Aufsichtsrecht

[284] Aufsichtsrecht (right of survey; droit de surveillance; diritto di sorveglianza) des Staates, das aus der staatlichen Eisenbahnhoheit (s.d.) fließende Recht, durch entsprechende Einflußnahme auf Bau, Betrieb und Verwaltung von Eisenbahnen das staatliche und öffentliche Interesse an denselben als öffentlichen Verkehrsmitteln zur Geltung zu bringen. Bei der außerordentlichen Bedeutung des Eisenbahnwesens für das gesamte Verkehrsleben darf der Staat den Bau und Betrieb nur unter Bedingungen und Vorbehalten an Private überlassen, die Benachteilung anderer Interessen und insbesondere eine Ausbeutung dieses monopolistischen Rechts zum Nachteil des Gemeinwohls verhindern. Der Staat muß daher zunächst das Recht zur Genehmigung des Baus und Betriebs aller Bahnen für sich in Anspruch nehmen.

Die Durchführung des Baus, bei dem einerseits das Interesse der Förderung desselben, anderseits die widerstreitenden Einzelinteressen zu schützen sind, bedingt zunächst die Gewährung des Enteignungsrechts, zugleich aber die Ausübung des staatlichen Einflusses dahin, daß dieses Recht nicht über das erforderliche Maß hinaus ausgedehnt und dem Beschädigten volle Schadloshaltung zu teil werde. Auch sonst muß der Staat die Ausführung des Baus in bestimmtester Weise unterstützen, jedoch auch dafür Sorge tragen, daß der Bau nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften ausgeführt werde, daß ferner Nachteile, die mit dem Bahnbau für öffentliche und private Interessen verbunden sind, möglichst beschränkt werden.

Ebenso erfordert der Betrieb der Eisenbahnen die staatliche Einflußnahme, damit er stetig aufrechterhalten werde, damit ferner jene Bedingungen, von denen die Sicherheit des Betriebs abhängt (Zweckmäßigkeit der Bahnanlage und Betriebsmittel, ordentliche Unterhaltung der Bahn und Betriebsmittel, Schutz der Anlagen und des Betriebs, Vorsorge für die nötige Anzahl geeigneter Bahnpolizei- und Betriebsbeamten), strenge erfüllt werden, damit endlich der Verkehr vom volkswirtschaftlichen Standpunkt entsprechend geregelt werde. Zu diesem Behufe muß der Staat die Befugnis haben, bei der Festsetzung der Beförderungspreise seinen Einfluß geltend zu machen, die Höhe der Tarife zu begrenzen und zu überwachen, daß den Interessenten nicht zu lästige Beförderungsbedingungen auferlegt werden, daß ferner keine Bevorzugung einzelner vorkomme (Regelung der Beförderungsbedingungen, Veröffentlichung der Tarife etc.), s. auch Homologation der Tarife.

Was endlich die Einflußnahme des Staates auf die Verwaltung betrifft, so ist diese durch die Erwägung geboten, daß von ihrer ordnungsmäßigen Einrichtung und Handhabung eine regelmäßige, den Verkehrsinteressen entsprechende Betätigung dieses Verkehrsmittels abhängig ist. In dieser Richtung muß der Staat zunächst die Aufstellung und den Wirkungskreis der verantwortlichen Verwaltungsorgane regeln, ihre Qualifikation und Tätigkeit überwachen und im Fall Nichtbeachtung der bestehenden Vorschriften strafend einschreiten können.

Von besonderer Wichtigkeit ist die Überwachung der finanziellen Gebarung des[284] Unternehmens, ihrer Buchführung und Bilanzen namentlich dort, wo der Staat selbst finanziell an dem Bahnunternehmen durch Gewährung von Subventionen, Garantien etc. beteiligt ist.

Das A. des Staates äußert sich allerdings zunächst nur den Privatbahnen gegenüber, es läßt sich aber auch gegenüber der Staatsbahnverwaltung von der Ausübung des staatlichen A. insofern sprechen, als die Verwaltungsstellen der Staatsbahnen in der Regel wieder der Überwachung einer höheren, für die allgemeinen Staatszwecke bestellten Behörde (Ministerium, Generalinspektion) überwiesen werden.

Den Privatbahnen gegenüber werden entweder in den Konzessionsurkunden (Bedingnisheften) jene Punkte festgestellt, in denen der Staat sein A. geltend machen will, oder es erfolgt diese Regelung mittels allgemeiner Gesetze und Vorschriften, auf die dann in den einzelnen Konstitutivurkunden lediglich verwiesen wird.

Die Ausdehnung und Abgrenzung des A. hat sich bei den einzelnen Staaten höchst verschiedenartig nach Maßgabe der staatsrechtlichen, politischen und volkswirtschaftlichen Eigenart gestaltet.

Weitgehend erscheint das A. in Deutschland, Osterreich und Ungarn, der Schweiz, neuester Zeit auch in Italien und Rußland ausgebildet. In Frankreich, England und Amerika konnte bisher die Staatsgewalt nicht den entsprechenden Einfluß gegenüber den mächtigen Eisenbahngesellschaften zur Geltung bringen. Ähnliches gilt von Spanien, woselbst eine zur Untersuchung der Eisenbahnmißstände im Jahre 1882 eingesetzte Kommission vor allem die Erhöhung des Einflusses der Regierung auf die Eisenbahngesellschaften sowie die Verstärkung des Eisenbahnaufsichtspersonals angeraten hat.

In der Regel liegt die oberste Aufsicht über Staats- und Privatbahnen in den Händen des betreffenden Fachministeriums, die exekutive Kontrolle dagegen bezüglich der Staatsbahnen bei den höheren Verwaltungsstellen derselben, bezüglich der Privatbahnen bei einer eigenen Kontrollbehörde, neben der für die polizeiliche Aufsicht vielfach noch besondere Organe (Eisenbahngendarmerie) aufgestellt sind. Die polizeiliche Aufsicht zum Schutz der Bahn und des Verkehrs ist vielfach den Bahnbediensteten selbst übertragen (s. Bahnpolizei).

Im Deutschen Reich ist die Aufsicht über die Eisenbahnen zwischen dem Reichseisenbahnamt (s.d.) und den betreffenden Behörden der Bundesstaaten geteilt. Dem Reichseisenbahnamt steht die Aufsichtsführung, Ausführung der reichsrechtlichen Vorschriften und bundesbehördlichen Anordnungen sowie die Abstellung von Mängeln und Mißständen im Reichsgebiet (einschließlich Elsaß-Lothringen) zu. Bei größeren Betriebsunfällen leitet das Reichseisenbahnamt durch seine Kommissionen örtliche Erhebungen ein. In den Wirkungskreis dieses Amtes fallen auch die Angelegenheiten der Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands sowie die Verhandlungen wegen internationaler Vereinbarungen hinsichtlich des Frachtrechts und der Personenbeförderung. Das Reichseisenbahnamt veröffentlicht auch die Reichseisenbahnstatistik sowie das Viehkursbuch. Für Bayern beschränkt sich seine Kompetenz darauf, im Interesse der Landesverteidigung oder des gemeinsamen Verkehrs von Reichs wegen Eisenbahnen in dessen Gebiet anzulegen oder zu konzessionieren sowie gesetzliche Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der für die Landesverteidigung wichtigen Eisenbahnen aufzustellen (Art. 41 u. 46 der Reichsverfassung).

Das Schwergewicht der Aufsichtstätigkeit liegt in den Landesaufsichtsbehörden der einzelnen Bundesstaaten.

In Preußen wird die Aufsicht über die Eisenbahnen gegenüber den Staatsbahnen von dem Ministerium für öffentliche Arbeiten ausgeübt. Zur Überwachung der Privatbahnen, u. zw. hinsichtlich aller finanziellen Bau- und Betriebsangelegenheiten der Eisenbahngesellschaften, der Ausführung der vorgeschriebenen Bahnpolizeireglements und zur Überwachung der Bahnbeamten sind in Preußen die Präsidenten der königl. Eisenbahndirektionen als ständige Kommissäre bestellt.

Den Landesverwaltungs- und Polizeibehörden obliegt vornehmlich die allgemeine landespolizeiliche Aufsicht, das Polizeiverordnungsrecht in betreff des Baus, Betriebs und der Verwaltung, sowie die Ausübung der Polizeistrafgewalt, Mitwirkung bei Prüfung der Konzessionsgesuche und Projekte, dann bei Enteignungs-, Wege-, und Wasserrechtsangelegenheiten. In Bayern führt die Aufsicht das Verkehrsministerium, in Sachsen das Finanzministerium und das Ministerium des Innern (letzteres nur in Tarif- und Fahrplansachen); in Baden und Hessen das Finanzministerium; in Oldenburg das Ministerium des Innern; in Elsaß-Lothringen das Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen.

In Österreich erfolgt die oberste staatliche Leitung und Beaufsichtigung des gesamten Eisenbahnwesens durch das Eisenbahnministerium.

Die Aufsicht und Kontrolle über den Bauzustand und Betrieb der dem öffentlichen[285] Verkehr übergebenen Staats- und Privateisenbahnen zur Handhabung der Ordnung und Sicherheit erfolgt im Sinne der bestehenden Gesetze und Verordnungen und insbesondere in Gemäßheit der Bestimmungen der Eisenbahnbetriebsordnung vom Jahre 1851 durch die dem Eisenbahnministerium unterstehende Generalinspektion der österr. Eisenbahnen.

Für die Privatbahnen werden überdies vom Eisenbahnministerium im Einvernehmen mit den anderen beteiligten Ministerien besondere landesfürstliche Kommissionen (zumeist aus dem Stande der Beamten des Eisenbahnministeriums) bestellt.

Diese haben im allgemeinen darauf zu sehen, daß die Bahngesellschaften die Grenze der ihnen durch die allgemeinen Gesetze sowie durch die Konzessionsurkunden und die sonstigen bestehenden Anordnungen zustehenden Befugnisse und die Bestimmungen der gesellschaftlichen Satzungen nicht überschreiten.

Hinsichtlich jener Bahngesellschaften, bei welchen der Staat finanziell beteiligt ist, haben die landesfürstlichen Kommissionen ihr Augenmerk insbesondere auch jenen Angelegenheiten zuzuwenden, die das Interesse des Staatsschatzes berühren können. Die Kommissäre haben das Recht, den Sitzungen des Verwaltungs- (Aufsichts-) Rates beizuwohnen und allfällige Beschlüsse, die sie als den Gesetzen, den Konzessionen oder den gesellschaftlichen Satzungen als zuwiderlaufend oder dem öffentlichen Interesse nachteilig erachten, zu sistieren.

In Ungarn wird, ähnlich wie in Österreich, die Staatsaufsicht über die Staats- und Privatbahnen durch eine besondere Dienstesstelle, die »königl. ungar. Generalinspektion für Eisenbahnen und Schiffahrt«, ausgeübt.

Nach dem mit 1. Januar 1906 in Kraft getretenen neuen Statute ist die Generalinspektion eine selbständige, dem Handelsminister direkt unterstellte Behörde.

Der Generalinspektion obliegt in ganz ähnlicher Weise wie der Generalinspektion der österr. Eisenbahnen die Aufsicht und Kontrolle über den Bauzustand und den Verkehr der Eisenbahnen, die Überwachung der Einhaltung der bestehenden Gesetze und Verordnungen im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Bahnbetriebs.

Überdies überwacht in Ungarn die Generalinspektion auch die Einhaltung der auf die Tarife, auf das Betriebsreglement sowie auf den Personen- und Frachtenverkehr Bezug habenden Vorschriften, besorgt die Behandlung der Militärangelegenheiten, und überprüft die Kostenvoranschläge und Schlußabrechnungen der den Staat finanziell interessierenden Eisenbahnunternehmungen.

In der Schweiz wir die Aufsicht über die Staats- und Privatbahnen durch die Eisenbahnabteilung des Post- und Eisenbahndepartements der Bundesregierung ausgeübt.

Die Eisenbahnabteilung zerfällt in eine technische und in eine administrative Abteilung, an deren Spitze der technische, bzw. der administrative Direktor stehen.

Dem technischen Direktor ist je ein Inspektor für die bautechnische, für die maschinentechnische und für die betriebstechnische Sektion unterstellt, denen wieder eine entsprechende Anzahl von Kontrollingenieuren, bzw. Betriebsbeamten unterstehen und die den gesamten bau-, maschinen- und betriebstechnischen Dienst zu überwachen haben.

Dem administrativen Direktor unterstehen ein Inspektor für das Tarif- und Transportwesen und ein Inspektor für das Rechnungswesen und die Statistik, denen wieder die erforderlichen Tarifbeamten, Mathematiker und Statistiker unterstellt sind, die die Aufsicht und Kontrolle der einschlägigen Dienstzweige zu besorgen haben.

In Belgien untersteht das Eisenbahnwesen dem Ministerium der Eisenbahnen, Posten und Telegraphen und wird die Verwaltung der Staatseisenbahnen unter der unmittelbaren Leitung des Ministers durch ein Verwaltungskomitee, das aus 5 Administratoren besteht, besorgt. Diesem ist das Zentralbureau, das sich in 5 Direktionen nach Dienstzweigen gliedert, unterstellt. Die oberste Überwachung der verschiedenen Dienstzweige der Staatsbahnen obliegt 5 Generalinspektoren, die unmittelbar dem Minister unterstellt sind. Für die Bau- und Bahnerhaltung, für die Zugförderung und das Fahrmaterial, für den Betrieb, für den Einnahmenkontroll- und Materialdienst und für den Bahnbau ist je ein Generalinspektor bestellt.

Für die Überwachung der konzessionierten Bahnen bestand früher eine besondere »Direktion des Aufsichtsdienstes« über die im Betrieb befindlichen konzessionierten Eisenbahnen.

Mit den königl. Erlässen vom 5. Juli 1893 und 12. November 1894 ist die vollständige Beaufsichtigung der konzessionierten Eisenbahnen der Staatseisenbahnverwaltung überwiesen worden, die diese Aufgabe unter die Direktionen für den Bahnbau und die Bahnerhaltung und die kommerzielle Direktion verteilt hat.

In den Niederlanden wird nach dem Gesetz vom 9. April 1875 die allgemeine Aufsicht[286] über die Eisenbahnen nach Bestimmungen, die vom König nach Maßgabe dieses Gesetzes durch eine allgemeine Verwaltungsverordnung vorgeschrieben werden, durch einen unter dem Minister für Wasserbau, Handel und Industrie stehenden Aufsichtsrat ausgeübt, dessen Mitglieder vom König ernannt werden.

Die Mitglieder des Aufsichtsrates und die ihm unterstellten, mit der fortlaufenden Aufsicht betrauten Beamten haben das Recht auf freie Beförderung in allen Zügen und auf jederzeitigen freien Zugang zu den Eisenbahnen mit ihren Anlagen und Gebäuden, den Lokomotiven, Tendern, Personen- und Güterwagen.

Sie sind berechtigt, über alle den Eisenbahnbetrieb betreffenden Einrichtungen und Angelegenheiten sowie über die dazu gehörigen Pläne, Zeichnungen, Karten und die den Betrieb oder Verkehr betreffenden Bedingungen von Verträgen und Abmachungen Auskunft zu forden.

Die Mitglieder des Aufsichtsrates und die ihm unterstellten Beamten teilen den Verwaltungen der Eisenbahnen schriftlich mit, was nach ihrem Urteil zur Instandhaltung der Eisenbahn und zur ordnungsmäßigen Ausführung des Dienstes zu geschehen hat.

Sie rufen, sofern die Verwaltungen ihren Aufforderungen nicht gehörig folgen, die Entscheidung des Ministers für Wasserbau, Handel und Industrie an. Diese Entscheidung kann auch von den Verwaltungen angerufen werden, wenn sie gegen die Anordnungen Grund zur Beschwerde haben. Bei unmittelbarer Gefahr kann der Aufsichtsrat oder der Minister – unbeschadet der Berufung – Auftrag zur sofortigen Ausführung erteilen.

Keine endgültige Entscheidung wird ohne Anhörung der Verwaltungen oder bevor ihnen Gelegenheit zur Begründung ihrer Beschwerde gegeben ist, getroffen.

Die Entscheidungen des Ministers für Wasserbau, Handel und Industrie müssen innerhalb der dabei zu stellenden Fristen von den Verwaltungen befolgt werden.

Andernfalls kann der Minister:

sofern in bezug auf Unterhaltung oder Erneuerung der Eisenbahn oder der zugehörigen Anlagen und Gebäude, die Befriedigung der Bedürfnisse des Betriebs oder hinsichtlich der Zahl der Beamten und Bediensteten nicht entsprechend vorgesorgt ist, Einstellung des Betriebs anordnen;

sofern in bezug auf die Unterhaltung oder Erneuerung der für den Eisenbahnbetrieb bestimmten Lokomotiven, Tender, Fahrzeuge oder Wagen Mängel bestehen, ihre Benutzung verbieten.

Die Aufsichtsbeamten haben das Recht, Fahrbetriebsmittel aus einem Zuge entfernen zu lassen oder dessen Abfahrt zu verbieten, falls der Zustand des Materials oder die Zusammensetzung des Zuges nach ihrem Ermessen eine Gefahr für die Sicherheit des Betriebs bildet.

Führen die Eisenbahnverwaltungen die von dem Minister angeordnete Unterhaltung oder Ergänzung an der Bahn oder den zugehörigen Anlagen und Gebäuden nicht aus, oder führen sie die von ihm für nötig erachtete Ergänzung der Bedürfnisse des Betriebs und der Zahl der Bediensteten nicht aus, so kann der Minister das Erforderliche auf Kosten der Betriebsunternehmer veranlassen und zu diesem Zweck die zur Ausführung der Unterhaltung oder Erneuerung nötigen auf oder an der Bahn befindlichen Gegenstände in Besitz nehmen.

Diese zu Lasten der Unternehmer erwachsenen Kosten haben den Vorrang vor allen anderen Schulden des Unternehmers.

In Italien wurde nach erfolgtem Obergang der großen Privatbahnen in den Staatsbetrieb das früher mit der Aufsicht der Staats- und Privatbahnen betraute »ufficio speciale per le ferrovie« dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten einverleibt und obliegt diesem nunmehr nur die Aufsicht über die Privatbahnen.

Diesem Amte unterstehen 10 Kreisinspektionen, die den Betrieb der Privatbahnen einschließlich der Tramways und der in Verbindung mit den Eisenbahnen stehenden Seeschiffahrt zu überwachen haben.

Die Aufsicht über die Staatsbahnen wird durch das einen Bestandteil der Generaldirektion bildende Generalinspektorat ausgeübt, das in eine technische und eine administrative Abteilung gegliedert ist und dem die gesamte Kontrolle sämtlicher Dienstzweige, also einschließlich des Bau-, des kommerziellen, des Rechnungs- und Einnahmenkontrolldienstes übertragen ist.

Außerdem sind zur Versehung der Polizeiaufsicht auf den Stationen besondere Eisenbahngendarmen aufgestellt.

In Frankreich ist nach der Verordnung des Präsidenten der Republik vom 9. Januar 1900 die Leitung der Staatsaufsicht über den Betrieb eines jeden großen Hauptbahnnetzes einem Generalinspektor oder einem Oberingenieur des Straßen- und Wegebaus oder des Bergbaus übertragen. Die Oberingenieure haben dieselben Befugnisse und Pflichten wie die Generalinspektoren.

Die Prüfung der Tariffrage sowie aller wirtschaftlichen und Verkehrserscheinungen wird, zufolge Erlasses des Präsidenten der[287] Republik vom 11. Dezember 1901, einem Direktor der Verkehrsaufsicht (Directeur du contrôle commercial) für den Bereich der Hauptbahnen übertragen. Ihm unterstehen der Generalkontroleur jedes Netzes, der Hauptinspektor und die Einzelinspektionen, die Beamten der Verwaltungsaufsicht.

In Rußland obliegt nach dem kaiserl. Erlaß vom 3. (15.) Mai 1899 die Aufsicht über die Staats- und Privatbahnen dem Ministerium der Verkehrswege.

Die Kompetenz des Verkehrsministeriums in Staatsbahnangelegenheiten umfaßt alle Dienstzweige der Bahnen, mit Ausnahme des Tarifwesens, das von einem eigenen Departement des Finanzministeriums geleitet wird.

Die »Reichskontrolle« ist ein mit größten Machtbefugnissen ausgestatteter »Oberster Rechnungshof«. Sie besitzt bei jeder Staatsbahn ihre Abteilung, ihr Vorstand ist einflußreicher als der Bahndirektor und ihre Organe fungieren bei der Direktion sowie auf den Stationen.

Man kontrolliert buchstäblich alles, beteiligt sich bei Übernahme und Ausgabe der Materialien und keine Kassaanweisung der Bahn wird ohne Genehmigung dieser Kontrolle ausbezahlt etc.

Inspektionsorgane, wie solche früher jeder Bahn zugewiesen waren, bestehen schon lange nicht mehr, da der Bahndirektor ebenso ein Organ des Verkehrsministeriums wie die Inspektoren ist, so wurden letztere abberufen, aber die Institution blieb beim Ministerium.

Dem Generalinspektor unterstehen ungefähr 30 Inspektoren, die auf die Bahnlinien, zumeist zu technischen Revisionen, Berichterstattungen etc. ausgesandt werden, auch zu Untersuchungen von Klagen über das Bahnpersonal; bei wichtigen Anlässen, wie z.B. wegen der großen Betrügereien auf der sibirischen Bahn fährt der Generalinspektor selbst.

Das Finanzministerium hat nur einen Vertreter bei jeder Staatsbahndirektion. Letztere bildet ein Kollegium aus Abteilungsvorständen, den Vertretern des Finanzministeriums und der Reichskontrolle, unter Vorsitz des Bahndirektors.

Was die Aufsicht über die Privatbahnen betrifft, so teilen sich in diese das Verkehrsund Finanzministerium sowie die Reichskontrolle, gewöhnlich nachträglich, mit Ausnahme des technischen Dienstes, dessen Beaufsichtigung ziemlich prompt ausgeführt wird.

Durch allerhöchst bestätigten Beschluß des Ministerkomitees vom 30. September 1909 sind die Bestimmungen über die Beaufsichtigung der finnländischen Staats- und Privatbahnen durch das Ministerium der Verkehrswege festgesetzt worden.

Demnach sollen die vom Minister der Verkehrswege ernannten Inspektoren das Recht haben, an den Sitzungen der Verwaltung der finnländischen Eisenbahnen mit Stimmrecht teilzunehmen, zu den Sitzungen des finnländischen Senats beigezogen zu werden, um erforderlich werdende Erklärungen abzugeben und die Forderungen, die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten gehören, dem Hauptdirektor der finnländischen Eisenbahnen oder dem Hauptdirektor der Wege- und Wasserbauten bekannt zu geben. Im Falle der Beanstandung dieser Forderung entscheidet in Verbindung mit dem Generalgouverneur von Finnland der Minister der Verkehrsanstalt..

In Spanien ressortiert das Eisenbahnwesen zu dem im Jahre 1900 errichteten Ministerium für Landwirtschaft, Industrie, Handel und öffentliche Arbeiten.

Ein Reglement vom 8. September 1878 ordnet die Staatsaufsicht. Danach wird eine technische Aufsicht durch Ingenieure und eine kommerzielle Aufsicht durch besondere Inspektoren ausgeübt.

Die einzelnen Netze sind in der Regel hinsichtlich der technischen Aufsicht von besonderen Organen überwacht, an deren Spitze ein Ingenieur en chef steht. Die Behörde für die kommerzielle Aufsicht (früher selbständig) ist durch eine königl. Verordnung vom 21. März 1891 neu organisiert, bzw. mit dem technischen Aufsichtsdienst vereinigt worden.

In England steht die Aufsicht über das Eisenbahnwesen dem Board of Trade (s.d.), zu, dessen Einfluß jedoch gegenüber den Eisenbahngesellschaften kein sonderlich bedeutender ist. Allmählich erweiterte sich allerdings die Einflußsphäre des Board of Trade, so z.B. durch Erlassung technischer Vorschriften u.s.w.

In Amerika wurden von den Einzelstaaten vielfach Kommissäre (commissioners) zur Beaufsichtigung der Eisenbahnen geschaffen, doch fehlte ihnen zumeist die nötige Befugnis, wirksam einzugreifen. Man unterscheidet solche, die die Aufsicht über die Tarife führen (Hintanhaltung von Bevorzugungen, Öffentlichkeit der Tarife u.s.w.) »Strong commissions«, während die anderen als »Weak commissions« bezeichnet werden. Im Jahre 1887 wurde zur Regelung des zwischenstaatlichen Verkehrs vom Bunde eine Art Aufsichtsamt (Interstate commerce commission, s.d.) geschaffen.

v. Röll.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 284-288.
Lizenz:
Faksimiles:
284 | 285 | 286 | 287 | 288
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon