[661] Arbeiter, 1) Jemand, der irgend eine Arbeit, s.d. 2), bes. aber 2) mit der Hand verrichtet; 3) im engsten Sinne einen Theils die eigentlichen Handarbeiter od. Tagelöhner, welche gar keinem Zunftverband angehören; andern Theils Gewerbs- u. Handwerksleute, welche die Productionen ihrer Arbeiten nicht unmittelbar in den Handel u. an die Consumenten bringen, sondern durch Meister od. Gründer größerer Etablissements, also Handwerksgesellen, kleine Meister, Fabrikarbeiter. Mit der Zeit hat sich die Zahl der zu dieser Klasse der bürgerlichen Gesellschaft gehörenden Individuen ungemein vermehrt u. die Lage derselben ist hin u. wieder eine sehr bedrängte geworden. Der Grund davon liegt meist darin, daß theils die Menge des Grundbesitzes sich nicht gleichmäßig hat vermehren können, u. derselbe meist in den Händen Weniger geblieben ist; theils bei der Steigerung der Preise der nothwendigsten Lebensbedürfnisse die Steigerung des Arbeitslohnes nicht verhältnißmäßig fortgeschritten ist u. die Ausdehnungder Anwendung von Maschinenkräften den Bedarf menschlicher Arbeitskraft vermindert hat. Wo die arbeitende Klasse nicht einen Abzug u. eine Verbesserung ihrer Lage durch Auswanderung od. außerländische Colonisation hat finden können, ist man zur Abhülfe der Noth derselben auf Wegen von Vereinen bedacht gewesen. Man kann diese Vereine eintheilen nach dem, was für die A. von Anderen u. was von den A. selbst versucht u. gethan worden ist. A) In erster Beziehung meist auf privatem Wege, hin u. wieder mit staatlicher Unterstützung. Was von einzelnen Vereinen in Deutschland beabsichtigt u. gethan worden ist, ist so ziemlich vereinigt in dem Plane des 1848 ins Leben getretenen Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klasse in Berlin. Zur Erreichung seines Zweckes suchte dieser Verein zu wirken: auf geistliche u. sittliche Hebung der arbeitenden Klasse durch Gründung von Bewahranstalten der kleinen Kinder der A., Fabrik-, Sonntags- u. dgl. Schulen, Gesellenvereine, durch Begründung einer, die Bedürfnisse der Zeit befriedigenden Stellung der Gewerbtreibenden u. A., durch organisirte Einrichtungen unter denselben, bes. zum Schutz u. zur Sicherheit der beiderseitigen Interessen von Arbeitgebern u. Arbeitnehmern, Lehrlingen, Gehülfen u. Meistern, durch Fabrikordnungen, Genossenschaftsgerichten etc.; dann für nachhaltige Hebung der wirthschaftlichen Lage der A. durch Darlehens- u. Vorschuß-, Spar- u. Prämienkassen, Kranken- u. Sterbe-, Unterstützungs- u. Pensionskassen, sowie durch innere Colonisation für landwirthschaftliche A.; endlich für das physische Wohl durch Beschaffung besserer Wohnungen, Bäder,[661] Erleichterung ärztlicher Hülfe, Förderung vernünftiger Mäßigkeitsbestrebungen etc. Auch in England, dem Vaterlande des Socialismus (s.d.), hat man sich seit längerer Zeit mit der Verbesserung der Lage des A-standes beschäftigt; namentlich durch Logirhäuser u. A-herbergen, Anlage von Bädern, Wasch- u. Backhäusern etc., u. von gemeinschaftlichen Kassen, wo die A. ihre Ersparnisse sicher unterbringen können; bes. hat man den A-n eine Verbesserung ihrer Lage dadurch geboten, daß die Auswanderungen nach den britischen Colonien durch Unterstützung befördert werden (s. u. Auswanderung). In Frankreich, wo die Februarrevolution 1848 bes. durch die arbeitende Klasse ausgeführt wurde, wurde von den damaligen Machthabern für die A. nach diesem Ereignisse auch sehr nachdrücklich zu sorgen versprochen, namentlich durch Anlegung von Nationalwerkstätten u. zur Verbesserung der Lage der A.; doch ist dies wegen der Kostspieligkeit der Ausführung unterblieben; nur wurde von dem damaligen Präsidenten der Republik (jetzigem Kaiser Napoleon III.) für die Anlage von A-unternehmungen in Paris gesorgt (seit 1849 wurde die Cité Napoleon zu erbauen begonnen), dem sich auch Privatunternehmungen der Art anschlossen u. was in Fabrikstädten, bes. Marseille u. Mühlhausen, Nachahmung fand. Dagegen hat die Absicht der Regierung, die Noth der arbeitenden Klasse durch Abführung von Colonien nach Algier zu mildern, wenig Folge gefunden (s. u. Algier). B) Indeß genügte den A-n diese Sorge für die Hebung ihres Wohls nicht, bes. wo sich ihrer die Führer der politischen Umsturzpartei bemächtigt hatten, vielmehr wollten sie Abhülfe ihrer Noth durch sich selbst suchen, es wurde dazu das 1848 errungene Recht der freien Vereinigung benutzt u. Arbeitervereine gegründet. Solche Vereine bestanden schon im Mittelalter, hatten aber damals eine andere Tendenz, nämlich den A-n für Krankheitsfälle eine Unterstützung u. Pflege, in Sterbefällen ein ehrliches Begräbniß zu gewähren (vgl. Bruderschaften). Die A-vereine der neuesten Zeit hatten, ehe sie von der Revolutionspartei zu politischen Zwecken mißbraucht wurden, einen zweifachen Zweck, entweder blos einen geselligen od. einen gewerblichen. Zu Vereinen für gewerbliche Zwecke gehörten die A-vereine in Frankreich, wo die A. zu Arbeiten außerhalb der Meisterwerkstätte in Genossenschaften zusammentraten, um auf gesammte Rechnung zu produciren u. das Producirte zu verkaufen (die sogen. Organisation der Arbeit). Den Lohn erhielten die A. entweder in Baarem od. in Anweisung auf die Producte der verschiedenen unter sich in einer gewissen Verbindung stehenden Vereine. Solche Genossenschaften bestanden schon vor der Revolution in Frankreich, haben sich aber in neuester Zeit sehr vermehrt. A-vereine zu geselligen Zwecken waren die Handwerkervereine in der Schweiz; aber sie wurden ihrem eigentlichen Zwecke bald untreu, indem sie fremde Elemente in sich aufnahmen: einmal nämlich ein politisches aus Deutschland, u. dies schon seit 1833, wo die Ausweisungen Unzufriedener u. Unruhiger aus Deutschland häufiger wurden; dann das communistische aus Frankreich. So wurde die Schweiz der Sitz der politischen u. socialistischen Umsturzpartei, u. obgleich deren Führer, namentlich Weitling, in Folge einer 1841 von Zürich ausgehenden Untersuchung, ausgewiesen wurden so wurde doch nach Verlauf weniger Jahre das Vereinswesen in alter Weise, u. zwar mit vorherrschender politischer Tendenz, wieder hergestellt. Hauptsitze waren Genf, Neuenburg, bes. Waadt; der Hauptagitator der Kaufmann W. Marr. Eine neue Untersuchung begann in Waadt, deren Ende wieder Aufhebung der Vereine u. Ausweisung ihrer Führer war. Indeß schon 1848 waren die Vereine wieder in voller Wirksamkeit, ihre Losung war Republik u. Communismus, die Mitglieder, die sich schon an Struves u. Heckers Einfällen in Baden betheiligt hatten, wuchsen an Zahl durch Fliichtlinge bes. nach der Ausweisung der deutschen A. aus Frankreich 1848 u. nach dem Mißlingen des letzten republikanischen Freischaarenzugs 1849. Da die Führer neue Putsche vorbereiteten, so verhängte der Schweizer Bundesrath eine neue Untersuchung, bei der sich herausstellte, daß die Tendenz des deutschen A-vereins in der Schweiz eine rein revolutionäre war, die bestehenden Verhältnisse sollten in Verbindung mit den französischen Vereinen umgestoßen werden. Nach dem Beschluß des Bundesrathes wurden die deutschen A-vereine in Aarau, Luzern, Glarus, Chur u. Herisau unter polizeiliche Aufsicht gestellt, die Mitglieder der A-vereine zu Genf, Lausanne, Freiburg, Bern, Thun, Basel, Zürich, Winterthur, Schaffhausen u. a. a. O., gegen 500 an der Zahl, im April 1850 aus der Schweiz ausgewiesen. Die Ausgewiesenen gingen entweder nach England od. nach Amerika. Daher wurde London der Hauptsammelplatz der Agitatoren der deutschen A-vereine. Gleichzeitig erfolgte die Aufhebung der A-vereine in Deutschland. Hier hatten sich solche Vereine bes. seit 1848 gebildet; Anfangs, nach den französischen, mit dem Zweck, die materielle Lage des A-standes zu verbessern u. zu geistlicher u. sittlicher Veredelung seiner Mitglieder beizutragen. Nach ihrem Plane sollte der A. aufhören als arbeitendes Individuum u. nur in Gemeinschaft mit Anderen u. für diese Gemeinschaft arbeiten u. mit ihr entbehren; der Vertrieb der gemeinschaftlich producirten Waaren sollte durch die Genossenschaft gehen etc. In Sachsen hatte sich schon im März 1848 in Leipzig ein A- od. Gesellen verein zu dem angegebenen Zweck gebildet, u. diesem Verein folgten bald an mehreren anderen Orten des Königreichs andere nach, deren Deputirte schon im Juni in Leipzig eine Versammlung hielten, welche ziemlich umfängliche Forderungen stellte, an der Spitze vollständige Gleichheit der politischen Rechte des A-s mit denen anderer Stände. Darauf tagte im August 1848 zu Dresden eine Commission zur Regulirung der Arbeiten, deren Verhandlungen dem damaligen Ministerium des Innern übergeben wurden. In Sachsen u. Preußen entstanden neue Vereinswerkstätten der Schneider, Schuhmacher, Cigarrenarbeiter, Buchdrucker, Weber, Tischler etc. nach der oben angegebenen Art. Neben diesen od. in Verbindung mit diesen bildeten sich Ankaufsgesellschaften, welche Lebensbedürfnisse im Großen ankaufen u. dieselben den Gesellschaftsgliedern zu mäßigen Preisen ablassen sollten, ferner Speisehäuser, Arbeitnachweisebureaus, Krankenpflegeanstalten etc. Aber auch den A-vereinen in Deutschland war kein langer Bestand beschieden. Dieselben politischen Einflüsse, wie in der Schweiz, wußten sich auch hier Zugang zu verschaffen; zunächst sollten die einzelnen Vereine sich zu einer deutschen Arbeiterverbrüderung[662] vereinigen. Zu diesem Zweck sollten die an einzelnen Orten bestehenden Localvereine sich durch Deputirte zu Bezirkscomites u. diese wieder in ein Centralcomite (in Leipzig) vereinigen, daß so von oben nach unten leicht Mittheilungen u. Instructionen, von unten nach oben Anzeigen u. Geldbeiträge zu der gemeinschaftlichen Unternehmungskasse kommen könnten u. ein immer schlagfertiges Heer auf den Wink der Propaganda in der Schweiz aufstände u. losschlüge. Die Enthüllung dieses Planes war der Grund zum Untergange der A-vereine. Schon dem Congreß der deutschen A-vereine in Leipzig am 20. Febr. 1850 wurden von der sächsischen Regierung Schwierigkeiten in den Weg gelegt; aber nachdem durch die schweizerische Untersuchung der Zweck der A-vereine zur öffentlichen Kunde gekommen war, wurde auch in Deutschland mit Schließung od. Auflösung der A-vereine vorgegangen, zuerst in Preußen durch polizeiliche Verfügung vom 31. Mai (in Breslau) u. 7. Juni (in Berlin), dann im baierischen Kreise Mittelfranken durch Kreisregierungsverordnung vom 21. Juni, zuletzt in Sachsen durch Ministerialverordnung vom 4. Juli; im Febr. 1855 in Baden etc. Durch Bundesbeschluß vom 8. Dcbr. 1853 wurden für Deutschland besondere Normen für Bildung, Beaufsichtigung u. Auflösung von A-vereinen u. in Betreff des Wanderns der den Deutschen Bundesstaaten angehörigen Handwerksgesellen u. Handarbeiter vorgeschrieben.
Buchempfehlung
Der neurotische Tiberius Kneigt, ein Freund des Erzählers, begegnet auf einem Waldspaziergang einem Mädchen mit einem Korb voller Erdbeeren, die sie ihm nicht verkaufen will, ihm aber »einen ganz kleinen Teil derselben« schenkt. Die idyllische Liebesgeschichte schildert die Gesundung eines an Zwangsvorstellungen leidenden »Narren«, als dessen sexuelle Hemmungen sich lösen.
52 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro