Besonderen in ihm bald nach dem Bevollmächtigungsvertrage als ein Verhältnis eines obersten Staatsbeamten zu dem Abstraktum des Staats, bald nach dem Verhältnisse des gemeinen Vertrags überhaupt als eine Sache zweier bestimmter Parteien, deren jede der anderen bedarf, als ein Verhältnis gegenseitiger Leistung begriffen und durch solche Verhältnisse, welche ganz im Endlichen sind, unmittelbar die Idee und absolute Majestät vernichtet worden; so wie es auch an[518] sich widersprechend ist, wenn für das Völkerrecht nach dem Verhältnisse des bürgerlichen Vertrags, der unmittelbar auf die Einzelheit und Abhängigkeit der Subjekte geht, das Verhältnis absolut selbständiger und freier Völker, welche sittliche Totalitäten sind, bestimmt werden soll. So könnte auch das Staatsrecht sich als solches aufs Einzelne schlechthin beziehen und als eine vollkommene Polizei das Sein des Einzelnen ganz durchdringen wollen und so die bürgerliche Freiheit vernichten, was der härteste Despotismus sein würde; wie Fichte alles Tun und Sein des Einzelnen als eines solchen von dem ihm entgegengesetzten Allgemeinen und der Abstraktion beaufsichtigt, gewußt und bestimmt sehen will. Es könnte auch das moralische Prinzip sich in das System der absoluten Sittlichkeit eindrängen und an die Spitze des öffentlichen sowohl als des Privatrechts wie auch des Völkerrechts stellen wollen, – welches ebensosehr die größte Schwäche als der tiefste Despotismus und der gänzliche Verlust der Idee einer sittlichen Organisation wäre, da das moralische Prinzip wie das des bürgerlichen Rechts nur im Endlichen und Einzelnen ist.

Wie in der Wissenschaft ein solches Festwerden und Isolieren der einzelnen Prinzipien und ihrer Systeme und ihr Übergreifen über andere allein durch die Philosophie verhindert wird, indem der Teil seine Grenze nicht erkennt, sondern vielmehr die Tendenz haben muß, sich als ein Ganzes und Absolutes zu konstituieren, die Philosophie aber in der Idee des Ganzen über den Teilen steht und dadurch sowohl jedes in seiner Grenze hält, als auch durch die Hoheit der Idee selbst es verhütet, daß nicht der Teil in seinem Verteilen in die endlose Kleinigkeit hinein fortwuchere; ebenso stellt sich in der Realität dieses Einschränken und Ideellsetzen der Potenzen als die Geschichte der sittlichen Totalität dar, in welcher sie in der Zeit, fest in ihrem absoluten Gleichgewicht sowohl zwischen den Entgegengesetzten auf und nieder[519] schwankt, bald das Staatsrecht durch ein leichtes Übergewicht des Bürgerlichen an seine Bestimmtheit mahnt, bald durch das Übergewicht von jenem in dieses Einbrüche und Risse macht und so jedes System überhaupt teils durch ein kräftigeres Inwohnen für eine Zeit neu belebt, teils alle in ihrer Trennung an ihre Zeitlichkeit und Abhängigkeit erinnert, – als auch ihre wuchernde Ausdehnung und ihr Selbstorganisieren dadurch zerstört, daß sie sie in einzelnen Momenten mit einem Mal alle konfundiert, sie in sich gezogen darstellt und aus der Einheit wiedergeboren, mit der Erinnerung an diese Abhängigkeit und mit dem Gefühl ihrer Schwäche, wenn sie für sich sein wollen, wieder hinausgehen läßt.

Dieser Charakter der Positivität der Rechtswissenschaften betrifft die Form, durch welche sich eine Potenz isoliert und absolut setzt; und von dieser Seite kann so wie Religion, und was es sei, auch jede philosophische Wissenschaft verkehrt und verunreinigt werden. Aber wir müssen die Positivität auch von selten der Materie betrachten. Denn obzwar sowohl das, was wir vorhin positiv nannten, und dasjenige, was wir jetzt als Materie betrachten, beides im besonderen ist, so haben wir doch vorhin die äußere Verbindung der Form der Allgemeinheit mit der Besonderheit und Bestimmtheit betrachtet, jetzt aber betrachten wir das Besondere als solches.

Und in dieser Rücksicht müssen wir uns vor allen Dingen dessen, was seiner Materie nach als positiv gesetzt werden kann, gegen den Formalismus annehmen; denn dieser zerreißt die Anschauung und ihre Identität des Allgemeinen und Besonderen, stellt die Abstraktionen des Allgemeinen und Besonderen einander gegenüber, und was er aus jener Leerheit ausschließen, aber unter die Abstraktion der Besonderheit subsumieren kann, gilt ihm für Positives, – ohne zu bedenken, daß durch diesen Gegensatz das Allgemeine ebensosehr[520] ein Positives wird als das Besondere, denn es wird, wie vorhin gezeigt worden, durch die Form der Entgegensetzung, in der es in jener Abstraktion vorhanden ist, positiv. Aber das Reale ist schlechthin eine Identität des Allgemeinen und Besonderen, und deswegen kann jene Abstraktion und das Setzen des einen von den Entgegengesetzten, welche durch die Abstraktion entstehen, des Allgemeinen als eines Ansichseienden, nicht statthaben. Überhaupt wenn das formelle Denken konsequent ist, so muß es, wenn es das Besondere als Positives begreift, schlechthin gar keinen Inhalt haben; in der reinen Vernunft des formellen Denkens muß durchaus jede Mehrheit und Unterscheidbarkeit wegfallen, und es ist gar nicht abzusehen, wie es auch nur zu der dürftigsten Mehrheit von Rubriken und Kapiteln kommen sollte; so wie diejenigen, welche das Wesen des Organismus als die Abstraktion einer Lebenskraft begreifen, eigentlich die Glieder und das Gehirn und das Herz und alle Eingeweide als etwas Besonderes, Zufälliges und Positives begreifen und weglassen müssen.

Dadurch, daß wie alles Lebendige so auch das Sittliche schlechthin eine Identität des Allgemeinen und Besonderen ist, ist es eine Individualität und Gestalt; es trägt die Besonderheit, die Notwendigkeit, das Verhältnis, d.h. die relative Identität in sich, aber indifferentiiert, assimiliert, und dadurch ist es frei in ihr, und dieses, was als Besonderheit von der Reflexion angesehen werden kann, ist nicht ein Positives noch Entgegengesetztes gegen das lebendige Individuum, das dadurch mit der Zufälligkeit und Notwendigkeit zusammenhängt, aber lebendig; diese Seite ist seine unorganische Natur, aber in der Gestalt und Individualität sich an-organisiert. So gehört, um das Allgemeinste zu nennen, das bestimmte Klima eines Volks und seine Zeitperiode in der Bildung des allgemeinen Geschlechts der Notwendigkeit an, und es fällt von der weitausgebreiteten Kette derselben nur ein Glied auf seine Gegenwart, welches nach der ersteren Seite aus der Geographie, nach der anderen aus der[521] Geschichte zu begreifen ist. Aber in dieses Glied hat sich die sittliche Individualität organisiert, und die Bestimmtheit desselben geht nicht dieselbe, sondern die Notwendigkeit an; denn die sittliche Lebendigkeit des Volks ist gerade darin, daß es eine Gestalt hat, in welcher die Bestimmtheit ist, aber nicht als ein Positives (nach unserem bisherigen Gebrauch dieses Wortes), sondern absolut mit der Allgemeinheit vereint und durch sie belebt. Und diese Seite ist auch darum sehr wichtig, damit erkannt wird, wie die Philosophie die Notwendigkeit ehren lehrt, sowohl darum, daß sie ein Ganzes ist und nur die beschränkte Einsicht sich an die Einzelheit hält und diese als eine Zufälligkeit verachtet, als auch darum, weil sie die Ansicht der Einzelheit und Zufälligkeit so aufhebt, daß sie von ihr zeigt, wie sie das Leben nicht an sich hindert, sondern daß dieses, indem es sie bestehen läßt, wie sie nach der Notwendigkeit ist, sie doch zugleich auch dieser entreißt, sie durchdringt und belebt. Sowenig das Element des Wassers, welchem sich ein Teil der Tierwelt, und das Element der Luft, dem sich ein anderer an-organisiert, darum daß sie einzelne Elemente sind, jenes für den Fisch, dieses für den Vogel etwas Positives oder Totes ist, ebensowenig ist diese Form der Sittlichkeit, in welcher sie sich in diesem Klima und in dieser Periode einer besonderen und der allgemeinen Kultur organisiert, etwas Positives in derselben. Wie in der Natur des Polypen ebenso die Totalität des Lebens ist als in der Natur der Nachtigall und des Löwen, so hat der Weltgeist in jeder Gestalt sein dumpferes oder entwickelteres, aber absolutes Selbstgefühl und in jedem Volke, unter jedem Ganzen von Sitten und Gesetzen sein Wesen und seiner selbst genossen.

Nach außen ist die Stufe ebenso gerechtfertigt, – welche äußere Seite der Notwendigkeit als solcher an gehört, denn auch in dieser Abstraktion der Notwendigkeit ist durch die Idee wieder die Einzelheit schlechthin aufgehoben; diese Einzelheit der Stufe des Polypen und der Nachtigall und des Löwen ist Potenz eines Ganzen, und in diesem Zusammenhang[522] ist sie geehrt. Über den einzelnen Stufen schwebt die Idee der Totalität, die sich aber aus ihrem ganzen auseinandergeworfenen Bilde widerstrahlt und sich darin anschaut und erkennt; und diese Totalität des ausgedehnten Bildes ist die Rechtfertigung des Einzelnen als eines Bestehenden. Es ist darum der formelle Standpunkt, der an eine Individualität die Form der Besonderheit bringt und die Lebendigkeit, in welcher die Besonderheit real ist, aufhebt, – aber der empirische Standpunkt, welcher da, wo die Realität einer bestimmten Stufe gesetzt ist, eine höhere verlangt. Die höhere, auch in ihrer entwickelten Realität, und empirisch, ist ebensowohl vorhanden; die höhere Entwicklung des Lebens der Pflanze ist im Polypen, die höhere des Polypen im Insekt usw. Es ist nur empirische Unvernunft, welche im Polypen die empirische Darstellung der höheren Stufe des Insekts erblicken will; der Polyp, der nicht Polyp wäre, bleibt nichts als dieses bestimmte, mit mir in einer empirischen Beziehung stehende tote Stück Materie, welches dadurch tot und Materie ist, daß ich es als eine leere Möglichkeit, etwas anderes zu sein, als welche Leerheit der Tod ist, setze. Ist es absolut ohne eine empirische Beziehung um die höhere Darstellung zu tun, so ist sie zu finden, denn sie muß der absoluten Notwendigkeit nach vorhanden sein. – So kann z.B. die Lehensverfassung wohl als etwas ganz Positives erscheinen; aber fürs erste von selten der Notwendigkeit ist sie nicht ein absolutes Einzelnes, sondern schlechthin in der Totalität der Notwendigkeit; nach innen aber gegen das Leben selbst kommt es, ob sie positiv sei, darauf an, daß das Volk in ihr sich als Individualität wahrhaft organisiert hat, die Gestalt jenes Systems vollkommen ausfüllt und lebendig durchdringt, ob das Gesetz dieser Verhältnisse Sitte ist. Wenn also etwa der Genius einer Nation überhaupt tiefer steht und ein schwächerer ist – und die Schwäche der Sittlichkeit ist in der Barbarei und in der formellen Kultur am härtesten –, wenn sie von einer anderen sich besiegen lassen, ihre Unabhängigkeit verlieren müssen,[523] also das Unglück und die Schmach des Verlustes der Selbständigkeit dem Kampfe und dem Tode vorgezogen hat, wenn sie so roh in die Realität des tierischen Lebens versunken ist, daß sie sich nicht einmal in die formelle Idealität, in die Abstraktion eines Allgemeinen erhebt und also in der Bestimmung der Verhältnisse für das physische Bedürfnis nicht das Verhältnis von Recht, sondern nur von Persönlichkeit ertragen kann, – oder ebenso, wenn die Realität des Allgemeinen und des Rechts allen Glauben und alle Wahrheit verloren hat und sie das Bild der Göttlichkeit nicht in sich selbst zu empfinden und zu genießen vermag, sondern dasselbe außer sich setzen und für dasselbe mit einem dumpfen Gefühl oder dem ganz schmerzlichen der weiten Entfernung und Erhabenheit vorlieb nehmen muß, so haben Lehensverfassung und Knechtschaft absolute Wahrheit, und dies Verhältnis ist die einzig mögliche Form der Sittlichkeit und darum die notwendige und gerechte und sittliche.

Von dieser Individualität des Ganzen aus und dem bestimmten Charakter eines Volks ist denn auch das ganze System, in das sich die absolute Totalität organisiert, zu erkennen; es ist zu erkennen, wie alle Teile der Verfassung und der Gesetzgebung, alle Bestimmungen der sittlichen Verhältnisse schlechthin durch das Ganze bestimmt sind und ein Gebäude bilden, in welchem keine Verbindung und keine Zierde für sich a priori vorhanden gewesen, sondern jede durch das Ganze geworden und ihm untertänig ist. In diesem Sinne hat Montesquieu sein unsterbliches Werk auf die Anschauung der Individualität und des Charakters der Völker gegründet und, wenn er sich nicht zur lebendigsten Idee erhoben hat, doch schlechthin die einzelnen Einrichtungen und Gesetze nicht aus der sogenannten Vernunft deduziert, noch sie aus der Erfahrung abstrahiert und dann zu etwas Allgemeinem erhoben, sondern wie die höheren Verhältnisse der staatsrechtlichen Teile so auch die niedrigeren Bestimmungen der bürgerlichen Verhältnisse bis auf Testamente,[524] Ehegesetze usw. herab ganz allein aus dem Charakter des Ganzen und seiner Individualität begriffen und hiermit den empirischen Theoretikern, welche die Zufälligkeiten ihrer Systeme des Staats und der Gesetze aus der Vernunft zu erkennen und aus dem Menschenverstande selbst oder auch aus der allgemeinen Erfahrung herausgenommen zu haben vermeinen, auf eine ihnen begreifliche Weise gezeigt, daß die Vernunft und der Menschenverstand und die Erfahrung, aus welchen die bestimmten Gesetze herkommen, keine Vernunft und Menschenverstand a priori, auch keine Erfahrung a priori, was eine absolut allgemeine wäre, sind, sondern ganz allein die lebendige Individualität eines Volkes – eine Individualität, deren höchste Bestimmtheiten wieder aus einer allgemeineren Notwendigkeit zu begreifen sind.

Wie oben in Beziehung auf die Wissenschaft gezeigt worden ist, daß jede einzelne Potenz fixiert und die Wissenschaft dadurch positiv werden kann, so muß eben dies von dem sittlichen Individuum oder dem Volke behauptet werden. Denn nach der Notwendigkeit muß die Totalität als Bestehen der auseinandergeworfenen Bestimmtheiten an ihm sich darstellen und das einzelne Glied der Kette, unter dem es in der Gegenwart gesetzt ist, vorübergehen und ein anderes eintreten. Indem das Individuum auf diese Art wächst, eine Potenz stärker hervor- und die andere zurücktritt, so geschieht es, daß die Teile, welche sich in der letzteren organisiert haben, sich als ausgeschieden und als abgestorben finden. Diese Teilung, worin einiges einem neuen Leben entgegenreift, das andere aber, das sich auf der Stufe einer Bestimmtheit festgesetzt hat, zurückbleibt und das Leben sich entfliehen sieht, ist allein möglich dadurch, daß die Bestimmtheit einer Stufe fixiert und formell absolut gemacht worden ist. Die Form des Gesetzes, welche der bestimmten Sitte gegeben worden und welche die Allgemeinheit oder das negativ Absolute der Identität ist, gibt ihr den Schein eines Ansichseienden; und wenn die Masse eines Volkes groß ist, so ist auch der Teil desselben groß, der sich in jener[525] Bestimmtheit organisiert, und das Bewußtsein, das im Gesetz über sie ist, hat ein großes Gewicht über das Bewußtlose des neuaufstrebenden Lebens. Als Sitte und Gesetz eins war, war die Bestimmtheit nichts Positives; aber wie mit dem Wachstum des Individuums das Ganze nicht gleichmäßig fortschreitet, so trennt sich Gesetz und Sitte, die lebendige Einheit, welche die Glieder verbindet, erschwacht, und es ist in der Gegenwart des Ganzen kein absoluter Zusammenhang und Notwendigkeit mehr. Hier kann also das Individuum nicht aus sich selbst erkannt werden, denn seine Bestimmtheit ist ohne das Leben, welches sie erklärt und begreiflich macht; und indem die neue Sitte ebenso anfängt, sich in Gesetzen aufzufassen, so muß schlechthin ein innerer Widerspruch der Gesetze unter sich hervorkommen. Wie im Vorigen Geschichte nur eine Seite der Ansicht und, was notwendig, zugleich frei ist, so ist hingegen hier die Notwendigkeit mit der Freiheit nicht mehr eins und fällt insofern ganz der reinen Geschichte anheim; was in der Gegenwart keinen wahrhaften lebendigen Grund hat, dessen Grund ist in einer Vergangenheit, d.h. es ist eine Zeit aufzusuchen, in welcher die im Gesetz fixierte, aber erstorbene Bestimmtheit lebendige Sitte und in Übereinstimmung mit der übrigen Gesetzgebung war. Weiter aber als gerade für diesen Zweck der Erkenntnis reicht die Wirkung der rein geschichtlichen Erklärung der Gesetze und Einrichtungen nicht; sie wird ihre Bestimmung und Wahrheit überschreiten, wenn durch sie das Gesetz, das nur in einem vergangenen Leben Wahrheit hatte, für die Gegenwart gerechtfertigt werden soll. Im Gegenteil erweist diese geschichtliche Erkenntnis des Gesetzes, welche in verlorenen Sitten und einem erstorbenen Leben seinen Grund allein aufzuzeigen weiß, gerade, daß ihm jetzt in der lebendigen Gegenwart der Verstand und die Bedeutung fehlt, wenn es schon noch durch die Form des Gesetzes und dadurch, daß noch Teile des Ganzen in seinem Interesse sind und ihr Dasein an dasselbe knüpfen, Macht und Gewalt hat.[526]

Es ist aber für die richtige Unterscheidung dessen, was tot ist und keine Wahrheit hat, und dessen, was noch lebendig ist, an einen Unterschied zu erinnern, welcher der formalen Ansicht entgehen kann und der verhindern muß, daß, was an sich negativ ist, für lebendiges Gesetz und also die Herrschaft der an sich negativen Gesetze für Belebtsein der Organisation genommen werde. Denn Gesetze, welche der Oberherrschaft des Ganzen einzelne Bestimmtheiten und Teile entziehen, die Gewalt desselben von ihnen ausschließen und die Ausnahmen des Einzelnen vom Allgemeinen konstituieren, sind an sich etwas Negatives und Zeichen des beginnenden Todes, der für das Leben immer drohender wird, je mehr des Negativen und der Ausnahmen werden und diese Gesetze, welche auf diese Auflösung gehen, den wahren, welche die Einheit des Ganzen konstituieren, zu mächtig werden. Zum Positiven und Erstorbenen muß also nicht nur dasjenige gerechnet werden, was ganz einer Vergangenheit angehört und keine lebendige Gegenwart mehr und allein eine unverständige und, weil es ohne innere Bedeutung ist, schamlose Macht hat, sondern auch dasjenige ist ohne wahrhaft positive Wahrheit, was das Negative, die Auflösung und Abtrennung von der sittlichen Totalität festsetzt; jenes ist die Geschichte eines vergangenen Lebens, dieses aber die bestimmte Vorstellung des gegenwärtigen Todes. So können in einem aufgelösten Volk, wie z.B. im deutschen allerdings, die Gesetze Wahrheit zu haben scheinen, wenn man nicht unterscheidet, ob sie Gesetze des Negativen und der Trennung oder Gesetze des wahrhaft Positiven und der Einheit sind. Unmittelbar damit, daß die ein Ganzes organisierenden Gesetze allein für eine Vergangenheit Bedeutung haben und sich auf eine Gestalt und Individualität beziehen, die längst als eine erstorbene Hülle abgestreift ist, daß sie nur noch für Teile Interesse haben und dadurch nicht eine lebendige Beziehung gegen das Ganze, sondern eine ihm fremde Gewalt und Herrschaft setzen und daß dasjenige, worin ein lebendiges Band und innere Einheit sich darstellt, als[527] Mittel für seinen Zweck nicht die allermindeste Angemessenheit mehr, also dieses Mittel weder Verstand noch Wahrheit hat – denn die Wahrheit des Mittels ist darin, daß es dem Zweck adäquat ist, durch welche Innerste Unwahrheit des Ganzen dann auch erfolgt, daß in der Wissenschaft der Philosophie überhaupt, in der Sittlichkeit, ebenso der Religion wenig Wahres mehr sein kann, – unmittelbar damit bestimmt und befestigt sich die Auflösung und setzt sich in einem System des Negativen, gibt sich somit den formellen Schein wie von Erkenntnis so von Gesetzen, deren inneres Wesen das Nichts ist. Wenn die Erkenntnis und Wissenschaft eines solchen Volks sich ausdrückt, daß die Vernunft nichts erkenne und wisse und nur in der leeren Freiheit, als einer Flucht, im Nichts und in dessen Schein sei, so ist der Inhalt und das Wesen der negativen Gesetzgebung, daß kein Gesetz, keine Einheit, kein Ganzes sei; jene erste Unwahrheit ist also diejenige, welche bewußtlos und unbefangen es ist, diese zweite aber, welche sich die Form anmaßt und damit sich befestigt.

Es ist also nicht die Philosophie, welche das Besondere darum, weil es ein Besonderes ist, für ein Positives nimmt, sondern nur insofern es außer dem absoluten Zusammenhange des Ganzen als ein eigener Teil Selbständigkeit errungen hat. Die absolute Totalität hemmt sich als Notwendigkeit in jeder ihrer Potenz[en], bringt sich auf ihr als Totalität hervor, wiederholt daselbst sowohl die vorhergehenden Potenzen, als sie die nachfolgenden antizipiert; aber eine derselben ist die größte Macht, in deren Farbe und Bestimmtheit die Totalität erscheint, ohne jedoch für das Leben etwas Beschränkendes zu sein, sowenig es das Wasser für den Fisch, die Luft für den Vogel ist. Es ist zugleich notwendig, daß die Individualität fortschreite, sich metamorphosiere und das der herrschenden Potenz Angehörige erschwache und ersterbe, damit alle Stufen der Notwendigkeit an ihr als solche erscheinen; das Unglück aber der Periode des Übergangs, daß dieses Erstarken der neuen Bildung sich nicht von dem[528] Vergangenen absolut gereinigt hat, ist es, worin das Positive ist. Und die Natur, ob sie zwar innerhalb einer bestimmten Gestalt mit gleichmäßiger, jedoch nicht mechanisch gleichförmiger, sondern mit gleichförmig beschleunigter Bewegung fortgeht, genießt jedoch auch einer neuen Gestalt, welche sie errungen hat; wie sie in dieselbe springt, so verweilt sie sich in ihr. Wie die Bombe zu ihrer Kulmination einen Ruck tut und dann in ihr einen Moment ruht, oder wie das erhitzte Metall nicht wie Wachs erweicht, sondern auf einmal in den Fluß springt und auf ihm verweilt – denn die Erscheinung ist der Übergang ins absolut Entgegengesetzte, also unendlich, und dieses Heraustreten des Entgegengesetzten aus der Unendlichkeit oder seinem Nichts ist ein Sprung, und das Dasein der Gestalt in ihrer neugeborenen Kraft ist zuerst für sich selbst, ehe sie sich ihres Verhältnisses zu einem Fremden bewußt wird –, so hat auch die wachsende Individualität sowohl die Freudigkeit jenes Sprungs als eine Dauer des Genusses ihrer neuen Form, bis sie sich allmählich dem Negativen öffnet und auch in ihrem Untergange auf einmal und brechend ist.

Wenn nun die Philosophie der Sittlichkeit diese Notwendigkeit begreifen und den Zusammenhang ihres Inhalts sowie die Bestimmtheit desselben als absolut verbunden mit dem Geiste und als seinen lebendigen Leib erkennen lehrt und sich dem Formalismus, der, was er unter den Begriff der Besonderheit subsumieren kann, für zufällig und für tot ansieht, entgegensetzt, so erkennt die Philosophie der Sittlichkeit zugleich, daß diese Lebendigkeit der Individualität überhaupt, welches auch ihre Gestalt sei, eine formale Lebendigkeit ist; denn die Beschränktheit dessen, was der Notwendigkeit angehört, obgleich absolut in die Indifferenz aufgenommen, ist nur ein Teil der Notwendigkeit, nicht die absolute totale Notwendigkeit selbst, also immer eine Nichtübereinstimmung des absoluten Geistes und seiner Gestalt. Für diese absolute Gestalt aber kann sie nicht zur Gestaltlosigkeit des Kosmopolitismus fliehen, noch zu der[529] Leerheit der Rechte der Menschheit und der gleichen Leerheit eines Völkerstaats und der Weltrepublik, als welche Abstraktionen und Formalitäten das gerade Gegenteil der sittlichen Lebendigkeit enthalten und ihrem Wesen nach gegen Individualität protestantisch und revolutionär sind, sondern sie muß für die hohe Idee der absoluten Sittlichkeit auch die schönste Gestalt erkennen; und da die absolute Idee an sich selbst absolute Anschauung ist, so ist mit ihrer Konstruktion unmittelbar auch die reinste und freieste Individualität bestimmt, in welcher der Geist sich selbst vollkommen objektiv in seiner Gestalt anschaut und ganz, ohne Rückkehr zu sich aus der Anschauung, sondern unmittelbar die Anschauung selbst als sich selbst erkennt und eben dadurch absoluter Geist und vollkommene Sittlichkeit ist, welche zugleich nach der oben vorgestellten Weise ihre Verwicklung mit dem Negativen – denn was wir bisher positiv genannt haben, ist, wie aus der Sache selbst hervorgegangen, an sich betrachtet das Negative – abwehrt, es sich als objektiv und Schicksal gegenüberstellt und dadurch, daß sie ihm eine Gewalt und ein Reich durch das Opfer eines Teils ihrer selbst mit Bewußtsein einräumt, ihr eigenes Leben davon gereinigt erhält.[530]


Fußnoten

1 So nannte sich nämlich der Skeptizismus lieber als hairesis. Sextus erklärt, daß der Skeptizismus nur in dem Sinne einer logô tini kata to phainomenon, akolouthousês agôgês eine Schule, Sekte genannt werden könne [I, 17].


2 Jacobi schließt diese Anmerkung so: »Dieser dreieinige, allgemein unphilosophische Glaube muß auch im strengsten Sinn philosophischer, in der Reflexion bestätigter Glaube« (durch die Bestätigung in der Reflexion, wenn hierin anders ein Sinn liegt) fällt aber die Form des Glaubensweg, »werden können; und ich bin kühn genug, zu sagen: daß ich weiß, er kann es werden, daß ich den Rückweg sehe, auf dem ein verirrtes Nachdenken« (Reinhold hat sich mit diesem Prädikat bezeichnet, und Jacobi hält also Reinholds jetzige Periode für eine Verirrung und glaubt an eine nochmalige Verwandlung, ein Auskriechen desselben als Sylphide einer unsterblichen Philosophie, deren Prinzip das Gottleugnen und das sich selbst zum Gott Machen, den Verstand und die Vernunft verbindet und den Menschen ganz läßt, wie er ist) »hier wieder ankommen und dann erst eine wahre Philosophie, eine den ganzen Menschen erleuchtende Wissenschaft und Weisheit hervorbringen wird.« Diese den philosophischen Dilettanten gegebene Notiz kann das philosophische Publikum bis zur Erscheinung jener Verwandlung ignorieren.


3 Fichte tut sich (in der Einleitung zum Naturrecht) auf die Einfachheit der Einsicht in den Grund der letzteren Inkommensurabilität etwas zugute: krumm sei nämlich im Ernste nicht gerade. Die Oberflächlichkeit dieses Grundes erhellt von sich selbst und widerlegt sich auch unmittelbar durch die erste Inkommensurabilität des Diameters und der Seite des Quadrats, welche beide gerade sind, so wie durch die Quadratur der Parabel. Was die Hilfe betrifft, die ebendaselbst bei gesundem Menschenverstand gegen die mathematische Unendlichkeit gesucht wird, daß ein Vieleck von unendlich vielen Seiten eben darum, weil es ein Vieleck von unendlich vielen Seiten ist, nicht gemessen werden könne, so müßte teils eben dieselbe Hilfe gegen den unendlichen Progreß, in welchem die absolute Idee sich realisieren soll, zu Gebote stehen, teils ist damit über die Hauptsache, die positive Unendlichkeit, welche nicht unendliche Menge, sondern Identität ist, nichts bestimmt, ob diese zu setzen ist; was ebensoviel heißt, als daß über Kommensurabilität oder Inkommensurabilität nichts bestimmt ist.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 2, Frankfurt a. M. 1979.
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