[425] Literatur (v. lat., Schriftenthum, Schriftthum), 1) im weitesten Sinne die Gesammtheit aller schriftlichen Denkmale, in welchen die Bestrebungen des Menschengeschlechts für seine geistige Bildung u. Entwickelung niedergelegt sind. Bei dem unendlichen Umfange, welchen die L. in diesem Sinne hat, wird dieselbe von verschiedenen Gesichtspunkten aus in mehr od. minder zahlreiche od. umfassende Unterabtheilungen zerlegt, nach den verschiedenen Zeiträumen, od. den verschiedenen Völkern od. den verschiedenen Gattungen der Schriftwerke. Im erstern Falle unterscheidet man eine L. des Alterthums, des Mittelalters, der Neuzeit. Wird die L. in Bezug auf einzelne Völker betrachtet, so spricht man von einer L. der Hebräer, Griechen, Römer, Inder, Chinesen, Araber, Spanier, Italiener, Deutschen etc.; betrachtet man aber die L. nach einzelnen Gebieten u. Richtungen der Geistesthätigkeit, so unterscheidet man eine prosaische u. poetische L., eine wissenschaftliche L., specieller eine theologische, medicinische, kirchliche L. etc. Die verschiedenen Nationalliteraturen sind nur ein Theil von der Gesammtheit der von einem Volke in Sprache u. Schrift niederge legten Geistesproducte; sie begreifen[425] streng genommen nur diejenigen schriftlichen Werke, welche auf künstlerischem Wege hervorgebracht, sowohl ihrer Form, wie ihrem innern Wesen nach ein eigenthümlich nationales Gepräge tragen, wodurch sie sich von den literarischen Erzeugnissen anderer Nationen schon an sich und ohne Rücksicht auf die Sprache unterscheiden; also in der Hauptsache die Denkmale der schönen Redekünste (Poesie u. Beredtsamkeit) einer Nation. Die L-en der einzelnen Völker sind primitiv, wenn sie sich (natürlich bei jeder in verschiedenem Grade) von Anfang bis zu Ende in voller Selbständigkeit, nach innern organischen Gesetzen allein u. ohne Einwirkungen von außen her entwickelt haben, wie dies im höchsten Grade von der chinesischen, indischen, griechischen u. deutschen L. gilt; od. sie sind secundär, wenn sie erst durch ein wichtiges, nachhaltig wirkendes culturhistorisches Ereigniß, wie namentlich durch politische od. religiöse Unterwerfung unter od. langdauernde nahe Berührung mit höher civilisirten Völkern hervorgerufen worden sind; so die japanische (von China aus), die tamulische (durch die arischen Inder), die türkische (durch den Islam), die armenische, georgische L. etc. in Asien, die einiger slawischer Völker, der Finnen, Magyaren etc. in Europa. Übertragen heißt eine L., wenn sie im Wesentlichen nur in Übersetzungen u. Nachahmungen der Schriftwerke eines andern, weiter vorgeschrittenen Volkes besteht; so ist die tibetische L. nur eine Copie der buddhistischen Sanskritliteratur, die mongolische wiederum nur eine der tibetischen, die mandschurische ist nur aus dem Chinesischen, die der Birmanen u. Siamesen fast nur aus der bubdhistischen Paliliteratur entstanden etc.; 2) die äußere Kenntniß dessen, was in der Gelehrten Welt geschehen ist, od. die Bücher- u. Schriftenkunde als ein besonderer Theil der Gelehrsamkeit. Wer biese Kenntniß besitzt, ist ein Literator, zum Unterschiede von einem Literatus, d.i. einem, der die Beschäftigung mit den Wissenschaften zu seinem Hauptberuf gemacht hat (s. Literat); 3) das Verzeichniß der über eine Wissenschaft, einen Zweig derselben, od. einen besondern Gegenstand vorhandenen Schriften.
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