Gesellenvereine

[284] Gesellenvereine, Vereine zur wissenschaftlichen u. geselligen Fortbildung der Handwerksgesellen. Sie wurden meist von Freunden des Handwerkerstandes unter Mitwirkung von Handwerksmeistern gestiftet u. waren ein ergänzendes Zwischenglied zwischen den vorzugsweise von Lehrlingen besuchten Sonntags- u. gewerblichen Fortbildungsschulen u. den nur für die Meister bestimmten Gewerbevereinen. Gegen das geistlose Treiben auf vielen Herbergen gerichtet, sollten sie die jungen Handwerker für bessere Unterhaltunggewinnen u. rege erhalten. In den wöchentlichen Versammlungen derselben wurde bald ein heiteres od. ernstes Lied gesungen, bald etwas vorgelesen od. declamirt, bald eine gewerbliche Arbeit od. ein neues Handelsproduct vorgezeigt u. besprochen, bald Fragen beantwortet u. discutirt, in den größeren Städten, z.B. in Berlin, selbst ganze Reihenfolgen regelmäßiger Vorträge über einzelne Zweige der Naturwissenschaften, der Gewerbkunde, Literatur etc. gehalten. An einzelnen Orten brachte man auch Büchersammlungen zu Stande, aus denen die Mitglieder unentgeltlich Bücher entleihen u. daheim lesen konnten. Da sich auch hier u. da, z.B. in einigen Städten der preußischen Rheinprovinz, von Seiten der Gründer u. Leiter der G. ein vorwiegendes Streben für kirchliche Zwecke geltend machte u. die jungen Leute für eine strengere Sonntagsfeier, für den häufigeren Besuch der Kirchen u. für die Theilnahme am Missionswesen zu gewinnen suchte, so gab es bald zweierlei G., einfach bürgerliche u. vorwiegend kirchliche. Indeß bildeten die ersteren die Mehrzahl u. nur an wenigen Orten, z.B. in Stettin, waren beide Arten (der kirchliche hieß hier Jünglingsverein) eine Zeit lang in gegenseitiger Rivalität neben einander vorhanden. Eine neue Wendung brachte das Jahr 1848 für die G.; wo sich dieselben nicht, wie in Berlin u. Hamburg, der neuen Zeitrichtung hingaben u. zu Arbeitervereinen umbildeten, da verkümmerten sie allmälig durch die Theilnahmlosigkeit der Mitglieder, bis sie sich zuletzt ganz auflösten od. aufs Unbestimmte vertagten. Diejenigen G. aber, welche sich der Zeitströmung ganz hingegeben hatten, fielen bald der polizeilichen Überwachung u. Unterdrückung anheim, indem ihre Führer theils ausgewiesen, theils eingezogen wurden, vgl. Arbeiter B). Die Normen für Bildung, Beaufsichtigung etc. der G. sind durch Bundesbeschluß vom 8. Dec. 1853 vorgeschrieben. Der ausgebreitetste G. seit 1849 besteht in Köln; er verfolgt bes. kirchliche Zwecke u. zählte 1859 191 Zweigvereine mit gegen 30,000 Mitgliedern.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 284.
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