Bulgarische Staatseisenbahnen

[155] Bulgarische Staatseisenbahnen. Bulgarien besaß 1911 ein durchgehends vollspuriges Bahnnetz von 1932 km. Der Zeitpunkt der Inbetriebsetzung, die Länge sowie das Anlagekapital der einzelnen Linien ist aus Tabelle S. 156 zu ersehen.

Im Bau begriffen waren 295 km und in 'Bauvorbereitung 804 km vollspurige Linien.

Die älteste Bahnlinie Bulgariens verbindet Rustschuk an der Donau mit Varna am Schwarzen Meere. Schon zu Beginn des Jahres 1857 tauchte in Konstantinopel (Bulgarien gehörte damals zum türkischen Reiche) in militärischen Kreisen der Gedanke auf, die türkische Hauptstadt mit der Donau durch einen Schienenweg über Adrianopel-Jamboli- (mit Zweiglinien nach den Meereshäfen Burgas und Varna)-Schumla nach Rustschuk führend, zu verbinden. Ein Ferman des Sultans kündigte im Jahre 1861 den Bau der 223 km langen Eisenbahnlinie Rustschuk-Varna an. Der Bau wurde der englischen »The Danube and Black Sea Railway and Küstendje Harbour Company Limited« im Oktober 1863 übertragen.

Die eingleisige, vollspurige Linie war binnen 3 Jahren fertigzustellen, das Anlagekapital betrug 2 Mill. ₤. Die Baugesellschaft erhielt das Betriebsrecht auf die Dauer von 99 Jahren, und die türkische Regierung verpflichtete sich, während der ersten 33 Jahre einen jährlichen Zuschuß von 140.000 ₤, während der nächsten 33 Jahre einen solchen von 120.000 und während der letzten 33 Jahre 100.000 als Beihilfe zu gewähren. Der Bau begann im Jahre 1864, und konnte die Eisenbahnlinie am 7. November 1866 dem öffentlichen Verkehre übergeben werden. Sowohl die Bauausführung als auch die Bahnausstattung waren sehr mangelhaft. Im Jahre 1869 gelang es der englischen Gesellschaft, die Bahn an die türkische Regierung für 2 Mill. zu übertragen.[155]


Bulgarische Staatseisenbahnen

Im Jahre 1873 ging die Bahn an die »Compagnie Générale pour l'Exploitation des Chemins de fer de la Turquie d'Europe« über, unter der Bedingung, daß der Überschuß der Roheinnahmen von 7000 Fr. verteilt werden sollte, u. zw. 45% an die Compagnie Générale und 55% an die englische Gesellschaft. Der der englischen Gesellschaft zukommende Anteil sollte gegenüber der von der Regierung zu zahlenden Garantie, als Reingewinn angesehen werden.

Die Zuschüsse von 140.000 konnte die Türkei nur bis zum Jahre 1874 leisten. Infolge der politischen Umwälzungen, des russisch-türkischen Krieges 1877/78 und des darauf folgenden Staatsbankerotts war die Türkei außer stande, ihren finanziellen Verpflichtungen weiterhin nachzukommen.

Früher schon war bei den türkischen Machthabern der Plan gereift, die Türkei durch einen Schienenweg mit Mitteleuropa zu verbinden. Darnach sollte eine Eisenbahnlinie von Konstantinopel ausgehend, über Adrianopel-Tirnovo-Seymen-Philippopel-Bellovo-Sofia-Nisch-Prischtina-Sarajevo führend, an einem Punkte der österreichisch-ungarischen Grenze Anschluß an das Eisenbahnnetz dieses Staates haben. Von Adrianopel sollte eine Zweigbahn nach Enos (Dedeagatsch) am Ägäischen Meere, von Tirnovo Seymen über Jamboli nach Burgas sowie nach Varna am Schwarzen Meere und von Prischtina über Üsküb nach Salonik führen.

Nach langwierigen Unterhandlungen mit ausländischen Unternehmern erhielt Baron Hirsch am 17. April 1869 Konzessionen für den Bau und Betrieb des türkischen Eisenbahnnetzes.

Die Hauptlinie von Konstantinopel bis Bellovo, 560∙8 km, konnte am 4. April 1873 dem öffentlichen Verkehr übergeben werden. Die 105∙7 km lange Zweigbahn Tirnovo-Seymen-Jamboli wurde am 4. November 1874 eröffnet. Der weitere Ausbau der Hauptlinie wurde nach den Bestimmungen der Art. X und XXXVIII des Berliner Vertrages vom Jahre 1878 dem neugegründeten Fürstentum Bulgarien und Serbien übertragen, welche beide Staaten auch rücksichtlich des Eisenbahnbaus und -betriebs in alle Rechte und Pflichten der Türkei eintraten. Die Türkei blieb noch verpflichtet zum Bau der Anschlußlinie Bellovo-Vakarel, während das Fürstentum Bulgarien die Linie Vakarel-Sofia-Zaribrod-serbische Grenze und Serbien im Anschluß daran die Linie über Pirot-Nisch gegen Prischtina zu bauen hatte.

Noch vor dem Zusammentritte des Berliner Kongresses wandte sich die Betriebsgesellschaft (Baron Hirsch) an die englische Regierung mit der Bitte, ihre Interessen auf dem Kongreß zu fördern, da sie hauptsächlich durch die inzwischen erfolgte Regulierung der Donaumündungen, die das Eindringen überseeischer Schiffe in die Donau erleichterte, im Güterverkehr geschädigt war.[156]

In den angeführten Artikeln des Berliner Vertrages; die gleichlautend (für Bulgarien und für Serbien) sind, wurde bestimmt: »La principauté de Bulgarie (Serbie) est (de même) substituée, pour sa part, aux engagements que S. Porte a contractés tant envers l'Autriche-Hongrie, qu'envers la compagnie pour l'exploitation des chemins de fer de la Turquie d'Europe par rapport à l'achèvement et au raccordement, ainsi qu'à l'exploitation des lignes ferrées, situées sur son territoire«.

Meinungsverschiedenheiten, die über die im Art. X des Berliner Vertrages festgestellten früheren Verpflichtungen der Türkei, zwischen der englischen Gesellschaft und dem bulgarischen Staate entstanden, wurden dadurch ausgeglichen, daß die bulgarische Regierung die Bahn Rustschuk-Varna käuflich zu erwerben beschloß.

Bulgarien erklärte sich bereit, 441/2 Mill. Fr. zu zahlen, u. zw. 6 Mill. bar, den Rest in 6%igen Staatsschuldscheinen, die zum Nennwert angenommen werden sollen. Die Zinsen sollten vom 1. Januar 1885 ab laufen und halbjährig bezahlt werden.

Am 10. Juli 1886 bestätigte die bulgarische Nationalversammlung dieses Übereinkommen und am 10./22. August 1888 übernahm die bulgarische Regierung den Betrieb der Linie Rustschuk-Varna.

In dem zweiten Absätze der Art. X und XXXVIII des Berliner Vertrages wurde zur Verständigung über die Führung der Linien und Feststellung der Bahnanschlüsse die Einsetzung einer Kommission vorgesehen, bestehend aus Vertretern Österreich-Ungarns, Serbiens, Bulgariens und der Türkei. Diese traten im Jahre 1881 als sog. »Conférence à quatre« in Wien zusammen und einigten sich im Jahre 1883 unter anderem auch über den Anschluß der serbisch-bulgarisch-türkischen Bahnen, u. zw. in Belgrad, Zaribrod, Vakarel und Bellovo. Nach der Konvention verpflichteten sich die beteiligten Staaten zur Ausführung der auf ihr Gebiet fallenden Linien bis zum 15. Oktober 1886.

Eine besondere serbisch-bulgarische Kommission vom Jahre 1884 traf die Abmachung, daß die bulgarische Verbindungslinie zwischen den serbischen und türkischen Bahnen über Zaribrod-Sofia nach Vakarel (an der damaligen ostrumelischen Grenze) zu führen sei.

Nach einem Gesetz vom Dezember 1884 hatte die bulgarische Nationalversammlung die Art und Weise, wie die geplanten Bahnen gebaut werden sollten, zu genehmigen. Dasselbe Gesetz erklärte sich auf Grund der gemachten Erfahrungen für den staatlichen Betrieb. Dementsprechend werden die Eisenbahnen in Bulgarien als Staatsbahnen gebaut und vom Staate selbst verwaltet.

Durch den im Jahre 1885 zwischen Serbien und Bulgarien ausgebrochenen Krieg wurde der Bahnbau verzögert, so daß erst am 7. Juli 1888 auf der bulgarischen Strecke der lokale Verkehr und am 27. Juli desselben Jahres der internationale Durchgangsverkehr eröffnet werden konnte, nachdem vorher die auf Kosten des türkischen Staates durch die »Société des raccordements« fertiggestellte Linie Vakarel-Bellovo in bulgarischen Staatsbetrieb übernommen worden war. Später verständigte sich die bulgarische Regierung mit der türkischen dahin, daß erstere an die letztere für die Strecke Vakarel-Bellovo eine jährliche Pacht von 1500 Fr. für 1 km zu zahlen hatte.

In dem Gesetze vom 18. Dezember 1888 wurde ein Plan für den Ausbau des bulgarischen Eisenbahnnetzes festgestellt, nach dem folgende vollspurige Linien hergestellt werden sollten:

1. Die Zentralbahn bulgarisch-türkische Grenze- Küstendil-Radomir-Pernik-Sofia-Roman-Mezdra- Pleven-Gornia Orechowitza-Kaspitschan (Station der Linie Rustschuk-Varna);

2. die Transbalkanbahn Rustschuk-Gornia Orechowitza-Tirnovo-Nova Zagora, bzw. Stara Zagora;

3. die Parallelbahn Nova Zagora-Stara Zagora-Tschirpan-Philippopel-Sarambey sowie mehrere Zweig- und Nebenbahnen.

Zur Ausführung dieses Programmes wurden 105 Mill. Lews (Fr.) bewilligt.

Um die Zweigbahn Tirnovo Seymen-Jamboli (der orientalischen Eisenbahnen), die den Verkehr aus dem fruchtbarsten Teile Südbulgariens nach dem von letzterer Station 333 km entfernten türkischen Meereshafen Dedeagatsch vermittelte, mit dem nur 111 km entfernten bulgarischen Hafen von Burgas zur Förderung des Außenhandels Bulgariens zu verbinden, wurden Ende 1887 von der bulgarischen Nationalversammlung für den Bau dieser Strecke die nötigen Mittel bewilligt, und konnte die Linie Jamboli-Burgas am 18. Mai 1890 dem Verkehre übergeben werden.

Durch die am 9./21. Dezember 1893 fertiggestellte Strecke Sofia-Pernik wurde das für das ganze Land so wichtige Kohlenbergwerk Pernik erschlossen.

Die Teilstrecke Kaspitschan-Schumla wurde im Juni 1895, die Linie Radomir-Pernik am 6./18. Februar 1897 und die Linie Sofia-Roman am 8./20. Februar desselben Jahres eröffnet.

Vorher, am 8. März 1894, wurde aus verkehrstechnischen Rücksichten zwischen der[157] bulgarischen Regierung und der Verwaltung der orientalischen Eisenbahnen die Vereinbarung getroffen, daß der Betrieb der 9∙88 km langen Teilstrecke Bellovo-Sarambey durch die bulgarischen Staatsbahnen gegen eine Vergütung von 6 Cts. für jedes gefahrene Achs/km nebst 1200 Fr. an Bahnerhaltungskosten für je 1 km Bahnlänge geführt werde, wogegen die Einnahmen den orientalischen Eisenbahnen verblieben.

Die 3 räumlich getrennten Eisenbahnlinien Bulgariens (Rustschuk-Varna, Zaribrod-Bellovo und Jamboli-Burgas) durch Schienenwege zu verbinden, war aus wirtschaftlichen und verwaltungspolitischen Interessen für Bulgarien eine Notwendigkeit. Aus diesem Grunde machte im Jahre 1892 Bulgarien eine Anleihe von 142 Mill. Fr., zumeist für den Eisenbahnbau.

Im Jahre 1897 wurde der Ausbau des letzten Abschnittes der Zentralbahn (Roman-Pleven-Schumen) begonnen, und erfolgte im Jahre 1899 (am 18. Juli, bzw. 8. November) die Eröffnung des Betriebes auf dieser Strecke.

Um die Beförderung der Baumaterialien, Werkzeuge u.s.w. billiger und leichter bewerkstelligen zu können, baute die Gesellschaft, der der Bau der Linie Roman-Schumen übertragen worden war, von Somovit an der Donau nach Jassen, einer Station in der Nähe von Pleven, eine vollspurige, an die Hauptlinie anschließende Bahn. Diese Zweigbahn ging durch Kauf im Jahre 1899 für den Preis von 672.948 Lews in den Besitz des Staates über, der sie für den regelmäßigen Personen- und Güterverkehr einrichten ließ.

Die Trennung der Strecke Jamboli-Burgas von dem übrigen Netze der bulgarischen Staatsbahnen durch die dazwischen liegenden Linien der orientalischen Bahnen hatte mancherlei Nachteile zur Folge. Zu diesen gehörte auch die Verschiedenheit der Tarife zwischen Staatsbahn und den im Privatbetrieb befindlichen Linien der orientalischen Bahnen. Aus diesem Grunde und um eine kürzere Verbindung zwischen der Landeshauptstadt und der wichtigen Hafenstadt Burgas zu gewinnen, hauptsächlich aber, um sich von der Abhängigkeit in tarifarischer Hinsicht von den orientalischen Eisenbahnen zu befreien und den Außenhandel Südbulgariens von dem in den Bereich dieser Bahnen fallenden türkischen Hafen Dedeagatsch zugunsten des Hafens von Burgas abzulenken, beschloß die bulgarische Regierung in Ausführung des Eisenbahngesetzes vom Jahre 1888 den Bau der 190 km langen sog. Parallelbahn von Nova Sagora über Tschirpan-Philippopel nach Sarambey. Die Arbeiten wurden im Oktober 1896 an eine Baugesellschaft vergeben. Bei dem Baue ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten, zu deren Beseitigung folgende Bestimmungen vereinbart wurden:

Bulgarien verpflichtet sich, eine 5%ige, hypothekarisch sichergestellte Eisenbahnanleihe von 260 Mill. Fr. auszugeben, u.zw.:

1. Zur Bezahlung aller Obligationen der noch nicht getilgten 6%igen Staatsanleihen aus den Jahren 1889 und 1892,

2. zur Bezahlung der schwebenden Schulden,

3. zum Bau der Eisenbahnen: Nova Sagora-Stara Sagora-Tschirpan (80 km); Radomir-Küstendil-türkische Grenze; Philippopel-Karlovo-Kasanlik-Stara Sagora, bzw. Nova Sagora; Mezdra-Vratza-Widdin; Rustschuk-Gornia Orechowitza-Tirnovo-Stara Sagora, bzw. Nova Sagora.

Ferner verpachtet die bulgarische Regierung den fertigen Teil (Nova Sagora-Tschirpan) der Parallelbahn auf die Dauer von 25 Jahren an die Betriebsgesellschaft der orientalischen Eisenbahnen und wird der Weiterbau der Parallelbahn eingestellt.

Der Vertrag enthielt außerdem Bestimmungen über die einheitliche Erstellung der Tarife und ihre Ermäßigung auf den Linien der orientalischen Bahnen in Bulgarien.

Eine 8∙5 km lange Bahnlinie nächst der Station Gebedje der Linie Rustschuk-Varna, nach dem Mühlendorfe Devna wurde zu dem Zweck gebaut, um die nicht unbedeutende Mühlenindustrie dieses Ortes durch Erleichterung der Ausfuhr über Varna in Konstantinopel konkurrenzfähig zu machen. Die Eröffnung fand am 27. September 1898 statt.

Nach dem Ausbau der Zentralbahn über Sofia nach Kaspitschan führt von der Landeshauptstadt Bulgariens je eine direkte Eisenbahnlinie durch Nordbulgarien an das Schwarze Meer nach Varna und durch Südbulgarien nach Burgas. Diese beiden, nahezu parallel laufenden, durch den Balkan getrennten Hauptlinien ermangelten verbindender Querlinien. Um zunächst eine solche zu erhalten, die die wichtige Handelsstadt Rustschuk mit den gewerbfleißigen Balkanstädten Tirnovo, Trevna und Gabrovo verbindet, den Anforderungen der Landesverteidigung entspricht, und um einen direkten Schienenweg aus Nordbulgarien einerseits nach Burgas, anderseits nach Konstantinopel zu erlangen, wurde der Bau der sog. Transbalkanbahn für erforderlich erachtet. Sie sollte, von Rustschuk ausgehend, die Zentralbahn bei der Station Gornia Orechowitza kreuzen und nach Tirnovo führen. Von hier aus über den Balkan waren 3 Linien in Erwägung zu ziehen, u. zw.; 1. Über Drenovo-Gabrovo-Schipkapaß-Kasanlik-Stara Sagora; 2. über Kilifarevo-Hainköipaß nach Nova Sagora und 3. über Elena nach Sliven oder[158] nach einem Punkte der Linie Nova Sagora-Tschirpan. Zunächst wurde der Bau des ersten Teiles der Transbalkanbahn von Rustschuk bis Tirnovo vergeben. Die Bahn war im Oktober 1900 vollendet und wurde am 8./21. Oktober desselben Jahres eröffnet.

Durch ein Gesetz vom 24. Januar 1904 wurde die Regierung verpflichtet, technische Studien für eine von den 3 früheren Richtungslinien abweichende Trasse über den Balkan vornehmen zu lassen. Am 21. Juni 1905 wurde sodann der Bau der 71 km langen Strecke Tirnovo-Trevna-Boruschtiza vergeben. Die großen Schwierigkeiten des Geländes verzögerten die Ausführung des Baues, der bereits im Jahre 1909 vollendet sein sollte, voraussichtlich aber erst Ende 1912 fertig werden wird. Nur der Teil Tirnovo-Platschkovzi wurde am 17. Juli 1910 dem Betriebe übergeben.

Der Bau der 58 km langen Strecke Boruschtiza-Stara Sagora sollte am 2. November 1910 vollendet sein. Die Schwierigkeiten in der Ausführung auf der südlichen Seite des hier schroff abfallenden Gebirges zeigten sich jedoch noch bedeutender als auf der Nordseite des Balkans, weshalb auch der Bau dieser Teilstrecke der Transbalkanbahn nicht zur festgesetzten Zeit fertig sein konnte und mit Ausnahme des Teils Stara Sagora-Dabovo, der bereits seit 15. August 1911 dem Betriebe übergeben ist, verschoben wurde.

Um den Interessen der Bevölkerung der bedeutenden Stadt Sliven Rechnung zu tragen, wurde von der Staatseisenbahnverwaltung in eigener Regie die 24 km lange Zweigbahn Simnitza-Sliven (im Anschluß an die Linie Jamboli-Burgas) erbaut und am 23. Mai/5. Juni 1907 dem öffentlichen Verkehre übergeben.

Aus handelspolitischen Gründen ist für Bulgarien eine Schienenverbindung mit dem Ägäischen Meere bei Salonik sehr erwünscht. Dieser Wunsch soll durch den Anschluß der bulgarischen Bahnen bei Göschevo an die noch zu erbauende türkische Verbindungslinie Göschevo-Egri Palanka-Kumanovo (letztere Station liegt an der Bahnlinie Zibeftsche-Salonik der orientalischen Bahnen) verwirklicht werden.

Ehe aber noch der Anschluß an die türkische Verbindungslinie mit der türkischen Regierung vertragsmäßig geregelt war, hat die bulgarische Regierung den Bau der 87 km langen Linie Radomir-Küstendil-Göschevo am 28. Juli 1905 an eine Baugesellschaft vergeben, weil durch diesen Schienenweg auch die außerordentlich fruchtbare Landschaft von Küstendil dem Weltverkehre erschlossen wurde. Am 27. Juli/9. August erfolgte die Eröffnung der 54 km langen Strecke Radomir-Küstendil. Die Reststrecke bis an die türkische Grenze wurde im Jahre 1910 dem Betriebe übergeben.

Um die gleichfalls wichtige Handelsstadt Sistov an der Donau, die zur Winterszeit, bei geschlossener Schiffahrt, nur auf den Verkehr mit Fuhrwerken angewiesen ist, mit dem Eisenbahnnetze des Landes zu verbinden, wurde durch ein besonderes Gesetz der Bau einer Zweigbahn von Lewski (Station der Zentralbahn) nach Sistov genehmigt. Die Eröffnung der 51 km langen Linie fand am 10./23. August 1909 statt.

Gleichzeitig mit dem Baue der Linie Lewski-Sistov wurde die 57 km lange Linie Devna-Dobritsch in Angriff genommen. Diese erschließt die sehr getreidereiche Landschaft Deliorman und wurde am 1. Dezember 1910 dem Verkehre übergeben.

Ende 1907 wurde von der Station Zarevalivada aus, die an der im Bau befindlichen Transbalkanbahn Tirnovo-Boruschtiza liegt, der Bau einer Zweiglinie nach der Industriestadt Gabrovo vergeben. Diese 17∙452 km lange Linie kostete 2,730.000 fr. und ist am 29. Januar 1912 dem Betriebe übergeben worden.

Zur weiteren Erschließung des Landes hat Ende des Jahres 1908 die bulgarische Nationalversammlung ein Gesetz wegen Herstellung einer Eisenbahnlinie angenommen, die von der Zentralbahn bei der Station Mezdra-Vratza ausgehend über Vratza nach Widdin führt und Abzweigungen von Boitschinovzi nach Berkovitza und von Brussarzi nach Lom hat. Diese Linien umfassen 244 km. Im Jahre 1909 wurde der Bau an eine Baugesellschaft übertragen. Infolge technischer Schwierigkeiten wird der Ausbau der Linien sich bis etwa Ende 1912 verzögern.

In Bauvorbereitung sind noch folgende Linien:


I. Periode


a) Sofia-Slatitza-Klissura-Karlovo-Kalofer-
Kasanlik-Sliven268 km
b) Pleven-Lovetsch-Gabrovo111 km
c) Radomir-Dubnitza-türkische Grenze 67 km

zusammen 504 km


II. Periode.


a) Tscherwen Preg-Rachovo (an der Donau) 65 km
b) Kapitschan-Silistria (an der Donau) 110 km
c) Stara Sagora-Tirnovo Seymen491/2 km
d) Aitos-Provadia 75 km

zusammen 2991/2 km


Nachdem verschiedene Unterhandlungen mit der türkischen Regierung und der Betriebsgesellschaft der orientalischen Eisenbahnen nur den bescheidenen Erfolg einer Tarifeinheit zwischen den bulgarischen Staatsbahnen und[159] den orientalischen Bahnen in Bulgarien hatten, gab der im September 1908 unter dem Personal der orientalischen Bahnen ausgebrochene Ausstand, wodurch dem Handel Südbulgariens ein beträchtlicher Nachteil zugefügt wurde, der bulgarischen Regierung Veranlassung, den Betrieb der Linien der orientalischen Eisenbahnen auf bulgarischem Gebiete selbst zu übernehmen. Die dadurch herbeigeführte verwickelte Sachlage hatte langwierige Unterhandlungen zwischen den beteiligten Regierungen und zwischen diesen und der Betriebsgesellschaft zur Folge. Diese führten zu einer Vereinbarung, nach der Bulgarien eine Entschädigung auf folgender Grundlage zu leisten hatte: Die durchschnittliche Reineinnahme der letzten 5 Jahre der beschlagnahmten Linien betrug für das km 6489 Fr. Diese ergab zu 5% kapitalisiert und bei Einrechnung einiger weiterer unbedeutender Entschädigungsbeträge eine Summe von rund 411/2 Mill. Fr.

Am 17. Juni 1909 gingen die Linien Vakarel-Bellovo, Bellovo-Sarambey-Tirnovo Seymen-Lubinetz-türkische Grenze und Tirnovo Seymen-Jamboli endgültig in den Besitz des bulgarischen Staates über, und wurde an Stelle der Station Sarambey, Mustafa Pascha als Grenz- und Übergangsstation zwischen beiden Bahnverwaltungen bestimmt.

Kurze Zeit darauf wurde auch der Bau des fehlenden Teiles Philippopel-Tschirpan der sog. Parallellinie begonnen und am 1. Oktober 1910 dem Betriebe übergeben.

Technische Anlage. Der größere Teil der bulgarischen Eisenbahnen hat den Charakter von Gebirgsbahnen. Der Balkan, der das ganze Land von Westen nach Osten bis ans Schwarze Meer durchzieht, entsendet verschiedene Ausläufer weit in die vorlagernde Donauterrasse hinein, die schwer zu überwindende Wasserscheiden bilden. Insgesamt hatten die Linien der bulgarischen Staatsbahnen 12 Wasserscheiden zu überschreiten und bisweilen 5–7 km lange, unausgesetzte Höchststeigungen von 25‰.

Die Hauptlinien Sofia-Varna, Zaribrod-Sofia-türkische Grenze, Rustschuk-Tirnovo und Sofia-Küstendil in einer Gesamtlänge von 1274 km haben Steigungen bis zu 10 921∙441 km, bis zu 15 187∙862 km, bis zu 20 111∙704 km, und bis zu 25 59∙194 km. Etwa 100 km lang durchziehen diese Linien Einschnitte und Pässe, die die Herstellung zahlreicher Kunstbauten erforderten, u. zw. befinden sich auf den Linien der bulgarischen Staatseisenbahnen insgesamt 70 eiserne Flußbrücken über 20 m Länge von zusammen 3937∙5 m, 4 Talbrücken von zusammen 371 m Länge und 33 Tunnel von zusammen 611381 m Länge.

Die Schienen, die zum Teile aus Bessemer-, zum Teile aus Martinsstahl bestehen, haben ein Gewicht von 3032 kg für das laufende m und eine Länge von 8–12 m.

Die Verwaltung der bulgarischen Staatseisenbahnen und Häfen untersteht dem Minister für das Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen. An ihrer Spitze steht ein Generaldirektor mit einem Stellvertreter und ein rechtsverständiger Beirat.

Die Organisation des Dienstes ist die folgende:

I. Sekretariat. In dessen Wirkungskreis fallen Eisenbahnangelegenheiten allgemeiner Natur.

II. Ärztlicher Dienst. An der Spitze steht ein Chefarzt, dem eine Anzahl Linienärzte unterstehen.

III. Verkehrsdienst. Dieser umfaßt den Fahrdienst, die Wagenverteilung, Wagenkontrolle, das Fahrplanwesen, den Telegraphendienst und Personalangelegenheiten, soweit der innere Dienst der Abteilung und der Stationsdienst in Betracht kommt.

IV. Kommerzieller Dienst. Dieser teilt sich in die Einnahmekontrolle in bezug auf den Reise-, Gepäck-, Eilgut- und Güterverkehr sowie auf Verpachtung von Grundstücken. Ferner fallen in den Bereich dieser Abteilung das Reklamations- und Tarifwesen.

V. Zugförderungsdienst. Dieser umfaßt das Maschinenwesen, die Anschaffung und Instandhaltung des rollenden Materiales, den Werkstättendienst, das Materialwesen und im eigenen Bereiche die Personalangelegenheiten.

VI. Bahnerhaltungsdienst. In dessen Bereich fällt die Instandhaltung des Bahnkörpers, der Hoch- und Kunstbauten, der Bahnaufsichtsdienst sowie die Herstellung kurzer, neuer Strecken.

VII. Buchhaltungs- und Ausgabenkontrolle.

An Wohlfahrtseinrichtungen besteht in erster Linie ein Pensionsfonds für staatliche Zivilbeamte und Bedienstete, aus dem auch an die pensionsberechtigten Eisenbahnangestellten Ruhegehälter gezahlt werden, u. zw. im allgemeinen vom 18. Lebensjahre angefangen nach 25jähriger Dienstzeit 1/40 der gesamten Bezüge vom Beginne bis zum Ende der Dienstzeit. Witwen erhalten 40%, Kinder bis zu 20% der Pensionsbezüge des Gatten oder Vaters. Die Gesamtbezüge der Hinterbliebenen dürfen jedoch die ganze gesetzmäßige Pension des Verstorbenen nicht übersteigen.

Außer dem allgemeinen Pensionsfonds besteht bei den bulgarischen Staatsbahnen noch[160] eine Hilfskasse, aus der in Notfällen den Beamten und Bediensteten sowie auch deren Hinterbliebenen einmalige oder zeitweise Unterstützungen und an Angestellte bis zur Höhe ihres Monatsgehaltes Darlehen gegen 5%ige Verzinsung auf die Dauer von 3 Monaten gewährt werden können. Die Einnahmen dieser Kasse bestehen aus den Geldstrafen der Angestellten, aus den Eisenbahnpolizeistrafen und aus Spenden.

Außer diesen beiden staatlichen Wohlfahrtseinrichtungen besteht noch ein von den Beamten und Bediensteten selbst gebildeter Wohltätigkeits- und gegenseitiger Versicherungsverein sowie ein Spar- und Vorschußverein. Nachstehend folgen für die Jahre 1909 und 1910 einige statistische Angaben über Bestand und Leistung der Fahrzeuge sowie über die Betriebsergebnisse.


Stand der Betriebsmittel:1910
Lokomotiven 162
Motorwagen II./III. Klasse 5
Personenwagen 270
Postwagen 34
Gedeckte Güterwagen2.088
Offene Güterwagen1.707

Leistungen der Betriebsmittel:

Gefahrene Züge 34.195
Zurückgelegte Zugs/km 4,642.757
Zurückgelegte Lokomotiv/km 3,725.500
Beförderte Roh/t 8,213.399
Zurückgelegte Achs/km78,245.420

Zahl der beförderten Reisenden 3,069.862; zurücklegte Personen/km 216,809.608.

Befördertes Gepäck 10.089 t; zurücklegte t/km 1,184.023. Befördertes Eil- und Frachtgut 1,490.793 t; zurückgelegte t/km 175,854.843.


Bulgarische Staatseisenbahnen

Karakascheff.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 155-161.
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