Arth-Rigi-Bahn

[272] Arth-Rigi-Bahn (Schweiz). Nach Eröffnung der ersten Zahnbahn in der Schweiz von Vitznau nach Rigi-Kaltbad lenkte sich der Verkehr nach dem beliebten Aussichtspunkt alsbald diesem neuen Beförderungsmittel zu. In Arth, das bis dahin ein vielbenutzter Ausgangspunkt für die Rigibesteiger gewesen war, bildete sich infolgedessen eine Aktiengesellschaft, um die von Vitznau heraufkommende[272] Linie von der Arther Gemeinde- (zugleich Schwyzer Kantons-) Grenze oberhalb Kaltbad, der sogenannten Staffelhöhe, bis zum höchsten Gipfel des Berges, Rigi-Kulm, fortzuführen und zugleich eine neue Linie von Arth über Rigi-Klösterli, Rigi-Staffel nach Rigi-Kulm zu erstellen. Diese beiden Linien gehören heute noch der A.-Gesellschaft. In Oberarth sollte der Anschluß an die projektierte Gotthardbahn stattfinden. Das Stück von Arth am See nach Oberarth wurde als Reibungsbahn ausgeführt, die übrigen Linien sind nach dem Riggenbachschen Zahnbahnsystem gebaut, und zwar die Strecke Staffelhöhe-Kulm unter den gleichen Bedingungen wie das Anschlußstück Vitznau-Staffelhöhe. Die Erteilung der Konzession für diese Linien durch die Behörden des Kantons Schwyz datiert vom 23. Juni 1870. In der Ausführung der Gotthardbahn trat in der Folge eine Änderung ein. Infolgedessen wurde die Reibungsbahn von Oberarth bis nach Goldau verlängert und der Maschinenbahnhof an letzteren Ort verlegt. Die Station Arth-Goldau bildet die Gemeinschaftsstation mit der Gotthardbahn und ist zugleich Fußpunkt der eigentlichen Bergbahn.

Von Arth bis Oberarth zieht sich die Bahn durch das ebene, fruchtbare Obstgartengelände des »Arther Paradiesli«. Nach Überschreitung des Aabaches tritt sie in das Gebiet des Goldauer Bergsturzes ein, in dem auch die Station Arth-Goldau liegt. Nachdem hier der Anschluß an die Gotthardbahn erreicht ist, beginnt die eigentliche Bergbahn, zuerst über Bergwiesen bis zur Wasserstation Krähbühl. Dann ist die Bahn in die 550 m lange und 150 m hohe jäh abstürzende »Krähbühlwand«, bei den Vorarbeiten nur mit Hilfe von Strickleitern erreichbar, eingehauen und gewährt eine wundervolle Aussicht auf die schauerliche Tiefe, hart zur Seite das ganze Arthertal, den Zuger See und über diesen weg bis zu den blauen Linien des Schwarzwaldes. Es folgt nun die Ausweichstation »Fruttli«, die Schlucht erweitert sich und man hat die Station »Klösterli« erreicht und bald darauf im großen Bogen durch die Weiden fahrend den »Staffel«, wo sich wie mit einem Zauberschlag plötzlich das wundervolle Rigipanorama aufrollt. Von hier zieht sich die Bahn neben der von Vitznau heraufkommenden Linie nach Rigi-Kulm.

Die Linie Staffelhöhe-Kulm wurde am 27. Juni 1873, die Linie Arth-Kulm am 3. Juni 1875, der Anschluß in Arth-Goldau an die Gotthardbahn gleichzeitig mit letzterer am 1. Juni 1882 dem allgemeinen Verkehr übergeben.

Die Strecke Staffelhöhe-Kulm wurde von Anfang an der Vitznau-Rigi-Bahngesellschaft zum Betrieb verpachtet, die Strecke Arth-Kulm hingegen von der A.-Gesellschaft selbst betrieben. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich, was den Betrieb anbelangt, nur auf letztere Strecke.

Anläßlich des Umbaues des Bahnhofes in Arth-Goldau wurde auch der Anschluß der A. in neuer und origineller Weise bewirkt. Die Talbahn führt unmittelbar auf den Vorplatz vor dem Stationsgebäude und ist überdies mit dem Güterbahnhof verbunden. Die Bergbahn dagegen ist als Hochbahn senkrecht zur Achse der Bahn derart geführt, daß sie vom Bahnsteig aus unmittelbar erreicht wird. Ein schöner Pavillon schließt sowohl die Hochbahn als auch den Bahnsteig ab und bildet den Aufgang zur Bergbahn. Am 12. August 1897 fand die Eröffnung des Betriebs auf dieser neuen Anlage statt.

Die bauliche Länge der Linie Staffelhöhe-Kulm ist 1901 m, diejenige von Arth-Kulm 11.346 m, wovon 2651 m auf die Reibungsbahn Arth-Goldau, 8695 m auf die Zahnbahn Goldau-Rigi-Kulm entfallen. Hinzukommt ein Verbindungsgleis mit dem Güterbahnhof in Arth-Goldau von 476 m Länge. Die Gesamtlänge der A.-Linien ist somit 13.723 m, davon sind 10.690 m Zahnbahnen.

Die Station Arth liegt 421 m, die Station Rigi-Kulm 1750 m ü. M. Der Höhenunterschied zwischen Abgangs- und Endstation ist sonach 1329 m, wovon 92 m durch die Reibungsbahn, 1237 m mit Zahnbahn überwunden werden. Die Meereshöhen der Zwischenstationen sind folgende: Oberarth 448 m, Goldau 513 m, Kräbel 789 m, Fruttli 1154 m (gleiche Höhe wie der Kulminationspunkt des Gotthardtunnels), Klösterli 1315 m, Staffel 1604 m. Die Höchststeigung beträgt auf der Reibungsbahn 6∙5%, auf der Zahnbahn 20%. Die mittlere Steigung der Bahn ist 14∙3%. Der kleinste Krümmungshalbmesser auf der Reibungsbahn ist 140 m. Auf der Zahnbahn haben bis auf geringe Ausnahme alle Krümmungshalbmesser 180 m. Die Länge der geraden Strecken beträgt von Arth bis Kulm 61∙60%, diejenige der gekrümmten 38∙40% der Gesamtlänge.

Tal- und Bergbahn haben beide die Spurweite von 1∙435 m. Der Oberbau der A. hat größtenteils eiserne Querschwellen. In der Mitte zwischen den Laufschienen ist die Zahnstange mit Schrauben unmittelbar auf die Querschwellen befestigt. Die Laufschienen wiegen für den Laufmeter 20 und 24 kg. Die Zahnstange ist nach Bauart Riggenbach angeordnet (s. Zahnbahnen). Das Gewicht der Zahnstange beträgt 54 kg/m. In Abständen angebrachte Mauersätze, in die die Querschwellen eingelagert[273] sind, verhindern die Abwärtsbewegung des Gleises.

Die A. ist zu dem elektrischen Betrieb übergegangen, u. zw. für die Talbahnreibungsstrecke seit dem 1. Januar 1906. Auf der Bergbahn Goldau-Kulm wurde schon in der Zeit vom 20. Mai bis 31. August 1907 der elektrische Betrieb versucht. Im Betriebsjahr 1908 hat der elektrische Betrieb anstandslos funktioniert. Die 3 Motorwagen der Bergbahn haben 92% der gesamten Fahrleistungen auf der Zahnstrecke bewältigt. Der Rest wurde dem Dampfbetrieb überlassen. Die Motorwagen fassen je 120 Plätze. Drei vollbesetzte Bergbahnwagen können sich auf vorgeschriebenem Zugsabstand in regelrechter Fahrt bergwärts folgen, ohne daß Zentrale und Kontaktleitungen überlastet werden. Bahnhof- und Verschiebedienst konnten bedeutend vereinfacht werden. Die Stromart ist Gleichstrom für Tal- und Bergbahn. Auf der Talbahn sind Serienmotoren mit 540 Volt Spannung und einer nom. Leistung von 60 P.S., Tourenzahl 450. Die Serienmotoren der Bergbahn arbeiten mit einer Spannung von 750 Volt, Tourenzahl 750 und einer nom. Leistungsfähigkeit von 130 P.S., Spannung in der Kontaktleitung 750/1000 Volt. Stromabnehmer sind Rollen.

Der Primärstrom von 2000 Volt Spannung wird vom Elektrizitätswerk Altdorf geliefert, u. zw. 100. P.S. In Goldau wird er zu Gleichstrom umgeformt, womit dann in Goldau und Känzeli Akkumulatorenbatterien gespeist werden.

Das Rollmaterial der A. besteht zurzeit aus 5 Bergbahnlokomotiven. Der liegende Kessel ist um 1/10 gegen die Horizontale geneigt. Die Maschinen haben 50 m2 Heizfläche, 1 m2 Rostfläche, Druck im Kessel 10 Atm. und befördern 13 t Zugsgewicht. Im Dienst beträgt das Gewicht der Berglokomotiven 17–19 t. Die Maschinen haben 2 Laufachsen, eine Kurbelwelle und eine Zahntriebachse. Die Räder der Laufachsen sitzen lose auf den Achsen. Die Kurbelwelle besitzt 2 Zahnräder, die in zwei größere an das Triebzahnrad geschraubte Radkränze der Triebachse eingreifen, sowie zwei Bremsrollen außerhalb der Rahmen, die zugleich als Kurbeln dienen. Diese Bremse, durch Schraube und Hebelübersetzung in Tätigkeit gesetzt, kommt beim Anhalten zur Anwendung, ebenso eine auf der vorderen mit einem kleinen Zahnrad versehenen Laufachse angebrachte Bremse. Die Regulierung der Talfahrt geschieht mit der Luftbremse, die zur Abkühlung der Zylinder und Schieber auf einer Talfahrt von 9 km, von Kulm bis Goldau, 100 l Wasser verbraucht. Beim Eintritt der Luft wird die Blasrohrmündung vom Lufthahnenzug durch eine Klappe geschlossen, um das Mitziehen von Kohlen- und Schmutzteilen aus der Rauchkammer zu verhindern. Das Übersetzungsverhältnis der Kurbel auf die Triebachse ist 1 : 2∙4. Das Triebrad, aus bestem Tiegelguß stahl, hat 1∙055 m Durchmesser und 33 Zähne von 48∙5 mm Dicke.

Sodann besitzt die Bahn 3 Motorwagen für die Talbahn mit je 60 Steh- und Sitzplätzen, 3 Motorwagen für die Bergbahn mit je 36 Plätzen II. Kl., 60 Plätze III. Kl. und 24 Stehplätzen. Die übrigen 11 Personenwagen haben zusammen 139 Plätze II. Kl. und 162 Plätze III. Kl. Sechs Güterwagen, darunter ein Privatwagen. Alle Wagen haben Zentralbuffer. Die vordere Achse trägt je ein Zahnrad und die großen Personenwagen haben je 2 Bremsscheiben, die kleinen und die Güterwagen eine Bremsscheibe aufgekeilt, gegen die von beiden Seiten hölzerne Bremsklötze drücken.

Während die Reibungsbahn Arth-Goldau das ganze Jahr im Betrieb steht, ist solches mit der Bergbahn Goldau-Rigi-Kulm nur während der Sommermonate der Fall. Einzelne Züge werden schon gegen Ende April ausgeführt, vom 1. Mai an beginnen die regelmäßigen Fahrten. Die volle Betriebszeit dauert vom 1. Juni bis 1. Oktober. Im Oktober und im Bedarfsfalle und bei günstiger Witterung selbst noch im Winter kommt dann und wann ein Zug zur Ausführung. Ergänzungszüge, die bei großem Verkehr notwendig werden, folgen den fahrplanmäßigen Zügen in Zeiträumen von fünf Minuten.

In den Zügen mit Dampfbetrieb steht die Lokomotive immer talwärts. Sie wird mit den Wagen nicht gekuppelt. Sie erlaubt Züge mit 2 Wagen, mit höchstens 72 Personen mit 200 bis 300 kg Gepäck zu befördern. Der Kohlenverbrauch für einen so belasteten Zug beträgt ca. 400 kg für Berg- und Talfahrt, der Wasser verbrauch 2200 l. Hierbei ist die Zugsgeschwindigkeit 8 km in der Stunde. Auf der Zahnbahn Goldau-Rigi-Kulm wurden im Jahre 1908 53.000 Reisende, 1684 t Güter und Gepäck befördert.

Für das Lokomotivkilometer werden 21∙2 kg Steinkohle, 0∙10 kg Öl und 0∙098 kg Zahnradschmieröl und für das Wagenachskilometer 0∙0025 kg Wagenschmieröl verwendet.

Ein Teil des Maschinenpersonals, des Zugspersonals und des Personals der Bergstationen kann im Winter nicht beschäftigt werden und bezieht entweder Wartegeld oder bei fester Anstellung eine sich etwas höher als das halbe Gehalt stellende Besoldung.

Ende 1910 beträgt nach der Gesellschaftsbilanz das Anlagekapital für Bahnanlage und[274] feste Einrichtungen 6,525.476 Fr., für Rollmaterial 466.159 Fr., für Mobiliar und Gerätschaften 34.914 Fr., zusammen 7,026.549 Fr., darin sind die Anlagen für den elektrischen Betrieb inbegriffen. Für das Kilometer betragen die Baukosten rund 1/2 Mill. Fr. Das Aktienkapital beträgt 3∙96 Mill. Fr., die konsolidierte Schuld 2∙85 Mill. Fr., die Betriebseinnahmen haben im Jahre 1910 betragen 268.909 Fr., die Ausgaben 168.362 Fr., der Überschuß 100.547 Fr., die Verzinsung der konsolidierten Anleihen erforderte 117.250 Fr. Im Jahre 1910 wurde keine Einlage in den Erneuerungsfonds geleistet, sein Stand betrug am Ende des Berichtsjahres 152.800 Fr.

Verkehrsanschlüsse: In Arth die Dampfschiffe von Zug und Immensee, in Arth-Goldau die Gotthardbahn (S.B.B.), Postverbindung von Einsiedeln, in Rigi-Staffel an die Vitznau-Rigi-Bahn.

Dietler.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 272-275.
Lizenz:
Faksimiles:
272 | 273 | 274 | 275
Kategorien:

Buchempfehlung

Paoli, Betty

Gedichte

Gedichte

Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon