[345] Betriebsverträge (Betriebsüberlassungsverträge) (working agreements; traités d'exploitation; contratti dell'esercizio), Verträge, die die Überlassung des Betriebs einer Bahnlinie vom Eigentümer an eine andere physische oder juristische Person, den Betriebsunternehmer, zum Gegenstande haben. Der Betriebsunternehmer kann den Betrieb auf eigene Rechnung oder auf Rechnung des Bahneigentümers führen.
I. Es bestehen im allgemeinen keinerlei systematische Darstellungen dieser B., die ein eigentümliches Gebilde der Entwicklung der Eisenbahnen sind.
Die B. auf eigene Rechnung des Betriebsunternehmers werden zumeist Pachtverträge sein, wenn dem Betriebsunternehmer mit dem Betrieb der Eisenbahn auch die Einnahmen zufallen, wogegen dieser dem Bahneigentümer einen in Geld bestehenden Pachtzins zu[345] entrichten hat. Der Pachtzins selbst wird entweder in einer festen Rente (für je ein Bahn/km oder für die ganze Bahnlinie) oder in einer bestimmten Verzinsung des Anlagekapitals bestehen. Soll hingegen der Betriebsunternehmer dem Bahneigentümer einen Teil der Bruttoeinnahmen (der Früchte des Betriebs) überlassen, so liegt die Verbindung eines Pachtvertrags mit einem Gesellschaftsvertrage vor. Das gleiche ist der Fall, wenn die Überlassung eines Teiles der Roheinnahmen mit der Bestimmung verbunden wird, daß dem Betriebsunternehmer ein Mindestbetrag entweder fest oder für je 1 km zugesichert wird.
Eine ganz andere juristische Gestalt zeigen die B., die die Betriebsüberlassungen auf Rechnung des Bahneigentümers zum Gegenstande haben. In diesen Fällen verpflichtet sich der Betriebsunternehmer zu einer »Dienstleistung gegen einen gewissen Lohn«, es liegt sonach auf der einen Seite (des Betriebsunternehmers) die Verpflichtung zur Leistung des versprochenen Dienstes, auf der andern Seite (des Bahneigentümers) die Verpflichtung zur Gewährung der vereinbarten Vergütung vor, so daß derartige Verträge je nach dem Umfang der Verpflichtungen des Betriebsunternehmers als Dienst-, Lohn-, Arbeits- oder Werkverträge sich darstellen werden.
In allen diesen Fällen wird vorausgesetzt, daß der Betriebsunternehmer den Betrieb in eigenem Namen führt. Sollte aber die Betriebsführung im Namen des Bahneigentümers erfolgen, so könnte allerdings auch ein einfacher Bevollmächtigungsvertrag zu gründe liegen, was in Wirklichkeit selten vorkommt, etwa nur in einigen Verstaatlichungsgesetzen, wenn die Betriebsführung verstaatlichter Linien bis zur endgültigen Betriebsübernahme durch den Staat noch von den Voreigentümern zu führen ist.
Der Inhalt der B. zeigt aber eine derartige Mannigfaltigkeit, daß es nicht möglich ist, einen konkreten Vertrag in eine bestimmte, im Gesetz vorgesehene Vertragsart einzureihen. Man wird vielmehr vielfach ein Vertragsgebilde vorfinden, das sich am meisten den Innominatkontrakten des römischen Rechtes, angehörend der Gruppe »do, ut facias«, nähern wird.
II. In der Geschichte der Eisenbahnen findet man verschiedene Formen der Betriebsüberlassungen. Die wichtigsten sind folgende:
1. Ein großer Teil von Betriebsüberlassungen betrifft Bahnen, die internationale Anschlüsse herstellen sollen und somit die Verbindung zweier Länder bewerkstelligen. Der darüber abgeschlossene Staatsvertrag enthält Bestimmungen über den Anschluß und Betrieb der auf beiden Gebieten zu bauenden Eisenbahnen. Der Staatsvertrag enthält zunächst die Bestimmung, daß sich die Regierungen beider Staaten zum Ausbau der an der Staatsgrenze anschließenden Eisenbahnlinien verpflichten. Weiter wird in diesen Staatsverträgen vereinbart, daß der eine Staat dem andern die Benutzung der Bahnstrecke in seinem Gebiet überlasse. Der Staat, der eine Bahn von der Reichsgrenze in das Inland betreiben will, wird diesen Betrieb oft von einer Anschlußstation, die noch im Auslande gelegen ist, herleiten müssen.
Die Überlassung des Betriebs einer Bahnlinie im Auslande an den Nachbarstaat oder umgekehrt, findet ihre Regelung in dem Staatsvertrage und in den weiteren Einzelheiten in den darauf beruhenden B.- und Anschlußverträgen und ist aus internationalen und politischen Gründen unerläßlich.
Zurzeit wird in der Regel wobei zunächst nur an europäische Verhältnisse gedacht wird kein Staat seinem Nachbarstaate mehr die Erlaubnis erteilen, in seinem Lande eine Eisenbahnlinie zu bauen und sie zu betreiben. Um jedoch das Entstehen internationaler Anschlüsse und Bahnverbindungen nicht zu unterbinden, wird eben zu der Maßregel gegriffen, daß der Staat entweder selbst oder durch eine inländische Gesellschaft von einer Station in der Nähe der Grenze bis zur Grenze eine Bahnlinie baut, die er dem Nachbarstaate zum Betrieb überläßt, und von der aus sodann die Bahnlinie weiter in das Inland hineinführt.
Diesen Staatsverträgen und den sich darauf gründenden Betriebsüberlassungsverträgen kommt demnach eine wichtige politische Bedeutung zu. Ohne derartige Verträge wäre eine Verbindung zwischen Staaten und Völkern überhaupt nicht gut möglich. (Die Statistik der Bahnen jedes einzelnen Landes enthält eine Übersicht der von diesen Bahnen im Auslande betriebenen Anschlußstrecken. bis zur Grenze des betreffenden Staates.)
Die Herstellung einer neuen Eisenbahnverbindung zwischen zwei Ländern wird somit stets weitere Betriebsüberlassungen eines Anschlußstückes notwendig machen.
2. Eine zweite Gruppe von Betriebsüberlassungen umfaßt die Fälle, in denen der Betrieb einer kleineren Bahnlinie der Verwaltung der anschließenden Hauptbahn übertragen wird.
Auch diese Fälle sind sehr häufig und kommen in allen Ländern vor.
Der nächste Erklärungsgrund für solche B. liegt darin, daß die anschließende Hauptbahn[346] gewöhnlich in der Lage ist, den Betrieb der kleinen Anschlußbahn billiger und leichter zu führen als der Bahneigentümer selbst, da das Hinzutreten der kleinen Anschlußbahn die Verwaltungskosten der Hauptbahn nur unwesentlich erhöht und manche andere Kosten, wie beispielsweise die Beschaffung eines eigenen Fahrparks, bisweilen wegfallen können.
Insbesondere werden Neben- und Lokalbahnen, deren Finanzierung nur durch eine Mitbeteiligung des Staates, anderer Körperschaften oder der Interessenten möglich war, nur dann ohne weitere Mehrbelastung dieser Interessenten betrieben werden können, wenn ihre Betriebsführung von der großen Anschlußbahn einfach mitgenommen wird, ohne daß die Anschlußbahn eine größere Entschädigung verlangt, als eine solche, die ihren eigenen Selbstkosten entspricht.
Denn viele Lokalbahnen, die vom Standpunkte des Privatkapitals als nicht gewinnbringend erscheinen, werden vom volkswirtschaftlichen Standpunkte als Notwendigkeit bezeichnet, so daß vielfach die Betriebsübernahme durch die anschließende Hauptbahn der Lokalbahn die Lebensmöglichkeit verschafft.
Insbesondere werden daher die Staatsbahnen die Aufgabe haben, die Betriebsführung solcher kleinen Anschlußbahnen entweder selbst zu übernehmen, oder auf geeignete Weise wie etwa bei Konzessionserteilungen oder Erweiterungen große Hauptbahnen verpflichten, den Betrieb kleiner Anschlußbahnen gegen eine billige Entschädigung selbst zu übernehmen.
Die Hauptbahn wird dies um so leichter tun können, da die zu eröffnende Lokalbahn auf ihren eigenen Verkehr befruchtend wirken kann.
Vielfach wird für diese Nebenbahnen ein auf den Abschluß von Betriebsüberlassungsverträgen hinzielender Kontrahierungszwang in den Konzessionserteilungen festgelegt.
Derartige Betriebsübernahmen kommen im größeren oder kleineren Umfang in allen Ländern vor. Sehr zahlreich sind diese Fälle in Österreich und in Ungarn, wo die Staatsbahnen eine große Zahl von Lokalbahnen betreiben und zumeist schon in der Konzessionserteilung der Vorbehalt der Betriebsübernahme durch den Staat ausgesprochen ist; ferner in Belgien.
Die schweizerischen Bundesbahnen betreiben zufolge Eintritts in die noch von den früheren Privatbahngesellschaften abgeschlossenen B. mehrere Nebenbahnen, so die Traverstalbahn, die Nebenbahnen Bière-Apples-Morges, Bulle-Romont, Cossonay Bahnhof-Stadt, Visp-Cermatt, Puntrut-Bonfol, aber auch seit der im Jahre 1902 durchgeführten Verstaatlichung der Schweizer Bahnen haben die Bundesbahnen den Betrieb mehrerer Lokalbahnen übernommen.
Nicht minder zahlreich sind die Fälle in England, wo die Privatbahngesellschaften eine Reihe kleinerer Bahnen betreiben, so die Great Western Railway allein über 60. Weniger häufig sind derartige Betriebsübernahmen in den deutschen Bundesstaaten, doch kommen sie auch dort vor; so betreiben die preußischen Staatsbahnen die der Kreis Oldenburger Eisenbahngesellschaft gehörige Strecke Neustadt i. H.-Oldenburg i. H.-Heiligenhofen, die Ilmbahn, die Farge-Vegesaker Eisenbahn und die Birkenfelder Zweigbahn auf Rechnung der Eigentümer.
3. Der Staat übernimmt den Betrieb größerer Privatbahnkomplexe aus eisenbahnpolitischen Gründen und führt den Betrieb entweder auf Rechnung der Eigentümer oder auf eigene Rechnung gegen Zahlung einer Vergütung an die Bahneigentümer. Diese Maßnahme bildet vielfach eine Vorstufe der Verstaatlichung.
Eine der ältesten derartigen Betriebsübernahmen war die der Bergisch-Märkischen Bahn (1850); in Preußen folgten dann weitere Betriebsübernahmen durch den Staat, so z.B. der oberschlesischen Bahn (1856), der Rhein-Nahe-Bahn (1856), der Halle-Sorau-Guben-Bahn (1875), der Berlin-Dresdener Bahn (1877) u.s.w. In den Verträgen, die Preußen später mit den Privatgesellschaften über den staatlichen Erwerb der Linien abschloß, wurde gewöhnlich vereinbart, daß die Betriebsübernahme durch den Staat sofort, dagegen der Übergang in das Eigentum des Staates zu einem späteren Zeitpunkte zu erfolgen hätte.
Auch in Österreich erfolgten seit dem Wiederaufleben des Staatsbahngedankens in zahlreichen Fällen Betriebsübernahmen von Privatbahnen durch den Staat. Diese Übernahmen erfolgten entweder auf Grund eines gütlichen Übereinkommens oder auf Grund des Gesetzes vom 14. Dezember 1877, das die besonderen Rechtsverhältnisse der die staatliche Zinsgarantie genießenden Bahnen ordnet. Dieses Gesetz, das eine zwangsweise Betriebsübernahme von Bahnen, die 5 Jahre hintereinander mehr als die Hälfte des garantierten Erträgnisses in Form von staatlichen Vorschüssen anzusprechen genötigt sind, durch den Staat vorsieht, hat als Vorläufer bei den Verstaatlichungen der Eisenbahnen eine große Rolle gespielt. Auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes erfolgte die Betriebsübernahme der [347] Kronprinz-Rudolf-Bahn, der Vorarlberger Bahn, der Albrechtbahn, der ung.-gal. Bahn, des österreichischen Teiles der Lemberg-Czernowitz-Jassy-Bahn u.a.
Gütliche Übereinkommen wegen Betriebsübernahme wurden beispielsweise geschlossen mit den Verwaltungen der später verstaatlichten Kaiserin Elisabeth-Westbahn, der Prag-Duxer und Dux-Bodenbacher Bahn.
In Belgien sind in zahlreichen Fällen Privatbahnen auf Grund abgeschlossener B. vom Staate in Betrieb genommen worden.
In Rußland ist eine besondere Kommission zur Ausarbeitung eines Planes für die Übernahme zahlungsunfähiger Bahnen in den Staatsbetrieb eingesetzt worden, und es erfolgten mehrfache Betriebsübernahmen dieser Art.
In Rumänien erfolgte gleichfalls die Betriebsübernahme der Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahn durch den Staat.
Als Beispiel der Betriebsübernahme einer Privatbahn durch einen fremden Staat wird die 1872 auf Grund des Staatsvertrages vom 11. Juni 1872 zwischen dem Deutschen Reiche und der luxemburgischen Regierung erfolgte Betriebsübernahme der 170 km langen Wilhelm-Luxemburger Bahn durch die elsaß-lothringischen Reichseisenbahnen angeführt.
4. Betriebsüberlassungen größerer Staatsbahngebiete an Privatgesellschaften in verschiedenem Umfang findet man beinahe in allen Ländern. Solche Betriebsüberlassungen erscheinen in der Geschichte der Eisenbahnen entweder als eine Finanzoperation in bedrängten Zeiten oder als besonderes Betriebssystem.
Bei Betriebsüberlassungen als Finanzoperation sind nicht so sehr Erwägungen sachlicher Art und Erfordernisse der allgemeinen Volkswirtschaft ausschlaggebend, als vielmehr die augenblickliche, meistens sehr bedrängte Finanzlage des Staates, so daß man mit derartigen Betriebsüberlassungen keine guten Erfahrungen gemacht hat. In der Geschichte der Eisenbahnen findet man eine ganze Menge derartiger Fälle.
Eine Verpachtung von Staatsbahnen an Privatgesellschaften bildete die in der Mitte der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts erfolgte Betriebsüberlassung der österr. Staatsbahnen an neugebildete Gesellschaften auf 90 Jahre, u. zw. nicht gegen einen jährlichen Pachtzins, sondern gegen die in wenigen Raten zu entrichtende Zahlung eines größeren Kapitals.
Als Betriebssystem findet man die Betriebsüberlassung von Staatsbahnen an Privatgesellschaften in den Niederlanden und in Italien. Die niederländischen Staatseisenbahnen mit einem Netz von über 1500 km sind an die Gesellschaft für den Betrieb von niederländischen Staatseisenbahnen verpachtet, die diese neben anderen gepachteten und eigenen Linien betreiben. Die italienischen Staatsbahnen wurden 1885 an drei große Privatgesellschaften verpachtet. Der Erfolg war aber kein günstiger. In Italien hat der Staat durch Gesetz vom 22. April 1905 den Betrieb selbst übernommen.
Die Geschichte des Eisenbahnwesens lehrt, daß die Betriebsüberlassung von Staatsbahnen an Private für die Allgemeinheit nicht als vorteilhaft bezeichnet werden kann. Soll eine weitgehende Beeinträchtigung von wesentlichen allgemeinen, finanziellen und wirtschaftlichen Interessen nicht erfolgen, so müssen folgende nur schwer zu erfüllende Bedingungen gestellt werden:
a) ausreichende Staatskontrolle über Betrieb und Tarifwesen, strenge Kontrolle des Zustandes der Bahn samt Zubehör;
b) nicht allzulange Pachttermine und jedenfalls Vorbehalt der Kündigung des Staates auch innerhalb der Vertragsdauer;
c) Festsetzung des Pachtzinses auf einen festen Geldbetrag oder einen Anteil am Bruttoertrage oder am Reingewinn, den der Pächter über einen bestimmten Mindestbetrag bezieht.
III. Was den Inhalt des B. betrifft, so wird zunächst daran festzuhalten sein, ob die Betriebsüberlassungen auf eigene Rechnung des Betriebsunternehmers oder auf Rechnung des Bahneigentümers erfolgen soll. Sodann wird zu beachten sein, ob es sich um bereits im Betrieb stehende oder erst zu eröffnende Eisenbahnen handelt. Weiter werden die Betriebsüberlassungen der verschiedenen oben angedeuteten Gruppen verschiedenartige B. zur Grundlage haben.
In vielen Fällen, namentlich bei Kleinbahnen, wird der Vertrag über den Bau einer Bahnlinie mit einem Vertrag über ihren Betrieb durch den Betriebsunternehmer verbunden sein, wie dies namentlich in Deutschland häufig vorkommt.
Im allgemeinen werden die B. zu regeln haben:
a) Der Vertragsgegenstand. Danach wird in der Regel festzusetzen sein, daß die ganze Bahnstrecke in gutem und betriebsfähigem Zustand und mit allen für den regelmäßigen und sicheren Betrieb notwendigen Ausrüstungsgegenständen samt allen für die Verwaltung notwendigen Plänen, Verträgen etc. zu übergeben ist, so daß der Betriebsunternehmer nur das Personal und die Verbrauchsgegenstände[348] beizustellen hat, um den Betrieb sofort auszuführen.
Den Fahrpark wird gewöhnlich der Bahneigentümer stellen. Es kommt aber namentlich bei kleineren Anschlußstrecken vor, daß der Betriebsunternehmer die Fahrzeuge beistellt. Bei neu zu eröffnenden Bahnen kommen häufig Fälle vor, daß der Betriebsunternehmer die Stellung der Fahrzeuge gegen einmalige Entrichtung einer Pauschalsumme oder gegen Zahlung einer jährlichen Zins- und Tilgungssumme besorgt.
Der erste Vorrat der für den Betrieb erforderlichen Verbrauchsmaterialien wird gewöhnlich von den Bahneigentümern beschafft, oft stellt ihn aber auch der Betriebsunternehmer.
b) Beistellung des Betriebspersonals. Bei neu zu eröffnenden Bahnen wird es Aufgabe des Betriebsunternehmers sein, das Personal zu stellen. In manchen Fällen wird der Betriebsunternehmer verpflichtet, das beim Bahnbau beschäftigte Personal auch für den Betrieb weiter zu verwenden. Bei bereits im Betrieb stehenden Bahnlinien wird der Betriebsunternehmer verpflichtet, das vorhandene Betriebspersonal unter Wahrung seiner bisherigen Rechte zu übernehmen und weiterhin zu belassen. In disziplinarer Hinsicht ist das Betriebspersonal immer dem Betriebsunternehmer unterstellt.
c) Regelung der Anschlußverhältnisse. Führt der Eigentümer des Abzweige- (Anschluß-) Bahnhofes zugleich den Betrieb der Anschlußbahn, so werden B. auch die Bestimmungen über die Mitbenutzung der Anschlußstation und der Bahnhofsanlagen enthalten. In der Regel werden die wegen der Einmündung einer neuen Bahn erforderlichen Erweiterungs- und Umgestaltungsbauten von dem Eigentümer der neuen Linie selbst besorgt oder auf seine Kosten von dem Eigentümer der Anschlußstation ausgeführt werden. Regelmäßig gehen diese Erweiterungsbauten in das lastenfreie Eigentum des Eigentümers der Anschlußstation über.
Sollen hingegen die aus Anlaß der Einmündung der neuen Linie erforderlichen Erweiterungen auf Kosten des Eigentümers der Anschlußstation besorgt werden, so hat der Eigentümer der neu hinzukommenden Anschlußbahn diese Kosten zu verzinsen.
Desgleichen haben die Bahneigentümer der neuen Linie für die Besorgung des Stationsdienstes einen Beitrag zu entrichten, der gewöhnlich so ermittelt wird, daß die gesamten Stationsdienstkosten nach gewissen Schlüsseln, zumeist nach Maßgabe des Verkehrs, auf die beiden Verwaltungen aufgeteilt werden.
Im volkswirtschaftlichen oder staatlichen Interesse können die Hauptbahnen auf geeignete Weise angehalten werden, den anschließenden Neben- und Kleinbahnen Erleichterungen in den Anschlußdienstkosten zu gewähren.
Führt der Eigentümer der Anschlußbahn nicht zugleich den Betrieb der neu hinzutretenden Linie, so erfolgt die Regelung der Anschlußverhältnisse nicht im B., sondern in einem besonderen Anschlußvertrage.
d) Die Herstellung nachträglicher Bauten und Vermehrung des Inventars. Die Kosten hierfür werden bei Betriebsführungen auf Rechnung des Eigentümers immer diesem zur Last fallen. Bei Betriebspachtverträgen, d.i. bei Betriebführungen auf eigene Rechnung, werden nachträgliche Bauten vielfach auf Kosten des Betriebsunternehmers auszuführen sein. Besonders in den Staatsverträgen über internationale Anschlußstrecken findet sich vielfach die Bestimmung vor, daß selbst durch höhere Gewalt verursachte außerordentliche Schäden niemals die Bahneigentümer, sondern stets die betriebführende Verwaltung treffen sollen. Die Erklärung hierfür liegt darin, daß die betriebführende Verwaltung des Anschlußstückes, meistens die anschließende Staatseisenbahnverwaltung, aus staatsrechtlichen Gründen nicht Eigentümerin dieses Anschlußstückes sein kann, tatsächlich aber alle Nutzungen aus diesem Anschlußstück allein zieht, somit wie dies in vielen Staatsverträgen ausgedrückt wird in alle Verpflichtungen eines Nutznießers (Usufruktuars) tritt, und dieser in Wirklichkeit einem Eigentümer gleichzustellen ist.
e) Regelung der Tarife. Bei Betriebsüberlassungen auf Rechnung des Eigentümers steht innerhalb der konzessionsmäßigen Grenzen den Bahneigentümern das Recht auf Feststellung der Tarife zu. Bei Betriebsüberlassungen auf eigene Rechnung steht dieses Recht natürlich wieder nur im Rahmen der Grenzen der Konzession dem Betriebsunternehmer zu.
f) Die Haftung aus dem Betriebe. Diese trifft nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen Dritten gegenüber immer die betriebführende Verwaltung, mag die Betriebführung auf eigene oder fremde Rechnung erfolgen.
g) Pachtzins, Betriebskostenvergütung, Rechnungslegung und Kontrolle. Bei Betriebsüberlassungen auf eigene Rechnung werden besondere Vereinbarungen über eine Rechnungslegung nicht erforderlich sein, wenn der Betriebsunternehmer dem Bahneigentümer einen festen Pachtzins (Rente) entrichtet. In diesem Falle wird eine gegenseitige Rechnungslegung nur bei nachträglichen Bauten zu vereinbaren[349] sein. Wenn jedoch der Betriebsunternehmer den Betrieb wohl auf eigene Rechnung, aber gegen Überlassung eines Anteils an den Roheinnahmen führt, oder wenn eine Betriebsüberlassung auf fremde Rechnung erfolgt, so wird der B. eine genaue Darstellung der Rechnungslegung und der Kontrolle enthalten müssen.
Bei Betriebsüberlassung auf eigene Rechnung werden die Entschädigungen festgesetzt, die der Betriebsunternehmer dem Bahneigentümer zu entrichten hat. Die Entschädigung besteht entweder wie oben bereits angedeutet in einer festen Rente oder in einem Anteil an den Bruttoeinnahmen oder schließlich aus einer Kombination einer festen Rente mit einem Anteil an den Bruttoeinnahmen.
Betriebsüberlassungen auf fremde Rechnung enthalten Festsetzungen über die Vergütungen an die Betriebsnehmer seitens der Bahneigentümer. In dieser Richtung finden sich hauptsächlich zwei Entschädigungsarten vor: die reine Selbstkostenvergütung und die Pauschalvergütung. Die Selbstkostenvergütung liegt vor, wenn die dem Betriebsunternehmer erwachsenden Kosten entweder nach dem tatsächlichen Aufwände oder, wo dies nicht gut möglich ist, wie bei den Anschlußkosten, nach gewissen Verteilungsschlüsseln berechnet werden, denen bisweilen ein prozentualer Zuschlag für Regiezwecke in Anrechnung gebracht wird. Bei der Pauschalvergütung sind die von dem Bahneigentümer dem Betriebsunternehmer zu ersetzenden Entschädigungen in erster Linie nach einem bestimmten Prozentsatze der Roheinnahmen bemessen, wobei dem Betriebsunternehmer gewöhnlich ein gewisser Mindestbetrag zugesichert wird. Überdies werden bei den Pauschalvergütungen einzelne Ausgaben, wie z.B. Steuern, Gebühren u.s.w. oft nebst dem Pauschale noch besonders vergütet, wie auch umgekehrt bei der Selbstkostenvergütung einzelne Ausgaben mit einem Pauschalbetrage festgesetzt sein können.
h) Vertragsdauer. Internationale B. hängen in ihrer Geltung von jener der Staatsverträge ab; eine Änderung oder ein Außerkrafttreten der Staatsverträge führt eine Änderung oder ein Erlöschen der B. herbei.
Mit Rücksicht auf die Schwierigkeit des Betriebsunternehmens werden sämtliche B. regelmäßig auf eine sehr lange Dauer, zumeist auf Konzessionsdauer abgeschlossen. Eine vorzeitige Auflösung des Vertrages wird in der Regel nur bei Nichterfüllung der Vertragspflichten zugelassen. In Staaten mit reinem Staatsbahnsystem wird meistens dem Staate das Recht der Betriebsführung während der Konzessionsdauer vorbehalten.
i) Ratifikation der Verträge. Internationale Staatsverträge bedürfen meist der Genehmigung durch die gesetzgebenden Faktoren der beteiligten Staaten.
Innerstaatliche B. zwischen der Staatsverwaltung und Privatgesellschaften bedürfen, sofern der Vertrag für den Staat bleibende finanzielle Verpflichtungen in sich schließt, nach den staatsrechtlichen Bestimmungen gleichfalls der Genehmigung der Volksvertretung; die Notwendigkeit einer solchen Zustimmung ist insbesondere in Preußen von den beiden Kammern wiederholt ausgesprochen worden.
Auch wenn der Staat nicht Kontrahent ist, so bedürfen doch B. der Genehmigung der Regierung. Dieses Erfordernis ergibt sich schon aus dem Wesen der B., die regelmäßig mit einer bestimmten Person abgeschlossen werden und deshalb ohne Genehmigung der Staatsverwaltung nicht weiter übertragbar sind. In dem schweizerischen Eisenbahngesetz vom 23. Dezember 1872, Art. 10, ist diese Unübertragbarkeit der Konzession ausdrücklich ausgesprochen. In diesem Gesetze ist genau festgestellt, nach welcher Richtung die Überprüfung der B. erfolgen soll (Bundesblatt 1885, III, 78, 99, IV, 243). Die B. unterliegen der Genehmigung der Bundesversammlung, wie z.B. der B. zwischen der Gesellschaft der Traverstalbahn und der Generaldirektion der Bundesbahnen, der mit Bundesbeschluß vom 23. Juni 1905 die Genehmigung fand, oder der zwischen der Eisenbahngesellschaft Martigny-Châtelard und der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen, der mit Bundesbeschluß vom 30. März 1906 genehmigt worden ist. Diese Genehmigung wird auf beschränkte oder unbeschränkte Zeit erteilt. In allen derartigen Bundesbeschlüssen wird stets der Vorbehalt gemacht, daß für die Erfüllung der von dem Betriebsunternehmer übernommenen gesetzlichen und konzessionsmäßigen Pflichten im Sinne des schweizerischen Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 stets der Bahneigentümer haftbar bleibt.
In Deutschland, Österreich und Ungarn fehlen derartige eingehende Vorschriften über die Genehmigung der Staatsverträge, aus dem Wesen der Konzessionserteilung ergibt sich aber von selbst die Notwendigkeit der Genehmigung durch die Zentraleisenbahnbehörde des Staates.
In Frankreich herrscht die Auffassung vor, daß die B. auch ohne Genehmigung seitens der[350] Regierung oder des Parlaments abgeschlossen werden können, indem solche Betriebsüberlassungen die Verpflichtungen des Konzessionärs nicht ändern. Eine solche Ermächtigung des Parlaments pflegt nur dann verlangt zu werden, wenn der Staat finanziell an der Betriebsüberlassung als Übergebender oder Übernehmender beteiligt ist.
Auch in Belgien ist für Betriebsüberlassungen die Zustimmung der Regierung notwendig.
In den Niederlanden ist insbesondere der Gesellschaft für den Betrieb der niederländischen Staatseisenbahnen verboten, den Betrieb ohne Ermächtigung des Staatsoberhauptes an andere Unternehmer abzutreten oder weitere Linien in Betrieb zu übernehmen.
In Spanien ist lediglich die Anzeige an das Ministerium notwendig.
In England verbietet das Gesetz vom 4. August 1885 jede Betriebsüberlassung ohne Zustimmung des Parlaments. In Wirklichkeit sind Betriebsüberlassungen bis zu gewissen Grenzen auch ohne Zustimmung des Parlaments möglich. Vollständige Betriebsgemeinschaftsverträge bedürfen jedoch unbedingt der Genehmigung des Parlaments; es hat damit ein wirksames Mittel, um in England, das keine Staatsbahnen kennt, das zu starke Anwachsen des Eisenbahnmonopols zu verhindern.
In den Vereinigten Staaten von Amerika sind, um den Wettbewerb im allgemeinen Interesse nicht zu unterbinden, in den Konzessionserteilungen in der Regel nur die Eisenbahnbetriebsgemeinschaften von Wettbewerbslinien verboten, wogegen ohneweiters Betriebsüberlassungen oder Betriebsvereinigungen einer Bahnlinie mit einer anderen gestattet sind, die lediglich die Fortsetzung der ersteren bildet, wo also von einem Wettbewerb nicht die Rede sein kann (s. auch Betriebsgemeinschaften).
Literatur: Sax, Die Eisenbahnen. Wien 1879. Wagner, Finanzwirtschaft. Leipzig. Meili, Internationale Eisenbahnverträge. Hamburg 1887. Leyen, Die Verkehrs- und Finanzpolitik der nordamerikanischen Eisenbahnen. Berlin 1895.
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