[146] Latitudinarier (v. lat., d. h. Weitherzige), 1) (Latitude-men), seit der Mitte des 17. Jahrh. in England diejenigen, welche der Engherzigkeit u. Unduldsamkeit der Hochkirche gegenüber sich in der Theologie wissenschaftlich-freisinnig u. kirchlich-tolerant bewiesen u. so zwischen der Staatskirche u. den Puritanern zu vermitteln suchten. Sie hielten fest an der Liturgie, dem Ritus u. der Verfassung der Episkopalkirche, auch an den Bekenntnißschriften derselben, aber in der Schriftauslegung sollte die Vernunft nicht abgewiesen u. die Fortschritte der Philosophie u. der Naturwissenschaften nicht ignorirt werden. Zu ihnen gehörten Cudworth, Whichcoit, Worthington, Wilkins, Burnet, Tillotson, Whiston, Spencer. Da auf diese Grundlagen viele bauen konnten, so nennte man später 2) L. auch die Socinianer, Deisten u. Atheisten; überhaupt ist der Name L. in der Deutschprotestantischen Kirche einerseits mit dem der Rationalisten, anderseits mit dem der Häretiker u. Unkirchlichen zu vergleichen. Vgl. A brief account ot the new Sect of Latitudinarians, 1662; Jurieu, La religion du Latitudinaire, Rotterd. 1696, Utr. 1697; Bury, Latitudinarius orthodoxus, 1697; 3) in der Moral diejenigen, welche minder strenge Grundsätze rücksichtlich der Pflichten aufstellen; Gegensatz: Rigoristen; 4) im gemeinen Leben, die sich nicht streng an die Pflichtgebote halten. Das Wesen u. die Ansichten heißen Latitudinarismus.