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[1124] [Klingenbrunn, 6. August 1876]
Sonntag
Liebste Schwester, hoffentlich bist Du in Bayreuth und findest dort gute Menschen, die für Dich sorgen, nachdem ich von dort verschwunden bin.
Ich weiß ganz genau, daß ich es dort nicht aushalten kann, ja eigentlich hätten wir es vorher wissen sollen! Denke nur wie vorsichtig ich bisher leben mußte, die letzten Jahre. Ich fühle mich von dem kurzen Aufenthalte dort so ermüdet und erschöpft, ich komme gar nicht wieder recht zu mir. Einen schlimmen Tag hier gehabt, zu Bette gelegen; aber immerfort Schmerzen im Kopf, wie in gewissen Baseler Zeiten. Der Ort ist sehr gut, tiefe Waldung und Höhenluft, wie im Jura. Hier will ich bleiben, zehn Tage vielleicht, aber nicht wieder über Bayreuth zurückkehren; denn dazu wird es an Geld fehlen.
Ich ängstige mich darum, was Du nun mit der Wohnung anfängst (die ich übrigens gräßlich für mich, ja geradezu unmöglich fand, so schwül und unbequem ist sie). Ich habe Dir 100 Mark zurückgelassen und muß Dir, wenn ich nach Basel komme, mehr Geld schicken; aber vielleicht ist der Plan mit Baumgartners gelungen. Diese mögen dann die Wohnung zahlen; und sie sollen dann die Patronatsscheine ganz umsonst haben. Tue dies alles, so wie es Dir gut scheint. Krug hat einen Schein für 100 Tl. gekauft, das erzählte mir Heckel aus Mannheim.
Also sehen wir uns in diesem Jahre vielleicht nicht wieder! Wie doch die Dinge laufen! Ich muß alle Fassung zusammennehmen, um die grenzenlose Enttäuschung dieses Sommers zu ertragen. Auch meine Freunde werde ich nicht sehen; es ist alles jetzt für mich Gift und Schaden.
Ich bitte Dich ernstlich, Basel und Arlesheim nicht so leicht in Gedanken aufzugeben. Mir erscheint es als das einzig Mögliche.
Ich freue mich. Dich bei Frl. v. Meysenbug und ihrer Familie zu wissen. Es sind zu gute Menschen: danke ihnen in meinem Namen auf das herzlichste. – Ich denke Deiner mit Liebe als Dein Bruder.
Eine Diarrhöe quält mich zu alledem.
Adresse: Klingenbrunn bei Regen, im Bayrischen Walde, Gasthaus zum Ludwigsstein.[1124]
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